PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Was ist jetzt mit den weiteren Normen?




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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 19:54
Mit Wahheit im realistischen Sinne hat das so erstmal nichts zu tun, was man daran sieht, dass sich mit der Logik Dinge logisch korrekt konstruieren lassen die mit Wahrheit und Wirklichkeit nicht das Geringste zu tun haben.
Die Logik zeigt uns nur, wie man wahrheitserhaltend schließen kann. Wenn man jedoch beteuert, dass die Wahrheit nicht zu erreichen ist, kann einem daher auch nicht Logik helfen.




Burkart
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Mi 2. Mär 2022, 23:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 21:22
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 19:54
Mit Wahheit im realistischen Sinne hat das so erstmal nichts zu tun, was man daran sieht, dass sich mit der Logik Dinge logisch korrekt konstruieren lassen die mit Wahrheit und Wirklichkeit nicht das Geringste zu tun haben.
Die Logik zeigt uns nur, wie man wahrheitserhaltend schließen kann. Wenn man jedoch beteuert, dass die Wahrheit nicht zu erreichen ist, kann einem daher auch nicht Logik helfen.
Na ja, man kann auch Wahrheit gedanklich für logische Folgerungen annehmen, auch wenn sie nicht wirklich oder ganz erreichbar sein sollte.
In der Informatik gibt es z.B. Fuzzy-Logik, die von unscharfen Wahrheitswerten ausgeht und auf ihnen logisch folgernd operiert.

Ein praktisches Beispiel:
Wenn ich es auch nicht sicher weiß, aber die Wahrscheinlichkeit mir hoch erscheint, dass es regnen könnte, folgere ich daraus (sicherheitshalber), dass ich mich auf den Regen einstelle (z.B. einen Schirm mitnehme).



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Friederike
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 17:50
Wenn man sagt, dass man die Wirklichkeit nicht erkennen kann, dann kann die Wirklichkeit nicht die Norm der Richtigkeit meiner Ansichten sein. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Das aber ist doch nicht die Aussage des Konstruktivismus? Es wird nicht behauptet, es gäbe eine nicht erkennbare Wirklichkeit. Diese eine Wirklichkeit wird nicht vorausgesetzt.




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Jörn Budesheim
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Ja, es gibt auch Formen des Konstruktivismus, die auf den Begriff Wirklichkeit ganz verzichten und nur unsere Konstruktionen sehen. Das ändert aber nichts, denn auch dann kann die Wirklichkeit nicht die Norm unseres Fürwahrhaltens sein.

Es gibt nach meinem Empfinden übrigens einen recht weiten Konsens in der Philosophie, dass diese Positionen ungefähr ab 9/11 für sehr viele an Attraktivität eingebüßt haben, manche sprechen auch von einer Wende, denn dieser Anschlag war (wie es heißt) ein zu großer "Realitätsschock". Allerdings ist diese Position in manchen Teilen der Geisteswissenschaften immer noch recht beliebt. Und (zu meinem Leidwesen) auch in der Kunstszene. Allerdings habe ich vor kurzem mit einer jungen Kunstwissenschaftlerin gesprochen, die sogar Paul Boghossians "Angst vor der Wahrheit" kannte - das macht Hoffnung.




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NaWennDuMeinst
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Do 3. Mär 2022, 10:14

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 21:02
Was ist jetzt mit den weiteren Normen?
Na alle unsere Ideale zum Beispiel haben nichts mit der (vorhandenen) Wirklichkeit zu tun, leiten aber unser Denken und Handeln.
Auch Wünsche, Träume, Hoffnungen. Religion auch würde ich sagen.
Es gibt doch tausende Beispiele.



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Do 3. Mär 2022, 10:17

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 21:22
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 2. Mär 2022, 19:54
Mit Wahheit im realistischen Sinne hat das so erstmal nichts zu tun, was man daran sieht, dass sich mit der Logik Dinge logisch korrekt konstruieren lassen die mit Wahrheit und Wirklichkeit nicht das Geringste zu tun haben.
Die Logik zeigt uns nur, wie man wahrheitserhaltend schließen kann.
Wenn der Mond aus Käse ist, kann man ihn essen.
Das mag "wahrheitserhaltend" sein, mit Wirklichkeit hat das aber nichts zu tun.
Die angewandte Logik, die Mathematik ist voll von "Wahrheiten" die sich um die Wirklichkeit (wie sie "an sich" ist) einen Teufel scheren.
Da geht es sehr oft um ein "was wäre wenn" und "wie wäre die Wirklichkeit dann":
Wer sich der Logik bedient ist noch lange kein Realist. Und wer kein Realist ist muss deshalb nicht die Logik aufgeben.
Natürlich gibt es auch für Konstruktivisten verwendbare Normen und Regeln an denen sie sich orientieren können um nicht in eine völlige Beliebigkeit (zum Beispiel in der Argumentation) zu verfallen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Do 3. Mär 2022, 10:27, insgesamt 3-mal geändert.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 09:11
Ja, es gibt auch Formen des Konstruktivismus, die auf den Begriff Wirklichkeit ganz verzichten
Schön dass Du zumindest anerkennst, dass es Formen des Konstruktivismus gibt.
(Ich bin übrigens nach wie vor der Meinung, dass auch jeder Realismus - ausser die naiven oder absurden Formen - konstruktivistische Elemente hat)



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 10:17
Das mag "wahrheitserhaltend" sein, mit Wirklichkeit hat das aber nichts zu tun.
Da wird eben keine Wahrheit erhalten. Die logische Form (die Gesetze des Wahrseins) erhalten die Wahrheit, wenn sie vorliegt. Aber ohne Wahrheit gibt es nichts zu erhalten. Deswegen hilft Logik nichts, wenn man die Wahrheit schon verabschiedet hat, denn dann ist da eben nichts, was erhalten werden kann.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 10:27
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 10:17
Das mag "wahrheitserhaltend" sein, mit Wirklichkeit hat das aber nichts zu tun.
Da wird eben keine Wahrheit erhalten.
Ja, eben. Die Denkregeln führen nicht zwingend zur Wirklichkeit, noch muss diese Wirklichkeit eine Rolle spielen.
Der Konstruktivist kann also sehr wohl auch ohne eine Wahrheit im realistischen Sinne anzunehmen dennoch Regeln folgen.
Konstruktivismus ist nicht das Selbe wie Beliebigkeit.
Das nimmst DU aber immer an (und dagegen argumentierst Du). Das ist aber falsch.



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Nein, er kann das Spiel des Wahrheitserhaltens nicht spielen und zugleich sagen, es gibt keine Wahrheit, die zu erhalten wäre. Ohne den grundlegenden Einsatz (Wahrheit) hat dieses Spiel keinen Sinn, denn es ist sinnlos zu sagen, es gäbe keine Wahrheit, sich aber gleichzeitig auf die Gesetze des Wahrseins zu berufen.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:08
Nein, er kann das Spiel des Wahrheitserhaltens nicht spielen und zugleich sagen, es gibt keine Wahrheit, die zu erhalten wäre.
Wo sagt er das denn?
Es geht darum, dass wir nicht wissen können wie die Wirklichkeit an sich ist.
Diese Information können wir nicht haben, und zwar aus Prinzip nicht (weil wir nicht aus unserem Denken rauskommen und die Welt sozusagen sehen können wie sie abzüglich unseres Denkens ist - es gibt diesen neutralen Standpunkt für uns nicht.).
Das heißt ja aber nicht, dass alles was ein Mensch behaupten kann deshalb den gleichen "Wahrheitswert" hat.
Ein Konstruktivist behauptet ja nicht, dass er voraussetzungslos denkt. Er behauptet ja gerade das Gegenteil.
Natürlich kann man Argumente auf Basis der zur Verfügung stehenden Informationen und der zugrundeliegenden Denkregeln auch auswerten und bewerten.
Nochmal: Konstruktivismus heißt nicht "alles ist egal" oder "alles ist gleich".



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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:23
Wo sagt er das denn?
Das ist eine der Grundpositionen des Konstruktivismus. Weiter oben hat Nietzsche das sinngemäß so ausgedrückt: "Es gibt keine Tatsachen, nur Interpretationen." Wenn es aber keine Tatsachen gibt, dann gibt es nichts, aber auch gar nichts, woran ich den Wert der Interpretation bemessen kann. Es gibt dann keinen Unterschied zwischen einer schlechten und einer guten Interpretation, einfach, weil in dieser Position die Tatsachen als Maß nicht herangezogen werden können.




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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:23
weil wir nicht aus unserem Denken rauskommen
Das ist wohl der Grundfehler dieser Position, zu glauben, wir müssten aus unserem Denken erst noch aus einem Inneren herauskommen. Dabei sind wir mit unserem Wahrnehmen und Denken immer schon inmitten der Wirklichkeit.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 13:50
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:23
Wo sagt er das denn?
Das ist eine der Grundpositionen des Konstruktivismus. Weiter oben hat Nietzsche das sinngemäß so ausgedrückt: "Es gibt keine Tatsachen, nur Interpretationen." Wenn es aber keine Tatsachen gibt, dann gibt es nichts, aber auch gar nichts, woran ich den Wert der Interpretation bemessen kann.
Doch. Zum Beispiel daran, ob sie mit der Erfahrung übereinstimmt. Du kannst ein Feuer als kalt interpretieren. Du wirst Dir aber trotzdem die Hand verbrennen.
Glaubst Du wirklich Konstruktivisten würden meinen alles sei beliebig interpretierbar?
Dass wir es mit Interpretationen zu tun haben, heißt doch nicht automatisch, dass diese Interpretationen keinen Zwängen (logischen Zwängen, Sachzwängen usw) unterliegen.
Ich meine sogar der Konstruktivismus behauptet genau das Gegenteil, wenn er sagt alles was wir von der Wirklichkeit wissen ist ein präformatiertes/interpretiertes Wissen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Do 3. Mär 2022, 14:40, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 14:23
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:23
weil wir nicht aus unserem Denken rauskommen
Das ist wohl der Grundfehler dieser Position, zu glauben, wir müssten aus unserem Denken erst noch aus einem Inneren herauskommen. Dabei sind wir mit unserem Wahrnehmen und Denken immer schon inmitten der Wirklichkeit.
Genau, Aber wir wissen ja, dass die (realistische) Position, wir würden die Wirklichkeit genau so wahrnehmen wie sie ist, ebenfalls problematisch ist, denn wir erleben ja auch oft genug das Gegenteil.



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Do 3. Mär 2022, 15:36

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:23
Es geht darum, dass wir nicht wissen können wie die Wirklichkeit an sich ist.
Dies zu behaupten, bedeutet allerdings, daß es die Wirklichkeit gibt, die wir nur nicht erkennen können. Eben das, worauf ich @Jörn heute früh geantwortet hatte. Gut, das ist dann möglicherweise eine andere Spielart ("Form") des Konstruktivismus.




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Do 3. Mär 2022, 15:49

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 09:11
Ja, es gibt auch Formen des Konstruktivismus, die auf den Begriff Wirklichkeit ganz verzichten und nur unsere Konstruktionen sehen. Das ändert aber nichts, denn auch dann kann die Wirklichkeit nicht die Norm unseres Fürwahrhaltens sein.
Es gibt nach meinem Empfinden übrigens einen recht weiten Konsens in der Philosophie, dass diese Positionen ungefähr ab 9/11 für sehr viele an Attraktivität eingebüßt haben, manche sprechen auch von einer Wende, denn dieser Anschlag war (wie es heißt) ein zu großer "Realitätsschock". [...]
Anzunehmen, die Wirklichkeit würde "konstruiert" bedeutet doch nicht zugleich, wir würden sie träumen. Und 9/11 braucht man auch nicht, weil es bis dahin genügend "Schrecken" gegeben hat.




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NaWennDuMeinst
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Fr 4. Mär 2022, 01:34

Friederike hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 15:36
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 11:23
Es geht darum, dass wir nicht wissen können wie die Wirklichkeit an sich ist.
Dies zu behaupten, bedeutet allerdings, daß es die Wirklichkeit gibt, die wir nur nicht erkennen können. Eben das, worauf ich @Jörn heute früh geantwortet hatte. Gut, das ist dann möglicherweise eine andere Spielart ("Form") des Konstruktivismus.
Es ist der Beginn wenn Du so willst. Es ist eben jene kopernikanische Wende, also die Erkenntnis, dass Erkenntnis begrenzt ist (und zwar nicht zufällig sondern prinzipiell) und wir von den Dingen an sich (die Wirklichkeit wie sie unabhängig von unserer Wahrnehmung und Interpretation ist) nichts sicher wissen können.
Die Wirklichkeit komplett zu lieugnen führt in den Solipsismus. Das ist etwas anderes als Konstruktivismus.
Der Konstruktivismus leugnet eigentlich nicht die Wirklichkeit, er versucht nur mit der Erkenntnis umzugehen, dass wir nie sicher wissen können wie diese Wirklichkeit beschaffen ist.
Warum es also versuchen (wenn es doch unmöglich ist) und nicht stattdessen - so wie Kant es vorschlägt - anstatt den Geist um die Dinge, lieber die Dinge um den Geist kreisen lassen.
Der Konstruktivismus ist nicht vom Himmel gefallen. Es gibt ihn nicht, weil Philosophen zu viel Wein getrunken haben und dann dachten sie folgen jetzt dem Absurdesten was ihnen gerade einfällt. Es gibt ihn, weil er eine Reaktion auf schwere erkenntnistheoretische Probleme (des Realismus) ist.
Der Konstruktivismus löst diese Probleme auch nicht alle, und er verursacht sogar neue (so wie er zum Beispiel in den Solipsismus führen kann, wenn man ihn .... wie soll ich das sagen ... überstrapaziert, bis in die letzte Konsequenz denkt).



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Fr 4. Mär 2022, 01:45

Friederike hat geschrieben :
Do 3. Mär 2022, 15:49
Anzunehmen, die Wirklichkeit würde "konstruiert" bedeutet doch nicht zugleich, wir würden sie träumen.
Kommt drauf an wie Du das meinst. Wie konsequent verfolgt man das?
Wie stehts mit dir? Bist Du wirklich, oder nur meine Konstruktion? Gibt es dich am Ende gar nicht, bzw nur als meine Vorstellung?
Es ist klar, dass man sich da auf einen Pfad begibt, der ins Nirgendwo führt.
Irgendeine Welt muss es geben, und ich würde das auch nie bezweifeln. Und darum gehts auch gar nicht. Es geht um Erkenntnis.
Es geht einfach um die Frage was wir von dieser Welt (die es geben muss) wissen können und wie sicher ist dieses Wissen (also wie sehr können wir uns darauf verlassen).
Der realistische Berliner macht es sich da einfach: "Wat ick seje is och da und zwar so wie ick dit sehe. Völlich klar."
Dass das Ganze nicht ganz so einfach ist, und der Realist - wie alle anderen Philosophen auch - erklären muss wie er denn zu beweisen gedenkt dass die Welt so ist wie er sie wahrnimmt, wie er sich also so sicher sein kann.... das muss ich sicher nicht erklären.
Da hört man dann zur Begründung allerlei lustiges Zeug wie "Ich würde ja dauernd gegen eine Laterne laufen, wenn die Welt nicht so wäre wie ich sie wahrnehme".
Ist was dran. In gewisser Weise. Aber man hat dem zum Trotze doch schon Leute gegen Laternen laufen sehen. ;-)



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