PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 07:18

nwdm hat geschrieben :
ZEIT Campus ONLINE: Wenn jemand einer schwarzen Person ungefragt in die Haare fasst oder wenn ein Nazi jemanden tötet– die Spannbreite, in der sich Rassismus äußert, ist groß. Ist es richtig, alles unter einem Begriff zu fassen?

Hasters: Natürlich gibt es hinsichtlich des Gewaltausmaßes oder der Intention Unterschiede, also zwischen nicht böse gemeinten Handlungen und rechtsextremen gewaltvollen Übergriffen. Doch es gibt eben auch viel Spielraum dazwischen. Und alles entspringt dem gleichen Denken, dass weiße Menschen mehr wert sind als schwarze. Was in der Geschichte immer wieder so festgeschrieben wurde, wie in der Zeit des Kolonialismus. Ich will, dass die Leute die Verbindung dazwischen verstehen.
Ich habe mal einen Satz unterstrichen der mich besonders aufregt und zwar deshalb weil das ein ziemlich starker Vorwurf ist de so und in ähnlicher Form immer wieder bei ihr auftaucht..
Sie behauptet da in den Köpfen der Menschen herrsche das Denken vor dass weiße Menschen mehr wert sind als schwarze.
Wie kommt sie darauf sowas zu behaupten?
Was schreibt Hasters? Meine Interpretation: Es gibt viele verschiedene Formen von Rassismus. Die Spannbreite ist groß. Doch alles entspringt der gleichen Quelle. Wichtig ist, die Verbindung zu sehen zwischen dieser Quelle, also dem Ursprung der Idee im Kolonialismus, dass weiße Menschen wertvoller sind als schwarze und den heutigen Ausprägungen des Rassismus, so unterschiedlich sie auch gemeint sind. Seit den Beginnen des Kolonialismus wurden viele verschiedene (Sprach-)Bilder geprägt, um die Überlegenheit der "weißen Rasse" zu untermauern. Sinn dieser Bilder war u.a. Rassismus, Kolonialismus und Völkermord zu legitimieren. Vieles davon wirkt bis heute - oft unterschwellig, weil die Bilder und Stereotype leider zum Alltag gehören und als "normal" empfunden werden, schließlich ist man mit diesen Bildern groß geworden: "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" Vieles davon kommt heute zum Glück auf den Prüfstand, aber die Widerstände sind groß.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 08:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 07:18
Was schreibt Hasters? Meine Interpretation: Es gibt viele verschiedene Formen von Rassismus. Die Spannbreite ist groß. Doch alles entspringt der gleichen Quelle. Wichtig ist, die Verbindung zu sehen zwischen dieser Quelle, also dem Ursprung der Idee im Kolonialismus, dass weiße Menschen wertvoller sind als schwarze und den heutigen Ausprägungen des Rassismus, so unterschiedlich sie auch gemeint sind. Seit den Beginnen des Kolonialismus wurden viele verschiedene (Sprach-)Bilder geprägt, um die Überlegenheit der "weißen Rasse" zu untermauern. Sinn dieser Bilder war u.a. Rassismus, Kolonialismus und Völkermord zu legitimieren.
Ich denke damit hat sie recht. Ich zweifle das nicht an. Aber:
Vieles davon wirkt bis heute - oft unterschwellig, weil die Bilder und Stereotype leider zum Alltag gehören und als "normal" empfunden werden, schließlich ist man mit diesen Bildern groß geworden: "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" Vieles davon kommt heute zum Glück auf den Prüfstand, aber die Widerstände sind groß.
Offenbar lässt sie ausser Acht, dass diese "Bilder" heute gar nicht mehr rassistisch ausgelegt werden.
Wenn Du heute den Spruch "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" hörst, hast Du dann einen dunkelhäutigen Menschen, z.B. einen Afrikaner vor Augen?
Also ich nicht. Genauso wenig denke ich an Hautfarben wenn ich vom "Schwarzmarkt" lese oder vom "Schwarzfahren". Und mit dem "Scharz-weiß-Denken" ist kein rassistisches Denken gemeint.
Und wer "ins Schwarze trifft" der hat nicht auf einen Afrikaner geschossen.. Die Bilder mögen für Frau Hasters alle eine Anspielung auf ihre Hautfarbe und eine Form der Unterdrückung schwarzer Menschen sein, aber für die meisten Menschen haben sie diese Bedeutung gar nicht (oder nicht mehr).

In unserem Kulturkreis wird die Farbe schwarz traditionell mit etwas Negativem verbunden. Nicht ausschliesslich (siehe "ins Schwarze treffen" , oder auch der "Black Friday") aber überwiegend. Das war - meine ich - aber schon vor der Kolonialzeit der Fall (siehe "schwarzer Tod"). Diese negative Belegung der Farbe schwarz führt nun dazu, dass sich Menschen mit dunkler Haut herabgesetzt fühlen, weil wir dunkle Haut eben auch "schwarz" nennen.
Wie wäre es denn nun, statt eine ganze Kultur umzukrempeln, anstatt "schwarzer Mensch" einfach "farbiger Mensch" zu sagen? Den Vorschlag gibt es ja auch schon lange. Sorgen wir doch einfach dafür, dass dunkelhäutige Menschen nicht mehr mit der negativen Bedeutung der Farbe schwarz in Verbindung gebracht werden. Es gibt ja immer mehrere Wege das Problem zu lösen.

Übrigens: In den meisten Kampfsporarten bedeutet "schwarz" wiederum was ganz anderes. Eben nicht primitiv und schlecht, sondern dort steht sie für die höchste Meisterschaft, für den höchsten Grad an Fertigkeit den man erlangen kann. Den weißen Gürtel hingegen tragen die Anfänger.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 11:24

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 08:55
Wenn Du heute den Spruch "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" hörst, hast Du dann einen dunkelhäutigen Menschen, z.B. einen Afrikaner vor Augen?
Ja.

Oft jedoch wirken solche Bilder unterschwellig. Zudem im Verbund. Es geht um ein ganzes System von Handlungstypen, Bildern, Mustern, Begriffen etc., die sich historisch nachverfolgen lassen und auch untersucht werden. Dabei geht es ja nicht darum, dass man diese Muster zu 100% bei jedem Einzelnen nachweisen kann, sondern darum, dass sie alles in allem immer noch wirksam sind.

Alice Hasters: [Das] »Puppenexperiment«. Ein Kind hat dabei zwei Puppen zur Auswahl, die genau gleich aussehen, abgesehen von der Hautfarbe. Eine Puppe ist weiß, die andere Schwarz. Den Kindern werden eine Reihe Fragen gestellt: Welche Puppe ist die schöne? Welche Puppe ist die böse? Welche Puppe ist die hässliche? Die nette? Die gemeine? Das Resultat: Überwiegend ordneten die Kinder der weißen Puppe die positiven und der Schwarzen die negativen Attribute zu, unabhängig von der eigenen Hautfarbe. Auch Schwarze Kinder fanden die dunkelhäutige Puppe hässlich, gemein und böse — dabei wussten sie genau, dass sie selbst die gleiche Hautfarbe hatten. Dieses Experiment wurde von zwei afroamerikanischen Psycholog*innen in den 1940er-Jahren entwickelt. Vor allem in den USA wurde es mehrere Male wiederholt. 2010 zeigte CNN eine Abwandlung des Experiments mit ähnlichen Ergebnissen. Formen von Diskriminierung werden also nicht nur von denjenigen verinnerlicht und unbewusst als Wahrheit angenommen, die von ihnen profitieren, sondern auch von denjenigen, die darunter leiden. Im Englischen gibt es einen Begriff dafür: Internalized Oppression ...

Diese Muster und ihre Wirkung lassen sich also sogar wissenschaftlich nachweisen, sie hängen nicht davon ab, dass sich jede:r Einzelne dessen bewusst ist, sondern sie leben eher davon, dass sie unterschwellig wirken und so auch weiter gegeben werden. Da ich kein Strukturalist oder Poststrukturalist bin glaube ich, dass das möglich ist, worauf Mai Thi Nguyen-Kim setzt: (Selbst-)Aufklärung.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 11:57

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 11:24
Diese Muster und ihre Wirkung lassen sich also sogar wissenschaftlich nachweisen,
Wo und wann wurde der "wissenschaftliche Beweis" erbracht dass z.B. Fragen nach der Herkunft eines Menschen dazu führen, dass Kinder weiße Puppen schöner (und netter) finden als schwarze?
Die Feststellung, dass es in unserer Gesellschaf bei vielen Menschen noch Vorurteile gibt, sagt noch gar nichts darüber aus wo diese Vorurteile herkommen.
In bestimmten Kreisen hat man sich nun darauf eingeschossen: Die Sprache ist schuld.
Stimmt vielleicht auch zum Teil. Ich denke aber andere Teile (Erziehung zum Beispiel?) sind da viel bedeutender.
Man kann da vielleicht auch die Frage nach Ursache und Wirkung, nach Ursache und Symptom stellen.
Verbinden einige Menschen Begriffe mit rassistischen Abwertungen weil ihnen die Begriffe das suggerieren, oder haben sie rassistische Vorureile und verbinden deshalb die Begriffe damit?

Ich muss was das betrifft nicht von Frau Hasters "aufgeklärt" werden. Für mich ist der "schwarze Mann" noch nie ein Afrikaner gewesen. Und ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn andere das unzulässig verknüpfen.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 12:48

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 11:57
Für mich ist der "schwarze Mann" noch nie ein Afrikaner gewesen. Und ich bin nicht dafür verantwortlich, wenn andere das unzulässig verknüpfen.
Nachtrag: Das Beispiel stammt von Jovis.

Wie auch immer: Für manche bedeutet "Haus" nicht Haus. Das ändert aber nichts daran, dass "Haus" Haus bedeutet.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 13:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 12:48
Wie auch immer: Für manche bedeutet "Haus" nicht Haus. Das ändert aber nichts daran, dass "Haus" Haus bedeutet.
Ja. Eben. "Schwarzer Mann" heißt einfach Schreckgestalt.

Die namensgebende Figur des Kinderspiels wird auf zwei unterschiedliche Wurzeln zurückgeführt. Bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts findet der „schwarze Mann“ als antonomasische Umschreibung für den Tod in diversen Totentanz-Darstellungen und Blockbüchern Erwähnung.[27] Eine weitere Interpretation als Kinderschreckfigur, die im gesamten deutschsprachigen Gebiet Bekanntheit erlangte,[28] ist u. a. für das Jahr 1643 in der Schrift Insomnis cura parentum[29] des Pädagogen Johann Michael Moscherosch bezeugt. Je nach Region und Zeit wurden mit der Figur des schwarzen Mannes verschiedenartige Erscheinungsformen charakterisiert, wie z. B. der Tod als anthropomorphe Kreatur,[30] eine finstere, schattenhafte Gestalt[31] oder ein Mann in schwarzer, meist antiquierter Kleidung (vgl. Grimm, 1885).[32]


Und nun kommen Menschen und wollen mir erzählen ein Haus sei was anderes als ein Haus?
*prust* Das ist DEREN Problem, nicht meins. Ich soll einen Begriff nicht mehr verwenden, weil andere, kranke Geister rassistische Begriffsumdeutungen vornehmen? Warum?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mo 8. Nov 2021, 13:32

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 13:00

Und nun kommen Menschen und wollen mir erzählen ein Haus sei was anderes als ein Haus?
*prust* Das ist DEREN Problem, nicht meins. Ich soll einen Begriff nicht mehr verwenden, weil andere kranke Geister rassistische Begriffsumdeutungen vornehmen? Warum?
Der Focus berichtet, daß der schwarze Mann gelegentlich durch den weißen Hai ersetzt wird. Widerspruch von seiten des Hais ist nicht zu erwarten, denn der Hai ist nach Auskunft des Haiforschers Thomas Peschak sehr tolerant. Will der weiße Hai dem schwarzen Mann an Schrecken ebenbürtig sein, könnte es ihm allerdings an einem mangeln: schwarzen Humor.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 14:01

Möglich wäre auch eine Anspielung auf die Pest aus der Zeit des Mittelalters. Diese wurde auch als "Schwarzer Tod" bezeichnet und hat viele Menschen infiziert und getötet. Diese Ansteckung wäre genau dasselbe Prinzip wie das des Spiels.
Das finde ich auch plausibel. Vielleicht hat man den Kindern so auf spielerische Weise beigebracht sich von den Infizierten fernzuhalten.
Heute spielt meine Freundin in ihrer Rolle als Erzieherin mit den Kindern das "Händewaschen-Spiel".

Nochwas.
Thomas P. Peschak: Das ist ein Irrtum. Haie sind viel klüger als Katzen. Das haben Futterversuche in den Bahamas gezeigt. Haie sind sehr clever darin, die Technik von Futterautomaten zu durchschauen. Viel schneller als Hauskatzen haben sie raus, welche Tasten man mit der Schnauze drücken muss, damit Futter kommt.
Hat er gerade eine ganze Art diskriminiert? Katzen sind dümmer als Haie?
;-)
Ich kann aus eigener, jahrzehntelanger Erfahrung sagen, dass Katzen sehr, sehr clever sind, wenn es um das Futter geht.
Und sie sind sogar so raffiniert, dass sie andere für sich arbeiten lassen. Sie finden sehr schnell raus, wie sie ihre Besitzer dazu bringen für sie die Knöpfe zu drücken, damit "Futter kommt".



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 14:43

Nauplios hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 13:32
Der Focus berichtet, daß der schwarze Mann gelegentlich durch den weißen Hai ersetzt wird. Widerspruch von seiten des Hais ist nicht zu erwarten, denn der Hai ist nach Auskunft des Haiforschers Thomas Peschak sehr tolerant.
Genau. PoC sind einfach nicht tolerant genug. Sollen sie sich mal ein Vorbild beim weißen Hai nehmen. Verächtlichmachen wie es im Buch steht.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mo 8. Nov 2021, 15:09

Apropos Buch: Das Buch ist verschickt, Stefanie. ("... kann bis zu fünf Tagen dauern ... ")




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 8. Nov 2021, 15:32

Nauplios hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 15:09
("... kann bis zu fünf Tagen dauern ... ")
Geschwind wie mit der Postkutsche.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 16:57

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 13:00
kranke Geister




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 17:06

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 16:57
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 13:00
kranke Geister
Ich meinte Menschen die an sich harmlose Begriffe benutzen um damit Menschen mit anderer Hautfarbe zu beleidigen oder herabzusetzen.
Und das wird übrigens auch nicht aufhören. Du kannst unseren gesamten Wortschatz "bannen". Diese Leute bedienen sich dann einfach anderer Begriffe oder erfinden gänzlich neue Wörter.

https://lpb.sachsen-anhalt.de/online-an ... n-rechten/

Du wirst rechtes und rassistisches Gedankengut nicht dadurch los, dass Du einfach Wörter und Begriffe verbietest oder ächtest.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 18:44

Wer hat Angst vorm schwarzen Mann
Haus
Schwule und Lesben
Die Bedeutung der Wörter ist keine Privatsache. Wenn man sich in den öffentlichen Diskurs begibt, schon gar nicht. Dann muss man, wenn man sich äußert, mit dem verbreiteten Gebrauch rechnen. Vor nicht allzu langer Zeit - sagen wir vor wenigen Jahrzehnten - war das Wort schwul eindeutig pejorativ. Ganz egal mit welcher inneren Einstellung ich es ausgesprochen hätte, es wäre in aller Regel als Beleidigung angekommen. Mittlerweile hat der Begriff einen Bedeutungswandel erfahren, weil Homosexuelle den Begriff sich selbst zugeschrieben haben. In anderen Kreisen mag der Begriff wiederum einen anderen Gebrauch haben - was die Teens and Twens damit meinen, weiß ich nicht mal.

Der Motor der Begriffsumwandlung war der Wechsel von der Fremd- zur Selbstzuschreibung. Das ist meines Erachtens mit der entscheidende Punkt. Das ist auch wichtig für die Rassismus-Debatte. Ein Künstler Kollege von mir ist Deutscher und Brasilianer. Dort, wo er früher gelebt hat, nutzen die Farbigen das N-Wort als Selbstzuschreibung und voller Stolz. Das ändert aber nichts daran, dass der Ausdruck hier rassistisch ist.

Der oder die Einzelne kann pejorative und rassistischer Ausdrücke so nett meinen, wie er oder sie will, es ändert in aller Regel nichts. Denn kein Einzelner allein hat Macht über den Gebrauch der Sprache. Das gleiche gilt für die Konnotationen und historischen Ursprünge eines Begriffs. Sie sind da, ob ich davon weiß und mir Rechenschaft darüber ablege oder nicht. Es kann sein, dass ich nicht weiß, dass dieser oder jener Ausdruck ein Nazi Ausdruck ist, es kann sein, dass ich ihn mit bester Absicht verwende, es ändert aber nichts daran, dass es ein Nazi Ausdruck ist.

Meine Recherche zu der Wendung "wer hat Angst vorm schwarzen Mann" hat ergeben, dass die Ursprünge davon zwar im Dunklen liegen. Nichtsdestotrotz ist für viele in einem Land wie Deutschland, dass von den Vereinten Nationen wegen seines Rassismus Problems eine Rüge bekommen hat, der Ausdruck problematisch geworden. "It is understanding that gives life to meaning" (Donald Davidson) Bedeutungen sind keine Privatsache, meanings just ain't in the head (Hilary Putnam), Bedeutungen haben ihr Leben im sozialen Raum.

Natürlich kann man sich darüber lustig machen, dass manche Leute jetzt statt "wer hat Angst vorm schwarzen Mann" sagen, "wer hat Angst vor Dracula oder wer hat Angst vorm weißen Hai." Und man kann natürlich auch sagen, people of color haben einfach Pech, wenn sie sich daran stören. Für mich ist das jedoch kein Ausdruck von Krankheit, sondern von Rücksichtnahme ... Ich befürchte mittlerweile jedoch John Connor hat recht: "Wir werden es nicht schaffen, wir Menschen."




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 18:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 18:44
Und man kann natürlich auch sagen, people of color haben einfach Pech, wenn sie sich daran stören. Für mich ist das jedoch kein Ausdruck von Krankheit, sondern von Rücksichtnahme ...
Aber ich weiß ja überhaupt nicht worauf ich Rücksicht nehmen soll. Darauf dass andere einen Begriff absichtlich falsch verstehen?
Und nochmal: Ich habe nicht gesagt, dass es krank ist Rücksicht zu nehmen. Ich sprach von kranken, rassistischen Gedanken. Verdrehe bitte nicht meine Worte, auch wenn das jetzt so üblich ist.
Ich befürchte mittlerweile jedoch John Connor hat recht: "Wir werden es nicht schaffen, wir Menschen."
Ich kann mir vorstellen,, dass wir an allem möglichen zugrunde gehen. Aber wegen dem "schwarzen Mann" sicher nicht. Und wir werden auch nicht daran zugrunde gehen , wenn wir Menschen fragen wo sie herkommen.
Das ist einfach völlig überzogen. Und das ist leider typisch auch für diese Debatte. Diese ständigen Übertreibungen.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 8. Nov 2021, 18:58, insgesamt 1-mal geändert.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23566
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 8. Nov 2021, 18:57

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 18:55
Aber ich weiß ja überhaupt nicht worauf ich Rücksicht nehmen soll
Das ist mittlerweile schon mehr als deutlich geworden.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 8. Nov 2021, 18:59

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 18:57
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 8. Nov 2021, 18:55
Aber ich weiß ja überhaupt nicht worauf ich Rücksicht nehmen soll
Das ist mittlerweile schon mehr als deutlich geworden.
Ja, weil Du es halt auch einfach nicht plausibel erklären kannst. Es ergibt einfach keinen Sinn.
Du sagst Sprache ist keine Sache Einzelner, sagst dann aber dass die Wünsche und Befindlichkeiten Einzelner bei der Frage wie und was wir sprechen sollen entscheidend sind.
Ja , was denn nun? In Deutschland leben doch nicht nur Schwarze.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Di 9. Nov 2021, 18:13

Du hast vor kurzem über neue Sprachregelungen Deines Arbeitgebers geschrieben, NaWennDuMeinst. - Wie sieht es hiermit aus?

Springer-Mitarbeiter sollen sexuelle Beziehungen in der Belegschaft offenlegen




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Di 9. Nov 2021, 20:42

Nauplios hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 18:13
Du hast vor kurzem über neue Sprachregelungen Deines Arbeitgebers geschrieben, NaWennDuMeinst.
Ja, ich bekam neulich eine ziemlich lange Liste in der Wörter und Phrasen gelistet sind die nicht gesagt werden dürfen.
Das hat damit zu tun, dass diese Organisation sich ja genau für die Menschen einsetzt und sie unterstützt, die von Rassismus und Diskriminierung betroffen sind.
Ich verstehe das insofern, als dass das auch nur Regeln sind die am Arbeitsplatz gelten.
Das ist schon heftig, oder? Wenn also Mitarbeiter untereinander ein sexuelles Verhältnis haben müssen sie das ihrem Arbeitgeber mitteilen?

Linda Paczkowski-Diering, Betriebsratsvorsitzende bei der Axel Springer SE, bestätigte gegenüber der Zeitung, dass Gespräche darüber stattfänden. Wenn es keinen Kompromiss gibt, so Döpfner, »würden wir einfach sagen: Es gibt einen Verhaltenskodex, den wir von unseren Angestellten erwarten. Wer sich nicht entsprechend verhält, muss die Firma verlassen.«

Wir haben es ja selbst in der Hand. Muss man für so einen Arbeitgeber tätig sein? Nein, oder?
Auf diese Weise können wir dann auch den "Verhaltenskodex" der Arbeitgeber steuern.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Di 9. Nov 2021, 21:48

Ganz neu sind diese Überlegungen bei Springer nicht. Bereits im März ging die Nachricht durch die Presse, man erwäge die Möglichkeit, "die Meldung romantischer wie auch sexueller Beziehungen innerhalb einer Unternehmenseinheit verpflichtend zu machen". (Quelle)

Dann wären "romantische Beziehungen" meldepflichtig. - ;)




Antworten