Was sind Verbote?

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
MichaelK
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Di 3. Okt 2023, 18:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 3. Okt 2023, 08:39
Ich würde sagen, die Punkte 1 bis 3 sind Versuche, universelle ethische Prinzipien oder Aspekte davon zu rekonstruieren. Punkt 4 würde ich - glaube ich - in eine andere Kategorie einordnen, ohne jetzt genau sagen zu können, in welche und warum.

Um den Faden nicht aus den Augen zu verlieren: Was sagen diese Punkte deiner Meinung nach für die Frage der Ver - bzw. Gebote aus?
Hier noch zu Punkt 4, wo ich meine das ich diesen richtig in das Thema Verbote platziert habe.

Das Prinzip der Autonomie besagt, dass Menschen das Recht haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und über ihr Leben selbst zu bestimmen. Es bedeutet, dass sie frei sind, ihre eigenen Werte, Ziele und Handlungen zu wählen, solange sie dabei die Rechte anderer nicht verletzen.

Das Prinzip der Autonomie beinhaltet jedoch nicht, dass Menschen das Recht haben, alles zu tun, was sie möchten, unabhängig von den Konsequenzen. Es gibt bestimmte Grenzen und Einschränkungen, um die Rechte und das Wohlergehen anderer zu schützen. Wenn jemand zum Beispiel die Freiheit und Selbstbestimmung einer anderen Person einschränkt oder deren Rechte verletzt, kann dies als verboten betrachtet werden.

Verbotene Handlungen sind solche, die gesellschaftliche oder rechtliche Normen, Regeln oder Gesetze verletzen. Sie werden als nicht akzeptabel oder inakzeptabel angesehen, da sie die Rechte oder das Wohlergehen anderer beeinträchtigen können. Das Prinzip der Autonomie kann daher als Leitprinzip fungieren, um zu bestimmen, was erlaubt oder verboten ist, indem es die Bedeutung persönlicher Freiheit und Selbstbestimmung in Einklang mit den gesellschaftlichen Normen und dem Schutz der Rechte anderer bringt.




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Jörn Budesheim
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Di 3. Okt 2023, 19:00

MichaelK hat geschrieben :
Di 3. Okt 2023, 18:38
Der kategorische Imperativ von Immanuel Kant hat zunächst einmal nichts direkt mit Verboten zu tun ...
Kant, Grundformel des kategorischen Imperativs hat geschrieben : Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
Ist das nicht schon ein Gebot? Dann kann man es natürlich auch in ein Verbot umformulieren, oder?: Handle nicht nach Maximen, von denen du nicht wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werden.

Das kann, wenn es so funktioniert, im Prinzip Verbote in eine Formel packen, oder?




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Quk
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Di 3. Okt 2023, 19:08

Ich halte den Kant an dieser Stelle nicht für ein Gebot oder Verbot, sondern für eine Bedienungsanleitung.




MichaelK
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Di 3. Okt 2023, 19:11

Quk hat geschrieben :
Di 3. Okt 2023, 19:08
Ich halte den Kant an dieser Stelle nicht für ein Gebot oder Verbot, sondern für eine Bedienungsanleitung.
Kannst Du das näher erläutern? Was sind Deine Gedanken dazu?




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Jörn Budesheim
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Di 3. Okt 2023, 19:22

Wir sollten bedenken, dass das nur eine "Art" von Verbot ist, was wir gerade im Fokus haben und wenn der Vater seinem Sohn verbietet, mit Ilse Umgang zu haben, dann ist das eine andere "Form" von Verbot... Dieses Gebot ist ganz an die Autorität des Vaters gebunden.




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Quk
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Di 3. Okt 2023, 19:32

Kant gibt seinem Leser eine Anleitung, sich seines Verstandes zu bedienen.

Man kann natürlich auch eine Anleitung als ein "...bot" sehen. Aber es ist doch ein anderer Sachverhalt, meine ich.

Ich denke, der Kategorische Imperativ ist keine verkomplizerte Variante von "was du nicht willst, das man dir tut, das füg auch keinem anderen zu", sondern geht weiter zurück auf eine a-priori-Stufe, die noch vor der eigentlichen Handlungsplanung liegt, und das Wollen der richtigen Handlungsplanung meint, weniger das Wollen, richtig zu handeln, was erst nach diesem a-priori kommt. Vielleicht meinst Du das auch so. Ich bekomme da selber immer einen Knoten in meinen Gedankenketten vor lauter a-priori vor und zurück.




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Di 3. Okt 2023, 19:41

Mal von der anderen Seite gesehen, wie weit sollte Freiheit reichen? Oder was sollte warum verboten sein? Ich habe eben im anderen Faden geschrieben, keine Toleranz der Intoleranz (jedenfalls so ähnlich). Allein schon, weil sie sich so in the long run quasi selbst abschaffen würde, wenn sie nämlich auch ihren (erklärten und nichterklärten) Feinden nichts entgegensetzen würde, außer ihren eben anderslautenden Meinungen.




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Quk
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Di 3. Okt 2023, 20:22

Ja, gewisse vermeintliche Allaussagen müssen gewisse Selbstnegierungen ausschließen. Da hilft das Wörtchen "fast".

Die Toleranz soll fast alles tolerieren; die Intoleranz ausgenommen.

Ich weiß, dass ich fast nichts weiß; dieses Wissen ausgenommen.




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Di 3. Okt 2023, 21:03

Kennst du dich da aus? Auch mit Allaussagen? Ich knabbere schon etwas länger an dem Thema herum, komme aber nicht so wirklich weiter. Gibt es dazu Einschlägiges von Kant oder anderen?




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Quk
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Mi 4. Okt 2023, 08:17

Ich bin kein Experte, würde aber sagen, dass Kants Kategorischer Imperativ selbst kein Allaussagen-Problem darstellt. "Die Intoleranz abwehrende, weiträumige Toleranz" (korrigierte Alltoleranz) ist vielleicht ein Beispiel einer imperativen Maxime, durch die man zugleich wollen kann, dass selbige Maxime ein allgemeines Gesetz wird. Ich bin mir aber nicht sicher.

Beispiel:
Otto will Demokrat bleiben und wählt eine demokratiefeindliche Partei. Ottos Wahl-Aktion ist eine Handlung. Kann Otto durch diese Handlung wollen, dass diese zu einem allgemeinen Gesetz wird (§99 "Demokratiefeindliche Parteien dürfen in die Regierung")? Oder so gesagt: Ist diese Handlung eine Bedingung, die es Otto ermöglicht, Demokrat zu bleiben? Kann nicht klar beantwortet werden. Es könnten genug demokratiefreundliche Parteien zur Wahl stehen. -- Aber ich bin mir nicht sicher, ob das ein richtiges Beispiel ist. Es klingt für mich schon wieder zu trivial, und auch zu wirr.

Da fällt mir gerade auf, dass "Imperativ" das lateinische Wort für "Befehl" ist. So gesehen kann man das vielleicht doch als "Gebot" lesen. Aber was bringt diese Begrifflichkeits-Sortierung eigentlich? Ich glaube, ich habe den Faden verloren ... :-)




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