Rechte/Pflichten

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Mo 28. Nov 2022, 10:29

Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 09:37
Gut, ich formuliere meine Frage einfach mal um, damit wir von dem Freiheitsthema wegkommen, das zwar für mich eine zentrale Rolle spielt, aber nicht vorderhand hier rein müsste.
Ich werde wahrscheinlich im Laufe des Tages nicht dazu kommen, etwas zu schreiben, dafür liegt zu viel Arbeit auf dem Schreibtisch. Dennoch: Wir können von dem Freiheitsthema nicht wegkommen, weil es eine zentrale Rolle spielt, wie ich auch finde. Mir geht es hier in diesem Faden nicht um "natürliches Recht" und auch nicht um "positives Recht", sondern um die (Rechte und) Pflichten, die wir haben, einfach insofern wir Menschen sind. Darüber kann man aber natürlich nicht sprechen, wenn wir nicht auch über unsere Freiheit sprechen.




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Lucian Wing
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Mo 28. Nov 2022, 11:16

Es führt m.E. kein Weg daran vorbei, zu klären, in welchem Sinne wir die Begriffe verwenden - wozu gehört festzustellen, woraus sie abgeleitet sind.

In der Idee, ein "Recht" zu haben, drückt sich ein normativer Sachverhalt aus. Es gibt einmal das Recht als die Summe aller positivrechtlichen Normen des Staates und ein Recht, in dem ein "Recht auf" im Sinne eines Anspruchs geltend gemacht werden soll. Das aber müsste man weiter differenzieren, nämlich ob es sich dabei um rechtsbegründetes oder ein moralbegründetes "Recht auf" handeln soll.

Gleiches gilt dann für Pflichten: Handelt es sich um eine Rechtspflicht oder eine Moralpflicht? Das ist insofern von Bedeutung, als Pflichten, die nicht durchgesetzt werden können, leere Absichtserklärungen bleiben. Aus dieser Erkenntnis hat man bei Menschenrechten die Lehre gezogen, sie als Rechtsnormen in positives Recht zu verwandeln - auch wenn ihre Herleitung aus natürlichen Rechten ein Unfug bleibt. Ein Problem, dass man bei Verzicht auf ein christlich-theologisches Welt- und Menschenbild* auch anders hätte lösen können.

Die Frage, auf welcher Ebene die Pflichten angesiedelt sein sollen, ist für die Frage nach der Freiheit essentiell. Sind sie auf der moralischen Ebene angesiedelt, dann ist das primär eine Angelegenheit, die Menschen untereinander, sprich: intersubjektiv, dabei natürlich unter Berücksichtigung unvermeidbarer Machtverhältnisse, lösen können, während auf der Ebene des positiven Rechts dieses selbstregulative Element der Gesellschaft in die Verantwortung des Staates, der pflichtgemäßes Verhalten materiell erzwingen kann, überführt wird. Der chinesische Weg stellt in diesem Sinne eine Mischform dar. Das Individuum wird zur Teilnahme am intersubjektiven "Dialog" verpflichtet und sanktioniert. Auch ein Modell wie die Scharia stellt m.E. so eine Mischform aus Moral- und Rechtsnormen (in unserem begrifflichen Sinne) dar.

(*Viele "Wilde" kennen die daraus resultierende Unterscheidung der Lebewesen nicht. Für einen Indigenen aus Amazonien unterscheiden sich Lebewesen nur ihrer Gestalt, nicht aber ihrem Wesen nach. Weshalb sie auch mit den natürlichen Menschenrechten oder der Menschenwürde absolut nichts anfangen können innerhalb ihres Welt- und Menschenbildes.)



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Jörn Budesheim
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Mo 28. Nov 2022, 11:31

Wir reden über verschiedene Dinge, vermute ich. Deswegen frage ich mal nach: Anscheinend kannst du mit meiner Formulierung nichts anfangen. Um an der Stelle weiterzukommen, müsste ich skizzenhaft wissen, warum. Mir geht es in diesem Faden um (Rechte und) Pflichten, die wir haben, einfach insofern wir Menschen sind. Als Mensch habe ich beispielsweise die Pflicht, anderen in Not zu helfen, sofern es mir zumutbar ist.




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Lucian Wing
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Mo 28. Nov 2022, 12:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 11:31
Wir reden über verschiedene Dinge, vermute ich. Deswegen frage ich mal nach: Anscheinend kannst du mit meiner Formulierung nichts anfangen. Um an der Stelle weiterzukommen, müsste ich skizzenhaft wissen, warum. Mir geht es in diesem Faden um (Rechte und) Pflichten, die wir haben, einfach insofern wir Menschen sind. Als Mensch habe ich beispielsweise die Pflicht, anderen in Not zu helfen, sofern es mir zumutbar ist.
Wenn diese Handlungsweise eine rein natürliche wäre, dann wäre es sinnlos bzw. redundant, das "Helfen" als Pflicht zu definieren.
Wir haben ja schon diskutiert, dass Menschen durchaus anderen schon im zarten Alter helfen, aber das bedeutet nicht, dass dies hinreichend ist, um eine dem Menschen angeborene Pflicht daraus zu schlussfolgern.

Das Helfen in deinem Falle ist Teil unserer sozialen Welt. Und unsere soziale Welt ist eine gemachte, und genau deshalb fordere ich ja die Differenzierung des Begriffes ein. Es gibt keine Rechte und Pflichten auf der biologischen Ebene, es gibt sie nur auf der sozialen Ebene von Gruppen oder ausdifferenzierten Gesellschaften im Rahmen der Kooperation ihrer jeweiligen Mitglieder als eine von zwei Arten von Normen: als Moralnorm oder als Rechtsnorm. Pflichten werden durch Normen begründet, nicht durch die Zugehörigkeit zu einer Taxonomie (homo).



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Lucian Wing
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Mo 28. Nov 2022, 12:22

Im Prinzip müsste die Ausgangsfrage heißen: Welche unveräußerlichen Menschenpflichten sollte es geben?
Denn "sind" suggeriert ja eine erkenntnistheoretische Position, wonach man die ja nur erkennen muss.
Es ist die gleiche Struktur wie "Was ist Gott", wo man, sofern man nicht unhöflich sagen würde, eine Schnapsidee, sich auch immer schon auf die Prämisse seines unveräußerlichen Seins einlassen muss.



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Mo 28. Nov 2022, 12:28

Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 11:16
Sind [Pflichten] auf der moralischen Ebene angesiedelt, dann ist das primär eine Angelegenheit, die Menschen untereinander, sprich: intersubjektiv [...] lösen können ...
Was heißt hier "lösen können".




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Mo 28. Nov 2022, 12:31

Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:22
Im Prinzip müsste die Ausgangsfrage heißen: Welche unveräußerlichen Menschenpflichten sollte es geben?
Denn "sind" suggeriert ja eine erkenntnistheoretische Position, wonach man die ja nur erkennen muss.
"Sind" soll genau das nicht bloß suggerieren, sondern ganz direkt sagen.




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Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:12
Es gibt keine Rechte und Pflichten auf der biologischen Ebene
Nein, natürlich nicht.




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Lucian Wing
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Mo 28. Nov 2022, 12:35

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:28
Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 11:16
Sind [Pflichten] auf der moralischen Ebene angesiedelt, dann ist das primär eine Angelegenheit, die Menschen untereinander, sprich: intersubjektiv [...] lösen können ...
Was heißt hier "lösen können".
Wie hat man denn die Idee, kein Sex vor der Ehe, gelöst? Ist die entsprechende Norm nicht an der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz, also durch intersubjektive Übereinkunft, gefallen?



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Mo 28. Nov 2022, 12:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:31
Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:22
Im Prinzip müsste die Ausgangsfrage heißen: Welche unveräußerlichen Menschenpflichten sollte es geben?
Denn "sind" suggeriert ja eine erkenntnistheoretische Position, wonach man die ja nur erkennen muss.
"Sind" soll genau das nicht bloß suggerieren, sondern ganz direkt sagen.
Da muss ich mangels Zeit jetzt mal den Timberlake geben:
Unbedingte Pflichten. — Alle Menschen, welche fühlen, dass sie die stärksten Worte und Klänge, die beredtesten Gebärden und Stellungen nöthig haben, um überhaupt zu wirken, Revolutions-Politiker, Socialisten, Bussprediger mit und ohne Christenthum, bei denen allen es keine halben Erfolge geben darf: alle diese reden von „Pflichten“, und zwar immer von Pflichten mit dem Charakter des Unbedingten — ohne solche hätten sie kein Recht zu ihrem grossen Pathos: das wissen sie recht wohl! So greifen sie nach Philosophieen der Moral, welche irgend einen kategorischen Imperativ predigen, oder sie nehmen ein gutes Stück Religion in sich hinein, wie diess zum Beispiel Mazzini gethan hat. Weil sie wollen, dass ihnen unbedingt vertraut werde, haben sie zuerst nöthig, dass sie sich selber unbedingt vertrauen, auf Grund irgend eines letzten indiscutabeln und an sich erhabenen Gebotes, als dessen Diener und Werkzeuge sie sich fühlen und ausgeben möchten. Hier haben wir die natürlichsten und meistens sehr einflussreichen Gegner der moralischen Aufklärung und Skepsis: aber sie sind selten. Dagegen giebt es eine sehr umfängliche Classe dieser Gegner überall dort, wo das Interesse die Unterwerfung lehrt, während Ruf und Ehre die Unterwerfung zu verbieten scheinen. Wer sich entwürdigt fühlt bei dem Gedanken, das Werkzeug eines Fürsten oder einer Partei und Secte oder gar einer Geldmacht zu sein, zum Beispiel als Abkömmling einer alten, stolzen Familie, aber eben diess Werkzeug sein will oder sein muss, vor sich und vor der Oeffentlichkeit, der hat pathetische Principien nöthig, die man jederzeit in den Mund nehmen kann: — Principien eines unbedingten Sollens, welchen man sich ohne Beschämung unterwerfen und unterworfen zeigen darf. Alle feinere Servilität hält am kategorischen Imperativ fest und ist der Todfeind Derer, welche der Pflicht den unbedingten Charakter nehmen wollen: so fordert es von ihnen der Anstand, und nicht nur der Anstand.
(Die fröhliche Wissenschaft, § 5)

Mir geht's hier um den Geist des "Unbedingten", der hinter der Pflichtenidee in Form von Pflichten, die Gegenstand der Erkenntnistheorie sind, steckt. Dahinter steckt eben die Idee des überpositiven Rechts. Und genau an diesem Punkt verweigere ich die Anerkennung. Überpositives Recht ist ein theologisches Konzept. Aber Normen sind menschengemacht.

So, und jetzt bitte viele Pro- und Contraeinlassungen. In diesem Falle wäre auh ein bisschen Quantität schon einmal ein Gewinn.



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Mo 28. Nov 2022, 13:03

Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:52
Überpositives Recht ist ein theologisches Konzept. Aber Normen sind menschengemacht
Normen können nicht von Gott (o.ä.) gegeben sein. Denn dann fragt sich, ob das, was richtig ist, richtig ist, weil Gott es sagt. Oder ob Gott es sagt/gebietet, weil es richtig ist. Im zweiten Fall ist offensichtlich, dass die Norm über Gott steht. Im ersten Fall wäre Gott ein Tyrann. Nachdem, was ich gelernt habe, wussten das (beispielsweise) Platon und Kant sehr gut. Das Argument soll sogar von Platon stammen und sich auch bei Kant finden. Gott scheidet also aus. Aus demselben Grund scheidet aber auch der Mensch als "Normmacher" aus. Beide Möglichkeiten entfallen also. Beide vertrete ich nicht.




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Jörn Budesheim
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Mo 28. Nov 2022, 13:08

In dem Zitat von Nietzsche kann ich kein Argument entdecken.




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AufDerSonne
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Mo 28. Nov 2022, 14:35

Wenn ich den Thread so durchlese, scheint es mir darum zu gehen, ob und wenn ja, wie stark, der einzelne Mensch in die Gesellschaft eingebettet ist.
Und dann weiter, was die diese Gesellschaft vom Einzelnen verlangen darf und was nicht. Und inwiefern der Einzelne abhängig ist von der Gesellschaft, in der er lebt.

Ich denke, eine gewisse Abhängigkeit von der Gesellschaft ist immer vorhanden. Und damit hat die Gesellschaft immer ein Recht vom Einzelnen etwas zu verlangen.
Aber umgekehrt darf ein Einzelne von der Gesellschaft etwas erwarten.

Das ist jetzt nicht sehr konkret, aber ich denke, wenn man konkret sein soll, wird es schwierig. Grundsätzlich finde ich, ist man völlig frei. Man kann tun und lassen, was man will.
Es ist oft schwierig zu sagen, was der Einzelne für eine Pflicht hat. Gibt man sich die Pflicht nicht weitgehend selbst durch Versprechungen, die man anderen gegenüber macht?

Mir leuchtet Lucian Wings Argument ein, dass man da irgendwie zwischen moralischen und rechtlichen Normen trennen muss.



Ohne Gehirn kein Geist!

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Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:35
Wie hat man denn die Idee, kein Sex vor der Ehe, gelöst? Ist die entsprechende Norm nicht an der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz, also durch intersubjektive Übereinkunft, gefallen?
Davon gehe ich nicht aus. Stattdessen halte ich es für wahrscheinlicher, dass es die "intersubjektive Übereinkunft" gab, weil die angebliche Norm verfehlt war. Man hat erkannt, dass man da vermutlich falsch lag. Eine "Intersubjektive Übereinkunft" kann auch eine "Tyrannei der Mehrheit" stützen. Denn das Argument gegen eine Gottgegebenheit der Moral lässt sich auch hier (mutatis mutandis) anwenden. Man hat argumentativ nicht viel gewonnen, wenn man Gott gegen Intersubjektivität eintauscht.




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Lucian Wing
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Mo 28. Nov 2022, 17:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 14:39
Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 12:35
Wie hat man denn die Idee, kein Sex vor der Ehe, gelöst? Ist die entsprechende Norm nicht an der fehlenden gesellschaftlichen Akzeptanz, also durch intersubjektive Übereinkunft, gefallen?
Davon gehe ich nicht aus. Stattdessen halte ich es für wahrscheinlicher, dass es die "intersubjektive Übereinkunft" gab, weil die angebliche Norm verfehlt war. Man hat erkannt, dass man da vermutlich falsch lag. Eine "Intersubjektive Übereinkunft" kann auch eine "Tyrannei der Mehrheit" stützen. Denn das Argument gegen eine Gottgegebenheit der Moral lässt sich auch hier (mutatis mutandis) anwenden. Man hat argumentativ nicht viel gewonnen, wenn man Gott gegen Intersubjektivität eintauscht.
Dann warte ich mal auf dein Erkenntnis- und oder Legitimationsargument für den Pflichtenkanon.

Übrigens: Jeder hat immer die Minderheiten im Auge. In Russland ist ist es eine Minderheit der Oligarchen, die über Menschenrechte und -pflichten entscheiden. Nämlich auf Machtbasis. Und genau das bleibt letztendlich als Basis übrig. Insofern ist ist nichts gewonnen aus deinem Argument der bösen Mehrheit. Denn das sollte doch klar sein: Wenn ein politisches Dokument, das Normen propagiert durchgesetzt werden soll, dann braucht es je mehr Macht, um es gegen Mehrheiten durchzusetzen.



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Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:03
Insofern ist ist nichts gewonnen aus deinem Argument der bösen Mehrheit.
Mir ist nicht ganz klar, worauf du damit hinaus willst. Wie auch immer: das Argument von mir soll zeigen und es zeigt das meines Erachtens auch, der Bezug auf die intersubjektivität genauso viel leistet wie der Bezug auf Gott.




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Lucian Wing
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Mo 28. Nov 2022, 17:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:46
Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:03
Insofern ist ist nichts gewonnen aus deinem Argument der bösen Mehrheit.
Mir ist nicht ganz klar, worauf du damit hinaus willst. Wie auch immer: das Argument von mir soll zeigen und es zeigt das meines Erachtens auch, der Bezug auf die intersubjektivität genauso viel leistet wie der Bezug auf Gott.
Worauf ich hinaus will? Auf eine Auskunft, woher die Pflichten ihre Legitimation bekommen. Wie es sie gibt, warum es sie gibt, als was es sie gibt. Irgend so etwas.



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Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:03
Dann warte ich mal auf dein Erkenntnis- und oder Legitimationsargument für den Pflichtenkanon
Zur Legitimation habe ich ja bereits etwas gesagt, siehe Gott oder Intersubjektivität. Und was mit "Erkenntnis-Argument" gemeint ist, weiß ich leider nicht, ich kenne den Ausdruck nicht.




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Lucian Wing
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:48
Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:03
Dann warte ich mal auf dein Erkenntnis- und oder Legitimationsargument für den Pflichtenkanon
Zur Legitimation habe ich ja bereits etwas gesagt, siehe Gott oder Intersubjektivität. Und was mit "Erkenntnis-Argument" gemeint ist, weiß ich leider nicht, ich kenne den Ausdruck nicht.
Dass man die Pflichten erkennen könne.
Aber irgendwann spiel ich das Treibjagdspiel nicht mehr mit.



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Lucian Wing hat geschrieben :
Mo 28. Nov 2022, 17:48
Worauf ich hinaus will? Auf eine Auskunft, woher die Pflichten ihre Legitimation bekommen. Wie es sie gibt, warum es sie gibt, als was es sie gibt. Irgend so etwas.
Zu all dem habe ich bereits etwas gesagt. Ich hatte dich sogar explizit gebeten, dazu Stellung zu nehmen. Hier noch mal: Rechte und Pflichten haben wir, insofern wir Menschen sind. Das ist nichts, was noch auf irgendeine Art und Weise "dazu" kommt. Die Fragen, wie es sie gibt, warum es sie gibt und als was es sie gibt, gehen meines Erachtens an der Sache vorbei.

Du selbst machst wiederholt stark, dass wir frei sind und das ist natürlich der Kern. Zur Freiheit wären diese Fragen (wie, warum, als was) meines Erachtens ebenso problematisch. Zu unserer Freiheit gehört zum Beispiel unsere Fähigkeit, ein Bild von uns selbst zu machen, bzw eine Selbstnarration und unser Leben gemäß dieses Bildes bzw. dieser Erzählung zu leben. Zur Freiheit gehört auch, unsere Fähigkeit uns an Gründen zu orientieren. Ebenso zu dieser Freiheit gehört, zu erkennen, dass wir in keiner Form aus der Gemeinschaft der Menschen herausgehoben sind. Die anderen sind ebenso frei und ebenso in der Lage ein Bild nach ihren eigenen Bestimmungen zu führen. Unsere Rechte und unsere Pflichten "ergeben" sich aus dieser (super knapp skizzierten) Gemengelage und sie sind nichts, was zu dem Umstand, dass wir Menschen sind, erst noch hinzukommen muss. Würde, Freiheit, Rationalität, Rechte und Pflichten sind keine Dinge, nach denen man sinnvollerweise in der fraglichen Art und Weise (wie, warum, als was) fragen kann, finde. Sie sind auch nichts, was erst noch einer Art von Legitimation bedarf.




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