Fußabdruck

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 1. Dez 2022, 21:40

Günther Wessel, Klimakrise hat geschrieben : Es ist ein altes Argument von Fridays for Future, dass die klimabewegten Jugendlichen erstmals aussprachen, als im Januar 2019 die damalige Bundesregierung ihren sogenannten Kohlekompromiss verkündete: Warum entscheidet ein Gremium über eine Zukunft, die es selbst nicht mehr erleben wird? Es war ein gemeines Argument, aber auch ein treffendes. Das Durchschnittsalter der Kohlekommission lag bei 57 Jahren. Und Menschen, die heute 50 bis 60 Jahre alt sind, werden vermutlich noch in einer Zeit leben, in der das Klimaziel von 1,5 Grad noch nicht gerissen ist. Das kann zwar auch schon zu größeren Naturkatastrophen führen, aber irgendwie scheint man sich damit ja einrichten zu können. 2,5 Grad, 3 Grad, 4 Grad – das erleben dann die nachfolgenden Generationen. Was zynisch klingt, scheint aber genau so zu sein. Eine Umfrage des Naturschutzbundes Deutschland bestätigte im Vorwahlsommer 2021: Je älter die Menschen sind, desto weniger richten sie ihr Wahlverhalten an den Klimaschutz-Interessen der jüngeren Generation aus. In der Gruppe der Menschen, die über 50 Jahre alt sind, sagten nur 30 Prozent, dass sich ihre Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl an den Klima- und Naturschutzinteressen der jungen Generation orientiere ...
Sollten wir das Wahlalter senken?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 2. Dez 2022, 06:29

Günther Wessel, Klimakrise hat geschrieben : [Verzicht] Doch was ist das überhaupt? [In dem Zusammenhang, um den es geht. Z.b:] Verzichten wir in Deutschland auf etwa zwei Drittel unserer Autos, verzichten wir auch: auf Dreck, Lärm, Feinstaub. Und gewinnen: ruhigere Städte, Raum auf den Straßen, Raum für Kinder, die dort spielen können, eine sicherere Fahrradinfrastruktur, bessere Luft, Parks und öffentliche Räume. Durch den Wegfall von Parkplätzen Raum für Stadtgrün – Bäume und Büsche und nicht versiegelte Fläche, die die Städte klimaresilienter machen. Und, und, und. Nur das Blech ist weg. Ist das wirklich Verzicht? Vielleicht lernen wir auch dadurch, wie ein besseres Leben aussehen kann.

...

Obwohl wir für das meiste politische Handeln gesellschaftliche Regeln brauchen, lohnt sich das individuelle Handeln dennoch. Schon, weil wir nicht auf die ideale Welt warten können. Und auch, weil es gut ist, nicht immer die erkannten und sichtbaren Probleme zu verdrängen. Nicht immer mit der eigenen kognitiven Dissonanz zu leben. Damit zu leben, dass man weiß, dass das, was man tut, nicht sinnvoll ist, aber immer wieder neue Entschuldigungen dafür suchen oder alte dafür zu aktivieren, doch gegen besseres Wissen zu handeln. Leben im Einklang mit sich selbst – so verkehrt ist das nicht.

...

... insgesamt muss der Fahrzeugbestand deutlich zurück gehen. Vom privaten Pkw muss auf Bus oder Bahn verlagert werden oder auf das Fahrrad, das in den Städten wieder die Rolle einnehmen muss, die es vor knapp 60 Jahren hatte: das Individualverkehrsmittel Nr. 1 zu sein. Das macht die Städte auch leiser und sie und uns gesünder.

...

Die einfachste Maßnahme, mit der man direkt 2,6 Millionen Tonnen CO2 einsparen könnte, wäre übrigens ein Tempolimit auf der Autobahn von 120 km/h. Eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h innerorts und 80 km/h auf Landstraßen wäre zusätzlich sinnvoll – auch um die Unfallzahlen zu reduzieren.




Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Fr 2. Dez 2022, 10:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 1. Dez 2022, 21:40
Günther Wessel, Klimakrise hat geschrieben : Es ist ein altes Argument von Fridays for Future, dass die klimabewegten Jugendlichen erstmals aussprachen, als im Januar 2019 die damalige Bundesregierung ihren sogenannten Kohlekompromiss verkündete: Warum entscheidet ein Gremium über eine Zukunft, die es selbst nicht mehr erleben wird? Es war ein gemeines Argument, aber auch ein treffendes. Das Durchschnittsalter der Kohlekommission lag bei 57 Jahren. Und Menschen, die heute 50 bis 60 Jahre alt sind, werden vermutlich noch in einer Zeit leben, in der das Klimaziel von 1,5 Grad noch nicht gerissen ist. Das kann zwar auch schon zu größeren Naturkatastrophen führen, aber irgendwie scheint man sich damit ja einrichten zu können. 2,5 Grad, 3 Grad, 4 Grad – das erleben dann die nachfolgenden Generationen. Was zynisch klingt, scheint aber genau so zu sein. Eine Umfrage des Naturschutzbundes Deutschland bestätigte im Vorwahlsommer 2021: Je älter die Menschen sind, desto weniger richten sie ihr Wahlverhalten an den Klimaschutz-Interessen der jüngeren Generation aus. In der Gruppe der Menschen, die über 50 Jahre alt sind, sagten nur 30 Prozent, dass sich ihre Wahlentscheidung bei der Bundestagswahl an den Klima- und Naturschutzinteressen der jungen Generation orientiere ...
Sollten wir das Wahlalter senken?
Auch wenn ich seit ewigen Zeiten nicht mehr wähle, kenne ich noch die fünf Wahlgrundsätze: allgemein, unmittelbar, frei, geheim, gleich.

Wer am Wahlrecht rumschrauben möchte, weil es ihm ein Dorn im Auge ist, dass Stimmen gleich gewichtet werden, der muss sich schon nach seiner Einstellung zu den Wahlgrundsätzen fragen lassen. Wahlen sind frei, also ist niemand Rechenschaft darüber schuldig, ob seine Wahlentscheidung irgendeines anderen Zukunft ausreichend berücksichtigt. Wahlen sind gleich, das heißt eine Stimme eine Tag vor dem Tod des 90-jährigen Wählers wird so gewichtet wie die Stimme des Achtzehnjährigen. Und Wahlen sind zudem geheim, daher sind solche Forschungen ohnehin grenzwertig.

Wer glaubt, 16-Jährige seien unbedingt reif zum Wählen, kann das ja begründen. Aber nicht mit der längeren Lebenserwartung. Das verstößt gegen die Wahlgrundsätze.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 3. Dez 2022, 08:00

Günther Wessel, Klimakrise hat geschrieben : Wir müssen nicht zurück in die 1960er Jahre gehen – wir müssen nur davon wegkommen, immer mehr zu wollen. Wir wissen instinktiv und individuell, dass es ein Fehler ist, dass Autos immer größer werden, dass wir immer mehr und viel zu viel konsumieren und sinnlos Dinge anhäufen. Liegt Freiheit darin, sich nie individuell einschränken zu müssen? Oder besteht sie darin einzusehen, dass man nicht auf Kosten anderer Menschen – und auch nicht auf Kosten zukünftiger Generationen – leben will oder gar muss? Auch das ist eine Debatte, die wir eben nicht nur individuell, sondern als Gesellschaft neben den ganzen technischen, fiskal-, verkehrs- und umweltpolitischen Disputen viel stärker führen müssen: Wie wollen wir wirklich leben? Wie sieht ein gelungenes glückliches Leben aus?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23267
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 7. Dez 2022, 07:43

Markus Vogt hat geschrieben : Vor diesem Hintergrund ist der wichtigste Beitrag Deutschlands zum Klimaschutz nicht in Kohlendioxidtonnen zu messen. Er liegt vielmehr in der Vorbildwirkung. Reiche Länder wie das unsere werden weltweit nachgeahmt. Wenn wir zum Beispiel eine klima- und sozialverträgliche Energiewende schaffen, hat das globale Signalwirkung. Der Atomausstieg ist noch keine Energiewende. Diese schließt vielmehr eine umfassende Abkehr vom »fossilen Stoffwechsel« unserer Lebens- und Wirtschaftsweise mit ein.

Zitiert nach: Dieter Birnbacher, Klimaethik




ahasver
Beiträge: 275
Registriert: Di 25. Sep 2018, 09:55

Mi 7. Dez 2022, 09:50

Was die Autoren Wessel und Vogt in den obigen Links schreiben ist doch fast jedem klar bewusst. Aber die deutsche Regierung kann sich noch nicht mal zu einem Tempolimit durchringen. Da bin ich wirklich fassungslos. Um die Biosphäre, so wie wir sie kennen und wie sie uns gut tut, noch zu retten wären aber noch viel "krassere", unseren Lebensstil deutlich zurechtstutzende Maßnahmen erforderlich. Maßnahmen, die wir allerdings gut verkraften könnten und die einem guten Leben vielleicht sogar förderlicher wären als unser stupider Konsum, deren Durchsetzung die diversen Lobbys, dabei auf unsere Trägheit bauend, allerdings noch so lange verhindern werden, bis es sowieso zu spät sein wird. Und das wird schon sehr bald sein. Es tut mir leid, ich habe keine Hoffnung mehr.

Der Club of Rome hat rechtzeitig gewarnt. Die Aufarbeitung der Art und Weise wie und von wem und warum seine Analysen beiseite gefegt wurden wäre wichtig.



"Ich kann mich auch irren und nichts ist so sicher, als dass alles auch ganz anders ist."

Benutzeravatar
AndreaH
Beiträge: 489
Registriert: Mo 18. Jan 2021, 21:04
Wohnort: Österreich

Di 13. Dez 2022, 01:18

Ich finde den Gedanken spannend,
eigentlich müsste es doch möglich sein,.... wenn man den technischen, finanziellen und globalen Blickwinkel betrachtet...
dann müsste es doch möglich sein,
"Das jedem Menschen auf diesem Planeten Erde erneuerbare Energiequellen kostenlos zur Verfügung stehen."
Diese Energie ist da und frei vorhanden, auf jedem Fleckchen Erde in unterschiedlicher Form nutzbar. Die Technik ist außerdem auf dem Stand das wir diese Energien nutzen können. Die Kosten wären in einem überschaubaren Rahmen. Ich frage mich, warum solche Zielsetzungen nicht weltweit im Raum stehen?!




Antworten