"Morgen früh, wenn Gott will, ...

In desem Forum kann die Philosophie des deutschen Philosophen Hans Blumenberg diskutiert werden.
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Alethos
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Do 29. Aug 2019, 21:06

Nauplios hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 18:40
In dem Band Permanentes Provisorium gibt es zum Aspekt der Technisierung einen lesenswerten Aufsatz von Alexander Friedrich: "Daseinsgrundprobleme. Blumenbergs Metaphorologie als Kultur- und Technikphilosophie" (S. 75ff); darin heißt es:

"Fortschreitende Technisierung stabilisiert und beschleunigt nicht nur Kommunikations-, Handlungs- und Produktionsabläufe. In Gestalt unerwünschter Technikfolgen produziert sie auch ˋerst die Bedrängnisse, denen abzuhelfen sie theoretisch entworfen war.´" (S. 86) -

"Fortschreitende Technisierung bringt, kurz gesagt, einen zunehmenden Kontrollverlust mit sich. Spätestens in der modernen Technik bekundet sich eine systematische Selbstüberforderung der anthropologischen Vernunft durch ihre eigenen Erfolge ..." (S. 86) -

Aktueller denn je wird in der Dialektik von Lebenswelt und Technisierung durch den Verbund von Neurowissenschaften und KI-Forschung der menschliche Selbst- und Weltbezug in Metaphern gefaßt, die das Gehirn als "Schaltzentrale", als antihierarchisches "Netzwerk" vorstellen.
Können wir dann nicht sagen, dass Metaphern unsere Begriffe zu erweitern versuchen? Begriffe gehen nicht in Opposition zu Metaphern und sie nicht zu Begriffen, aber Metaphern versuchen, begriffliche Paradoxien und Unschärfen zusammenzufassen. "Schaltzentrale" für Hirn stellt sich als Versuch dar, das nicht ganz begriffene und vielleicht nie zu begreifende Funktionieren des Hirns irgendwie thematisch zu machen in seiner ganzen Undeutlichkeit.

Wenn bspw. die Folgen des Fortschritts für die Umwelt als 'Virus' dargestellt werden und der Planet als 'Wirt', versuchen wir doch das Problematische anzuzeigen und suggerieren zugleich, dass nicht alles am Fortschritt gut ist und dass wir 'Gegenmittel' suchen sollten, Gegensteuer geben müssten. Die Metapher scheint deshalb ein Versuch der Einstimmung zu sein auf Bilder, die sich einprägen lassen, weil sie symbolisch das in sich vereinigen, wofür wir entweder keinen Begriff haben, oder nur vage Intuitionen, oder, wo wir Begriffe haben, in schier unüberwindliche Widersprüche geraten. Sie dienen uns dann als eine Art Zwischenbilanz, die man zieht, um sich dank ihr neu zu verorten, neue Horizonte zu entdecken, sich über den 'Saldo in der Haushaltskasse unserer Hauswährung' Rechenschaft zu geben. Denn die Reise will fortgeführt sein und kostet den Preis von Einsichten, die wir begleichen müssen.



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Nauplios
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Fr 30. Aug 2019, 09:25

Alethos hat geschrieben :
Do 29. Aug 2019, 21:06
Nauplios hat geschrieben :
Di 27. Aug 2019, 18:40
In dem Band Permanentes Provisorium gibt es zum Aspekt der Technisierung einen lesenswerten Aufsatz von Alexander Friedrich: "Daseinsgrundprobleme. Blumenbergs Metaphorologie als Kultur- und Technikphilosophie" (S. 75ff); darin heißt es:

"Fortschreitende Technisierung stabilisiert und beschleunigt nicht nur Kommunikations-, Handlungs- und Produktionsabläufe. In Gestalt unerwünschter Technikfolgen produziert sie auch ˋerst die Bedrängnisse, denen abzuhelfen sie theoretisch entworfen war.´" (S. 86) -

"Fortschreitende Technisierung bringt, kurz gesagt, einen zunehmenden Kontrollverlust mit sich. Spätestens in der modernen Technik bekundet sich eine systematische Selbstüberforderung der anthropologischen Vernunft durch ihre eigenen Erfolge ..." (S. 86) -

Aktueller denn je wird in der Dialektik von Lebenswelt und Technisierung durch den Verbund von Neurowissenschaften und KI-Forschung der menschliche Selbst- und Weltbezug in Metaphern gefaßt, die das Gehirn als "Schaltzentrale", als antihierarchisches "Netzwerk" vorstellen.
Können wir dann nicht sagen, dass Metaphern unsere Begriffe zu erweitern versuchen? Begriffe gehen nicht in Opposition zu Metaphern und sie nicht zu Begriffen, aber Metaphern versuchen, begriffliche Paradoxien und Unschärfen zusammenzufassen. "Schaltzentrale" für Hirn stellt sich als Versuch dar, das nicht ganz begriffene und vielleicht nie zu begreifende Funktionieren des Hirns irgendwie thematisch zu machen in seiner ganzen Undeutlichkeit.

Wenn bspw. die Folgen des Fortschritts für die Umwelt als 'Virus' dargestellt werden und der Planet als 'Wirt', versuchen wir doch das Problematische anzuzeigen und suggerieren zugleich, dass nicht alles am Fortschritt gut ist und dass wir 'Gegenmittel' suchen sollten, Gegensteuer geben müssten. Die Metapher scheint deshalb ein Versuch der Einstimmung zu sein auf Bilder, die sich einprägen lassen, weil sie symbolisch das in sich vereinigen, wofür wir entweder keinen Begriff haben, oder nur vage Intuitionen, oder, wo wir Begriffe haben, in schier unüberwindliche Widersprüche geraten. Sie dienen uns dann als eine Art Zwischenbilanz, die man zieht, um sich dank ihr neu zu verorten, neue Horizonte zu entdecken, sich über den 'Saldo in der Haushaltskasse unserer Hauswährung' Rechenschaft zu geben. Denn die Reise will fortgeführt sein und kostet den Preis von Einsichten, die wir begleichen müssen.
Zu dem Wenigen, was von den privaten Vorlieben Blumenbergs bekannt ist, gehört seine an kalten Wintertagen sich bekennende Vorliebe für Grog. In seiner Laudatio anlässlich der Verleihung des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa an Hans Blumenberg hat Odo Marquard diese Vorliebe in Analogie zur Metapher in der Philosophie gesetzt: "Wie beim Grog gilt: Wasser darf, Zucker soll, Rum muß sein, so gilt bei der Philosophie: Formalisierung darf, Terminologie soll, Metaphorik muß sein; sonst nämlich lohnt es sich nicht: dort nicht das Trinken, hier nicht das Philosophieren." (Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung; Jahrbuch 1980 II; S. 56) -

So wie die Ingredienzien des Grog in keinem Verhältnis der Konkurrenz zueinander stehen, so ist es auch in der Philosophie. Dennoch "lohnt" sich das Philosophieren erst, wenn die Metaphorik als "Schuss" die fade Kombination von Formalisierung und Terminologie anreichert. Allein aus der Definition dessen, was als Gründe, Argumente, Tatsachen, Fürwahrhalten u.ä. Anspruch auf Geltung erheben darf, ergibt sich noch keine wärmende Wirkung eines Grog. Das wird in dem Moment anders, wenn man von Definition und Argument auf Erzählung umschaltet. Als "kleine Erzählung" ist die Metapher der Rum in den kalten Nächten der Definition. ;)




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Friederike
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Fr 30. Aug 2019, 10:30

Alethos hat geschrieben :
Do 29. Aug 2019, 21:06
Können wir dann nicht sagen, dass Metaphern unsere Begriffe zu erweitern versuchen? Begriffe gehen nicht in Opposition zu Metaphern und sie nicht zu Begriffen, aber Metaphern versuchen, begriffliche Paradoxien und Unschärfen zusammenzufassen. "Schaltzentrale" für Hirn stellt sich als Versuch dar, das nicht ganz begriffene und vielleicht nie zu begreifende Funktionieren des Hirns irgendwie thematisch zu machen in seiner ganzen Undeutlichkeit.

Wenn bspw. die Folgen des Fortschritts für die Umwelt als 'Virus' dargestellt werden und der Planet als 'Wirt', versuchen wir doch das Problematische anzuzeigen und suggerieren zugleich, dass nicht alles am Fortschritt gut ist und dass wir 'Gegenmittel' suchen sollten, Gegensteuer geben müssten. Die Metapher scheint deshalb ein Versuch der Einstimmung zu sein auf Bilder, die sich einprägen lassen, weil sie symbolisch das in sich vereinigen, wofür wir entweder keinen Begriff haben, oder nur vage Intuitionen, oder, wo wir Begriffe haben, in schier unüberwindliche Widersprüche geraten. Sie dienen uns dann als eine Art Zwischenbilanz, die man zieht, um sich dank ihr neu zu verorten, neue Horizonte zu entdecken, sich über den 'Saldo in der Haushaltskasse unserer Hauswährung' Rechenschaft zu geben. Denn die Reise will fortgeführt sein und kostet den Preis von Einsichten, die wir begleichen müssen.
Ich würde es so zusammenfassen: Eine Funktion der Metapher ist die, zur (u.a. der philosophischen) Begriffs-Bildung beizutragen. Die Metaphorik ist der jeweiligen Lebenswelt entnommen. Die Rückbindung der Metaphern an die Welt, in der zu einer bestimmten Zeit gelebt wird, läßt Rückschlüsse auf die Anbindung der Philosophie bzw. die Anbindung der philosophischen Begriffe (der Theorie) auf die Lebenswelt zu (der Praxis). Eigentlich ganz im Sinne dessen, was man als "Pragmatistische" Philosophie bezeichnet.




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Alethos
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Fr 30. Aug 2019, 12:31

Nauplios hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2019, 09:25
wärmende Wirkung eines Grog
Gefällt mir besonders gut :)



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Alethos
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Fr 30. Aug 2019, 12:33

Friederike hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2019, 10:30
Die Metaphorik ist der jeweiligen Lebenswelt entnommen. Die Rückbindung der Metaphern an die Welt, in der zu einer bestimmten Zeit gelebt wird, läßt Rückschlüsse auf die Anbindung der Philosophie bzw. die Anbindung der philosophischen Begriffe (der Theorie) auf die Lebenswelt zu (der Praxis).
Metaphern als 'Signaturen' des Zeitgeists, von (im Rückblick so verfassten) Epochen?



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Friederike
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Fr 30. Aug 2019, 14:06

Schaut, was ich gefunden -und gelesen habe !!!

"Metapher" ist ein Begriff, und deswegen hat der Begriff "Metapher" selbstverständlich auch (s)eine Geschichte, in der der Begriff "Metapher" selbst metaphorisiert wird.

Alexander Friedrich*, "Meta-metaphorologische Perspektiven" (Zfl, Berlin).

19. Jahrhundert, die Metapher als Äquivalent:
Friedrich hat geschrieben : So figuriert die abgeschliffene Münze als monetäres Palimpsest ein Metaphernmodell, das seine historischen Voraussetzungen in der Logik der neuzeitlichen Ökonomie hat. Unter den Bedingungen einer Kultur, in der Geld als abstraktes Zeichensystem zu einer universalen
Vergesellschaftungsform geworden ist, kann es als ein plausibles Modell der Sprache erscheinen, des Begriffs zumal, der wie das Geld eine Äquivalenz zwischen Nicht-Identischem herstellt. Woraus noch keine Identität der Logik des Geldes mit jener der Sprache folgt, doch setzt die monetäre Metaphorik beide in Analogie zueinander.
20. Jahrhundert, die Metapher als Gewebe:
Friedrich hat geschrieben : Der Bezug der Geld-Metaphorik zum historischen Bewusstsein der Moderne unter den Bedingungen der funktional differenzierten Gesellschaft schreibt sich den Meta-Metaphoriken im 20. Jahrhunderts unter veränderten Bedingungen weiter fort. Spätestens mit dem linguistic turn setzt jene Reflexion auf die unhintergehbare Kontingenz der Sprache ein, die alle sprachphilosophischen Hoffnungen der etymologischen Metapherntheorie desavouiert, insofern Sprache nun nicht mehr als die richtige oder falsche Repräsentation eines natürlichen Weltbezugs, sondern als ein immer schon kulturell bedingtes Zeichensystem gedacht wird. Dies hat weitreichende Folgen für das Verhältnis von Begriff und Metapher, das nun einer grundsätzlichen Revision unterzogen wird. Während das neu aufkommende Modell der Projektion als eine Modernisierung der optischen Technotropie erscheint, lässt sich eine paradigmatische Umbesetzung innerhalb jener ›Schicht von Gründer-Tropen‹ verzeichnen, die Derrida als ein ›Netz von Philosophemen‹ bezeichnet. Als eine textile Metapher weist das Netz eine bis in die Antike zurückgehende Tradition des Sprechens über Sprache auf, die sich noch in vielen lexikalisierten Wendungen erhalten hat, wenn etwa die Rede davon ist, dass man den Faden aufnimmt, sich in Widersprüchen verstrickt, Thesen entwickelt, Argumente verbindet, Aussagen verknüpfet – so geht auch der Begriff des Textes auf das lateinische Verb texere für weben und flechten zurück. Mag die Metaphorik ursprünglich im Blick auf die Kunst der Textiltechnik im Verarbeiten kleinster Fasern zu einem komplexen Gebilde entstanden sein (noch das Wort komplex geht auf das lateinische complexus zu plectere zurück und heißt also: zusammengeflochten), erhält sie in ihrer Wiederbelebung durch die sprachphilosophische Reflexion eine neue Bedeutung.
Die Geschichte des Begriffes "Metapher" kann man sicher auch ganz anders schreiben. Diese jedoch, die auf die gesellschaftlichen Lebensumstände (Lebenswelt) rekurriert, finde ich faszinierend und plausibel.

*Identisch, zweifellos? :lol:, mit dem Tagungsteilnehmer von "Permanentes Provisorium".




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Friederike
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Fr 30. Aug 2019, 15:17

"Tropisch, Tropen" - den Begriff habe ich nachsehen müssen:
"Humboldt-Archiv" hat geschrieben : Die Tropen sind eine klimatische Kategorie, aber eben auch eine kulturelle Bestimmung. Ein sinnliches, von Zweifeln und Krisen verschontes „tropisches“ Lebensgefühl“ lässt sich schließlich grenzüberschreitend vermarkten wie ein Allheilmittel für eine von der emotionalen Unterkühlung heimgesuchten und entzauberten, rationalistischen Welt. Dieses Phänomen könnte man auch als den „tropischen Code“ bezeichnen. Dieser Code ist weder an ein spezifisches Land noch an eine Kultur gebunden, dafür an die kulturübergreifende Verheißung, dass ein perfektes Wetter, ein tropisches Ambiente und nicht zuletzt die Einverleibung tropischer Produkte glückliche Menschen und paradiesische Zustände hervorbringen kann.
Zu der Arbeit von A. Friedrich, der "Metapher" historisiert, möchte ich meine Bewunderung noch anmerken. Sicher, an Aristoteles kommt man schwer vorbei, wenn man nach der Bedeutung der Metapher fragt. Aber die Texte und die Autoren, die sich mit der Metapher befassen, schweben ja nicht mit einer Überschrift im Raum herum, sie drängen sich nicht von alleine auf, man muß sie suchen und vor allen Dingen muß man sie aus-suchen, und dann muß man die "Verknüpfungen" (Netz, Gewebe) zur Lebenswelt herstellen (Paradigmen der Übertragung, Repräsentation). Das ist, wie ich finde, eine reichlich kreative Tätigkeit.




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Jörn Budesheim
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Fr 30. Aug 2019, 15:33

Sehr spannend ist übrigens auch, wie die Metapher etwas bedeutet! Wie ist es möglich, dass wir die Rede von der nackten Wahrheit verstehen?




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Nauplios
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Fr 30. Aug 2019, 20:18

Friederike hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2019, 15:17
"Tropisch, Tropen" - den Begriff habe ich nachsehen müssen:
"Humboldt-Archiv" hat geschrieben : Die Tropen sind eine klimatische Kategorie, aber eben auch eine kulturelle Bestimmung. Ein sinnliches, von Zweifeln und Krisen verschontes „tropisches“ Lebensgefühl“ lässt sich schließlich grenzüberschreitend vermarkten wie ein Allheilmittel für eine von der emotionalen Unterkühlung heimgesuchten und entzauberten, rationalistischen Welt. Dieses Phänomen könnte man auch als den „tropischen Code“ bezeichnen. Dieser Code ist weder an ein spezifisches Land noch an eine Kultur gebunden, dafür an die kulturübergreifende Verheißung, dass ein perfektes Wetter, ein tropisches Ambiente und nicht zuletzt die Einverleibung tropischer Produkte glückliche Menschen und paradiesische Zustände hervorbringen kann.
Vermutlich meint A. Friedrich eher diese Art von Tropen:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Tropus_(Rhetorik)




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Friederike
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Sa 31. Aug 2019, 08:48

Ich hatte es befürchtet, weil ich sehr viel Phantasie habe aufbringen müssen, um die Erklärung passend zu machen.

Heute sag' ich nichts mehr, weil ich die Schmach verwinden muß.




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Nauplios
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So 1. Sep 2019, 08:45

Bevor die vermeintliche "Schmach" eine schreibhemmende Wirkung entwickelt, liebe Friederike: ist es nicht in Wirklichkeit so, daß die Phantasie, die aufzubringen nötig war, um die Erklärung passend zu machen, die ungleich größere Kreativität beweist als es das unmittelbare Verständnis der Tropen je vermocht hätte!? ;-) Nimm es als legitimiert durch die Blumenberg' sche Kultur des Umwegs. ;-)

Und fühl' Dich sanft berührt von einer zarten Neigung, die mein Herz für Dich erfaßt. ;-)




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Friederike
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So 1. Sep 2019, 08:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 30. Aug 2019, 15:33
Sehr spannend ist übrigens auch, wie die Metapher etwas bedeutet! Wie ist es möglich, dass wir die Rede von der nackten Wahrheit verstehen?
Da mir von Freitag bis heute nicht klar geworden ist, wie ich Deine Frage nach dem "wie" verstehen soll, frage ich jetzt doch. Kannst Du die Frage vielleicht etwas anders und so formulieren, daß ich sie verstehe?!




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Jörn Budesheim
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So 1. Sep 2019, 09:14

Wie kommt es, dass wir Metaphern im allgemeinen, in Liedern oder in der Poesie überhaupt verstehen können, ist die Frage: "Guten Abend, gut' Nacht! Mit Rosen bedacht, Mit Näglein besteckt ..."

Man spricht dann z.b. von einer übertragenen Bedeutung, das sagt meines Erachtens aber nicht viel, außer dass wir es eben mit einer Metapher zu tun haben, finde ich.




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Friederike
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So 1. Sep 2019, 11:38

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 09:14
Wie kommt es, dass wir Metaphern im allgemeinen, in Liedern oder in der Poesie überhaupt verstehen können, ist die Frage: "Guten Abend, gut' Nacht! Mit Rosen bedacht, Mit Näglein besteckt ..." Man spricht dann z.b. von einer übertragenen Bedeutung, das sagt meines Erachtens aber nicht viel, außer dass wir es eben mit einer Metapher zu tun haben, finde ich.
Hm, lernen wir die metaphorischen Wörter, Redewendungen nicht genau s o wie alle anderen Wörter der Sprache? "Sehen" bedeutet das optische Sehen (mit den Augen) und wir lernen, daß "sehen" auch "erkennen" bedeutet. Die vielfältigen Bedeutungen eines Ausdrucks, je nachdem, in welchem Kontext er verwendet wird, lassen mir eine scharfe Abgrenzung zwischen "Metapher" und "Begriff" oder einfachen, anderen Wörtern zweifelhaft scheinen. Man kann eigentlich kaum noch von "Übertragung" sprechen ... weshalb es oft nicht einfach ist, eine Metapher als solche überhaupt zu erkennen.




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So 1. Sep 2019, 18:57

Es hat hier zwar überhaupt niemand behauptet, die Thematisierung der Metapher sei eine alberne und höchst unnütze Angelegenheit ... ha, ich glaube fast, mir ist der anthropologische Bezug, den man, den Blumenberg herstellt, nicht sooo deutlich gewesen.
M. Kroß hat geschrieben : Das Geheimnis der Metapher(n) hat sich mittlerweile zu einem Gespenst der Philosophie entwickelt. Trotz zahlreicher Versuche ihrer Hegung durch Theoretisierung entzieht sich die Metapher doch hartnäckig der philosophischen Analyse und Reduktion. Es liegt daher nahe, sie mit Blumenberg als Konstituens nicht nur der menschlichen Sprache zu fassen, sondern zugleich auch das, wofür die Metapher sprachlich steht, als Metapher für das menschliche In-der-Welt-sein selbst zu nehmen. Das Über-tragen wird auf diese Weise zum Absehen von den Fundierungen des menschlichen Weltbezugs, zu einer sprachlich-konzeptionellen Invention zur strategischen Wirklichkeitsvermeidung. Die Metapher wird damit zu einem nachgerade gespenstischen Wesen, nämlich einem Figur des Widergängers, der kraft seiner Anwesenheit die unheimliche Abwesenheit der Wirklichkeit in ständiger Präsenz hält und auf diese Weise den epochalen phänomenologischen Riss des Weltverhältnisses des Menschen nicht zu heilen vermag.
(Quelle)




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Di 3. Sep 2019, 01:38

Friederike hat geschrieben :
So 1. Sep 2019, 18:57

Es hat hier zwar überhaupt niemand behauptet, die Thematisierung der Metapher sei eine alberne und höchst unnütze Angelegenheit ... ha, ich glaube fast, mir ist der anthropologische Bezug, den man, den Blumenberg herstellt, nicht sooo deutlich gewesen.
Ohne den anthropologischen Bezug ist das Anliegen der Metaphorologie im Grunde gar nicht zu verstehen. Aus den Paradigmen heraus ist das anthropologische Motiv nur erst vage zu erkennen; explizit zeigt es sich in der Anthropologischen Annäherung an die Aktualität der Rhetorik, wo es heißt, der menschliche Wirklichkeitsbezug sei grundsätzlich metaphorisch konstituiert. Die Metapher sei eine "authentische Leistungsart der Erfassung von Zusammenhängen" (Schiffbruch mit Zuschauer; S. 77). -

Blendet man diesen anthropologischen Hintergrund aus, schrumpft die Metaphorologie ebenso wie die Theorie der Unbegrifflichkeit auf eine, wenn nicht "unnütze", so doch philosophisch eher belanglose Schwundstufe zusammen, die man den Linguisten überantworten könnte. Bei der Definition der Metapher hat Aristoteles die Vorarbeit geleistet; diese reicht für das Verständnis der Metapher und ihre philosophische Handhabung in der Theorie der Unbegrifflichkeit völlig aus. Blumenberg geht es um die Funktion der Metapher, um das; was sie im Vollzug der Selbstbehauptung des Daseins leistet. Eine sprachanalytische Theorie der Metapher, die auf die Bedeutung der Metapher zielt, wäre etwas ganz anderes. -




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Jörn Budesheim
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Di 3. Sep 2019, 05:15

Wirklich etwas ganz anderes? Geht es dabei um die Frage nach der Bedeutung, also im Grunde um die Frage, was jede einzelne Metapher bedeutet? Oder geht es eher darum, wieso Metaphern überhaupt etwas bedeuten können? Wieso verstehen wir einen Satz, der wortwörtlich genommen falsch oder Unsinn ist, dennoch? Die Wahrheit ist keine Insel und der Mensch ist auch nicht des Menschen Wolf.

Die Frage, wieso wir Gedichte verstehen, hängt meines Erachtens eng damit zusammen: wieso können wir uns einen Reim darauf machen, dass wir nachts mit Rosen bedacht werden? Wieso können uns Dinge anrühren, die gar nicht da sind? Ist der Kussmund beim langen üüü eine Metapher oder das einzig wortwörtliche/körperliche in diesem Gedicht? Und wenn wir erst einmal an diesem Punkt sind, können wir uns dann nicht fragen, inwiefern die Rede von Gott, der uns morgen früh, wenn er denn will, weckt, eine Metapher ist?

Woher weiß man, bevor man dieser Frage nachgegangen ist, dass sie keine anthropologische Dimension hat? Wie sollte es überhaupt möglich sein, dass das Verstehen von Bildern und Gedichten keine anthropologische Dimension hat? Denn letztlich dürften alle philosophischen Fragestellungen auch eine anthropologische Dimension haben ...




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Jörn Budesheim
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Di 3. Sep 2019, 06:30

Was könnte es heißen, dass Metaphern eine Übertragung sind? Ich habe noch eine sehr vage Erinnerungen aus dem Studium. Dort hieß es, Metaphern seien Migranten. Das bedeutet, dass sie ihre Differenzierungsleistung von einem Feld in ein anderes übertragen können. Das ist selbst eine Metapher und man kann es dir ganz gut ablesen, was sie meint.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Sep 2019, 06:30
Was könnte es heißen, dass Metaphern eine Übertragung sind? Ich habe noch eine sehr vage Erinnerungen aus dem Studium. Dort hieß es, Metaphern seien Migranten. Das bedeutet, dass sie ihre Differenzierungsleistung von einem Feld in ein anderes übertragen können. Das ist selbst eine Metapher und man kann es dir ganz gut ablesen, was sie meint.
Dieses Modell setzt eine Unterscheidung von Gegenstandsbereichen voraus. Das beträfe die kategoriale Metapher. Nauplios hatte G. Gabriel zitiert:
Gabriel hat geschrieben : Als Beispiel sei hier das aus der Chemie übernommene Metaphernpaar 'gesättigt - ungesättigt' angeführt, daß Frege dazu dient, die Unterscheidung zwischen den logisch einfachen und daher nicht definierbaren kategorialen Begriffen des Gegenstandes und der Funktion zu erläutern und die logische Struktur der prädikativen Aussage als Sättigung eines ungesättigten Begriffs durch einen abgeschlossenen Gegenstand zu bestimmen.
"Gesättigt" und "ungesättigt" sind nun aber ebenso 2 Wörter, die man für die menschliche Befindlichkeit verwendet. Also 3 Gegenstandsbereiche. Frege, die Chemie, so kann man für dieses Beispiel wohl sicher sagen, übertragen die Wörter vom körperlich-mentalen, d.h. menschlichen Bereich (eigentlich werden sie bei der Übertragung zu Begriffen).

Was steht es mit den einfachsten Einheiten? Sehen, ergreifen, vorlegen, riechen, aufnehmen ... alles Worte, die im Sinne-Bereich eine Bedeutung haben und die zugleich im Geist-Bereich eine Bedeutung haben. Grammatikalisch bezeichnet man diese Wörter wohl als Metonyme? Ich würde sie nicht unter den Begriff "Metapher" fassen, weil man nicht sagen kann, woher und wohin "übertragen". Es sind Wörter, die mehrfache oder mindestens eine zweifache Bedeutung haben. Aber man könnte sie auch als "Metapher" verstehen, sofern man einen Bereich als sozusagen originären Bereich angibt.




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Jörn Budesheim
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Friederike hat geschrieben :
Di 3. Sep 2019, 15:38
Das beträfe die kategoriale Metapher.
Wirklich? Wenn man ein Tief hat oder eine hohe Stimme, sind das dann ein kategoriale Metaphern? Oder sind es einfach Metaphern?




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