PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jovis
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Sa 23. Okt 2021, 20:22

Burkart hat geschrieben :
Mo 18. Okt 2021, 00:12
Ok, ich denke, wir sind dann nicht so unterschiedlicher Meinung.
Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 18:02
By the way: Rassistische Muster einfach zu 100% zu verteufeln ist zu einseitig, macht es aber natürlich einfach.
Ist wünsche mir z.B. nicht, dass wir von Massen von Menschen aus Afrika überschwemmt werden, die halt nun mal oft eine andere Hautfarbe haben.
Könnte unterschiedlicher nicht sein.




Burkart
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Sa 23. Okt 2021, 20:29

Jovis hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 20:22
Burkart hat geschrieben :
Mo 18. Okt 2021, 00:12
Ok, ich denke, wir sind dann nicht so unterschiedlicher Meinung.
Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 18:02
By the way: Rassistische Muster einfach zu 100% zu verteufeln ist zu einseitig, macht es aber natürlich einfach.
Ist wünsche mir z.B. nicht, dass wir von Massen von Menschen aus Afrika überschwemmt werden, die halt nun mal oft eine andere Hautfarbe haben.
Könnte unterschiedlicher nicht sein.
Heißt das, dass du die Meinung jedes Menschen, der Angst für Überfremdung hat, einfach unreflektiert ablehnst?



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Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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Sa 23. Okt 2021, 20:30

Schwarze Menschen gibt es in Deutschland bereits seit dem 15. Jahrhundert. Es gibt eine Schwarze deutsche Geschichte. Dennoch werden sie dauernd gefragt, wo sie herkommen und "in Wahrheit" sind sie natürlich alle Afrikaner, egal welche Geschichte sie auch wirklich haben und sie drohen uns zu überschwemmen. Aber man wird ja noch mal fragen dürfen.




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Jörn Budesheim
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Sa 23. Okt 2021, 20:42

Othering – Wer sind die Anderen?

Der Begriff ›Othering‹ kann übersetzt werden mit ›jemanden zum Anderen machen‹. Dahinter verbirgt sich ein relativ einfaches, aber sehr ›wirksames‹ Prinzip: Ich mache mich selbst zur Norm und werde dadurch zum Standard. Ich mache alle anderen zu ›die Anderen‹. Denn damit ich die Norm sein und bleiben kann, braucht es die Anderen, die von dieser Norm abweichen. Rassismus hat so begonnen und wird so seit jeher tradiert. Die Konstruktion des ›Anderen‹ spielt daher seit Langem – aber auch heute noch – eine große Rolle bei der Reproduktion von rassistischen Bildern und Diskursen. Othering geschieht immer dann, wenn es eine vermeintliche Norm, einen vermeintlichen Standard gibt und die Person of Color oder die Schwarze Person als Abweichung dargestellt wird. Das geschieht oft im Kleinen und kommt oft unmerklich daher. So werden Schwarze Menschen und People of Color trotz eines akzentfreien Deutsch, und obwohl es seit vielen, vielen Jahren nicht-weiße Menschen in Deutschland gibt, überproportional häufig nach ihrer Herkunft gefragt. Und dabei bleibt es nicht. Antwortet diese Person dann mit Köln oder Berlin, wird oft so lange nachgebohrt, bis die Herkunft auf einen Ort außerhalb Deutschlands verortet werden kann. Das liegt vor allem daran, dass es in Deutschland eine Norm gibt, die besagt, wie Deutschsein auszusehen hat ...
Intention und Wirkung Oft betrachten wir Rassismus als individuelle, intentionale Handlung eines Einzelnen. Der Intention wird mehr Bedeutung zugemessen als der Wirkung. Ergo: »Wenn ich es nicht so gemeint habe, kann es auch nicht rassistisch sein.« Diese Erklärung wird erstaunlicherweise oft auch dann herangezogen, wenn eindeutig rassistische Begriffe reproduziert werden. Andersherum wird allerdings ein Schuh daraus ...
Nicht selten lautet die Reaktion auf Widerstand gegen Mikroaggressionen: »Nun sei doch nicht so empfindlich/übersensibel!«




Burkart
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Sa 23. Okt 2021, 20:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 20:30
Schwarze Menschen gibt es in Deutschland bereits seit dem 15. Jahrhundert.
Und wie viele? Die Frage ist, wie viele vergleichsweise nicht schon seit Generationen bei uns leben und insofern die Frage verständlich ist.
Z.B. dürften durch die Amerikaner als Besatzungsmacht Ende der 40er/Anfang der 50er nicht wenige teilweise farbige Kinder geboren worden sein; von den heutigen Aussiedlern, Asylanten u.ä. halt mal ganz abgesehen.

Ich wurde auch nicht selten gefragt, ob ich wegen meiner Größe Basketball spiele...also ob das größenbedingt unbedingt der einzig richtige Sport sein muss... Soll ist mich darüber aufregen? Dann klärt man halt das Missverstehen (um nicht "Missverständnis" zu sagen) auf und gut is'.



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AndreaH
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Sa 23. Okt 2021, 21:56

Vielleicht sollte man ab und zu die Perspektive wechseln. Europa hat geschichtlich einiges zu bieten bei dem es in der Vergangenheit so manches überschwemmt hat. Wir Europäer tragen auch unseren Teil dazu bei, dass viele Menschen am Existenzminimum knabbern müssen. Beispielsweise unsere Kleidung, die wir in Bangladesch produzieren lassen, oder der afrikanische Markt der mit europäischen Trockenmilchpulver überschwemmt wird.

Der Irrsinn mit der Milch - ZDFmediathek
https://www.zdf.de/dokumentation/zdfzoo ... h-100.html

Wie war das nochmal mit Amerika und Australien früher?

Vielleicht basiert diese Angst auch, weil Europa selbst in der Vergangenheit sehr überschwemmen bezüglich anderer Länder war.




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Jovis
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Sa 23. Okt 2021, 22:13

Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 20:29
Heißt das, dass du die Meinung jedes Menschen, der Angst für Überfremdung hat, einfach unreflektiert ablehnst?
Nein, das heißt das nicht. Ich habe nur festgestellt, dass meine Ansicht von deiner sehr verschieden ist.




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Stefanie
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Sa 23. Okt 2021, 22:20

Man sollte viel früher ansetzen als bei Klamotten und milchpulver.
Beim Imperialismus und Kolonialismus.

Da war doch gerade was...
https://www.fr.de/politik/herero-nama-d ... 90071.html



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Sa 23. Okt 2021, 22:34

AndreaH hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 21:56
Vielleicht sollte man ab und zu die Perspektive wechseln.
Das ist nie verkehrt.
Europa hat geschichtlich einiges zu bieten bei dem es in der Vergangenheit so manches überschwemmt hat. Wir Europäer tragen auch unseren Teil dazu bei, dass viele Menschen am Existenzminimum knabbern müssen. Beispielsweise unsere Kleidung, die wir in Bangladesch produzieren lassen, oder der afrikanische Markt der mit europäischen Trockenmilchpulver überschwemmt wird.

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Wie war das nochmal mit Amerika und Australien früher?

Vielleicht basiert diese Angst auch, weil Europa selbst in der Vergangenheit sehr überschwemmen bezüglich anderer Länder war.
Jegliches Überschwemmen ist schlecht, keine Frage.
Ein Problem ist, dass die Überschwemmten sich nicht wirklich wehren können, aber auch die scheinbar überschwemmende Masse der Leute auch nicht - oder glaubt irgendjemand, dass es viel bringt, wenn eine einzelne Person seine Kleidung woanders kauft?
Solche Probleme müssten dort gelöst werden, wo es wirklich geht: Bei denen mit der eigentlichen Macht, z.B. in der Wirtschaft oder Politik, aber nicht beim kleinen Mann.
Eine rot-grüne Regierung z.B. hätte wirklich einiges sozial ändern können, aber mit den Gelben dazwischen...



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Burkart
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Sa 23. Okt 2021, 22:50

Jovis hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 22:13
Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 20:29
Heißt das, dass du die Meinung jedes Menschen, der Angst für Überfremdung hat, einfach unreflektiert ablehnst?
Nein, das heißt das nicht. Ich habe nur festgestellt, dass meine Ansicht von deiner sehr verschieden ist.
Sehr verschieden mag sein, aber "Könnte unterschiedlicher nicht sein." sehe ich nicht so - sorry, wenn ich hier sprachlich etwas pingelig bin.
Allerdings scheint mir, dass wir vor allem verschiedene Aspekte beleuchten.
Du betonst die Seite des einzelnen Menschen, der rassistisch betroffen sein mag.
Für mich ist/sind (hier) die andere(n) Seite (auch) wichtig, z.B. die Menschen, die als Rassisten diffamiert werden, "nur" weil es einigen so gefällt, gewisse Dinge nun so sehen zu wollen.
So war z.B. früher "Neger" ein ganz normales Wort für uns Deutsche (das Schimpfwort war "Nigger"); inzwischen wurde dessen Gebrauch umdefiniert und dessen Gebrauch ist auf einmal verpönt, wenn nicht gar verboten. Da kann doch der normale Deutsche nichts dafür, denn eine optische Unterscheidung zwischen heller und dunkler Haut lässt sich durch Umdefinition eines Wortes ja nicht verhindern. Du kannst natürlich sagen, dass man die Unterschied nun nicht mehr bewusst wahrnehmen soll, aber das geht nicht so einfach, ähnlich wie man blonde und dunkelhaarige Menschen auch weiterhin unterscheiden wird (warum würden sich sonst so viele dunkelhaarige Frauen ihre Haare blond färben).



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Sa 23. Okt 2021, 23:17

Auf ARTE läuft gerade eine gute Sendung "Wie wollen wir leben?", u.a. zu unseren Privilegien (ich hätte es "Vorteile" genannt) in Deutschland.



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AndreaH
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So 24. Okt 2021, 01:45

Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 22:34
AndreaH hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 21:56
Vielleicht sollte man ab und zu die Perspektive wechseln.
Das ist nie verkehrt.
Europa hat geschichtlich einiges zu bieten bei dem es in der Vergangenheit so manches überschwemmt hat. Wir Europäer tragen auch unseren Teil dazu bei, dass viele Menschen am Existenzminimum knabbern müssen. Beispielsweise unsere Kleidung, die wir in Bangladesch produzieren lassen, oder der afrikanische Markt der mit europäischen Trockenmilchpulver überschwemmt wird.

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Wie war das nochmal mit Amerika und Australien früher?

Vielleicht basiert diese Angst auch, weil Europa selbst in der Vergangenheit sehr überschwemmen bezüglich anderer Länder war.
Jegliches Überschwemmen ist schlecht, keine Frage.
Ein Problem ist, dass die Überschwemmten sich nicht wirklich wehren können, aber auch die scheinbar überschwemmende Masse der Leute auch nicht - oder glaubt irgendjemand, dass es viel bringt, wenn eine einzelne Person seine Kleidung woanders kauft?
Solche Probleme müssten dort gelöst werden, wo es wirklich geht: Bei denen mit der eigentlichen Macht, z.B. in der Wirtschaft oder Politik, aber nicht beim kleinen Mann.
Eine rot-grüne Regierung z.B. hätte wirklich einiges sozial ändern können, aber mit den Gelben dazwischen...
Ich denke schon, dass es etwas bringt sein Kaufverhalten zu überdenken, denn die Nachfrage bestimmt das Angebot. Die Haltung vom kleinen Mann findet sich in der Gesellschaft wieder.
Natürlich ist es schwierig, Systeme sind festgefahren. Ich bin auch nicht der Typ, der ständig über sein eigenes Kaufverhalten urteilt. Da würde man irre werden.
Aber es fällt leicht, zwischendurch ein paar Gewohnheiten zu überdenken und gewisse Strukturen zu ändern. Natürlich hast du recht, die Politik hat sehr viel in der Hand. Jedoch denke ich schon, es ist die Haltung jedes Einzelnen, die sich in dieser Welt zeigt und die diese Welt verändert. Die Perspektive zu verändern und es aus der Sichtweise des Gegenüber mal betrachten, wäre ein Schritt zu verstehen, warum Menschen in bestimmten Situationen immer ähnlich reagieren. In einem Bereich sind wir Menschen alle gleich, wir wollen überleben. Wir unterscheiden uns lediglich darin, dass wir uns in unterschiedlichen Situationen befinden.

Weiße Haut ist eine reine biologische Anpassungsreaktion auf verändertes Klima.

https://www.deutschlandfunkkultur.de/re ... _id=362877




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Jörn Budesheim
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Wo kommst du eigentlich her?
Aus Köln!
Nein, ich meine: wo kommst Du wirklich her?
Naja, ich bin wirklich in Köln geboren.
Nein, deine Wurzeln, wo kommen deine Eltern oder Großeltern her?
Die kamen aus Burundi.
Ah, also aus Afrika. Ich mache mir wirklich Gedanken darüber, dass wir von Massen von Menschen aus Afrika "überschwemmt" werden. Ich habe nämlich Angst vor Überfremdung!


Das Gespräch ist zwar konstruiert, eine Karikatur, wenn man sie möchte, aber die absurd wirkende Wendung, die es genommen hat, entspricht genau der Wendung dieses Threads. Die Frage ist angeblich ganz harmlos und wird aus reiner Neugierde und Freundlichkeit gestellt, und plötzlich ist man bei einem ganz und gar menschenfeindlichen Bild, wo schwarze Menschenmassen aus Afrika Europa überschwemmen. Das sind meines Erachtens die Bilder, die im Hintergrund wirken. Ganz egal, ob eine Person hier geboren wurde oder nicht, wenn sie schwarz ist, gehört sie in Wahrheit nach Afrika. (Nach Afrika und nicht etwa nach Burundi, Nigeria oder Ghana.)

»Die ›Herkunftsfrage‹ wird denen gestellt, die als ›natio-ethno-kulturell auffällig‹ eingestuft werden, und zielt daher mehr als auf eine Ortsangabe. Sie fordert dazu auf, sich als Angehörige einer bestimmten national ethnisch und kulturell definierten Gruppe, die NICHT deutsch ist, darzustellen oder zuordnen zu lassen. Und diese Zuordnung ist verbunden mit Zuschreibungen, Bewertungen und Erwartungen.« (Anja Krause)

In Deutschland leben seitdem 15. Jahrhundert Schwarze. Eine Person wurde hier in Deutschland geboren - vielleicht lebt ihre Familie schon seit mehreren Generationen hier. Nichtsdestotrotz ist sie permanent "othering" ausgesetzt. Und dann plötzlich geht es (implizit oder explizit) um Überfremdung und Angst. Kolonialismus, Völkermorde und Rassismus in der deutschen Geschichte sind viel weniger präsent.

Zur Erinnerung, Alice Hasters schreibt: der Rassismus im Kleinen, im Alltag, hängt mit dem Rassismus im Großen zusammen. die Richtung, die dieser Faden genommen hat, ist ein glasklares Zeichen dafür, dass Alice Hasters recht hat.




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Jörn Budesheim
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So 24. Okt 2021, 08:02

AndreaH hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 21:56
Vielleicht sollte man ab und zu die Perspektive wechseln.
Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 22:34
Das ist nie verkehrt.
Das ist der Grund, warum ich hier so viele Zitate von schwarzen Autorinnen gebracht habe. Ihre eigene Perspektive auf die angeblich so harmlose Frage nach der Herkunft sollte ziemlich offensichtlich geworden sein. Was heißt das nun, wenn die Forderung nach dem Perspektivwechsel kein Lippenbekenntnis bleiben soll?




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So 24. Okt 2021, 08:03

AndreaH hat geschrieben :
So 24. Okt 2021, 01:45
Burkart hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 22:34
AndreaH hat geschrieben :
Sa 23. Okt 2021, 21:56
Vielleicht sollte man ab und zu die Perspektive wechseln.
Das ist nie verkehrt.
Europa hat geschichtlich einiges zu bieten bei dem es in der Vergangenheit so manches überschwemmt hat. Wir Europäer tragen auch unseren Teil dazu bei, dass viele Menschen am Existenzminimum knabbern müssen. Beispielsweise unsere Kleidung, die wir in Bangladesch produzieren lassen, oder der afrikanische Markt der mit europäischen Trockenmilchpulver überschwemmt wird.

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Wie war das nochmal mit Amerika und Australien früher?

Vielleicht basiert diese Angst auch, weil Europa selbst in der Vergangenheit sehr überschwemmen bezüglich anderer Länder war.
Jegliches Überschwemmen ist schlecht, keine Frage.
Ein Problem ist, dass die Überschwemmten sich nicht wirklich wehren können, aber auch die scheinbar überschwemmende Masse der Leute auch nicht - oder glaubt irgendjemand, dass es viel bringt, wenn eine einzelne Person seine Kleidung woanders kauft?
Solche Probleme müssten dort gelöst werden, wo es wirklich geht: Bei denen mit der eigentlichen Macht, z.B. in der Wirtschaft oder Politik, aber nicht beim kleinen Mann.
Eine rot-grüne Regierung z.B. hätte wirklich einiges sozial ändern können, aber mit den Gelben dazwischen...
Ich denke schon, dass es etwas bringt sein Kaufverhalten zu überdenken, denn die Nachfrage bestimmt das Angebot.
In der Theorie schon, aber praktisch gesehen bestimmen oft die großen Händler u.ä. Angebote. Da wird dann halt mal etwas hingebogen, wie es ihnen passt.
So bestimmen Quasi-Kartelle (Aldi & Co) oft die Abnehme-Preise z.B. für die Milch oder Butter der Bauern; da können Verbraucher gerne anderer Meinung sein.
Ich frage mich auch, warum die Preise für Immobilien und Mieten so in die Höhe schossen sind. Stehen dahinter z.T. nicht die Aktionäre der großen Vermietergesellschaften, die einfach mehr Geld verdienen wollen und das auf Kosten des kleines Manner, des Normalverbrauchers sozusagen!? Und solange der kleine Mann sich weiter ausquetschen lässt...
Die Haltung vom kleinen Mann findet sich in der Gesellschaft wieder.
Bedingt aber nur. Wie lange gibt es schon die Diskussion um eine vernünftige Lebensmittelampel... aber gewisse Lobbys sind da anderer Meinung...
Apropos Lobbys: Wie lange gibt es schon die Diskussion um eine Börsensteuer, die insbesondere die ultraschnellen Handel besteuert... da durfte ich beruflich mal einen Banken-Lobbyisten kennenlernen aus Brüssel, der selbstverständlich gegen so eine Steuer "integriert" hat. Oder es sind u.a. die großen Versicherungen, die das Zweiklassensystem zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung zementieren, einfach schon wegen ihrer Arbeitsplätze... u.a. taten sie es vor der Bundestagswahl, darauf u.a. bei ihren Mitarbeitern darauf hinzuweisen, dass diese bei ihrer Wahl doch darüber nachdenken sollen...
Natürlich ist es schwierig, Systeme sind festgefahren. Ich bin auch nicht der Typ, der ständig über sein eigenes Kaufverhalten urteilt. Da würde man irre werden.
Völlig richtig. (M)Ein Prinzip ist z.B., jegliche Werbung und damit deren Beeinflussung abzulehnen und eher gerade diese Produkte nicht zu kaufen oder zumindest stark zu hinterfragen. Leider klappt es nicht immer, z.B. ist die Gesellschaft schon so Handy-besessen, dass man ohne eines kaum noch klarkommt, auch wenn es ohne auch meist gehen würde (mir reicht meist ein Notebook mit Webabschluss, den ich eben nicht immer vor Ort haben muss).
Aber es fällt leicht, zwischendurch ein paar Gewohnheiten zu überdenken und gewisse Strukturen zu ändern.
Welche fallen dir ein? Die größte (gezielte) Strukturänderung dürfte die der fortschreitenden Digitallisierung sein, außer vielleicht Fridays for Future u.ä.
Natürlich hast du recht, die Politik hat sehr viel in der Hand. Jedoch denke ich schon, es ist die Haltung jedes Einzelnen, die sich in dieser Welt zeigt und die diese Welt verändert. Die Perspektive zu verändern und es aus der Sichtweise des Gegenüber mal betrachten, wäre ein Schritt zu verstehen, warum Menschen in bestimmten Situationen immer ähnlich reagieren. In einem Bereich sind wir Menschen alle gleich, wir wollen überleben. Wir unterscheiden uns lediglich darin, dass wir uns in unterschiedlichen Situationen befinden.
Jein, das stimmt nicht für die wirklich machthabenden Leute. Diese wollen nicht nur irgendwie überleben, sondern ihr Leben in ihrer Hinsicht zu optimieren (wie jeder anderer Mensch grundsätzlich auch), was oft genug darin besteht, noch mehr Geld und Macht zu sammeln und halt auf Kosten Anderer (z.B. halt die großen Vermieter-Gesellschaften).
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Dann hatte Michael Jackson doch recht, sich zu bleichen ;)
Es geht ja letztlich auch nicht um die Hautfarbe, diese ist nur ein optisches Merkmal. Es geht letztlich um oft egoistische Machtverteilung, die allerdings durch unser System beeinflusst ist, z.B. durch Werbung, durch irgendwelche Gruppen, die ihre Werte durchsetzen wollen usw.



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So 24. Okt 2021, 08:11

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Okt 2021, 07:39
Das Gespräch ist zwar konstruiert, aber die absurd wirkende Wendung, die es genommen hat, entspricht genau der Wendung dieses Threads.
Aus meiner Sicht vermischt du zwei Dinge: Die des individuellen Menschens und die von großen Bevölkerungsmengen.
Man kann sehr wohl nicht rassistisch hinsichtlich einzelner Menschen sein, dabei aber trotzdem sich nicht wünschen, dass eine beliebige Vermischung von Kulturen stattfindet, die im Extremen z.B. zu Selbstmordattentätern führt (siehe z.B. die Liste islamistischer Anschläge in Frankreich).

Mir scheint, dass die DIfferenzierung von vielen Menschen nicht verstanden wird, z.B. hierbei:
Das ist der Grund, warum ich hier so viele Zitate von schwarzen Autorinnen gebracht habe. Ihre eigene Perspektive auf die angeblich so harmlose Frage nach der Herkunft sollte ziemlich offensichtlich geworden sein. Was heißt das nun, wenn die Forderung nach dem Perspektivwechsel kein Lippenbekenntnis bleiben soll?
Bitte gehe/geht mal auf diese Differenzierung ein.



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So 24. Okt 2021, 08:21

Burkart hat geschrieben :
So 24. Okt 2021, 08:11
Aus meiner Sicht vermischt du zwei Dinge: Die des individuellen Menschens und die von großen Bevölkerungsmengen.
Nicht ich vermische das, sondern du. Schließlich hast du das Thema auf dieses Gleis gesetzt. Du warst es, der von den individuellen Menschen auf die großen Mengen, Massen und Überschwemmungen gekommen ist.




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So 24. Okt 2021, 08:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Okt 2021, 08:21
Burkart hat geschrieben :
So 24. Okt 2021, 08:11
Aus meiner Sicht vermischt du zwei Dinge: Die des individuellen Menschens und die von großen Bevölkerungsmengen.
Nicht ich vermische das, sondern du. Schließlich hast du das Thema auf dieses Gleis gesetzt. Du warst es, der von den individuellen Menschen auf die großen Mengen, Massen und Überschwemmungen gekommen ist.
Ich versuche nur zu ergründen, warum hier wer als Rassist angesehen wird. Dann stelle ich meine Frage anders:
Ist man für dich/euch ein Rassist, wenn man mit jedem einzelnen Menschen, egal welcher Hautfarbe, klar kommt (und deshalb die Frage stellen kann, woher jemand kommt (*)), aber das Risiko sieht, wenn sich unterschiedliche Kulturen mischen und es so zu Problem kommt?

(*)Wenn weiterhin die Frage als solche schon Rassismus bedeutet, sehe ich dies sehr als Trauerspiel an, jedenfalls wenn man sie im privaten Kontext ohne jeglichen negativen Hintergedanken stellt.
Und wenn ihr aber sagt, es gäbe immer Hintergedanken, dann schließt mal nicht von euch oder von Anderen aus der Gesellschaft auf den Fragenden, das ist so pauschal nicht fair.
Oder haben die Fragenden kein Recht mehr auf ihre Frage-(Meinungs-)Freiheit, nur noch die Befragten?



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So 24. Okt 2021, 09:37

Tut mir leid, Burkart, ich möchte dich nicht gern mit ein paar Sätzen abspeisen, aber ich bin schon wieder auf dem Sprung und tipper gerade in mein Handy.

Deshalb doch nur kurz, aber weg von der individuellen Ebene:
1. Das Wort Überfremdung würde mir nie über die Lippen kommen.
2. Landesgrenzen sind für mich keine Naturgegebenheiten, sondern historisch gewachsen, also mehr oder minder willkürlich und nicht für die Ewigkeit.
3. Dass ich zufällig in diesem Land geboren wurde, heißt nicht, dass ich einen Exklusivanspruch darauf habe, hier zu sein.
4. Zur Vermischung der Kulturen: Welche Kultur genau schwebt dir da vor, die du unvermischt erhalten möchtest?




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Jörn Budesheim
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Burkart hat geschrieben :
So 24. Okt 2021, 08:48
Oder haben die Fragenden kein Recht mehr auf ihre Frage-(Meinungs-)Freiheit, nur noch die Befragten?
Meine Freiheit hört da auf, wo die Freiheit der anderen beginnt.

Zu meiner Freiheit gehört, dass ich mir selbst über das, was ich tue, Rechenschaft ablegen kann, zumindest in gewissen Grenzen. Ich verstehe es also als ein Teil meiner eigenen Freiheit, Muster, die ich bediene, gegebenenfalls zu erkennen, zu sehen, dass sie möglicherweise falsch sind und sie dann eben nicht mehr zu bedienen. Dinge, die ich sage, selbst im besten Glauben, können sich als fragwürdig herausstellen, wenn sie zu einem Überzeugungs-Netz oder sagen wir: zu einer Ideologie gehören, die in sich verwerflich ist. Dass ich so etwas erkennen und ändern kann, heißt, dass ich in gewissen Grenzen frei bin. Das heißt, dass ich kein letztgültiger Gefangener solcher Strukturen bin.

Ich empfinde es auch nicht als Einschränkung meiner Freiheit, zu versuchen, die Perspektive eines Gesprächspartners oder einer Gesprächspartnerin zu verstehen, ggf. anzuerkennen und zu übernehmen, wenn sie mir richtig erscheint und ich sie nachvollziehen kann. Im Gegenteil, ich finde, das ist ein Teil meiner Freiheit.

Zu meiner Freiheit gehört auch, dass ich mein "Weltbild" überdenken und gegebenenfalls korrigieren kann. Das Interview mit Christian Geulen und auch das Buch von ihm, was ich zu großen Teilen gelesen habe, hat mir zB gezeigt, dass meine Vorstellungen von Rassismus in großen Teilen verfehlt waren. Das ist keine Gängelung oder betreutes Reden, sondern eine Erweiterung meiner Meinungsfreiheit. Dass die Frage nach der Herkunft für people of color nicht nur nervend, sondern auch verletzend sein kann, war mir zuvor nicht so bewusst. Das hat erst die Lektüre von Alice Hasters ergeben. Obwohl ich diese Frage noch nie einem Schwarzen und einer Schwarzen gestellt habe und erst "dank" dieses Themas etwas genauer darauf geschaut habe. Dadurch habe ich meine Meinungsfreiheit erweitert.

Zu der Frage: Wer ist ein Rassist bzw eine Rassistin? Die Frage kann, muss aber nicht, schon Teil des Problems sein: denn man ist zu schnell geneigt, den Rassismus in eine bestimmte Ecke zu stellen: die AFD, die Ulttrarechten, der Ku-Klux-Klan und so weiter. Das ist aber bereits ein Teil des Musters, denn es sind immer die anderen, die rassistisch sind. Auf diese Art und Weise geraten die eigenen Muster, die man bedient, schnell aus dem Blick.

Wie auch immer: ich für meinen Teil glaube nicht, dass Elke Heidenreich eine Rassistin ist. Dennoch ist die Frage nach der Herkunft bei weitem nicht so harmlos, wie man vielleicht glauben mag, wenn man sich damit nicht beschäftigt hat. Denn der Rassismus im Kleinen hängt mit dem Rassismus im Großen eben zusammen, wie Alice Hasters schon erläutert hat. Ich kann mir auch nicht im Ernst vorstellen, das es eine gravierende Einschränkung der Meinungsfreiheit ist, wenn man ein Gespräch mit Schwarzen nicht mit dieser Frage beginnt, wenn man weiß, dass sie womöglich als problematisch empfunden wird.

Mal ein Beispiel: ich habe vor kurzem einen Text zu einer Ausstellung hier in der Kunsthalle gelesen. Darin ging es unter anderem um Sartre, Camus und andere Philosophen. Der Text hat mir gut gefallen und als ich gegoogelt habe, um herauszufinden wer ihn geschrieben hat, habe ich gemerkt, dass ich überrascht war, als ich gesehen habe, dass es sich um eine schwarze Autorin handelte. Das war für mich umso erstaunlicher, als ich mich später erinnert habe, dass es im Text sogar deutlich gesagt wurde. Das Muster, dass solche Texte von weißen (Männern) stammen, war aber offensichtlich stärker.




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