Fußabdruck

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
AndreaH
Beiträge: 490
Registriert: Mo 18. Jan 2021, 21:04
Wohnort: Österreich

Sa 26. Nov 2022, 00:52

Timberlake hat geschrieben :
Fr 25. Nov 2022, 00:49

Schon mal was von der Redewendung "Kleinvieh macht auch Mist" gehört und gelesen . Es sind die vielen "kleinen" Fussabdrücke , die in Summe diesen Mist mit unserer Zukunft machen. Das bedeutet , das jetzt!

Nicht die Konzerne, nicht die Politik müssten sich ändern, sondern nur der Konsum des Einzelnen.
Ich denke das es ohne großen politischen Einfluss gar nicht annähernd gehen kann.
Die Corona Krise hat uns gezeigt, daß der Einzelne oft nicht bis 5 zählen kann, wenn man auf seine Vernunft und Freiwilligkeit hofft.
Die Politik hat die Möglichkeiten, erneuerbare und unabhängige Energien zu fördern. Man könnte großflächige, ganz anders ökologische Grünflächen anordnen.

Ich sehe die Aktionen der Klimaaktivisten gespalten. Grundsätzlich sehe ich sie für wichtig, denn nur so bleibt das Thema präsent und stellt jedem Einzelnen insgeheim Fragen und regt auch Diskussionen an.
Ich halte aber andererseits viele diese Aktionen sogar für kontraproduktiv, denn es kann schnell über das Maß hinaus geschossen werden und dann bewirken sie einfach nur das Gegenteil.
Der Einzelne ist schon wichtig, ganz klar!
Aber ich bezweifle, ob man den Einzelnen durch Klimaaktivisten bekehren kann.

Wenn man zurückblickt, hat schon vor den Prognosen des Klimawandels ein Umdenken stattgefunden. In meiner Kindheit habe ich gelernt keinen Müll in der Gegend herumzuwerfen. Es fand damals in der Gesellschaft ein anderes Bewusstsein zur Natur statt. Auch Nationalparks entstanden vor nicht all zur langer Zeit. Vor dieser Zeit war es ganz normal das man irgendwo eine Grube gegraben hat und Müll dort reingekippte. Das ist auch keinenfalls zu beurteilen, denn den Menschen damals war ja gar nicht bewusst was ihr Handeln auslöste.
Jetzt wissen wir es genau, was unser Handeln auslöst. Vielleicht etwas zu genau. Das ist der große Unterschied. Aber es gibt auch nicht wirklich viele gute Lösungen.
Oder würdest du mir empfehlen das ich meinen Fleischkonsum einschränke bzw. ganz lasse, um stattdessen auf Sojaprodukte zurückzugreifen?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 08:02

AndreaH hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 00:52
Aber es gibt auch nicht wirklich viele gute Lösungen.
Vor ziemlich genau 50 Jahren hat der Bericht des Club of Rome für einiges Aufsehen gesorgt. 50 Jahre später haben sie einen zweiten Bericht vorgelegt der auch Lösungsvorschläge skizziert.

https://www.forschung-und-lehre.de/zeit ... n-auf-4989

Aus dem Artikel: "Immer wieder betonen die Expertinnen und Experten, dass sie mehr Gleichheit und Gerechtigkeit als Königsweg für eine lebenswerte Zukunft ansehen. "Wir wissen, dass die reichste Milliarde Menschen 72 Prozent der globalen Ressourcen verbrauchen, während es bei den ärmsten 1,2 Milliarden nur 1 Prozent sind", heißt es im Buch. "Die meisten natürlichen Ressourcen fließen also in den Konsum der reichsten Gesellschaften, die allerdings nur einen Bruchteil der Konsequenzen tragen – eine zutiefst ungerechte Situation." Ein extremes Maß an Ungleichheit sei äußerst destruktiv, "auch für die Reichen", so die Warnung. "Es begünstigt Verhältnisse, die für alle gefährlich sind.""

Die ExpertInnen sehen fünf wichtige: Handlungsfelder:

Beendigung der Armut
Beseitigung der eklatanten Ungleichheit
Ermächtigung (Empowerment) der Frauen
Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems
Übergang zum Einsatz sauberer Energie




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 08:10

AndreaH hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 00:52
anordnen
Wenn solche Anordnungen allerdings nicht von den Menschen verstanden und getragen werden, dann werden die entsprechenden Regierungen schnell abgewählt. Wir leben schließlich zum Glück in einer Demokratie.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 08:13

ARD alpha hat geschrieben : Neben dem Klimawandel, dem Verlust von Biodiversität und Pandemien hat unsere Gesellschaft laut dem Bericht mit noch einem großen Problem zu kämpfen: Fehl- und Falschinformationen. Zwar konnten die Massenmedien gut eindämmen und helfen, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden, doch haben die sozialen Medien im Gegenzug eine ganze Industrie an Fake News entstehen lassen. Das führe zur Polarisierung von Gesellschaften, zum Vertrauensverlust und verhindere kollektives Zusammenarbeiten. Dafür braucht es bessere Bildung, die kritisches Denken und komplexes Systemdenken vermittelt.


In dem Video geht es um den sogenannten "red herring". Für den Faden hier ist Beispiel 1 von Bedeutung. Dass es einen gefährlichen Klimawandel gibt, scheinen viele Menschen einfach nicht zu "glauben". Deswegen könnten natürlich auch die Bekämpfung von Fake News und die Bekämpfung des Klimawandels zusammengehören.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 08:33

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim hat geschrieben : Im SUV zur Lösung der Klimakrise

Lasst uns zum Staffelstart direkt mal über das größte Problem der Menschheit sprechen: Die Klimakrise. Mai erklärt, warum es völlig okay ist grün zu wählen und dann trotzdem in den Urlaub zu fliegen ...

https://www.zdf.de/show/mai-think-x-die ... 7-100.html
Ich habe das Video schon vor längerem gesehen und jetzt für diesen Faden extra herausgesucht. Dass ich es poste, heißt nicht, dass ich mit Mai Thi Nguyen-Kim übereinstimme. Aber es ist ein Diskussionsbeitrag, der sehr gut in diesen Faden passt, wie ich finde.
klimafakten.de hat geschrieben : Eine Variante der Verzögerungsstrategie sehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch in dem Versuch, individuelle Verantwortlichkeiten für den Klimawandel zu betonen – um dadurch von notwendigen strukturellen oder systemischen Veränderungen abzulenken. So werde beispielsweise häufig der individuelle Umstieg auf emissionsarme Fahrzeuge gefordert – statt darauf hinzuwirken, die Subventionen für fossile Treibstoffe zu streichen und so falsche Anreize zurückzunehmen, die gegenwärtig allzuoft das klimaschädliche Handeln für Einzelne attraktiv machen.

https://www.klimafakten.de/meldung/nich ... limaschutz
Individuelle Verantwortlichkeiten für den Klimawandel zu betonen, um effektive Maßnahmen für den Klimaschutz zu verzögern, kann sicherlich nicht der richtige Weg sein. Dennoch kann ich mir nur schwer vorstellen, dass es falsch ist, wenn politische Maßnahmen mit einem Gefühl für die individuelle Verantwortlichkeit zusammenspielen. Ich stimme Mai Thi Nguyen-Kim in dem Video in vielem zu, aber soweit ich mich daran erinnere, es ist schon etwas her, dass ich mehr als angeschaut habe, unterschätzt sie zum Beispiel etwas das Ansteckungspotenzial von "vorbildlichem Verhalten". In einem Beitrag weiter oben habe ich dazu zu einer Studie verlinkt, die gezeigt hat, die wirkungsvoll so etwas sein kann.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 09:27

Lucian Wing hat geschrieben : Es hat sich niemals in der Geschichte der Menschheit eine Hochkultur freiwillig zurückentwickelt.
Lucian Wing hat geschrieben :
Fr 25. Nov 2022, 17:01
Neue Technik ist kein Kulturwandel.
Ich spreche zwar von einem Kulturwandel, aber ich habe nicht gesagt dass eine neue Technik bereits einen Kulturwandel darstellt. Allerdings gehe ich davon aus, dass ein Kulturwandel auch neue Techniken hervorbringen wird. Wenn ich dich richtig verstanden habe, gehst du jedoch davon aus, dass wir den Klimawandel nur bewältigen könnten, wenn wir uns als Hochkultur freiwillig zurückentwickeln. Deswegen habe ich die Technik überhaupt erwähnt. Es gibt meines Erachtens keinen Grund, anzunehmen, dass wir uns zurückentwickeln müssen - quasi auf das technische Niveau der Indigenen, die du auch erwähnt hast.




Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Sa 26. Nov 2022, 10:21

Timberlake hat geschrieben :
Fr 25. Nov 2022, 22:30


Gemäß Hegel würde beim Ökofreak nicht der Preis als wichtigste Determinante angesehen werden , sondern die "sittliche Welt" , um es mal mit seinen Worten zu formulieren. Und jetzt denkst Du mal selber nach.
Gab's diese Idee mit der Determinante der sittlichen Welt nicht gewissermaßen schon im Christentum, bevor mit dem Protestantismus der erfolgreiche Geschäftssinn das Auserwähltsein quasi sichtbar machte?

Ich kann mit solchen moralischen Leerformeln nichts anfangen. Das klingt auch zu sehr nach einer neo-calvinistischen Säkulartheokratie. Sinnvoller wäre es, innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems der Umwelt gewissermaßen einen bezifferbaren Wert in allen Belangen zu geben, der in allen Prozessen des Ressourcenverbrauchs und der Emissionen eingepreist wird. Und auch ein vernünftiges Steuersystem, das qualitative Umweltaspekte berücksichtigt, könnte eine Möglichkeit sein. Allerdings sind auch hier wieder Insellösungen sinnlos, da die Unternehmen eben ausweichen, wie wir ja in den letzten Jahren der Pandemie und jetzt des Krieges deutlich erfahren haben.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Sa 26. Nov 2022, 11:19

Um das Thema für mich abzuschließen, möchte ich noch einen abschließenden Bußtext :mrgreen: vor mich hingranteln.

Es ist ja immer wieder die Rede gewesen von einer "Wir-Stiftung", also einer kollektiven Intentionalität. Meine Überzeugung ist, dass man das zwar punktuell auch durch Abgrenzung und Ausgrenzung schaffen kann, aber das scheint mir eher implizit als explizit zu sein. Auf reiner Negativität, so meine Überzeugung, lässt sich keine stabile und halbwegs rationale kollektive Intentionalität herstellen. Genau das geschieht jedoch inzwischen. Mit der "letzten Generation" wird sichtbar, dass der Schuldbegriff totalisiert wurde. Die 68er und ihre Nachfolger haben bei "Schuld" in die Vergangenheit eines konkreten Ereignisses geblickt. Heute ist Schuld total und wird als "Vergewaltigung der künftigen Generationen" unter diesem Stichwort schon in die Zukunft projiziert. So ist heute, wer moralisch nicht pariert, ein totaler Schuldiger: für die Nazis, für die Industriegesellschaft, für die Kolonialgeschichte, für die Unterdrückung der Schwachen und Minderheiten der ganzen Welt und für das Leid aller Zukünftigen. So viel Schuld war eigentlich nur in den Systemen manichäischer und katharischer Sekten.

Insofern ist die neue Bewegung wieder ähnlich an jeder alltagspsychologischen Realität vorbei konstruiert wie die gescheiterte kommunistische Bewegung, deren Ziel ja auch der neue Mensch war. Aber ich glaube, Menschen lassen sich nicht erfolgreich und stabil "wir-kollektivieren" auf der Basis reiner Negativität, die das Alltagsleben der Menschen unter Generalverdacht eines größeren Systems stellen.

Reine Negativität stiftet keine positive Gemeinschaft und entsprechendes Handeln.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 11:38

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 11:19
Schuldbegriff
Wo in diesem Faden ging es denn um Schuld?




Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Sa 26. Nov 2022, 11:53

"Klima" ist ein Schuldthema. Wer durch Handeln oder Unterlassen die künftige Generation gefährdet (oder eben: vergewaltigt), macht sich schuldig. Sinnbildlich mm Begriff der "Flugscham" abzulesen. Man soll sich schämen, sich so und so zu verhalten, das steckt ja in der Frage, was der Einzelne tun kann/soll, untergründig mit drin. Und wenn ich mich nicht schäme, nach Irgendwo zu fliegen oder ein zu großes Auto zu fahren, mache ich mich schuldig. Wie inzwischen bei allen Themen. Wer nicht woke ist, ist ja ebenso ein Schuldiger.

Aber damit ist für mich wirklich gut, sonst wird das hier ein Monolog. Meine Position habe ich klar gemacht, mehr führt zu nichts.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 11:55

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 11:53
"Klima" ist ein Schuldthema.
Das ist aber keine Antwort auf die Frage die ich gestellt habe. Gefragt habe ich, wo es in diesem Faden um Schuld ging.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 11:56

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 11:53
Meine Position habe ich klar gemacht, mehr führt zu nichts.
Auf deine Position und deine Argumente bin ich meines Erachtens auch eingegangen.




Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Sa 26. Nov 2022, 14:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 11:55
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 11:53
"Klima" ist ein Schuldthema.
Das ist aber keine Antwort auf die Frage die ich gestellt habe. Gefragt habe ich, wo es in diesem Faden um Schuld ging.
Der Themenkomplex ist implizit im Schuldbereich angesiedelt. Der Fußabdruck ist ein Schuldabdruck bzw. wird als solcher verstanden. Das war ja auch der Punkt in Ägypten, wo es um Zahlungen derjenigen ging, die schuld sind am Klimawandel. Und mit der Individualisierung von Maßnahmen, also dem Abwälzen von Verantwortlichkeit auf den Einzelnen, bewegen wir uns ebenfalss im Bereich der Schuld. Wer seiner Verantwortung nicht nachkommt, lädt Schuld auf sich. So jedenfalls wird m.E. der Schuldbegriff verwendet.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 14:22

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 14:13
Der Themenkomplex ist implizit im Schuldbereich angesiedelt.
Damit und auch mit einigen anderen Dingen, die du geschrieben hast, hast du dich gegen Dinge gewendet, die hier in diesem Faden eigentlich von keiner oder keinem vertreten wurden. Warum nicht stattdessen einfach über das reden, was tatsächlich auch vorgebracht und gefragt wurde?




sybok
Beiträge: 374
Registriert: Mi 7. Sep 2022, 17:36

Sa 26. Nov 2022, 16:32

Ich sehe fast alles gleich wie Lucian Wing.
Richtig erkannt, meiner Meinung nach, dass unsere Gesellschaft überkomplex geworden ist (dazu ist das Buch oder die entsprechenden Vorträge auf youtube von Joseph Tainter sehr empfehlenswert). Auch, dass praktisch nur noch moralisch "argumentiert" wird (was ich für eine Folge dieser Komplexität halte), mich stört das auch, empfinde es im Kern auch immer als implizite Schuldzuweisung. Ebenso glaube ich nicht, dass Technologie die Lösung ist, Energieumwandlung ist immer "invasiv", es gibt mMn keine "grüne Technologie", statt den Erdölfeldern werden nun halt die Lithiumminen ausgeplündert - um es überspitzt zu sagen. Und auch, dass wir entweder Komplexität radikal abbauen müssten (ich glaube, das wird wegen Überforderung so oder so passieren, siehe Tainter) oder eine "Ökodiktatur" bauen.

Höchstens das mit der "Negativität" seh ich düsterer: "Positivität", im Umkehrschluss, was wäre das? Das liefe mE auf gamification und social scoring hinaus, dann ist aus meiner Perspektive die Dystopie endgültig komplett.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 17:02

Wo genau wird in diesem Faden moralisch argumentiert? Und was genau ist falsch daran? In welchem Beitrag habe ich wem welche Schuld zugewiesen?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 17:09

sybok hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 16:32
unsere Gesellschaft [ist] überkomplex geworden
Das ist zweifelslos richtig. Mir ist nicht klar, was deiner Ansicht nach daraus für die Frage des Fadens folgt?




sybok
Beiträge: 374
Registriert: Mi 7. Sep 2022, 17:36

Sa 26. Nov 2022, 19:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 17:02
Wo genau wird in diesem Faden moralisch argumentiert? Und was genau ist falsch daran? In welchem Beitrag habe ich wem welche Schuld zugewiesen?
In diesem Faden tatsächlich nicht, ich fand auch den Artikel den du verlinkt hast sowohl in dieser Hinsicht als auch allgemein ziemlich gut. Aber es schwingt halt gerade beim Thema "Klima" immer implizit mit. Der "Fussabdruck" hat doch auch eine moralische Komponente, nicht? Auch wenn er, wie ja gerade im Artikel thematisiert wird, nicht so intendiert war. Er sagt mir ja letztlich: "du musst kürzer treten!".
Falsch daran finde ich unter Anderem, dass 1. Moral in meiner Wahrnehmung praktisch nie konsistent vertreten wird, 2. "Fronten" verhärtet werden, weil moralische Verurteilung Leute in die Enge treibt, keine Gesichtswahrung ermöglicht und dieser Druck dann Gegendruck erzeugt (zum Beispiel diese "equal runner"). 3. ich glaube zu beobachten, dass das zu im Affekt getroffenen politischen Entscheidungen führt (also nicht durchdachte).
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 17:09
Mir ist nicht klar, was deiner Ansicht nach daraus für die Frage des Fadens folgt?
Dass Bewertungen, wenn man sie denn vornehmen will, unglaublich schwierig, wenn nicht sogar unmöglich sind. Die Rolle der AKWs zum Beispiel. Um ehrlich zu sein, das übersteigt mein Fassungsvermögen.

Bewerte ich die jetzt nur nach CO2 Emissionen? Wenn ja, zähle ich dann auch die Rohstoffgewinnung mit, und wegen deren Transports auch ihre globale Verteilung, die Wartung die womöglich aufwendiger ist als bei anderen Kraftwerken und auch Energie benötigt, den Rückbau, die Anzahl der Mitarbeiter die für den Arbeitsweg auch Energie verbrauchen, die Produktion der Ersatzteile,...
Und wenn nein, wie ist radioaktiver Abfall im Vergleich zu CO2 Emissionen zu bewerten? Rechtfertigt die CO2-Lösung, wenn es denn eine ist/wäre, den Atommüll, sehen das zukünftige Generationen dann auch so? Zähle ich Tote nach Energieform (Kernkraft, Öl, Wasser,...)? Oder nach Kilowattstunden, also sind das sinnvolle Metriken (mW schneidet beispielsweise Wasserkraft unheimlich schlecht bezüglich Toten/kWh ab, weil gebrochene Staudämme "gross" wüten)? Muss ich auch wirtschaftliche Faktoren miteinbeziehen, etwa Arbeitsplätze? Oder spielt das Thema "dezentrale Energieversorgung" auch eine Rolle bei der Planung einer zukünftigen Gesellschaft und wenn ja, wie gewichtig? Und wie verhält sich Atomkraft zu anderen Energiegewinnungsmethoden hinsichtlich zukünftigen aber absehbaren technologischen Entwicklungen, etwa der smart grid - Idee? Usw.

Das ist - und wir haben ja den Anspruch einer holistischen Betrachtung - so unheimlich komplex, so verwoben mit anderen Aspekten der Gesellschaft, mit Rückkoppelungseffekten, zeitlichen Horizonten, etc. Egal welche Meinung ich habe, es gibt irgendwo einen sogenannten Experten oder eine Studie, die diese Meinung stützt. Und es gibt dann auch immer, egal wie viele Professoren- und Doktortitel der entsprechende Experte hat, Gegenargumente, weil man eben praktisch "Experte für Alles" sein müsste - was Niemand ist.

Ich weiss noch sehr gut, wie es war, 2011 nach Fukushima, Kernkraft sozusagen zu verteidigen, resp. sie nicht kompromisslos zu verteufeln. Man war ganz rechte Ecke, Kernkraftwerke verteidigten nur Chauvinisten und Ewiggestrige. Gerade mal 10 Jahre später werden AKWs nun genau bei den damals Urteilenden wieder chic. Das wäre mMn ein Beispiel für den 3. Punkt oben, affektive Politik.
Und AKWs sind ja nur ein Teilaspekt der Klimadiskussion.
Und dann kommt halt, in meiner Wahrnehmung, die Moral, eine Versimplifizierung auf einfache Slogans weil man das nicht mehr handeln kann, moralische Argumente aber zumindest oberflächlich "solid" sind: "Opa ist ne Klimasau!", "Fleisch essen ist böse",....

Das beantwortet jetzt glaube ich nicht so wirklich deine Frage, was für die Frage des Fadens folge. Aber ich weiss das selber nicht so genau. Vielleicht einfach, dass ich der Meinung bin, dass man sich das Problem der Komplexität ins Bewusstsein rufen müsste und vielleicht erst darüber reflektieren müsste, wie damit umgegangen werden soll, bevor man entsprechende Fragestellungen in Angriff nehmen kann.




Timberlake
Beiträge: 1630
Registriert: Mo 16. Mai 2022, 01:29
Wohnort: Shangrila 2.0

Sa 26. Nov 2022, 19:35

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 10:21
Timberlake hat geschrieben :
Fr 25. Nov 2022, 22:30


Gemäß Hegel würde beim Ökofreak nicht der Preis als wichtigste Determinante angesehen werden , sondern die "sittliche Welt" , um es mal mit seinen Worten zu formulieren. Und jetzt denkst Du mal selber nach.
Gab's diese Idee mit der Determinante der sittlichen Welt nicht gewissermaßen schon im Christentum, bevor mit dem Protestantismus der erfolgreiche Geschäftssinn das Auserwähltsein quasi sichtbar machte?
Richtig .. so gibt es die zehn Gebote , schon über zwei tausend Jahre und haben diese "Ideen" was gebracht? Hat man gemäß dem fünften Gebot , seit dem nicht mehr Menschen getötet?
Nur mal so als "Idee" , was würde geschehen , wenn ein Virus die jenigen von klein auf impotent macht , die sich um dieses Gebot nicht scheren oder um auf das Thema dieses Thread zuzrück zu kommen , die einfach nicht davon lassen können. sich einen exorbanten Fußabdruck zu genemigen?

Wie gesagt .. nur mal so als Idee.
Zuletzt geändert von Timberlake am Sa 26. Nov 2022, 19:38, insgesamt 1-mal geändert.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23277
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 26. Nov 2022, 19:38

sybok hat geschrieben :
Sa 26. Nov 2022, 19:02
equal runner
Ist vielleicht nicht so wichtig, aber ich habe nicht gefunden, was das ist.




Antworten