PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Materie
Ob es wohl irgendwo einfach bloß "Materie" gibt? Oder ist nicht vielmehr alles, was es gibt, immer auch so und so ist? Und zu erfassen, dass das da so und so ist, ist bereits Denken. Das Denken ist also nicht fremd in der Welt.

(Nichtdenken wäre dann dementsprechend, zu ignorieren, dass etwas so und so ist und stattdessen auf ewig die eigenen Muster zu reproduzieren. Metaphysik ist dann im Grunde der Versuch, alles Denken zu stoppen, indem man sagt: Alles ist so und so.)




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NaWennDuMeinst
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Fr 1. Apr 2022, 13:19

Körper hat geschrieben :
Mi 30. Mär 2022, 10:28
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 29. Mär 2022, 21:13
Was sind denn Gedanken für Dich? Und existieren sie wirklich?
Es ist keine Existenz, d.h. "Gedanken" existieren nicht.
Wait a second.
Du versuchst mir gerade zu erklären, dass Gedanken nicht existieren und das machst Du indem Du mir hier Deine Gedanken darlegst?
Wie albern.

Ich denke (also bin ich). Und Du denkst. Und die Inhalte des Denkens sind die Gedanken. Und selbstverständlich existieren sie.
Sie sind nur eben nicht da zu finden wo Du suchst. Das ist das (bzw Dein) Problem.
Denn Du kannst zwar von Wechselwirkungen reden, aber Du kannst einfach nicht erklären wie diese Wechselwirkungen funktionieren, wie aus Proteinen Gedanken werden.
Du kannst den Materie-Geist-Dualismus nicht einfach auflösen, indem Du alles zu einer Wechselwirkung erklärst. Jedenfalls dann nicht, wenn Du gar nicht weiter erklären kannst wie diese Wechselwirkungen funktionieren.
Das ist dann bloß ein leerer Begriff ohne Inhalt.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Fr 1. Apr 2022, 13:26, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Ähnlich ist es, wenn man argumentiert, dass es keine Argumente gibt, sondern XYZ.




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Friederike
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Fr 1. Apr 2022, 14:26

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Körper hat geschrieben :
Mi 30. Mär 2022, 10:28
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 29. Mär 2022, 21:13
Was sind denn Gedanken für Dich? Und existieren sie wirklich?
Es ist keine Existenz, d.h. "Gedanken" existieren nicht.
Wait a second. Du versuchst mir gerade zu erklären, dass Gedanken nicht existieren und das machst Du indem Du mir hier Deine Gedanken darlegst? [...]
Ich hänge mich an dieser Stelle dran und möchte gerne wissen, @Körper, ob Du "Gedanken" oder die Tätigkeit des Denkens in den Bereich der Poesie einordnest (dies mit Seitenblick auf Deine Anmerkung zum "Geist, der sich bewegt"). Wo ist denn der Witz, wenn ich weiß, daß der Gedanke, den ich jetzt in diesem Moment denke, ein Prozeß in meinem Körper ist?




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Friederike
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Fr 1. Apr 2022, 14:30

Deinen neuen Avatar @NWDM, finde ich goldig. Ich sehe ein Lego-Teufelchen mit 2 verträumt blickenden Augen.

NS: Deine Antwort an Stefanie habe ich soeben gelesen.




Körper
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Fr 1. Apr 2022, 18:12

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Wait a second.
Du versuchst mir gerade zu erklären, dass Gedanken nicht existieren und das machst Du indem Du mir hier Deine Gedanken darlegst?
Wie albern.
Oje, da hättest du aber ruhig noch ein paar Momente ins Nachdenken investieren können.

"Gedanken darlegen" bedeutet nicht "auf Existenz zeigen", sondern das Vermitteln der Zusammenhänge, die der jeweilige Mensch als "seinen Gedanken" einstuft.
Ich habe dir keinen "Gedanken" gezeigt und ich wüsste auch nicht wie das gehen soll.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Ich denke (also bin ich). Und Du denkst. Und die Inhalte des Denkens sind die Gedanken. Und selbstverständlich existieren sie.
Nö, die Basis ist Reaktion und die darin aufgebauten Zusammenhänge.
"Gedanke" ist letztlich nichts weiter als eine zusätzliche Menge an Zusammenhängen mit der die Zusammenhänge, welche "den Gedanken" ausmachen sollen, verwaltet werden.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Sie sind nur eben nicht da zu finden wo Du suchst. Das ist das (bzw Dein) Problem.
Ich suche gar nicht nach "Gedanken", warum auch -> wo die Reaktion stattfindet, ist nun nicht gerade ein grosses Rätsel.

Interessant müsste für dich aber eher deine Haltung sein, denn du kannst anscheinend nichts weiter zu "Gedanken" sagen, als "sie existieren".
Warum ist das wohl so?
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Denn Du kannst zwar von Wechselwirkungen reden, aber Du kannst einfach nicht erklären wie diese Wechselwirkungen funktionieren, wie aus Proteinen Gedanken werden.
Richtig, zu "aus Proteinen werden Gedanken" kann ich nichts beitragen, wenn ich vertrete, dass "Gedanken" nicht existieren.
Das sehe ich aber jetzt nicht als negativ an.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Du kannst den Materie-Geist-Dualismus nicht einfach auflösen, indem Du alles zu einer Wechselwirkung erklärst.
Naja, der "Materie-Geist-Dualismus" ist im Grunde dadurch entsorgt, wie die Muskeln funktionieren.
Das ist noch nicht einmal die Frage "wie Geist auf Materie einwirkt" sondern die Frage "wieso hat Geist keine Ahnung, was er bei der Materie 'Körper' machen muss"
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Jedenfalls dann nicht, wenn Du gar nicht weiter erklären kannst wie diese Wechselwirkungen funktionieren.
Nun, wenn du möchtest, können wir uns dein obiges "Gedanke darlegen" im Detail ansehen.

Ich denke jetzt einfach mal an "das ziellose Herumstehen des lange Haare Habens eines zur Seite wachsenden grünen Gänseblümchens, das wegen der Einschulung den Bus verpasst hast, und zwar noch bevor es geschlüpft ist".
Das ist sicherlich eine kuriose Kombination von Zusammenhängen, die ich aber nichtsdestotrotz, spontan als "meinen Gedanken" einstufe und dir "darlege".

Ich sage:
es gibt eine geschlossene Wechselwirkungskette vom Zeitpunkt des Aufstellens dieser Kombination, bis hin zu deinem Verständnis "meines Gedankens".
Und: nirgendwo existiert dabei ein "Gedanke".




Körper
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Fr 1. Apr 2022, 18:13

Friederike hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 14:26
Wo ist denn der Witz, wenn ich weiß, daß der Gedanke, den ich jetzt in diesem Moment denke, ein Prozeß in meinem Körper ist?
Wo ist der Witz es nicht zu wissen?

Das soll keine trotzige Rückfrage sein, sondern es zeigt das Spannungsverhältnis auf.

Etwas nicht zu wissen, obwohl die Zusammenhänge der Fragestellung "unterwegs" sind, bedeutet eine Disharmonie innerhalb der Reaktion.
Das Aufbauen von "Wissen" stellt dann sozusagen die "Harmonisierung" der Reaktion dar.

Ich formuliere es oft so: "Korrektheit setzt sich durch".




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Fr 1. Apr 2022, 18:56

Friederike hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 14:30
Deinen neuen Avatar @NWDM, finde ich goldig. Ich sehe ein Lego-Teufelchen mit 2 verträumt blickenden Augen.
Den alten Pac-Man-Geist kennst du dann wohl nicht ;)



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NaWennDuMeinst
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Fr 1. Apr 2022, 19:00

Körper hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 18:12
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 13:19
Wait a second.
Du versuchst mir gerade zu erklären, dass Gedanken nicht existieren und das machst Du indem Du mir hier Deine Gedanken darlegst?
Wie albern.
Oje, da hättest du aber ruhig noch ein paar Momente ins Nachdenken investieren können.

"Gedanken darlegen" bedeutet nicht "auf Existenz zeigen",
Du willst mich wohl veräppeln. Ich soll ins Nachdenken investieren (also mir Gedanken machen) und gleichzeitig behauptest Du es gäbe gar keine Gedanken?
Richtig, zu "aus Proteinen werden Gedanken" kann ich nichts beitragen, wenn ich vertrete, dass "Gedanken" nicht existieren.
Sie existieren aber - wie Du selbst ja andauernd demonstrierst.
es gibt eine geschlossene Wechselwirkungskette vom Zeitpunkt des Aufstellens dieser Kombination, bis hin zu deinem Verständnis "meines Gedankens".
Und: nirgendwo existiert dabei ein "Gedanke".
Mir bleibt absolut schleierhaft wie Du Gedanken an Wechselwirkungen haben kannst, wenn Gedanken nicht existieren.
Da wird kein Schuh draus, mein wechselwirkender Freund.



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Fr 1. Apr 2022, 19:17

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 19:00
Ich soll ins Nachdenken investieren (also mir Gedanken machen) und gleichzeitig behauptest Du es gäbe gar keine Gedanken?
Nachdenken bedeutet: ein Mensch reagiert und wählt einen Zusammenhangsaufbau aus, der ihm geeignet vorkommt - sagen wir "im Gehirn konkurrieren Teilreaktionen und es ergibt sich ein Durchsetzen".
Das ist keine Begegnung mit einem "Gedanken".

Wenn du wegkommen möchtest von den Gehirnzellen (-> Reaktion und Zusammenhängen), musst du schon eine Existenz vorweisen können.
Suggestionen über die Sprache helfen da nicht weiter.
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 19:00
Sie existieren aber wie Du selbst ja andauernd demonstrierst.
Nein ich reagiere und baue Zusammenhänge auf.
Jede Verbindung, jeder Unterschied, jede Gleichheit, die ich als Zusammenhang aufbaue, ist Teil einer Reaktion.
Wenn ich die von mir aufgebauten Zusammenhänge objekthaft als "meine Denkhandlung" verwalte, ist diese Behandlung eine Reaktion.

Hast du dir schon einmal überlegt, dass wenn es Gedanken als Existenz gäbe, du ja dieser Existenz begegnen können und dann darauf reagieren müsstest?
Am Ende geht es um Reaktion.




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NaWennDuMeinst
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Fr 1. Apr 2022, 20:01

Körper hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 19:17
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 19:00
Ich soll ins Nachdenken investieren (also mir Gedanken machen) und gleichzeitig behauptest Du es gäbe gar keine Gedanken?
Nachdenken bedeutet: ein Mensch reagiert und wählt einen Zusammenhangsaufbau aus, der ihm geeignet vorkommt - sagen wir "im Gehirn konkurrieren Teilreaktionen und es ergibt sich ein Durchsetzen".
Das ist keine Begegnung mit einem "Gedanken".
Wir besprechen hier nicht Gehirnzellenreaktionen, sondern deine Idee von Wechselwirkungen..
Diese Ideen sind Gedanken. Was denn sonst?

Es ist einfach völliger Unsinn mit Hilfe von Gedanken zu bestreiten dass es Gedanken gibt.



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Körper
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Fr 1. Apr 2022, 20:26

@NaWennDuMeinst
Machen wir es mal anders, hier ein Wiki-Auszug zu "Gedanke"
Wiki hat geschrieben : https://de.wikipedia.org/wiki/Gedanke

Ein Gedanke ist, was gedacht worden ist oder das Denken an etwas; eine Meinung, eine Ansicht oder ein Einfall bzw. ein Begriff oder eine Idee.[1] Der Gedanke ist ein Ergebnis und eine Grundkomponente im Prozess des Denkens. Der Gedanke, ein Produkt des Denkprozesses in Form eines Urteils, eines Begriffs oder einer Kombination von beidem, der im idealen Fall das Allgemeine in der Masse der Einzeldinge widerspiegelt oder das Wesentliche, das Gesetzmäßige in der Vielfalt der Erscheinungen der den Menschen umgebenden Welt fixiert.
Mir fällt hierbei "Produkt des Denkprozesses" auf. (das dürfte in deine "Existenzrichtung" zeigen)

Nun habe ich in meinem letzten Beitrag von "konkurrierenden Teilreaktionen" gesprochen, bei deren "Durchsetzen" zu einer Zusammenstellung von Zusammenhängen kommt.

Schau es dir genau an, das ist doch eigentlich ein Volltreffer, wenn es um "Produkt des Denkprozesses" geht.

Du möchtest das wegwischen mit "wir besprechen hier nicht...", aber es geht doch genau darum.

Die Formulierung "Produkt des Denkprozesses" ist eine einzige Ungünstigkeit, denn hier ist vollkommen offen, wie es zu diesem Produkt kommen soll, wo es sein soll, wie man ihm dann begegnen können soll und wie es wieder verschwinden können soll.
Alles berechtigte Fragen und keine einzige Antwort - oder siehst in dem Text irgendwo eine? Siehst du bei "Frege" oder "Husserl" (im Text genannte Namen) eine Antwort?

In meinem Ansatz ist ein Zusammenhang lediglich eine Richtungsentscheidung in einer Reaktion. Das Aufkommen einer Richtungsentscheidung kann schnell oder langsam abklingen und beliebige Reaktions-Auswirkungen nach sich ziehen.
Ich benötige das Wort "Produkt" nicht.

Aber gut, jetzt stehen ja die beiden Namen "Frege" und "Husserl" im Raum.
Kannst du aus diesen Quellen etwas vorlegen?




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Jörn Budesheim
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Fr 1. Apr 2022, 20:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 1. Apr 2022, 20:01
Es ist einfach völliger Unsinn mit Hilfe von Gedanken zu bestreiten dass es Gedanken gibt.
So ist es.




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Sa 2. Apr 2022, 07:16

Thomas Fuchs hat geschrieben : Wer das Gehirn eines Menschen untersucht, findet Nervenzellen und elektrochemische Prozesse, aber niemals seine Angst oder seinen Schmerz, seine Empfindungen 182oder Gedanken. Denn weder Neuronen noch Hirnzentren noch Gehirne als ganze sind Subjekte eines Erlebens. Die visuelle Hirnrinde ist zweifellos für das Sehen erforderlich, aber sie selbst sieht rein gar nichts, denn Sehen, Wahrnehmen, Empfinden sind Tätigkeiten von Lebewesen. Hunde, Katzen und Menschen sehen etwas, nicht ihre Gehirne. Wer das Sehen in einem Lebewesen sucht, der hat es bereits durch zu genaues Hinsehen verloren.

(Thomas Fuchs ist Karl-Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)




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Sa 2. Apr 2022, 08:14

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Apr 2022, 07:16
Thomas Fuchs hat geschrieben : Wer das Gehirn eines Menschen untersucht, findet Nervenzellen und elektrochemische Prozesse, aber niemals seine Angst oder seinen Schmerz, seine Empfindungen 182oder Gedanken. Denn weder Neuronen noch Hirnzentren noch Gehirne als ganze sind Subjekte eines Erlebens. Die visuelle Hirnrinde ist zweifellos für das Sehen erforderlich, aber sie selbst sieht rein gar nichts, denn Sehen, Wahrnehmen, Empfinden sind Tätigkeiten von Lebewesen. Hunde, Katzen und Menschen sehen etwas, nicht ihre Gehirne. Wer das Sehen in einem Lebewesen sucht, der hat es bereits durch zu genaues Hinsehen verloren.

(Thomas Fuchs ist Karl-Jaspers-Professor für Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg)
Man sieht halt direkt keine Prozesse (höhere Ebene) wie das Denken, nur Ursachen. Genauso ist es halt bei anderen Prozessen, z.B. in unserer Gesellschaft, z.B. das Rechte oder Linke in Parteien, oder sei es auch nur das Böse in einem Menschen, außer in seinen Taten, ähnlich wie beim Denken ggf. die sich aus dem Denken ergebende Handlungen.

Insofern ist es doch klar, dass man Denken nicht sehen kann, weshalb ich mich frage, warum man sich darüber überhaupt noch groß Gedanken macht.
Ok, man kann versuchen, das Gehirn zu analysieren und so womöglich die Richtung von Gedanken grob zu erahnen; z.B. würde mich nicht wundern, wenn man Anhaltspunkte bei Angst oder Schmerz vorfände. Aber im Detail ist unser Gehirn wahrscheinlich noch sehr lange zu kompliziert/komplex für eine präzise Analyse. (Ich frag mich gerade, inweit man schon versucht hat, Gehirne von Minitieren, z.B. Ameisen (nicht aber Ratten/Affen), zu analysieren, soll man doch erstmal bei den einfacheren anfangen... soweit man dann immer noch von "Gehirnen" sprechen kann...)



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Sa 2. Apr 2022, 08:37

Wenn man (allein) im Gehirn nach der Angst sucht, dann sucht man an der falschen Stelle. Weil Angst immer Angst vor etwas ist. Und dieses Etwas muss sich nicht notwendig im Gehirn befinden. Die Angst vor einem kläffenden Kampf Hund befindet sich nicht im Gehirn, denn kläffende Kampfhunde sind in der Regel zu groß, um in den Schädel zu passen.

Das kann man sich anhand eines Gedanken Experimentes klar machen: stellen wir uns eine Alienrasse vor, die über "perfekte Scanner" verfügt. Sie wissen nicht, was Angst ist und wollen es herausfinden. Angeleitet durch schlechte philosophische irdische Texte suchen sie nach der Angst in unseren Gehirnen. Dadurch werden sie niemals zum Erfolg kommen. Erstens entgeht ihnen dabei das "wie" der Angst. Sie werden also nicht erfahren, wie es z.b. ist, wenn einem der Schrecken in die Glieder fährt. Und zweitens verpassen sie damit das "wovor" der Angst. (Im Beispiel oben: den kläffenden Kampf Hund) Das einzige, was sie in den Blick bekommen, sind anonyme neuronale Prozesse, aber niemals, was es heißt, vor etwas Angst zu haben.

Das heißt nicht, dass die Untersuchung des Gehirns für den Themenkreis Angst sinnlos ist. Das Gegenteil ist der Fall. Es kann höchst sinnvoll sein, wenn es z.b. um Angst Therapien oder ähnliches geht. Allerdings nur dann, wenn man die logische Struktur der Angst (jemand hat Angst vor etwas) immer vor Augen hat und einem zugleich bewusst ist, dass man mit dem Blick von der Seite (also aus der sog. Perspektive der dritten Person) immer nur gewisse Aspekte erfassen kann.




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Sa 2. Apr 2022, 10:39

Burkart hat geschrieben :
Sa 2. Apr 2022, 08:14
Ich frag mich gerade, inweit man schon versucht hat, Gehirne von Minitieren, z.B. Ameisen (nicht aber Ratten/Affen), zu analysieren, soll man doch erstmal bei den einfacheren anfangen... soweit man dann immer noch von "Gehirnen" sprechen kann...
Das wird seit Jahrzehnten schon gemacht.
Der eigentliche "Held" der Neurowissenschaft ist ein 1mm grosser Fadenwurm -> Caenorhabditis elegans (kurz "C.elegans")

Es gibt auch noch andere Lebewesen, die im Fokus stehen:
* Fruchtfliegen
* Zebrafische
* Mäuse
* Ratten
* Affen/Primaten (mit Einwilligung auch der Mensch bzw. über medizinisch notwendig entnommenes Nervengewebe)

Falls es dich interessiert: hier eine Liste von Lebewesen und ihrer geschätzten Anzahl an Neuronen
Die Ameise ist auch dabei und bereits "oberhalb" der Fruchtfliege.

Auf der einen Seite finde ich die Ergebnisse interessant (und ich versuche sie zu verwenden) auf der anderen Seite sehe ich es kritisch, denn ein Lebewesen zu verändern, um etwas auszuprobieren, ist schon harter Tobak.
Insgesamt kritisiere ich die Neurowissenschaften dafür "inselhaftes" Lokalwissen aufzubauen, ohne dass man einen grösseren Hintergrund verfolgt.

Ich habe gerade das Buch eines Neurowissenschaftlers vor mir, weil ich nach bestimmten Anhaltspunkten rund um die Gehirnzellen suche.
Nach 120 Seiten, voll mit mathematischen Näherungsgleichungen und biochemischen Details, hatte ich nur einen Aha-Moment, einen schwachen Anhaltspunkt, den ich zumindest als Unterstützung für einen aktuellen Verdacht, den ich verfolge, einsetzen kann.
=> Es ist ein gewisses Enttäuschungspotential vorhanden.




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Sa 2. Apr 2022, 10:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Apr 2022, 07:16
Thomas Fuchs hat geschrieben : Wer das Gehirn eines Menschen untersucht, findet Nervenzellen und elektrochemische Prozesse, aber niemals seine Angst oder seinen Schmerz, seine Empfindungen 182oder Gedanken. Denn weder Neuronen noch Hirnzentren noch Gehirne als ganze sind Subjekte eines Erlebens.
Der erste Teil ist genau das, was ich sage: das Gehirn kann Reaktion stattfinden lassen und sonst gar nichts.

Der zweite Teil ist aber halt leider "falsch abgebogen" und eines Professors maximal unwürdig.

Wenn man etwas findet (in diesem Falle eine Nervenreaktionsbasis mit Ausprägungsmöglichkeiten, die einem Universum gleichen), dann wäre es doch tierisch raffiniert, wenigstens eine Sekunde lang darüber nachzudenken, was das mit Wahrnehmung zu tun haben könnte.

Es ist nicht sonderlich schlau "Angst", "Schmerz", "Empfindungen", "Gedanken" im Gehirn zu suchen.
Sucht man allerdings "die Überzeugung Angst zu haben", "die Überzeugung Schmerzen zu haben", "die Überzeugung zu empfinden", "die Überzeugung einen Gedanken zu haben", dann sollte man nirgendwo anders suchen, als im Gehirn.

Mit der Formulierung "Subjekte des Erlebens" wird es interessant, denn man kann sich fragen: was ist die Konsequenz dieser Einschätzung der Problematik?
=> Man sucht letztlich nach "vom Wahrnehmenden unabhängigen Inhalten des Erlebens".

Das läuft dann auf die Fragen hinaus, die ich oben zu "Gedanke" gestellt habe:
* wie soll so ein "Inhalt des Erlebens" entstehen?
* wo und wie soll der "Inhalt des Erlebens" vorliegen?
* wie soll man dem "Inhalt des Erlebens" begegnen können?
* wie verschwindet der "Inhalt des Erlebens"?

Der oben erwähnte Philosoph "Frege" hat sich wohl diesen Fragen "gestellt" und folgende Idee veröffentlicht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Drittes_Reich_(Frege)

Die Gedanken sind weder Dinge der Außenwelt noch Vorstellungen.
Ein drittes Reich (im Sinne der Drei-Welten-Lehre) muß anerkannt werden. Was zu diesem gehört, stimmt mit den Vorstellungen darin überein, daß es nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden kann, mit den Dingen aber darin, daß es keines Trägers bedarf, zu dessen Bewußtseinsinhalte es gehört.
Es soll also um "3 Reiche" gehen.
Das ist die "Drei-Welten-Lehre", der wohl auch der Philosoph "Popper" anhing, wobei er jedoch die Inhalte von "Welt 3" als "Produkte des Denkens" entstehen lässt und "ihnen" danach eine eigene Existenz zugesteht.

So etwas kommt wohl dabei heraus, wenn man sich an dem, was tatsächlich vorhanden ist (Nervenreaktion), "deutlich vorbeibewegt".
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 2. Apr 2022, 08:37
Das kann man sich anhand eines Gedanken Experimentes klar machen: stellen wir uns eine Alienrasse vor, die über "perfekte Scanner" verfügt. Sie wissen nicht, was Angst ist und wollen es herausfinden. Angeleitet durch schlechte philosophische irdische Texte suchen sie nach der Angst in unseren Gehirnen. Dadurch werden sie niemals zum Erfolg kommen. Erstens entgeht ihnen dabei das "wie" der Angst. Sie werden also nicht erfahren, wie es z.b. ist, wenn einem der Schrecken in die Glieder fährt. Und zweitens verpassen sie damit das "wovor" der Angst. (Im Beispiel oben: den kläffenden Kampf Hund) Das einzige, was sie in den Blick bekommen, sind anonyme neuronale Prozesse, aber niemals, was es heißt, vor etwas Angst zu haben.
Von einem "perfekten Scanner" darf man erwarten, dass er die Übereinstimmung der im Gehirn aufgebauten Zusammenhänge, mit den körperlichen Vorgängen und den Situationen der Umwelt, die dem Körper zugänglich sind, aufdeckt.
Danach ist für die Alienrasse vollständig klar, wie ein Mensch (wahrnehmungstechnisch) funktioniert und sie können sogar die "Drei-Welten-Lehre" und sämtliche Ontologie-Ideen erklären (hier darf man sich von Ohr zu Ohr grinsende Aliens vorstellen).

Eine Alienrasse, der es möglich ist, die Erde zu erreichen und den "perfekten Scanner" einzusetzen, verlässt sich nicht darauf, wovon das Menschlein überzeugt ist, sondern sie schauen nach, was vor sich geht.

Ist es nicht erstaunlich, mit welcher Kraft und welchem Aufwand in der Philosophie an dem vorbei gedacht werden soll, was unspektakulär vorhanden ist (-> Körper und Gehirnreaktion)?
Es werden lieber neue Welten ausgerufen, als dass man den Gesichtspunkt einer funktionalen Prägung für den Menschen akzeptiert.
Ich vermute dahinter steckt dieser Uralt-Anspruch, dass "das Denken" über allem stehen muss und so springt man reihenweise in irgendwelche schwebenden Kartenhäuser aus "neuen Welten oder Weltanteilen".

Die funktionale Prägung des Menschen kann man bereits an den "schrägen Linien" ablesen.
=> Ein Mensch ist kein Werkzeug um Existenz festzustellen, sondern er kommt zur Überzeugung des Vorhandenseins von Existenz. So funktioniert Wahrnehmung.




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NaWennDuMeinst
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Sa 2. Apr 2022, 13:31

Irgendwie scheint mir das Problembewusstsein nicht vollständig vorhanden zu sein.
Das Problem ist dass das Phänomen Geist (und darin eingeschlossen auch die Gedanken die so ein Geist hat) nicht allein durch physikalische Wechselwirkungen beschrieben werden kann.
Dass das so ist ist offensichtlich, wird aber hartnäckig ignoriert.
Da kann man nichts machen.



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Sa 2. Apr 2022, 14:41

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 2. Apr 2022, 13:31
Irgendwie scheint mir das Problembewusstsein nicht vollständig vorhanden zu sein.
Prinzipiell unterliegt man immer der Gefahr einem Scheinproblem aufzusitzen, sprich: das Rätsel zu dem man eine Lösung sucht, stellt sich nicht in der angenommen Form.

Bei uns geht es gerade um die Problematik "Existenz" in Bezug auf "Gedanken".

Nun sage ich zwar "Gedanken existieren nicht" aber ich sage auch "die Überzeugung, einen Gedanken zu haben, findet statt".
Ich akzeptiere damit, dass es eine Rätselfrage gibt, aber ich bestreite, dass "Existenz" das richtige Thema hierzu ist.

"Existenzen" zeichnen sich für einen Wahrnehmenden durch "Eigenständigkeit" aus.
D.h. der Wahrnehmende wird durch die "Existenz" (-> Wechselwirkung) dazu veranlasst, Zusammenhänge aufzubauen, die er ohne die Existenz nicht aufbauen würde (bis hin zu "gar nicht aufbauen kann").

Geht man mit diesem Kriterium an "Gedanken" heran, dann verwaltet ein Mensch "den Gedanken" nirgendwo als Quelle für Zusammenhänge, sondern der Mensch baut (in seiner Reaktion) Zusammenhänge auf und behandelt (Anschlussreaktion) diese Zusammenhänge dann unter dem Gesichtspunkt "sein Gedanke" zu sein.

Im philosophischen Umgang mit dieser Konstellation, soll nun der Mensch aus der Rechnung herausgenommen werden, und "der Gedanke" zu einer "Eigenständigkeit" erklärt werden.
=> für diesen Schritt müsstest du mir handfeste Begründungen auf den Tisch legen.

Du solltest dir selbst eingestehen, dass du hier nichts vorlegen kannst.
Meine Fragen von oben beantwortest du nicht und sagst stattdessen nur:
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 2. Apr 2022, 13:31
Dass das so ist ist offensichtlich, wird aber hartnäckig ignoriert.
Die philosophisch behauptete "Eigenständigkeit" von "Gedanken" ist leider nirgendwo offensichtlich.

Aus meiner Sicht ist dieses "es ist doch offensichtlich" aber durchaus die maximale Begründungsqualität, die man erwarten kann.

Ich habe hier einen Link zu einem Online-Buch Phänomenale Adäquatheit und Irreduzibilität des Bewusstseins.
Beim kurzen Überfliegen habe ich den Eindruck gewonnen, dass der Autor mehr in deine Richtung argumentiert und weniger in meine.
Wenn ich das richtig sehe, geht es bereits in der Einleitung darum, dass "etwas in der Welt" sein soll, das man nicht durch die Nervensystemvorgänge erklären kann.

Wenn du möchtest, schau selbst mal in dieses Buch rein und versuche zu klären, wie der Anspruch, dass "dieses etwas in der Welt ist" begründet wird.
Ich gehe davon aus, dass es nur das (auch von dir) genannte "es ist doch offensichtlich" ist.
Falls du etwas findest, können wir uns darüber austauschen - findest du nichts, hast du vielleicht dennoch ein gutes Buch für deine Richtung gefunden.

Vielleicht als Anregung:
Mit diesem "Offensichtlich" sind die "schrägen Linien" schräg, obwohl sie es gar nicht sind.




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