Alt werden

Mit Beginn der 1920er Jahre bilden sich in der deutschen Philosophie die Disziplinen der Philosophischen Anthropologie und der Lebensphilosophie aus, deren Grundfragen in den 1990er Jahren eine Renaissance erleben.
sokrates_is_alive
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Sa 10. Okt 2020, 22:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 24. Dez 2019, 08:33
"Warum sagen wir: die Zeit vergeht und nicht ebenso betont: sie entsteht? Im Hinblick auf die reine Jetztfolge kann doch beides mit dem gleichen Recht gesagt werden." (Sein und Zeit 1927)

Wenn wir sagen, dass die Zeit vergeht, meinen wir vielleicht, dass wir selbst vergehen. Wir vergehen in der Zeit.

Kleine Kinder sagen selten: wie die Zeit vergeht! Weil für sie noch nicht viel Zeit vergangen ist, sie selbst sind gerade erst gekommen und nicht am (ver-)gehen.

Vielleicht hängt es auch mit der grundsätzlichen Asymmetrie zusammen, dass wir uns an die Vergangenheit, aber nicht an die Zukunft erinnern können?
Möglicherweise hängt der Begriff "die Zeit vergeht" aber einfach auch mit dem linearen Verständnis von Leben und Zeit in unserem Kulturkreis zusammen. So lautet ein chinesisches Sprichwort:“Was eine Raupe das Lebensende nennt, nennen Weise einen Schmetterling." Heute diskutieren wir das Alter/ Altern häufig unter der unausgesprochenen Prämisse, dass Erfolg/ Positives mit Jugendlichem gleichgesetzt wird, die Industrie und in weiten Teilen auch die sozialen Medien nutzen in immer neuen Denkschleifen das Jugend-Mantra und wenn ich an die Hörgeräte-Werbung mit dem Greis denke, der sich aufführt wie ein Dreißiger, kriege ich immer noch Lachanfälle.
Ferner ist zu bedenken, dass sich bei Kindern ein Zeitgefühl erst im Alter von 6/7 Jahren. Nach Prof. Marc Wittman: "Der größte Unterschied zwischen der Zeitwahrnehmung von Kindern und Erwachsenen ist der Bezug zur Gegenwart. Kinder sind sehr stark gegenwartsorientiert und leben im Hier und Jetzt. Erwachsene hingegen haben verlernt, sich vollkommen auf den Moment einzulassen. Sie denken bereits an die nächsten Termine, kommende Treffen und an noch zu erledigende Aufgaben. (...) Der Blick in die Zukunft spielt für sie also eine besondere Rolle. Je älter man wird, desto zukunftsorientierter werden die Gedanken und Handlungen. Allgemein wechselt die Aufmerksamkeit von Erwachsenen schnell zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft hin und her." Kinder haben diesen Wechsel nicht und nehmen daher nicht nur den Moment in der Gegenwart, sondern die Zeit im Allgemeinen anders wahr. (...)Wie die Zeit wahrgenommen wird und welche Rolle sie in der Gesellschaft spielt, ist auch von Kultur zu Kultur verschieden. In Deutschland sind die Menschen sehr stark uhrzeitorientiert, während in anderen Ländern die Ereigniszeitorientierung entscheidend ist." (https://www.n-tv.de/wissen/frageantwort ... 73716.html) Daher würde ich weder das Vergehen von Zeit noch ihr Entstehen als zutreffende Beschreibung bezeichnen, sondern es ist die Interpretation von Zeit, die unterschiedliche Formulierungen und Wahrnehmung beeinflusst.



"Der Teufel ist ein Optimist. Er glaubt, er könnte die Menschen schlechter machen." (nach Karl Kraus) :roll:

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NaWennDuMeinst
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Do 15. Okt 2020, 22:19

Eine Frau fragt man nicht nach ihrem Alter.
Kennt ihr diese Regel?
Ich frage mich: Warum eigentlich nicht?
Ist Altern eine Schande, etwas das man verbergen muss?
Mein Kumpel sagte neulich er wolle in Würde altern. Was meint er wohl damit?
Ich sehe Stars die weit über 50 sind, aber an ihrem Körper rumschnippeln lassen, damit er wie 20 aussieht.
Warum? Ist ein altes Gesicht denn weniger schön? Es ist doch mindestens auf andere Art schön.
Was uns Falten und Narben und graue Haare alles erzählen können!



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

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Jörn Budesheim
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Mo 15. Feb 2021, 19:17

Innoue Yu-Ichi, ein japanischer Maler und Kalligraph, 1916- 1985 hat geschrieben : „mir meine armut bewahrend, habe ich 66 jahre lang meinen pinsel bewegt. Befragt nach dem geheimnis, das hinter diesem steckt (muss ich antworten:) es gibt keine gesetze (für die kunst)“




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