Reinhart Koselleck

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Lucian Wing
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Mi 14. Feb 2024, 21:27

Vor einem Jahr wurde vom Suhrkamp Verlag der 100. Geburtstag von Koselleck thematisiert und es erschien ein Band mit Aufsätzen Vom Nutzen und Nachteil der Erinnerung für das Leben.

Dieser Tage erschien nun im Philosophie Magazin ein Essay von Sidonie Kellerer mit dem Titel "Rechte Metapolitik" in der Koselleck zusammen mit Heidegger als Paten der Neuen Rechten um Sellner & Co. dargestellt werden. Heidegger und Koselleck und Sellner?

Irgendwie bin ich etwas überfordert mit damit. Geht das so? Ist das so?

https://www.philomag.de/artikel/rechte- ... wtab-de-de



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Stefanie
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Mi 14. Feb 2024, 21:58

Oha, was für ein Artikel. Einmal lesen dürfte nicht ausreichen. Sehr interessant.
Von der Autorin habe ich vor kurzem diesen Artikel gelesen
https://www.deutschlandfunknova.de/beit ... e-kellerer

Ich muss gestehen, Herr Koselleck ist eine Bildungslücke bei mir. Beim einer ersten Durchsicht auf Google ließen sich nur positive Berichte finden. Außer von Frau Kellerer. Auch bei philomag, allerdings nicht frei verfügbar.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Do 15. Feb 2024, 02:33

Am Rande zum Thema passend auch folgender Artikel, aus dem der unten stehende Auszug ist:

https://www.fr.de/kultur/musik/testcard ... 11368.html
Caroline Sommerfeld sei „Teil einer intellektuellen Elite, die in ihrem metapolitischen Kampf versucht, dem völkischen Nationalismus ein modernes Antlitz zu verleihen und ihn mainstreamfähig zu machen.“ Mainstreamfähig heißt: den Diskurs (mit-)bestimmen, zur Not auch ex negativo. Gegen die (noch) majoritäre öffentliche Stimmung feiert die Neue Rechte das Einspeisen der Parole „Remigration“ in den Polit-Diskurs als „metapolitischen Erfolg“ – zu dem paradoxerweise auch die massenhaften Anti-Rechts-Demos beitragen.




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Lucian Wing
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Do 15. Feb 2024, 12:03

Ich wollte weniger die theoretischen Grundlagen der Neuen Rechten durchforsten, als eine Antwort auf die Frage, inwiefern Koselleck ein Pate derselben sein soll. Der Artikel enthält viele Behauptungen, aber keinerlei inhaltlichen bezüge über ein bestimmtes Raunen hinaus. Ich habe die Schwarzen Hefte Heideggers ein bisschen gelesen, natürlich schimmert beispielsweise sein Anti-Amerikanismus deutlich durch. Aber ich hätte mir gewünscht, die Autorin würde bei so viel Text mehr als nur ein bisschen name dropping betreiben, sondern Kosellecks Theorie auch darstellen und den Texten der Neuen Rechten gegenüberstellen. Dass sie am Ende ausgerechnet den Stammheim-Besucher Sartre als Zeugen aufführt, macht die Sache auch nicht besser.



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Nauplios
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Do 15. Feb 2024, 13:49

Das Weltgericht tagt wieder.


"Der als Philosoph geltende Martin Heidegger ..."

"Vorsätzliche Täuschung"

"... gewaltsame Neubesetzung von Begriffen ..."

"... Strategie gewaltsamer Umkehr ..."

"... rechtsradikale Gegenakademie ..."

"... ein metapolitischer Coup sondergleichen"

(Sidonie Kellerer)




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Lucian Wing
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Do 15. Feb 2024, 20:43

Nauplios hat geschrieben :
Do 15. Feb 2024, 13:49
Das Weltgericht tagt wieder.
Du kennst Koselleck ja. Hast du irgendeine Idee, wo man suchen müsste, um das, was die Anklägerin behauptet, finden zu können? Gibt es außer der Tatsache, dass Koselleck (wie viele andere Intellektuelle nach dem Krieg auch) in irgendeiner Beziehung zu Schmitt stand, irgendwelche Hinweise, die eine solche Behauptung rechtfertigen könnten?



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Nauplios
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Fr 16. Feb 2024, 14:22

Lucian Wing hat geschrieben :
Do 15. Feb 2024, 20:43
Nauplios hat geschrieben :
Do 15. Feb 2024, 13:49
Das Weltgericht tagt wieder.
Du kennst Koselleck ja. Hast du irgendeine Idee, wo man suchen müsste, um das, was die Anklägerin behauptet, finden zu können? Gibt es außer der Tatsache, dass Koselleck (wie viele andere Intellektuelle nach dem Krieg auch) in irgendeiner Beziehung zu Schmitt stand, irgendwelche Hinweise, die eine solche Behauptung rechtfertigen könnten?
Ein kleiner Umweg vorweg.

Es war einmal eine Zeit, in der trafen sich zwei Dutzend alte und junge weiße Männer in regelmäßigen Abständen, um über geisteswissenschaftliche Fragen zu diskutieren. Eine Woche lang erörterten sie tagsüber ihre Themen, tranken abends Wein oder machten Ausflüge in die nähere Umgebung. Manchmal gerieten sie nach einem Vortrag in Streit; dann versuchte einer der drei Gründer ihrer Gruppe den Streit zu schlichten, was ihm auch meistens gelang. Er galt als besonders feinfühlig für die Befindlichkeit eines jeden. Das mochte wohl nicht immer so gewesen sein, war doch dieser Mann vorher Hauptsturmführer bei der Waffen-SS gewesen.

Natürlich ist die Rede von Poetik und Hermeneutik. Gegründet wurde die Gruppe Anfang der 60er Jahre, kaum zwei Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Von ihren drei Gründern war einer bei der Waffen-SS gewesen, der zweite bei der SA, der dritte war als "Halbjude" einem NS-Arbeitslager entkommen. Und obwohl ihre Biographien ihnen allen bekannt waren, trafen sie sich 1968, um über antike und mittelalterliche Philosophie zu sprechen.

Zu dieser Gruppe zählte auch Reinhart Koselleck. Er hatte sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet und geriet im Mai 1945 in sowjetische Kriegsgefangenschaft, wurde zu "Aufräumarbeiten" nach Auschwitz geschickt; zwei Jahre Kriegsgefangenschaft folgten. -

Zum Kreis von Poetik und Hermeneutik zählte auch Siegfried Kracauer, der aus einem jüdischen Elternhaus kam und dessen Mutter 1942 im KZ Theresienstadt ermordet worden war. Ein anderer war Jacob Taubes, der aus einer rabbinischen Gelehrtenfamilie stammte. Werner Krauss war Mitglied der "Roten Kapelle" gewesen und von den Nazis zum Tode verurteilt worden, geriet aber dann in amerikanische Kriegsgefangenschaft. In der Plötzenseer Todeszelle schrieb er mit gefesselten Händen einen Roman. Er trat 1946 in die KPD ein, übersiedelte kurz darauf nach Leipzig und wurde Mitglied des Parteivorstandes der SED.

Ehemalige Wehrmachtsoffiziere, Mitglieder der Waffen-SS und der SA, Verfolgte des Naziregimes, ein Rabbi, ein Kommunist tagen eine Woche in einem Haus, um über "Das Komische" zu diskutieren. Es war einmal.

Doch ist das Ganze kein Märchen. Und daran sieht man wie die Zeit sich geändert hat. Der Vielleser Hans Blumenberg war befreundet mit dem Organisator der Bücherverbrennung Erich Rothacker. Wie war all das möglich? - Möglich war es u.a. weil es etwas Gemeinsames gab, das man sich allen Biographien zum Trotz zugestand: die Liebe zur Philosophie, zur Literatur, zur Kunst.

Die Zeit von Poetik und Hermeneutik ist vorbei. Dreißig Jahre. Und heute? - Heute leben wir in einer Welt, in der man sich berufen fühlt, über einen Hans Robert Jauß, einen Reinhart Koselleck, einen Carl Schmitt, den "als Philosophen geltenden Martin Heidegger" u.a. moralisch Gericht zu halten. Ohne Frage hatten sich alle vier auf je individuelle Weise dem Nationalsozialismus an den Hals geworfen. Um das zu wissen, braucht es kein Weltgericht. Das Weltgericht braucht es, um die Geschichte umzuschreiben. Die Anklage gegen die Person zieht die Anklage gegen das Werk ("rechtsradikales Gedankengut" schreibt Kellerer) nach sich. Ich sehe in den Schriften von Koselleck - soweit ich sie kenne - kein "rechtsradikales Gedankengut".




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Lucian Wing
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Fr 16. Feb 2024, 15:14

Danke, dem möchte ich eigentlich nicht viel hinzufügen. Zu solchen Diskurshaltungen führt wohl einstweilen kein Weg mehr zurück.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Timberlake
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Sa 17. Feb 2024, 00:06

Lucian Wing hat geschrieben :
Mi 14. Feb 2024, 21:27
Vor einem Jahr wurde vom Suhrkamp Verlag der 100. Geburtstag von Koselleck thematisiert und es erschien ein Band mit Aufsätzen Vom Nutzen und Nachteil der Erinnerung für das Leben.

Dieser Tage erschien nun im Philosophie Magazin ein Essay von Sidonie Kellerer mit dem Titel "Rechte Metapolitik" in der Koselleck zusammen mit Heidegger als Paten der Neuen Rechten um Sellner & Co. dargestellt werden. Heidegger und Koselleck und Sellner?

Irgendwie bin ich etwas überfordert mit damit. Geht das so? Ist das so?

https://www.philomag.de/artikel/rechte- ... wtab-de-de
Nun ja, es kommt immer darauf an , was man sich daraus heraus pickt ...

Beispiel
  • https://www.philomag.de/artikel/rechte- ... wtab-de-de
    "Ebenso widerspruchslos druckte Suhrkamp den bereits erwähnten Vortrag, den Koselleck 1968 in Ebrach zu Ehren Schmitts gehalten hatte. Der Vortrag endet mit folgenden Andeutungen: „Wir leben seit 1945 zwischen latenten und offenen Bürgerkriegen. […] Aber die Begriffsgeschichte, auch wenn sie sich in Ideologien einläßt, wird uns daran erinnern, daß Worte und ihr Gebrauch für die Politik wichtiger sind als alle anderen Waffen.“ Heidegger würde hier von „Winken“ sprechen, Ernst Jünger und Arnold Gehlen von „Feldzeichen“. Koselleck war mit den kulturhegemonialen Überlegungen zu Worten als Waffen vertraut, die Carl Schmitt einmal so artikulierte: Der Kampf um Begriffe sei kein Streit um leere Worte, sondern „ein Krieg von ungeheurer Wirklichkeit und Gegenwart“. Dass Begriffe in erster Linie nicht Werkzeuge des Denkens und der Erkenntnis, sondern Waffen im Dienste weltanschaulicher und politischer Deutungskämpfe seien, und es deshalb gelte, diese neu zu besetzen, führt Koselleck vor, indem er den Begriff der „Menschheit“ als Quelle unmenschlichen Terrors brandmarkt."
Beim Verständnis der These .. , daß Worte und ihr Gebrauch für die Politik wichtiger sind als alle anderen Waffen .. wird man wohl kaum überfordert sein. So wie mir übrigens auch der Begriff der „Menschheit“, als Quelle für unmenschlichen Terrors , nur allzu verständlich erscheint. Wurde doch insbesondere im Gebrauch oder besser gesagt im Missbrauch des Wortes "Menschheit" , seit 1945 zwischen latenten und offenen Bürgerkriegen gelebt.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2024, 08:48

Nauplios hat geschrieben :
Fr 16. Feb 2024, 14:22
Natürlich ist die Rede von Poetik und Hermeneutik. Gegründet wurde die Gruppe Anfang der 60er Jahre, kaum zwei Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Von ihren drei Gründern war einer bei der Waffen-SS gewesen, der zweite bei der SA, der dritte war als "Halbjude" einem NS-Arbeitslager entkommen. Und obwohl ihre Biographien ihnen allen bekannt waren, trafen sie sich 1968, um über antike und mittelalterliche Philosophie zu sprechen.
literaturkritik.de hat geschrieben : Alle einte die Erkenntnis, dass auch die Wissenschaften und die Universitäten nicht im alten Stil weitermachen konnten“ (Helga Jauß-Meyer), wobei allerdings die eigene Vergangenheit ausgeblendet blieb. Die Mitgliedschaft von Hans Robert Jauß in der Waffen-SS (um nur das prominenteste Beispiel zu erwähnen) wurde erst später bekannt, aber nicht thematisiert...

https://literaturkritik.de/boden-zill-p ... 23613.html




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Nauplios
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Sa 17. Feb 2024, 08:53

Die Mitgliedschaft von Jauß in der Waffen-SS war dem inneren Zirkel von Poetik und Hermeneutik bekannt. Öffentlich skandalisiert wurde sie erst Jahrzehnte später.




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Jörn Budesheim
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Sa 17. Feb 2024, 09:00

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 08:53
Die Mitgliedschaft von Jauß in der Waffen-SS war dem inneren Zirkel von Poetik und Hermeneutik bekannt.

[Hervorhebung von mir]
In dem Zitat steht darüber hinaus, dass "die eigene Vergangenheit" nicht thematisiert, sondern ausgeblendet wurde.




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Nauplios
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Sa 17. Feb 2024, 09:21

Die eigene Vergangenheit wurde nicht explizit thematisiert so wie es heute oft geschieht. Das ist sicher richtig. Das trifft für die Täterseite zu. Es trifft auch für die Opferseite zu. Vielleicht ist es kein Zufall, daß die Gründungsphase von Poetik und Hermeneutik in die Zeit des Frankfurter Auschwitz-Prozesses fällt. Wie über die politische wurde auch über die biographische Vergangenheit nicht gesprochen. Es wurde darüber geraunt. In den Flurgesprächen, hinter vorgehaltener Hand, in vertrauten Kreisen. Jauß und Blumenberg hatten bis zum Tod Blumenbergs ein freundschaftliches Verhältnis. Und wenn ich es aus den Biographien von Zill und Goldstein richtig in Erinnerung habe, war Jauß der letzte Besucher Blumenbergs in Altenberge. Eine "Aufarbeitung" der Vergangenheit wie sie erst in den 80er Jahren langsam einsetzte, gab es in den 50er/60er Jahren nicht. Das ist klar.




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Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 08:53
skandalisiert
Von "skandalisieren" kann nicht die Rede sein.
sueddeutsche.de hat geschrieben : Klarheit über Jauß' Mitgliedschaft und Rolle bei der Waffen-SS - dem militärischen Arm des vom Reichsführer Heinrich Himmler geleiteten Ordens elitärer Weltanschauungskrieger - bringt jetzt eine von der Konstanzer Universität in Auftrag gegebene Studie.

[...]

Für den Entschluss der Aufarbeitung, die vom Rektor Ulrich Rüdiger getragen und gegen lokale Widerstände verteidigt wurde, hatten sich die Konstanzer allerdings viel Zeit gelassen. Die Gerüchte über Jauß' Verfehlungen kursierten immerhin schon seit den Siebzigerjahren. Konkreter wurden die Vorwürfe Mitte der Neunziger, Jauß selbst orakelte stets ausweichend, während die nähere Umgebung die Sache nach gewohnten Mustern bagatellisierte, sie zur Jugendsünde eines Siebzehnjährigen erklärte, welcher er bei Kriegsende - im Rang eines SS-Hauptsturmbannführers - schon lange nicht mehr war.

https://www.sueddeutsche.de/bildung/stu ... -1.2488583
Unter anderem zeigte diese wissenschaftliche Studie, dass Jauß an den Junkerschulen "Rassenlehre" unterrichtete und eine Kompanie, die im Partisanenkrieg in Kroatien an Übergriffen auf die Zivilbevölkerung beteiligt war, befehligte.




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Lucian Wing hat geschrieben :
Fr 16. Feb 2024, 15:14
Zu solchen Diskurshaltungen führt wohl einstweilen kein Weg mehr zurück.
Das wollen wir hoffen.




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Nauplios
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Sa 17. Feb 2024, 09:43

Die "Diskurshaltungen", von denen Lucian Wing schreibt, wurden flankiert vom allgemeinen Schweigen über die Verbrechen des Nationalsozialismus. Sie wurden dadurch begünstigt. Die eigene Rolle dabei wurde vertuscht, kleingeredet, heruntergespielt. Aber das war es nicht allein. Was man ahnte wurde eigentlich erst "ausgegraben" als Poetik und Hermeneutik seinerseits zu einem Gegenstand von historischem Interesse wurde. Und doch hat das Gemeinsame sowohl das Raunen als auch die Ausgrabungen überstanden. Das war unter den Intellektuellen der damaligen Generation natürlich nicht die Regel. Und es macht Poetik und Hermeneutik zu etwas Ungewöhnlichem und Besonderem.




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Sa 17. Feb 2024, 09:49

Lucian Wing hat geschrieben :
Do 15. Feb 2024, 12:03
Ich habe die Schwarzen Hefte Heideggers ein bisschen gelesen, natürlich schimmert beispielsweise sein Anti-Amerikanismus deutlich durch.
Das Folgende scheint mir jedoch mehr als ein Schimmern zu sein.
Heidegger hat geschrieben : Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten, ist überall unfaßbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volkes zu opfern.




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Sa 17. Feb 2024, 09:51

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 08:53
Die Mitgliedschaft von Jauß in der Waffen-SS war dem inneren Zirkel von Poetik und Hermeneutik bekannt. Öffentlich skandalisiert wurde sie erst Jahrzehnte später.
Natürlich wurde die Mitgliedschaft von Jauß in der Waffen-SS und seine Beteiligung an Kriegsverbrechen öffentlich skandalisiert. Zum Verlauf dieser Skandalisierung gab es vor einiger Zeit einen eigenen Thread:

Schematische Ostrakisierung




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Du findest doch wohl nicht, dass eine wissenschaftliche Aufarbeitung dieser geschichtlichen Zusammenhänge eines Skandalisierung ist, oder? Ich halte das für notwendig.

Die Aufarbeitung würde vom Rektor Ulrich Rüdiger getragen und gegen lokale Widerstände verteidigt. Ich würde eher sagen, dass es Widerstände gab, dass es Kleinreden gab, ist der Skandal.




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Lucian Wing
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Sa 17. Feb 2024, 10:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 09:49
Lucian Wing hat geschrieben :
Do 15. Feb 2024, 12:03
Ich habe die Schwarzen Hefte Heideggers ein bisschen gelesen, natürlich schimmert beispielsweise sein Anti-Amerikanismus deutlich durch.
Das Folgende scheint mir jedoch mehr als ein Schimmern zu sein.
Heidegger hat geschrieben : Das Weltjudentum, aufgestachelt durch die aus Deutschland hinausgelassenen Emigranten, ist überall unfaßbar und braucht sich bei aller Machtentfaltung nirgends an kriegerischen Handlungen zu beteiligen, wogegen uns nur bleibt, das beste Blut der Besten des eigenen Volkes zu opfern.
Du kannst das alles ganz unaufgeregt und minutiös dargestellt in dem Sammelband von Homulka/Heidegger "Heidegger und der Antisemitismus" nachlesen. Dort stehen aber Dokumentation und Interpretation im Vordergrund und nicht das, was die Autorin im Stile des Raunens mit Heidegger/Koselleck unternimmt.



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