Regeln oder Freiheit? Die Freiheit, sich selbst zu bestimmen.

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn Budesheim
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Mi 31. Jan 2024, 16:22

Egal wie ich denke oder handle, ich schränke mich ein. Das ist unvermeidlich. Wenn ich mich für diese Handlung entscheide, entscheide ich mich gegen jene. Im Grunde sogar gegen alle anderen Handlungen, die möglich gewesen wären. Diese Form der "Beschränkung" ist sozusagen in den "Handlungsbegriff" eingeschrieben. Wählen ist immer auch Beschränkung.

Ist diese Einschränkung eine Einschränkung meiner Freiheit? Nein, natürlich nicht. Es ist eine Form, sie auszuüben.

Manchmal spricht man in diesem Zusammenhang von Autonomie, kurz: "autos" bedeutet "selbst" und "nomos" bedeutet "Gesetz" oder "Ordnung". Das bedeutet die Fähigkeit, sich selbst ein Gesetz zu geben, oder anders ausgedrückt: die Fähigkeit, sich selbst zu bestimmen, also Freiheit. Wenn ich mir Regeln gebe, dann mache ich von meiner Freiheit Gebrauch. Das ist eine Form von Freiheit.

Ein persönliches Beispiel: Ich habe mich vor einigen Jahren entschieden, Vegetarier zu werden. Natürlich ist das eine Einschränkung meiner Möglichkeiten. Aber ist das eine Einschränkung meiner Freiheit? Nein, ich denke nicht. Denn meine Freiheit besteht ja gerade darin, diese "Einschränkungen" selbst zu wählen. Und zwar auf der Grundlage von Werten, die ich schätze.

Man macht solche Regeln nicht immer explizit. Man kann sie auch implizit befolgen. Aber die Fähigkeit, über solche Dinge nachzudenken und sie explizit zu machen, ist meiner Meinung nach ein wichtiger Teil unserer Freiheit. Solche Abgrenzungen können mir Klarheit verschaffen. Klarheit darüber, wer ich bin und wer ich sein will.




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AufDerSonne
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Mi 31. Jan 2024, 17:28

Hat man eigentlich Freiheit nur innerhalb des Normalen?
Es gibt die Normalität. Ich definiere Normalität einmal so: Alles, was zugelassen ist. Die Normalität ist sehr breit, sie lässt viel zu. Wenn man sie überschreitet, kommt man mit dem Gesetz in Konflikt.
Das heisst doch, dass die Freiheit nicht grenzenlos sein kann. Und dann würde ich zwischen einer inneren und einer äusseren Freiheit unterscheiden. Ein Mensch in einem Gefängnis kann trotzdem sehr frei sein, denke ich.

Ich glaube, wenn jemand beschliesst Vegetarier zu werden, dann schränkt er seine Freiheit nicht ein, sondern nutzt sie aus. Er hat die Freiheit Vegetarier zu werden und macht gebrauch davon.

Oft versteht man Freiheit so, dass man etwas tut, was nicht normal ist. Etwas Aussergewöhnliches. Aber ist das Freiheit?



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Michael7Nigl
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Mi 31. Jan 2024, 23:04

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 31. Jan 2024, 17:28
Hat man eigentlich Freiheit nur innerhalb des Normalen?
Es gibt die Normalität. Ich definiere Normalität einmal so: Alles, was zugelassen ist. Die Normalität ist sehr breit, sie lässt viel zu. Wenn man sie überschreitet, kommt man mit dem Gesetz in Konflikt.
Das heisst doch, dass die Freiheit nicht grenzenlos sein kann. Und dann würde ich zwischen einer inneren und einer äusseren Freiheit unterscheiden. Ein Mensch in einem Gefängnis kann trotzdem sehr frei sein, denke ich.

Ich glaube, wenn jemand beschliesst Vegetarier zu werden, dann schränkt er seine Freiheit nicht ein, sondern nutzt sie aus. Er hat die Freiheit Vegetarier zu werden und macht gebrauch davon.

Oft versteht man Freiheit so, dass man etwas tut, was nicht normal ist. Etwas Aussergewöhnliches. Aber ist das Freiheit?
Mit "Freiheit" hast Du Dir wahrscheinlich eines der schwierigsten philosophischen Themen überhaupt ausgesucht. Viele (kluge) Menschen halten heutzutage Freiheit für eine Illusion, wie bspw. der Hirnforscher Gerhard Roth:



Im Alltag verstehen wir Freiheit oft als "tun können, was man will". Aber kann man auch "wollen, was man will"?

Innerhalb der Gesellschaft endet unsere Freiheit dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt. Eine freiwillige Entscheidung (z.B. Vegetarier) engt die eigene Freiheit nicht ein, vielmehr bin ich Deiner Meinung, dass man damit von seiner Freiheit Gebrauch macht. Dieses fällt wohl dann besonders auf, wenn man etwas Außergewöhnliches tut.

Das Gefühl der Freiheit kann man auch haben, wenn man unfrei (z.B. im Gefängnis) oder sogar Freiheit (in einem metaphysischen Sinn) unmöglich ist.

In seinem Buch Unser Verlangen nach Freiheit schreibt der Philosoph Thomas Buchheim: "Ein freies Wesen [muss] in jedem Gebrauch seiner Freiheit wirklich anders können, als es sich aus freien Stücken tatsächlich verhält." (S. 7) Wie das in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften auch heute noch denkbar und möglich ist, erklärt er in diesem Buch.




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Do 1. Feb 2024, 02:34

Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 31. Jan 2024, 23:04
Im Alltag verstehen wir Freiheit oft als "tun können, was man will". Aber kann man auch "wollen, was man will"?
Man kann z.B. aus rational selbstbestimmten Gründen NICHT tun, was man will.




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Jörn Budesheim
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Do 1. Feb 2024, 16:40

Vier Beiträge, vier Themen :-)
  • Im ersten Beitrag geht es, kurz gesagt, um das Verhältnis von Regeln/Einschränkungen und Freiheit.
  • Der zweite Beitrag fragt nach Freiheit und Recht.
  • Der dritte Beitrag wechselt zu einer allgemeineren Betrachtung inklusive Schopenhauers Diktum: "Der Mensch kann tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. "
  • Und der vierte Beitrag weist Schopenhauer zurück und bringt Gründe bzw. Rationalität ins Spiel.




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AufDerSonne
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Do 1. Feb 2024, 18:37

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 31. Jan 2024, 16:22
Egal wie ich denke oder handle, ich schränke mich ein. Das ist unvermeidlich. Wenn ich mich für diese Handlung entscheide, entscheide ich mich gegen jene. Im Grunde sogar gegen alle anderen Handlungen, die möglich gewesen wären. Diese Form der "Beschränkung" ist sozusagen in den "Handlungsbegriff" eingeschrieben. Wählen ist immer auch Beschränkung.
Ich bin nicht einverstanden. Wenn ich denke und handle, dann schränke ich mich nicht ein. Deshalb konnte ich auch nicht antworten auf deinen Beitrag, wenn ich schon mit dem ersten Satz nicht einverstanden bin.
Das viel grössere Problem von normalen Menschen ist es, dass sie viele Dinge wollen und dann nicht tun. Dieses Problem kennt jeder. Und das kann allerdings einschränken.



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Jörn Budesheim
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Do 1. Feb 2024, 19:08

Dazu musst du einfach die nächsten Sätze, die diesen Satz begründen, auch würdigen.




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Lucian Wing
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Do 1. Feb 2024, 21:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 31. Jan 2024, 16:22

Manchmal spricht man in diesem Zusammenhang von Autonomie, kurz: "autos" bedeutet "selbst" und "nomos" bedeutet "Gesetz" oder "Ordnung". Das bedeutet die Fähigkeit, sich selbst ein Gesetz zu geben, oder anders ausgedrückt: die Fähigkeit, sich selbst zu bestimmen, also Freiheit. Wenn ich mir Regeln gebe, dann mache ich von meiner Freiheit Gebrauch. Das ist eine Form von Freiheit.

Ein persönliches Beispiel: Ich habe mich vor einigen Jahren entschieden, Vegetarier zu werden. Natürlich ist das eine Einschränkung meiner Möglichkeiten. Aber ist das eine Einschränkung meiner Freiheit? Nein, ich denke nicht. Denn meine Freiheit besteht ja gerade darin, diese "Einschränkungen" selbst zu wählen. Und zwar auf der Grundlage von Werten, die ich schätze.
Ob es sinnvoll ist, Freiheit als etwas zu begreifen, was vor oder außerhalb von sozialen Beziehungen liegt, kann man anzweifeln.

Dein Vegetariertum ist ein gutes Beispiel, weshalb das Freiheitsverständnis so in die Irre führt. Deine Freiheit besteht nicht an dir, sondern sie bestand zum Zeitpunkt deiner Wahl darin, dass du frei warst zu wählen, weil du offensichtlich keinen Beschränkungen unterlagst, so oder so wählen zu können. Müsstest du aus Gründen der Selbsterhaltung das essen, was der Tag dir bietet, stünde dir also keine diesbezügliche Wahlmöglichkeit zur Verfügung, bestünde die Freiheit, von der du sprichst, darin, dich u.U. fürs Verhungern oder deine Werte zu entscheiden.. Ob man das dann Freiheit nennen kann? Freiheit ist nichts, was irgendwie an dir vor aller beziehungsabhängigen Wirklichkeit existiert. Deine Wahlfreiheit ergibt sich aus den Möglichkeiten eines Überflusses an verfügbarer Essensauswahl. Es ist der Überfluss, der die Freiheitsfrage in diesem Fall gebiert.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Lucian Wing
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Do 1. Feb 2024, 21:25

Oder anders ausgedrückt: Voraussetzung dieser Wahl war nach dem Prinzip der Freiheit als Nichteinmischung, dass du im Sinne der berühmten Frage Isaiah Berlins handeln konntest, in welchem Bereich man einen Menschen oder eine Gruppe machen lassen soll, was sie können, ohne sich einzumischen. Dieser klassischen Definition der negativen Freiheit entspringt die Entscheidung, Vegetarier werden zu können. Es hält einen niemand davon ab oder zwingt einen.

Geht jemand drei Monate in den Norden Kanadas zu den Innuit, wird das Nichteinmischungsprinzip wahrscheinlich irrelevant. Man kann halt nur durch Türen gehen, die auch überhaupt vorhanden sind.



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Lucian Wing
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Do 1. Feb 2024, 21:43

Finally, Teil 3:

Deine Möglichkeiten sind nicht eingeschränkt, das halte ich für einen Fehler. Es gibt immer noch drei offene Türen, durch die du gehen kannst. Durch die des Vegetariers, durch die des Carnivoren und durch die für den Allesfresser. Alle drei Türen stehen dir offen. Deine Möglichkeiten sind erst dann eingeschränkt, wenn eine Regierung beschlösse, es gibt kein Fleisch mehr in diesem Lande, also zwei von drei Türen schließen würde. Und dann?



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Quk
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Do 1. Feb 2024, 21:59

Ich denke, es geht Jörn um den Willen, nicht um das Können. Wenn die Regierung Tür 3 schließt, kann Jörn immer noch durch Tür 3 gehen wollen. Er kann nur nicht.




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Lucian Wing
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Do 1. Feb 2024, 22:46

Quk hat geschrieben :
Do 1. Feb 2024, 21:59
Ich denke, es geht Jörn um den Willen, nicht um das Können. Wenn die Regierung Tür 3 schließt, kann Jörn immer noch durch Tür 3 gehen wollen. Er kann nur nicht.
Also bleibt er frei, oder was du willst du damit sagen?

Wenn ich im Knast sitze und es mir dort gefällt, weil ich endlich feste Mahlzeiten, immer ein Bett und einen geregelten Tag habe, kann ich dann sagen: Ich bin frei? Ist das Freiheit? Ist Freiheit etwas, das an einer Person klebt, unabhängig von seinen sozialen Beziehungen und Möglichkeiten? Ist es sinnvoll, von Freiheit zu sprechen, weil man auf etwas verzichtet? Seine Freiheit liegt in der Wahlmöglichkeit, die außerhalb seiner Subjektivität liegt. Solange ihn nichts hindert, durch eine der drei Türen seiner Wahl zu gehen, ist die Rede von Freiheit sinnvoll. Daran hängt sie, nicht an ihm.

Allerdings gibt es auch andere Entwürfe: Versteht man Freiheit nicht als Möglichkeitsbegriff, sondern als Ausübungsbegriff, dann sähe es etwas anders aus. Dann aber stünde de facto vor Tür 2 und Tür 3 ein Wärter, und die Wertewahl wäre eine beeinflusste "Wahl", denn Freiheit wäre dann über ein gesetztes Gut - also den Gang durch Tür 1 - definiert. Nur wer Tür 1 passiert ist frei, wer durch Tür 2 oder 3 geht, kann nicht frei sein. Das entspricht dann wieder dem Mann im Gefängnis. Frei nach dem Motto: Wenn man nicht bekommt, was man will, muss man wollen, was man bekommt.



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Quk
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Do 1. Feb 2024, 23:35

Meines Erachtens gibt es weder einen freien noch einen unfreien Willen; es gibt nur einen mehr oder weniger willigen Willen. Mehr fällt mir dazu nicht ein.

Freiheit ist in meinen Augen eine ganz andere Kategorie. Freiheit bezieht sich auf das Können, nicht auf das Wollen.




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Jörn Budesheim
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Lucian Wing hat geschrieben :
Do 1. Feb 2024, 21:12
Ob es sinnvoll ist, Freiheit als etwas zu begreifen, was vor oder außerhalb von sozialen Beziehungen liegt, kann man anzweifeln.
Ich bin auch der Meinung, dass das Soziale der Ort der Freiheit ist. Das ändert aber nichts daran, dass ich mich selbst einschränke, wenn ich mich für X entscheide, indem ich damit alle anderen Möglichkeiten ausschließe.




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Jörn Budesheim
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Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 31. Jan 2024, 23:04
Viele (kluge) Menschen halten heutzutage Freiheit für eine Illusion, wie bspw. der Hirnforscher Gerhard Roth...
Michael7Nigl hat geschrieben :
Mi 31. Jan 2024, 23:04
Wie das in Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Naturwissenschaften auch heute noch denkbar und möglich ist, erklärt er in diesem Buch.
Dazu eine Bemerkung, um die entsprechenden Etiketten zu verteilen, auch wenn das eigentlich nicht mein Thema für diesen Faden ist: in der Philosophie ist nach meinem Wissen der sogenannte Kompatibilismus, also das was du im zweiten Zitat ansprichst, sehr weit verbreitet. Viele kluge Menschen sind der Ansicht, dass dies die überzeugendste Option ist. Während die sogenannten Inkompatibilisten Freiheit eben für eine Illusion oder etwas in der Art halten.

(Wenn in den philosophischen Vorlesungen, die ich bei einem bestimmten Professor besuchte, der Name Gerhard Roth fiel, wurde in der Regel sehr schnell klar, dass er Roth nicht zu den klugen Köpfen zählte, um es vorsichtig auszudrücken.)

Aber Kompatibilismus hin, Inkompatibilismus her, das ist eigentlich gar nicht mein Thema, in diesem Faden gehe ich einfach selbstverständlich davon aus, dass wir frei sind. Und ich frage mich nach dem Zusammenhang von Freiheit und Selbstbeschränkung, etc. Der einfache Gedanke, ich bin frei, ich mache was ich will, ist mir zu einfach :)




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Lucian Wing
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 2. Feb 2024, 07:16

Aber Kompatibilismus hin, Inkompatibilismus her, das ist eigentlich gar nicht mein Thema, in diesem Faden gehe ich einfach selbstverständlich davon aus, dass wir frei sind. Und ich frage mich nach dem Zusammenhang von Freiheit und Selbstbeschränkung, etc. Der einfache Gedanke, ich bin frei, ich mache was ich will, ist mir zu einfach :)
Selbstbeschränkung schränkt Freiheit nur dann ein, wenn sie entweder durch fremden Eingriff verursacht oder veranlasst wird (eine der drei Türen wird geschlossen) oder wenn man selbst aus Gründen, die weder mit einem fremden noch dem eigenen Willen zu tun haben, außerstande ist, die Maximen seines Willens umzusetzen. Beispielsweise wenn deine Gesundheit eine solche Selbstbeschränkung auf Rat des Arztes nahelegt.



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Jörn Budesheim
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Fr 2. Feb 2024, 08:58

Strg Z

Es wäre interessant, den Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, am Computer jede Entscheidung im nächsten Moment rückgängig zu machen, und dem Konzept der Wahl zu untersuchen. Ein Gedanke, den ich immer mal wieder beim Zeichnen habe...




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Quk
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Fr 2. Feb 2024, 08:59

Den Begriff "Selbstbeschränkung" halte ich für schwierig, weil eine Beschränkung meines Erachtens mindestens zwei Willens-Instanzen braucht. Instanz A will eine Wurst kaufen, Instanz B will das verbieten.

Das "Selbst" enthält also mindestens A und B zugleich. A wird nicht von A beschränkt, sondern von B. Beschränkte sich das Selbst komplett gegen sich selbst, so wäre das quasi A+B komplett gegen A+B komplett.

Ich denke, der Wille von B kommt nur deshalb zustande, weil zuvor A seinen Willen geäußert hat. Also wenn der Wurstkauf-Wille nicht da ist, tritt auch kein Wurstverbots-Wille auf. Der Wurstverbots-Wille gehört aber auch zum "Selbst". Dieses Verbot kann sich nicht selbst verbieten, sonst würde es sich selbst aufheben. Dieses Verbot, beziehungsweise diese Beschränkung, geht also nicht gegen das Selbst als Ganzes, sondern nur gegen den Wurstkauf-Willen, und der ist nur einer von Trilliarden Willens-Vektoren im Hirn, vermute ich.




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Lucian Wing
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Fr 2. Feb 2024, 09:24

Die "Selbstbeschränkung" hat tatsächlich dieses Problem. Isaiah Berlin malt in seinen Überlegungen zur positiven Freiheit folgendes Szenario:

1. Behauptung: Freiheit besteht in der Kontrolle des eigenen Selbst und in der Verwirklichung seiner Interessen = Freiheit als Selbstverwirklichung.

2. Behauptung: Teilung des Selbst in ein kontrollierendes und ein kontrolliertes oder in eigentliche und nicht-eigentliche Wünsche.

3. Behauptung: der Teil, der kontrolliert oder die eigentlichen von den nicht-eigentlichen Wünschen trennt, wird mit der Gruppe, der das Individuum angehört, identifiziert.

4. Behauptung: Diese Gruppe weiß besser als das Individuum, was für es gut ist.

5. Behauptung: Aus 4. folgt, dass den Aussagen des Individuums über seine Interessen oder Wünsche keine wirkliche oder rationale Bedeutung zukommt.



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Quk
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Fr 2. Feb 2024, 09:43

Ich stimme allen Punkten 1 bis 5 zu.




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