PS. zu Elke Heidenreich, Rassismus usw.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Di 9. Nov 2021, 23:00

Nauplios hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 21:48
Ganz neu sind diese Überlegungen bei Springer nicht. Bereits im März ging die Nachricht durch die Presse, man erwäge die Möglichkeit, "die Meldung romantischer wie auch sexueller Beziehungen innerhalb einer Unternehmenseinheit verpflichtend zu machen". (Quelle)

Dann wären "romantische Beziehungen" meldepflichtig. - ;)
Ich weiß gar nicht was Du hast. Der Arbeitgeber möchte ja nur mehr "Transparenz".
Es ist schliesslich sein gutes Recht zu wissen wer mit wem, oder?
;-)



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
AndreaH
Beiträge: 503
Registriert: Mo 18. Jan 2021, 21:04
Wohnort: Österreich

Di 9. Nov 2021, 23:29

Es könnte auch sein, dass damals der Begriff "Wer hat Angst vom schwarzen Mann" daher abgeleitet wurde das es viele Bergmänner gab, die in Minen arbeiteten. Daraus entstand vielleicht das Spiel. Der Tod wurde auch als "schwarz" bezeichnet. Dies hat dann nichts mit Hautfarbe zu tun.
Als wir das Spiel früher in der Schule spielten, hatte ich immer einen Sensenmann in der Vorstellung und der hatte für mich eine ganz weiße Hautfarbe.
Sinnvoll finde ich es schon, das man das Spiel zeitgemäß nicht mehr so benennen sollte.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 10. Nov 2021, 00:24

AndreaH hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 23:29
Es könnte auch sein, dass damals der Begriff "Wer hat Angst vom schwarzen Mann" daher abgeleitet wurde das es viele Bergmänner gab, die in Minen arbeiteten. Daraus entstand vielleicht das Spiel. Der Tod wurde auch als "schwarz" bezeichnet. Dies hat dann nichts mit Hautfarbe zu tun.
Als wir das Spiel früher in der Schule spielten, hatte ich immer einen Sensenmann in der Vorstellung und der hatte für mich eine ganz weiße Hautfarbe.
Es gibt sogar alte Illustrationen, die den "schwarzen Mann" als Mann mit weißer Haut (und schwarzer Kleidung) zeigen.
Sinnvoll finde ich es schon, das man das Spiel zeitgemäß nicht mehr so benennen sollte.
Das verstehe ich nicht. Du sagst zuerst, dass der "schwarze Mann" eigentlich gar nichts mit dunkelhäutigen Menschen zu tun hat, sagst dann aber er solle trotzdem nicht mehr so heißen.
Warum?
Wenn jetzt morgen Jemand sagt, dass ihm Farbe und Name vom Schwarzbier nicht passen weil ihn das an die "Kolonialzeit" erinnert, schaffen wir dann Schwarzbier ab? Einfach weil irgendjemand dem Bier eine Bedeutung gibt, die es eigentlich gar nicht hat? Oder umgekehrt: Darf ich noch "Berliner Weiße" trinken, oder ist das ein "rassistisches Statement" weil irgendjemand das ohne jeden Grund mit der Vorstellung von "weißer Überlegenheit" verknüpft?
Ich verstehe das nicht.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mi 10. Nov 2021, 00:54

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 9. Nov 2021, 23:00

Es ist schliesslich sein gutes Recht zu wissen wer mit wem, oder?
;-)
Natürlich ist es sein gutes Recht. Er stellt immerhin die Infrastruktur für romantische Beziehungen zur Verfügung: Fahrstühle, Abstellkammern, Archive, Parkplätze ... die Leute fühlen sich unbeobachtet, schauen sich verliebt an, halten Händchen, küssen sich :roll: ... Überhaupt sollten romantische Beziehungen ohnehin genehmigungspflichtig werden, wird doch allzu oft die Romantik nur vorgetäuscht. Hier bräuchte es dringend einen ordnungspolitischen Rahmen. Und warum gehen denn romantische Beziehungen so schnell in die Brüche? - Eben, weil nichts geregelt ist! -




Benutzeravatar
AndreaH
Beiträge: 503
Registriert: Mo 18. Jan 2021, 21:04
Wohnort: Österreich

Mi 10. Nov 2021, 00:59

Weil, dieses Spiel selbst einen negativen Spielverlauf mitbringt.
"Es spielt mit der Angst."
Ich kann mir gut vorstellen, wie Bergmänner nach der Arbeit nach Hause kamen und zum Spaß die Kinder erschreckt haben.
Die fanden es natürlich lustig, würde ich auch finden.
Grundsätzlich passt das ja auch, bis auf den Punkt, das man es in der heutigen Zeit anders assoziieren würde als vielleicht damal, eben mit dem rassistischen Hintergrund.

Also bei dem Spiel würde ich es schon anderes sehen, als bei der Herkunftsfrage.

Sprache verändert sich, daher kann sich doch auch ohne große Moralgesetze ein Spiel verändern.
Man kann ja auch rufen: "Wer hat Angst vom Slenderman", ... :o ok,... ist vielleicht doch etwas zu heftig.
dann eben "Wer hat Angst vom bösen Wolf" ;)




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mi 10. Nov 2021, 01:20

AndreaH hat geschrieben :
Mi 10. Nov 2021, 00:59
Sprache verändert sich ...
Sprache verändert sich. Sie - sich. ;)




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mi 10. Nov 2021, 01:39

Mathias Döpfner, Chef des Springerverlages, der das "Regelwerk" (Döpfner) für romantische und sexuelle Beziehungen im Hause Springer und speziell bei der Bildzeitung ankündigte, hat übrigens ein Hobby, das ihn als Experten auf diesem Gebiet ausweist: er sammelt weibliche Akte. - Von 350 Werken seiner Sammlung waren 2019 von Mai bis Oktober 45 in der Potsdamer Villa Schöningen zu sehen, alle von Künstlerinnen. Titel der Ausstellung: "nude".




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 10. Nov 2021, 02:23

AndreaH hat geschrieben :
Mi 10. Nov 2021, 00:59
Man kann ja auch rufen: "Wer hat Angst vom Slenderman"
Na, heute haben die Kids ja eher Angst vor Clowns mit Äxten und Reisszähnen.
Und ja, Sprache kann sich nicht nur verändern, sie ändert sich dauernd.
Nur lass das doch die Leute selbst entscheiden. Viele (so wie ich) kratzen sich ja einfach nur verdutzt am Kopf, wenn man ihnen sagt sie müssten beim "schwarzen Mann" (also dem aus dem Spiel) einen dunkelhäutigen Menschen vorstellen.
Ich zum Beispiel hatte das vorher noch nie gehört und ich finde auch keinen historischen Hinweis für diese Vorstellung.
Ich finde deshalb man könnte - anstatt den schwarzen Mann abzuschaffen - genauso gut fordern, Menschen sollten aufhören diese Figur mit etwas in Verbindung zu bringen, was mit ihr gar nichts zu tun hat, so wie eben die "Berliner Weiße" mit einer Vorstellung von "weißer Überlegenheit" nicht das Geringste zu tun hat (nur weil das Wort "weiß" darin vorkommt). Der Fehler liegt ja nicht beim Bier oder beim Begriff, sondern darin, dass manche Menschen da einfach etwas reindeuten, was da nichts zu suchen hat.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Mi 10. Nov 2021, 02:34

AndreaH hat geschrieben :
Mi 10. Nov 2021, 00:59

Sprache verändert sich, daher kann sich doch auch ohne große Moralgesetze ein Spiel verändern.
1925 wurde die Operette Paganini von Franz Lehár uraufgeführt, die heute kaum noch auf dem Programmplan der großen Häuser steht. Das bekannteste Stück daraus ist Gern hab' ich die Fraun geküßt. Als Jonas Kaufmann 2015 dieses Lied in Wien singt, scheint der Text dem Auditorium noch unverdächtig. Zwei Jahre später beginnt die #MeToo-Debatte.



Die Sprache verändert sich, die Moral auch. Der Text nicht.




Benutzeravatar
AndreaH
Beiträge: 503
Registriert: Mo 18. Jan 2021, 21:04
Wohnort: Österreich

Do 11. Nov 2021, 01:40

Nauplios hat geschrieben :
Mi 10. Nov 2021, 02:34
AndreaH hat geschrieben :
Mi 10. Nov 2021, 00:59

Sprache verändert sich, daher kann sich doch auch ohne große Moralgesetze ein Spiel verändern.
1925 wurde die Operette Paganini von Franz Lehár uraufgeführt, die heute kaum noch auf dem Programmplan der großen Häuser steht. Das bekannteste Stück daraus ist Gern hab' ich die Fraun geküßt. Als Jonas Kaufmann 2015 dieses Lied in Wien singt, scheint der Text dem Auditorium noch unverdächtig. Zwei Jahre später beginnt die #MeToo-Debatte.



Die Sprache verändert sich, die Moral auch. Der Text nicht.
Der alte Text ist daher ein Teil der Kultur und sollte als einen Teil der Vergangenheit betrachtet werden.

Aber wenn, ich das Spiel: " Wer hat Angst vom schwarzen Mann" betrachte, könnte man es schon als Teil der Kultur sehen, jedoch würde ich ja mit dem Spiel eine neue Generation prägen. Kinder können ja nicht den Unterschied machen, wie Erwachsene das sie es als etwas Vergangenes sehen.

Grundsätzlich ist es im allgemeinen ein großes Feld. Ein Feld, in dem es um die Verletzlichkeit von Menschen geht und diese wird von jedem Menschen subjektiv anders erfahren.
Zudem kommt, dass in diesem Bereich es sich oft wie bei dem Dramadreieck verhält (Täter, Opfer und Helfer)
Das heißt, die Rollen können sich schnell verschieben aus Täter werden Opfer oder ähnlich.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Do 11. Nov 2021, 04:39

AndreaH hat geschrieben :
Do 11. Nov 2021, 01:40

Der alte Text ist daher ein Teil der Kultur und sollte als einen Teil der Vergangenheit betrachtet werden.
Ja, das sehe ich auch so. "Teil der Kultur", "Teil der Vergangenheit" - wie Leitmotive einer Wagner'schen Oper sind das natürlich Embleme der Philosophischen Hermeneutik. Und dabei steht ja eine Frage ganz besonders im Raum: Was hat meine Herkunft mit mir zu tun? - Damit ist natürlich eine Aufweitung des Bedeutungshorizonts dieser Frage verbunden.

Wie sich das im einzelnen darstellt, entfaltet der Literaturkritiker und Autor Ijoma Mangold in der Sternstunde Philosophie der SRG. Ijoma Mangold wuchs bei seiner deutschen Mutter auf, sein Vater stammt aus Nigeria. Und in diesem Gespräch geht es u.a. auch um seine Erfahrungen als Schwarzer, als Deutscher. - Der Titel der Sendung: "Was hat meine Herkunft mit mir zu tun?"

Auf die Frage von Barbara Bleisch "Darf man eigentlich noch fragen 'Woher kommen Sie?'" antwortet Mangold:

"Die Frage ist tatsächlich in letzter Zeit so ein bißchen mit Warnschildern umstellt worden, als sei sie etwas Übergriffiges. Nun, es gibt in jedem menschlichen Miteinander Takt und Diskretion ... Man sollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Aber grundsätzlich find' ich die Neugier, die hinter dieser Frage steckt, völlig legitim und ich würde sie bei anderen nicht verurteilen, wo ich sie so gut bei mir selber kenne. Wenn ich jemand sehe, den ich erkennbar von seinem Phänotyp als nicht deutsch identifiziere, schon ist meine Neugier da ... aha, wo seine Eltern her kommen usw. ... das geht auch mir so. Deswegen bin ich auch duldsam mit anderen, die dann wiederum mich mit dieser Frage angehen."

Auf die Nachfrage von Barbara Bleisch nach dem biographischen Charakter und der Intimität der Herkunftsfrage, sagt Mangold:

"Ja, aber das ist ja auch das Schöne, wenn jemand eine biographische Frage stellt, dann drückt er damit aus, daß er sich für den Anderen interessiert."





Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Do 11. Nov 2021, 05:10

"Ich bin sehr mißtrauisch gegen eine Tendenz, die ich beobachten kann in den westlichen Gesellschaften in den letzten 20 Jahren, wo die Opferrolle zum wahren Privileg wird, über das man soziale Ansprüche anmeldet und irgendwas behagt mir daran nicht. Vielleicht ist es die Larmoyanz oder vielleicht ist es die Diskurshoheit, die damit erworben wird, denn die Vorstellung des Opfers, das als Vertreter einer Minderheit spricht, führt immer zu so einer (...) diskusiven Asymmetrie. Denn es ist immer die Mehrheitsgesellschaft, die nicht darüber befinden darf, wie der Angehörige der Minderheit empfindet. Aber wenn die eine Seite gar nichts zur Sache beitragen darf, weil nur die andere wirklich erklären kann oder darf, wie es sich 'anfühlt', eine Frau zu sein, wie es sich 'anfühlt', schwarz zu sein, wie es sich 'anfühlt", schwul zu sein, dann sind wir außerhalb dessen angekommen, was ich immer noch für die Position der Vernunft halte (...), wo dann auch jeder gleiche Mitspracherechte hat."

"Es gibt so einen Opferwettbewerb, dem ich mißtraue und der auch auf Seiten der Minderheiten oft zu Selbstgerechtigkeiten führt."

"Die Macht, darüber zu entscheiden, ob etwas rassistisch ist oder nicht, darf nicht alleine bei den Betroffenen liegen."

Alle Zitate stammen von Ijoma Mangold aus dem oben verlinkten Gespräch in der Sternstunde Philosophie.




1+1=3
Beiträge: 577
Registriert: Di 22. Jun 2021, 00:50

Do 11. Nov 2021, 05:55

Soll also der Mangold jetzt so etwas wie ein Kronzeuge sein?




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Do 11. Nov 2021, 12:59

1+1=3 hat geschrieben :
Do 11. Nov 2021, 05:55
Soll also der Mangold jetzt so etwas wie ein Kronzeuge sein?
Der Kronzeuge ist eine "Person, die sich zwar selbst strafbar gemacht hat, jedoch durch die freiwillige Offenbarung ihres Wissens zur Aufklärung von Straftaten oder deren Verhinderung beiträgt." (Quelle)

Steht denn jemand vor Gericht? - Wird jemand angeklagt? - Wird auf dem Forum Romanum ein Tribunal abgehalten? ;)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23570
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Do 11. Nov 2021, 18:51

Wir sollten mal einen Faden zum Thema Metaphern machen.




1+1=3
Beiträge: 577
Registriert: Di 22. Jun 2021, 00:50

Fr 12. Nov 2021, 01:08

Nauplios hat geschrieben :
Do 11. Nov 2021, 12:59
1+1=3 hat geschrieben :
Do 11. Nov 2021, 05:55
Soll also der Mangold jetzt so etwas wie ein Kronzeuge sein?
Der Kronzeuge ist eine "Person, die sich zwar selbst strafbar gemacht hat, jedoch durch die freiwillige Offenbarung ihres Wissens zur Aufklärung von Straftaten oder deren Verhinderung beiträgt." (Quelle)

Steht denn jemand vor Gericht? - Wird jemand angeklagt? - Wird auf dem Forum Romanum ein Tribunal abgehalten? ;)
Weil sich hier doch seitenlang darüber ausgelassen wird, dass "Weiße" sich gegenüber "POCs" doch als genauso gewissen "Zumutungen" ausgesetzt sehen und sich also letztere doch nicht so haben sollten. Und dass dies im Prinzip nun "sogar" von einer "POC-Person" (= Mangold) vertreten wird, sodass diese quasi als Kronzeuge im betreffenden Disput (auf)geführt wird.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Fr 12. Nov 2021, 01:46

1+1=3 hat geschrieben :
Fr 12. Nov 2021, 01:08
Nauplios hat geschrieben :
Do 11. Nov 2021, 12:59
1+1=3 hat geschrieben :
Do 11. Nov 2021, 05:55
Soll also der Mangold jetzt so etwas wie ein Kronzeuge sein?
Der Kronzeuge ist eine "Person, die sich zwar selbst strafbar gemacht hat, jedoch durch die freiwillige Offenbarung ihres Wissens zur Aufklärung von Straftaten oder deren Verhinderung beiträgt." (Quelle)

Steht denn jemand vor Gericht? - Wird jemand angeklagt? - Wird auf dem Forum Romanum ein Tribunal abgehalten? ;)
Weil sich hier doch seitenlang darüber ausgelassen wird
Ja, und auch wenn es Dir nicht passt: Das ist das Recht Deiner Mitmenschen die Forderungen anderer Menschen in Frage zu stellen. Auch seitenlang wenn's sein muss.
, dass "Weiße" sich gegenüber "POCs" doch als genauso gewissen "Zumutungen" ausgesetzt sehen und sich also letztere doch nicht so haben sollten. Und dass dies im Prinzip nun "sogar" von einer "POC-Person" (= Mangold) vertreten wird, sodass diese quasi als Kronzeuge im betreffenden Disput (auf)geführt wird.
Für mich geht es hier nicht um Zumutungen und auch nicht um Kronzeugen, sondern um das was Mangold ganz richtig auf den Punkt bringt:
"Aber wenn die eine Seite gar nichts zur Sache beitragen darf, weil nur die andere wirklich erklären kann oder darf, wie es sich 'anfühlt', eine Frau zu sein, wie es sich 'anfühlt', schwarz zu sein, wie es sich 'anfühlt", schwul zu sein, dann sind wir außerhalb dessen angekommen, was ich immer noch für die Position der Vernunft halte (...), wo dann auch jeder gleiche Mitspracherechte hat."

Wenn Minderheiten über die Köpfe aller hinweg entscheiden, und der Rest weil er "weiß" (oder keine Frau) ist einfach nur das Maul zu halten und zu tun hat was auch immer verlangt wird, dann finde ich das nicht mehr lustig. Das hat dann einfach auch nichts mehr mit Demokratie zu tun.
Und ich lehne das auch deshalb ab, weil ich nicht damit einverstanden bin in so einer Art Sippenhaft oder Kollektivschuld für Dinge haftbar gemacht zu werden die ich überhaupt nicht begangen habe.
Ich bin kein Rassist oder verbreite "Alltagsrassismus" nur weil ich Jemanden frage wo er herkommt. Das ist in meinen Augen (und in den Augen vieler, vieler anderer Menschen auch) einfach nur dummes Zeug.
Und diese Ansicht hat genauso ihre Berechtigung und hat bei Entscheidungen genauso berücksichtigt zu werden wie die Ansichten diverser Minderheiten. Es kann nicht angehen, dass diese Ansichten einfach aus dem Diskurs entfernt werden sollen mit der Begründung bestimmte Menschen (weiße, männliche) hätten da gar kein Mitspracherecht. Was soll das?

Die Feministinnen tun zum Beispiel immer so als würden sie für alle Frauen sprechen. Aber das ist gar nicht der Fall. Wenn man sich mal umhört stellt man fest, dass viele Frauen zwar der grundsätzlichen Idee zustimmen (wie die meisten Männer übrigens auch) aber die Methoden zum Teil für absurd überzogen halten. Dazu gehören zum Beispiel die Sprachregelungen. Viele Frauen halten das Gendern für völligen Nonsense, der auch keiner Frau die Rechte oder Anerkennung bringt um die es geht.
Macht man die Feministinnen darauf aufmerksam, sprechen die ihren Geschlechtsgenossinnen daraufhin den Verstand ab. Diese Frauen sind dann nicht freiwillig dieser Meinung sondern stehen unter der Fuchtel dominanter Männer oder sind sonst wie "gehirngewaschen".
So eliminieren sie jeglichen Widerspruch, indem sie diesen Menschen einfach ihre Zurechnungsfähigkeit absprechen.
Und diese Masche beobachte ich auch in der Rassismusfrage. Sobald einer Zweifel an der Sinnhaftigkeit der diversen Forderungen und Methoden laut werden lässt wird dieser Zweifel damit abgebürstet, dass man entweder gar nicht berechtigt zum Einwand sei (weil man kein Betroffener ist) oder noch schlimmer, es wird einem pauschal unterstellt mit Rassisten zu sympathisieren oder selbst ein Rassist zu sein ("als Weißer bist Du Teil des Problems").
Mit Verlaub, so nicht, Freunde.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Fr 12. Nov 2021, 05:08

1+1=3 hat geschrieben :
Fr 12. Nov 2021, 01:08

Und dass dies im Prinzip nun "sogar" von einer "POC-Person" (= Mangold) vertreten wird, ...
... läßt die Authentizität der Alltagserfahrungen von Alice Hasters weiterhin unangetastet. Die Äußerungen Mangolds stellen diesen Erfahrungen andere zur Seite, die nicht weniger authentisch sind. Die einen werden durch die anderen in ihrer Authentizität nicht aufgehoben oder gar entwertet. -

Inhaltlich geht Mangold die ganze Sache allerdings anders an. Er spricht von "diskursiver Asymmetrie" und von "Diskurshoheit". Gegen Ende des Gesprächs sagt er: "... dann wird die Machtasymmetrie immer so konstruiert, daß das Opfer eben die Minderheit ist mit weniger Macht; und weil es weniger Macht hat, soll er jetzt diskursiv mehr Macht haben als die Mehrheit, die sie sowieso schon hat. (...) Weil die Mehrheit ja sowieso die Macht hat, muß sie sie diskursiv an die Minderheit abgeben." - Es geht um Macht. Barbara Bleisch merkt an: "Mit dieser These setzen Sie Sich in gewissen Milieus auch in die Nesseln ...", was Mangold bestätigt.

"In gewissen Milieus" - Wie sehr es um Macht und Diskurshoheit geht, sieht man an dem Alleinvertretungsanspruch von Alice Hasters bei der Bestimmung dessen, was als Rassismus zu gelten hat und was nicht. Hier vertritt ja Mangold die These: "Die Macht, darüber zu entscheiden, ob etwas rassistisch ist oder nicht, darf nicht alleine bei den Betroffenen liegen."

Mangold eröffnet damit seinem weißen Leser, was Hasters ihrem weißen Leser verweigert. Ohnehin ist ja der Leser ihres Buches, sofern er weiß ist, einer, der das, was er liest, nicht hören will, aber wissen sollte. Er bedarf der Belehrung, gegen die er sich sträubt.

Aber wie gesagt, der Authentizität der Alltagserfahrungen von Alice Hasters tut all das keinen Abbruch. Ich würde sie nicht nach ihrer Herkunft fragen. Ich würde sie auch nicht fragen, ob ich ihre Haare mal anfassen darf. - Ich habe mir in den letzten Tagen etliche Interviews und Podiumsdiskussionen mit Alice Hasters bei YouTube angeschaut: Ich bin der Auffassung, daß die Kritik der reinen Vernunft von Achille Mbembe das Phänomen Rassismus in jeder Hinsicht wesentlich fundierter ausleuchtet. -




1+1=3
Beiträge: 577
Registriert: Di 22. Jun 2021, 00:50

Fr 12. Nov 2021, 07:54

Das ist mir alles offen gesagt zu hoch gehängt. Es geht m.E. um Respekt. Wird ein solcher nicht entgegengebracht, ist damit auch die betreffende Position nicht satisfaktionsfähig. Da hilft dann auch kein nachträglich hochgejazzter Überbau mehr (im Gegenteil!).
Und was die Machtfrage angeht, so ist es in diesem Zusammenhang doch häufig gerade so, dass den weniger Mächtigen alle Macht angedichtet wird, während die in Wahrheit Privilegierten sich als ("die wahren" etc.) Opfer inszenieren. Das ist tlw. so grotesk...




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23570
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Fr 12. Nov 2021, 08:46

Schwimmen zwei junge Fische des Weges und treffen zufällig einen älteren Fisch. Er nickt ihnen zu und sagt:

“Morgen, Jungs. Wie ist das Wasser?”

Die zwei Jungs schwimmen eine Weile weiter, und schließlich wirft der eine dem anderen einen Blick zu und fragt:

“Was zur Hölle ist Wasser?”
1+1=3 hat geschrieben :
Fr 12. Nov 2021, 07:54
Es geht m.E. um Respekt.
Das ist sicher richtig. Aber meines Erachtens ist das noch nicht alles. Wichtig ist auch, was Mai Thi Nguyen-Kim herausstellt: Aufklärung. Selbstaufklärung ist möglich, denke ich. “Was zur Hölle ist Wasser?” Man kann versuchen, auf diese Frage Antworten zu finden.




Antworten