PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 21:08
Es gibt Kosmetik, insbesondere Make up, für dunkle Hautfarben. Es gibt Shampoo für krauses Haar, dreadlooks, usw. In Deutschland selten und dann auch noch teurer.
Genau, das hat sie auch erzählt, manches gibt es gar nicht, einiges ist schwer zu kriegen und meistens ist es teuer.




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Jörn Budesheim
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Burkart hat geschrieben :
Sa 16. Okt 2021, 23:44
Ich kann Heidenreich nur zustimmen. Ich finde es lächerlich, hier von Rassismus zu sprechen. Ich wurde auch im Ausland schon gefragt, wo ich herkomme, na und?

Wenn jemand so ein Thema wirklich stört, soll die Person es auf eine solche Frage einfach sagen und gut is'; viele andere Leute stört es nicht.

Will man uns hier wirklich die Meinungs- und Sprechfreiheit nehmen??


Gefällt: Nauplios
Burkart hat geschrieben :
So 17. Okt 2021, 15:59
Ach ja, und danke auch an Nauplios, der für meinen vorigen Beitrag gevotet hat.
Nauplios hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 18:58
Seit einigen Jahren mache ich mit einer Sängerin mit marokkanischen Wurzeln Musik und natürlich interessiert mich ihre Geschichte. Wie ließe sich die Frage nach ihrer Herkunft aus dieser Geschichte überhaupt ausklammern?

Aber das ist am Ende nicht die Konstellation, um die es hier geht. In dem Wissen um die Problematik der Herkunftsfrage, wie sie Alice Hasters etwa in ihrem Buch beschreibt, würde ich sie nicht stellen. Dazu wäre eine Konstellation wie beispielsweise in der Band Voraussetzung.


Halten wir diesen Punkt mal fest: in dem Wissen um die Problematik würdest du auf die Herkunftsfrage also eher verzichten, es sei denn die Umstände wären mit deinem Beispiel vergleichbar.

Ganz genau so sehe ich das auch.

Jetzt zu einem anderen Punkt: die Lektüre dieses und anderer Bücher, die bei mir noch nicht abgeschlossen ist, aber auch die Betrachtung der Tagesschau Videos waren/sind ein wichtiger Teil meines Meinungsbildungsprozess. Dein Beitrag liest sich so, als wäre es bei dir nicht viel anders gewesen.

Ich habe dabei Dinge gelernt, die ich zuvor nicht wusste. Es geht hier also keineswegs um eine Einschränkung der Meinungs- und Sprech-Freiheit, sondern um das exakte Gegenteil. Denn Meinungen sind etwas, was man bildet. Und unsere Freiheit besteht nicht einfach generell darin, zu tun was wir wollen, sondern tun zu können, wofür wir gute Gründe haben oder zu haben glauben. Dass wir uns an Gründen orientieren können, ist ein essentieller Teil unserer Freiheit. Mit anderen Worten: man liest so ein Buch und stellt fest, dass es Gründe liefert, auf die Frage lieber zu verzichten, es sei denn die Konstellation ist entsprechend.




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Jörn Budesheim
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Burkart hat geschrieben :
So 17. Okt 2021, 15:59
Ich habe gerade mal einen Nachbarn gefragt, wie er das sieht mit Rassismus, wenn man fragt wie Elke Heidenreich.
Es konnte die Kritik an ihr auch gar nicht nachvollziehen, ja also voll meine Meinung vertreten.
Nauplios hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 12:37
"Wer nach Moral ruft, (...) will sich das Denken ersparen." (Norbert Bolz; "Die Avantgarde der Angst"; S. 95f) -




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Nauplios
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 26. Okt 2021, 18:19
... mit (...) Nauplios bin ich sehr selten bis nie einer Meinung ...
Ich hätte kein Problem damit, in dem Wissen darum, daß es jemanden "nervt", die Frage nach der Herkunft nicht zu stellen. Ich hätte auch kein Problem damit, in dem Wissen darum, daß jemand die Herkunftsfrage für "Rassismus" hält, sie nicht zu stellen. Ich würde in beiden Fällen Rücksicht nehmen. Ich kenne das Buch von Alice Hasters nicht. Was ich darüber erfahren hab', stammt überwiegend aus diesem Thread. Von einem auf Gründen basierenden Reflektions- und Meinungsbildungsprozess kann man in meinem "Fall" also nicht sprechen.

Die Hautfarbe eines Menschen kann ihn zu einem von Rassismus und Diskriminierung betroffenen Menschen machen mit besonderen Erfahrungen; ein Alleinvertretungsanspruch darauf, was als Rassismus zu gelten hat und was nicht, ergibt sich daraus nicht. Es ergibt sich daraus der Anspruch, gehört zu werden. Diesem Anspruch stelle ich mich - in der Hoffnung, daß auch ich (als Mitglied der "ekligen weißen Mehrheitsgesellschaft" und/oder als alter weißer Mann) gehört werde.

Habe ich denn überhaupt ein Recht gehört zu werden? Bei Mennana hätte ich es. Bei Alice Hasters vielleicht auch.

Hier gilt jedoch:
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 09:44
Denn wer sich am Guten orientiert, ist böse - darauf läuft es bei Nauplios am Ende immer hinaus.
"Bei Nauplios." - "Immer".

Deshalb bleibe ich bei meinem Like für Burkart, weil es erstens lächerlich ist, Elke Heidenreich Rassismus zu unterstellen und weil er zweitens den moralischen Rigorismus in seinem Machtanspruch andeutet, den Münkler und andere in ihren Beiträgen ausführen. Auch sie bringen Gründe an, die man hören darf.

"... sehr selten bis nie ..." - Nie.




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Nauplios
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 29. Okt 2021, 06:18

Dein Beitrag liest sich so, als wäre es bei dir nicht viel anders gewesen.
Wie der Beitrag zu verstehen ist, habe ich gerade verdeutlicht. - Und mehr möchte ich zu diesem Thema auch nicht mehr sagen.




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Nauplios hat geschrieben :
Fr 29. Okt 2021, 08:39
[der] moralischen Rigorismus in seinem Machtanspruch
Da ist es wieder, das Muster. Moral = moralischer Rigorismus = Machtanspruch. Moral (unter der Hand) mit moralischem Rigorismus gleichzusetzen, das heißt nichts anderes, als das Gute zum Bösen zu machen. Das ist und bleibt dein Motto.




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AndreaH
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 19:31
AndreaH hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 18:22
Achja,... meist vergessen wir, der Frage nach der Herkunft eines Menschen geht oftmals auch ein normales positives Interesse voraus, welches nichts mit Rassismus zu tun hat.
In der Regel wird das überhaupt nicht vergessen, sondern sogar besonders stark thematisiert von allen Seiten. In dem Tagesschau Video, was ich weiter oben gepostet habe, wird es z.b. besprochen. Die problematische Wirkung der Frage kann ja ganz unabhängig von der Intention des Fragers eintreten.

Genauso problematisch wie die "Herkunft - Frage" können auch entsprechende Komplimente sein. Auch diese werden ja in der Regel mit besten Absichten gemacht. Nichtsdestotrotz können sie unpassend sein.

Letztlich geht es darum, eine gewisse Sensibilität zu entwickeln, warum und in welchen Situationen diese Frage problematisch sein kann. Man wird sicherlich keinen simplen Algorithmus angeben können, wann diese Frage angebracht ist und wann nicht, schätze ich. Aber das heißt natürlich nicht viel.

@Jörn und @Nauplios  ich war mehr auf die Antwort von Burkart konzentriert. Daher habe ich ehrlich gesagt das andere nur nebenbei mitgelesen. Der Film oben gefällt mir sehr gut, auch weil er deutlich macht, dass die Meinungen bezüglich Rassismus bunt gemischt sind und viele Nuancen noch dazwischen liegen. Ich denke aber, man kann nicht einfach alles mit der Frage "Woher kommst du?" aufwiegen. Es spielt viel die Art mit, wie jemand fragt und aus welchem Interesse und dies spürt der Gefragte ganz genau. Daher hätte ich überhaupt keine Hemmung jemanden nach seiner Herkunft zu fragen.
Selbst wenn der Gefragte nicht nach der Herkunft gefragt wird, so spüren viele durch Mimik und Körpersprache auch, wie der andere sie sieht.
Daher denke ich, geht es nicht immer um das Gefragte, sondern darum, wie die Haltung grundsätzlich gegenüber dem anderen ist. Viele tragen eine Abwertung gegenüber andere in sich. Dies findet aber in vielen Bereichen statt nicht nur im Bereich der Hautfarbe. Andererseits geht es auch anders herum, dass sich jemand angegriffen fühlt, und es gäbe keinen Grund dazu.

Zu eurer Diskussion kann ich leider wenig sagen, da ich mich bisher mit Elke Heidenreich oder Alice Haster nicht beschäftigt habe.




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Sa 30. Okt 2021, 09:39

AndreaH hat geschrieben :
Fr 29. Okt 2021, 22:36
Daher denke ich, geht es nicht immer um das Gefragte, sondern darum, wie die Haltung grundsätzlich gegenüber dem anderen ist.
Nun die grundsätzliche Haltung ist dann wohl, dass man den Gesprächspartner in die Schublade "kommt nicht von hier" gesteckt hat und das,,obwohl die Person vielleicht hier geboren ist und auch die Eltern seit Generationen hier leben. Schwarze gibt es in Deutschland immerhin seit dem 15. Jahrhundert! Das einzige Kriterium dafür ist die andere Farbe der Haut. Wie freundlich und nett man die Frage auch meint, man ist und bleibt einer der Vielen, die sie stellen.

Alice Hasters erzählt in ihrem Buch, wie sehr sie dieses Gefühl, das durch die Frage ausgedrückt wird, dass sie nämlich nicht dazu gehört, schon als kleines Kind bedrückt hat.




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Jörn Budesheim
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Sa 30. Okt 2021, 09:50

Alice Hasters hat geschrieben : Viele mögen die Frage nach der Herkunft als freundliche Neugier verbuchen, als besonderes Interesse am Hintergrund einer Person. Aber die Frage nach der Herkunft, wie sie mir auch heute noch gestellt wird, bekundet meist kein Interesse an mir, sondern an der Bestätigung bestimmter Vorurteile. Vorurteile, die eine ganz bestimmte Antwort erfordern. Das fing schon damit an, dass viele fragten: »Woher kommt dein Vater?« , selten hingegen: »Woher kommt deine Mutter?« Weil sie die Zuwanderung Schwarzer Menschen mit Männern verbanden anstatt mit Frauen. Genauso wenig zogen sie die USA als mögliches Herkunftsland in Betracht. Nicht selten kamen Nachfragen auf meine Amerika-Antwort, wie: »Meinst du Südamerika?«, oder: »Meinst du Afrika?«, oder: »Hast du noch Wurzeln anderswo?« Die Fragenden erwarten etwas »Exotisches«, sie wollen etwas über Orte hören, an denen die Sonne scheint und Kokospalmen wachsen. Etwas über andere Sitten, ein simpleres Leben, wo die Menschen zwar wenig haben, dafür aber viel lachen und tanzen, sie wollen etwas hören über scharfes Essen und wilde Tiere. Als Kind hatte ich das Gefühl, es läge an mir, diese rassistischen Klischees irgendwie zu erfüllen.

Die Frage nach Herkunft ist eine intime Frage, wenn sie von weißen Menschen an nicht-weiße Menschen gestellt wird. Sie schafft ein Ungleichgewicht. Ich muss mich erklären, ich muss Dinge über meine Familiengeschichte offenbaren. Mein Gegenüber muss das nicht. Diese Frage kann Wunden aufreißen: Sie kann indirekt nach Geschichten über getrennte Familien, Flucht, Verlassen- oder Verstoßenwerden verlangen. Sie will auch wissen, warum man denn jetzt in Deutschland ist, fordert also eine Art Rechtfertigung.

Ich müsste die Frage »Hast du noch Wurzeln anderswo?« ehrlicherweise so beantworten:

»Ja, Teile meiner Wurzeln liegen in Afrika. Allerdings kann ich sie nicht mehr genau nachvollziehen, weil meine Vorfahr*innen entführt, ihrer Heimat entrissen, in die USA gebracht und versklavt wurden. Ihnen wurde verboten, ihre Sprache zu sprechen, sie mussten ihre eigenen Namen ablegen und den ihrer ›Besitzer*innen‹ annehmen. Die Spuren sind also absichtlich verwischt worden und nur schwer bis gar nicht recherchierbar. Das führt bis heute zu einer massiven Lücke in meiner Identität, so wie bei vielen anderen Afroamerikaner*innen auch. Die Sehnsucht, mehr über diese Wurzeln zu wissen, nimmt nicht ab, weil Afroamerikaner*innen bis heute als US-Bürger*innen zweiter Klasse gesehen und behandelt werden. Die Identifikation mit den afrikanischen Wurzeln ist ein schwer diskutiertes Thema in der afrikanischen Diaspora, besonders bei Nachfahr*innen von versklavten Schwarzen, also denjenigen, die mehrheitlich in den Amerikas und der Karibik leben. Viele Menschen sind der Meinung, dass die Hervorhebung der afrikanischen Herkunft immer wieder an Wurzeln erinnere, die mittlerweile lange zurücklägen, und die ständige Betonung davon einen daran hindere, als gleichwertig akzeptiert zu werden. Man nennt weiße Amerikaner*innen ja auch nicht Euro-Amerikaner*innen. Wieder andere meinen, dass ein Herunterspielen dieser Wurzeln die vollendete Anpassung an eine kolonialisierte Welt sei. Eine Resignation im Kampf gegen ein rassistisches System, wo einzig der Lebensentwurf weißer Menschen als erstrebenswert gilt. Man würde dem brutalen Entreißen aus afrikanischen Kulturen, dem Verlust von Familie und Identität letztendlich stattgeben. Ich persönlich finde beide Ansätze nachvollziehbar, für mich ist es ja noch komplizierter, weil ich als Tochter einer US-Amerikanerin in Deutschland geboren bin. Meine Wurzeln sind ein komplexes Thema, ich könnte darüber ein ganzes Buch schreiben.«

Ich habe nur irgendwie das Gefühl, dass diese Antwort den Rahmen des Smalltalks sprengen würde.




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Sa 30. Okt 2021, 10:02

Ein Zitat aus dem Facebook Kommentaren zu dem Buch.
...
Habe das Buch gelesen. Ich würde mich niemals als rassistisch bezeichnen, das Buch zeigte mir jedoch, dass ich in meinem Alltag - ohne es zu wissen - das Rassismussystem unbewusst eben doch subtil aufrecht erhalte. Dabei macht mir Alice im Buch keinen Vorwurf. Ich kann nichts dafür, weiss und somit automatisch priviligiert geboren zu sein (und ja, das sind wir!). Ich kann aber etwas gegen das System tun, damit es sich ändert (oder ich kann es zumindest ins Wanken bringen). Als ersten, wichtigsten Punkt überhaupt: sich (richtig!) informieren. Und dieses Buch ist der perfekte Einstiegsweg dazu.

Die geschichtlichen Hintergründe fand ich ebenfalls äusserst informativ und immens wichtig, um das ganze Rassismuskonstrukt zu verstehen. Wer denkt, mit der Abschaffung der Sklaverei wäre das Problem erledigt, hat weit gefehlt.

Ich empfehle und verschenke das Buch an so viele Leute, wie ich nur kann.

Du denkst, über Rassismus aufgeklärt zu sein, Bescheid zu wissen und selbst sowieso keine Berührungspunkte damit zu haben? Du liegst völlig falsch - genau wie ich vorher. Lies das Buch! Dann wirst du verstehen, was du vorhin nicht verstanden hattest.
...




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Sa 30. Okt 2021, 15:48

Bolz > https://www.die-tagespost.de/kultur/feu ... art-218660 ich poste es nicht, weil ich es in irgendeiner Form richtig und nachvollziehbar finde, sondern einfach mal zur allgemeinen Kenntnisnahme.




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Stefanie
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Sa 30. Okt 2021, 18:08

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 30. Okt 2021, 15:48
Bolz > https://www.die-tagespost.de/kultur/feu ... art-218660 ich poste es nicht, weil ich es in irgendeiner Form richtig und nachvollziehbar finde, sondern einfach mal zur allgemeinen Kenntnisnahme.
Ich bin schon ganz am Anfang gestolpert, über die ersten zwei Sätze. "Moral ist ein Nahsinn. Im Umgang mit den Mitgliedern der eigenen Familie gibt es im Allgemeinen keine moralischen Probleme."
Na da frage ich mich doch, woher die viele häusliche Gewalt herkommt. Liebe deinen Nächsten ist das nicht.



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Jörn Budesheim
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Sa 30. Okt 2021, 19:55

Bolz hat geschrieben : Die ganze Menschheit ist jetzt Subjekt der Ethik.
Das Krasse in dem Zeitungstext ist ja, dass Bolz, das was er da schreibt, dass die ganze Menschheit Subjekt der Ethik ist, offenbar für verfehlt hält.




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Stefanie
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Sa 30. Okt 2021, 21:56

So richtig klar ist mir nicht, was konkret seine Ansicht ist. Mich irritiert etwas, dass dieser Beitrag auf einer Seite publiziert ist, auf der steht katholischer Journalismus. Widerspricht das, was er schreibt, nicht dem Gedanken der christlichen Kirche?
Ich bin verwirrt.



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Nauplios
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Sa 30. Okt 2021, 22:07

Zur Entwirrung könnte beitragen:

Norbert Bolz; Keine Macht der Moral

Darin ein ausführliches Kapitel zu Machiavelli.




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So 31. Okt 2021, 02:13

Jetzt bloß keinen Bolz-Platz hier aufmachen, bitte. Der sollte doch einschlägig bekannt sein. ;)




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Jörn Budesheim
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So 31. Okt 2021, 06:37

1+1=3 hat geschrieben :
So 31. Okt 2021, 02:13
Jetzt bloß keinen Bolz-Platz hier aufmachen, bitte. Der sollte doch einschlägig bekannt sein. ;)
Ich habe mich vor längerer Zeit intensiv mit Niklas Luhmann beschäftigt, dabei ist mir der Name Bolz gelegentlich über den Weg gelaufen, gelesen habe ich aber, zumindest soweit ich mich entsinnen kann, nichts von ihm. Und von seiner Entwicklung seit 2015 habe ich nichts mitbekommen.
Nauplios hat geschrieben :
Do 28. Okt 2021, 12:37
"Wer nach Moral ruft, (...) will sich das Denken ersparen." (Norbert Bolz; "Die Avantgarde der Angst"; S. 95f) -
Wikipedia hat geschrieben : Bolz ist Gastautor bei der Achse des Guten ...

Soziale Medien
Bolz ist seit 2012 auf Twitter aktiv. Unter dem Motto „Die Wahrheit in einem Satz“ veröffentlicht er dort konservative Aphorismen zum Zeitgeschehen. Unter anderem aufgrund seiner Kritik an der Migrationspolitik Angela Merkels bat ihn der Rektor der TU Berlin, seines damaligen Arbeitgebers, zu einem Gespräch. 2018 besprachen die Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich und Jörg Scheller die Entwicklung von Bolz’ Twitter-Account in einem ausführlichen Gespräch in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Pop. Kultur und Kritik. Sie sprechen darin von einer Radikalisierung seit dem Herbst 2015. Das Gespräch wurde von mehreren Medien rezipiert.
Norbert Bolz bei Twitter hat geschrieben : Es gibt keine Redefreiheit für die Gegner der Gutmenschen.
Norbert Bolz bei Twitter hat geschrieben : Der ‚neue Mann‘ ist nicht das Ergebnis der Selbstbesinnung des alten, sondern ein Züchtungsprojekt größten Ausmaßes“
Jörg Scheller und Wolfgang Ullrich hat geschrieben : Der wichtigere Grund für unsere Beschäftigung mit dem Account von Bolz ist jedoch, dass sich in ihm die Geschichte einer Radikalisierung abspielt. Und eben darin ist er wohl symptomatisch. Bolz gehört zu der Generation älterer Männer, aus deren Reihen seit dem Herbst 2015 vielfach scharfe Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, namentlich an Angela Merkel geübt wird. Wie etwa auch Peter Sloterdijk, Rüdiger Safranski oder Jörg Baberowski steht Norbert Bolz damit auf einmal in der Nähe von Rechtspopulismus, AfD und Pegida. Seine Tweets erfahren von dort viel Zuspruch, der ihn offenbar nicht nur nicht stört, sondern sogar anspornt, noch polemischer zu formulieren und sich die Reiz- und Kampfvokabeln der rechten Szenen zu eigen zu machen.

Als er am 22. Dezember 2017 nach Demonstrationen von Arabern gegen Israel in Berlin die Berichterstattung kritisierte und nicht nur einen Vergleich zur „Kölner Sylvesternacht“ zog, sondern auch die Frage stellte, ob die Medien „warten“ mussten, „bis das Bundeskanzleramt die Richtung vorgab“, der Regierung also in verschwörungstheoretischer Manier eine Beherrschung und heimliche Manipulation der öffentlich-rechtlichen und privaten Medien unterstellte, war für mich endgültig klar, dass von dem Norbert Bolz, dessen medienphilosophischen und konsumtheoretischen Schriften ich über die Jahre hinweg wichtige Anregungen zu verdanken hatte, nicht mehr viel übrig geblieben ist. Wie kann sich jemand, dessen Verständnis von Liberalität immer auch geistige Unabhängigkeit umfasste, ja der es genoss, intellektuelle Überlegenheit mit stilvoller Eitelkeit in Szene zu setzen, auf einmal mit den krudesten Stammtisch-Ressentiments gemein machen?


https://pop-zeitschrift.de/2018/03/14/s ... 4-03-2018/
Norbert Bolz in Tagespost hat geschrieben : Deshalb unterscheidet unsere Kanzlerin auch nicht mehr zwischen Deutschen und Migranten, sondern nur noch zwischen denen, die schon länger hier wohnen, und neu Hinzugekommenen. Die Pathosformeln dafür lauteten dann: Refugees welcome! Wir schaffen das! Wir haben Platz! Es handelt sich hier um eine unbegrenzte moralische Horizonterweiterung. Die ganze Menschheit ist jetzt Subjekt der Ethik. Doch warum hier stehen bleiben? Konsequent gehen einige Aktivisten noch weiter und fordern zum Beispiel Menschenrechte für Menschenaffen.

Der Grenzwert dieser Allmoral wäre die Biophilie, die Liebe zum Lebendigen an sich. Im grünen Zeitalter ist denn auch der Gaia-Kult wiedererwacht, die Feier der Erde als mit allen Mitteln zu schützendes Lebewesen. Wenn man sich nun aber erinnert, dass Moral eigentlich ein Nahsinn ist, wird sofort klar, dass die guten Menschen sich hier selbst überfordern. Und das Ergebnis dieser permanenten Selbstüberforderung kann natürlich nur ein ständig anwachsendes Schuldgefühl sein. Die Allmoral ist also eine Anleitung zum Unglücklichsein.




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Jörn Budesheim
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So 31. Okt 2021, 06:55

Stefanie hat geschrieben :
Sa 30. Okt 2021, 21:56
So richtig klar ist mir nicht, was konkret seine Ansicht ist. Mich irritiert etwas, dass dieser Beitrag auf einer Seite publiziert ist, auf der steht katholischer Journalismus. Widerspricht das, was er schreibt, nicht dem Gedanken der christlichen Kirche?
Ich bin verwirrt.
katholisch.de hat geschrieben : Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, hat das Internetportal "kath.net" und die Wochenzeitung "Die Tagespost" kritisiert. Im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Mittwoch) bezeichnete er beide als Beispiele für "einige scharf agierende kirchliche Medien".

...

Sternberg warnte in dem Gespräch insgesamt vor rechtsnationalen Einflüssen auf Gemeinden und Kirchenvorstände. "Es gibt in der katholischen Kirche rechte Stimmen. Und es gibt katholische Geistliche, die sich positiv über die AfD äußern. Wir als große demokratische Mehrheit können uns nicht scharf genug dagegen abgrenzen", so der ZdK-Präsident. "Nationalismus und Katholizismus schließen sich aus."

https://www.katholisch.de/artikel/23952 ... -tagespost




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So 31. Okt 2021, 07:34

Ich mag mich mit Bolz und Konsorten überhaupt nicht mehr befassen. Das ist dermaßen unappetitlich...
Ein Buch von Bolz über Luhmann fand ich sogar ziemlich gut. Leider ändert das aber an dessen z.B. leider z.T. auch AfD-kompatiblen Positionen etc. nichts.
Zuletzt geändert von 1+1=3 am So 31. Okt 2021, 07:39, insgesamt 1-mal geändert.




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So 31. Okt 2021, 07:38

Jörg Scheller hat geschrieben : Mitunter verbreitet Bolz auch banale Fake News als performativen Selbstwiderspruch: „Es gibt keine Redefreiheit für die Gegner der Gutmenschen.“ Es ist ein Treppenwitz, dass die Rede derer, die Redeverbote beklagen, derzeit so laut und allgegenwärtig ist.
Das ist für mich ohnehin ein großes Rätsel. Wie kommt es, dass jemand im Gebrauch der Redefreiheit proklamiert, man würde ihm die Redefreiheit nehmen?




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