Reinhart Koselleck

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 10:21

"Parallel dazu beteiligte er [Koselleck] sich daran ..."

"Koselleck beteiligte sich also noch in den 1980er Jahren daran, ..."

"Ähnlich wie Heidegger, den Koselleck zeitlebens bewunderte ..."

"... die Tatsache, dass es Koselleck ohne Weiteres gelang, seine Teilnahme ..."


Das ist mir schon beim ersten Lesen des Artikels von Sidonie Kellerer, dem diese Zitate entnommen sind, aufgefallen: es geht oft (nicht nur bei Koselleck) darum, wer an welchem Treffen mit wem "beteiligt" war, wer woran "teilgenommen" hat, wer wen "bewundert" hat usw. Damit soll der Eindruck erweckt werden, Koselleck wäre Teil einer konspirativen Clique gewesen, die sich der Beseitigung der verfassungsmäßigen Ordnung verschrieben habe, eine Art krimineller Vereinigung, die nicht vor "vorsätzliche(n) Täuschunge(n)", "gewaltsamen Neubesetzungen", "Strategien gewaltsamer Umkehr" zurückschreckte. - Der ganze Artikel hat diesen durchgängig kriminalisierenden Sound, der dann im "metapolitischen Coup" seinen Höhepunkt hat.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 10:25

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 10:18
Du kannst das alles ganz unaufgeregt und minutiös dargestellt in dem Sammelband von Homulka/Heidegger "Heidegger und der Antisemitismus" nachlesen. Dort stehen aber Dokumentation und Interpretation im Vordergrund und nicht das, was die Autorin im Stile des Raunens mit Heidegger/Koselleck unternimmt.
Vielleicht ist dir nicht aufgefallen, dass in diesem Zitat Heidegger und sonst niemand zu Wort kam.




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 17. Feb 2024, 10:37

Unter dem Begriff Skandalisierung verstehe ich so etwas wie "aus einer Mücke einen Elefanten zu machen".

Die oben genannten Verbrechen waren katastrophal. Die Verbrechen wurden untersucht und die Ergebnisse wurden veröffentlicht. Diesen Vorgang als Skandalisierung zu bezeichnen, verstehe ich nicht, denn die Verbrechen waren kein Fliegenschiss. Nun könnte man entgegnen, der Verbrecher sei inzwischen keiner mehr und die Skandalisierung bezöge sich nun auf diesen Ex-Verbrecher persönlich, der inzwischen ein skandalfreier Mann des Friedens geworden sei. Dass er ein anderer Mensch wurde, mag sein. Aber aus welchem Grund sollte man deshalb seine katastrophalen Verbrechen geheim halten? Er könnte doch selber bei der Aufarbeitung mitmachen, sich eventuell distanzieren und sagen, wie er aus heutiger Sicht darüber denkt, über seine Fehler sprechen, und um Vergebung bitten und so weiter. Wäre das nicht befreiender und entlastender als eine Geheimhaltung? Wäre so ein Vorgang, auch in diesem persönlichen Rahmen, wirklich so etwas wie "aus einer Mücke einen Elefanten zu machen"?




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 11:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 09:58
Du findest doch wohl nicht, dass eine wissenschaftliche Aufarbeitung dieser geschichtlichen Zusammenhänge eines Skandalisierung ist, oder? Ich halte das für notwendig.

Die Aufarbeitung würde vom Rektor Ulrich Rüdiger getragen und gegen lokale Widerstände verteidigt. Ich würde eher sagen, dass es Widerstände gab, dass es Kleinreden gab, ist der Skandal.
Eine wissenschaftliche Aufarbeitung ist keine Skandalisierung, das ist schon richtig. Das Standardwerk für diese Aufarbeitung ist das Gutachten von Jens Westemeier. Und dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis:

"Jauß hatte mit der Erstellung der Liste, also einem Mix aus 'Unerwünschten' und Untersuchungshäftlingen, nichts zu tun. Er hat weder 'Unerwünschte' auf die Liste gesetzt, noch die Zusammenstellung abgezeichnet." (Westemeier; S. 156)

Beim Theaterstück von Gerhard Zahner ("Die Liste der Unerwünschten") geht es darum, daß Jauß französische Freiwillige auf ihre Eignung zum Dienst in der SS geprüft und diejenigen, die seinen Eignungstest nicht bestanden hätten, habe er in das KZ Stutthoff bei Danzig verbringen lassen. Dem widerspricht das Gutachten von Westemeier.

Nicht jede Skandalisierung ist eine wissenschaftliche Aufarbeitung. Die "Widerstände" bezogen sich nicht auf das Gutachten von Westemeier, sondern darauf, daß der damalige Rektor der Universität Konstanz, Ulrich Rüdiger, die Erlaubnis zur Aufführung von Zahners Einpersonenstück erteilte, bevor das von der Universitätsleitung selbst in Auftrag gegebene Gutachten Westemeiers vorlag. Man hat dieses Gutachten nicht abgewartet. Gerhard Zahner ist kein Historiker, er ist Anwalt. Mit der Aufführung seines Theaterstücks, die das Feuilleton aufgreift, setzt die Skandalisierung ein. Der Skandal liegt nicht darin, daß die Universität ein Gutachten über Jauß' Vergangenheit in Auftrag gab, auch nicht in der Veröffentlichung dieses Gutachtens. Er liegt darin, daß Zahner mit der "Liste der Unerwünschten" etwas insinuiert, das der wissenschaftlichen Aufarbeitung nicht standhält. Die "Widerstände" gegen Zahners Theaterstück kamen u.a. von Karlheinz Stierle, Jürgen Mittelstrass und Wolfgang Schuller.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 11:21

An welcher Stelle in diesem Faden kann man Deiner Ansicht nach erkennen, dass das dein Bezug ist und nicht etwa die wissenschaftliche Aufarbeitung?




Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Sa 17. Feb 2024, 11:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 10:25
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 10:18
Du kannst das alles ganz unaufgeregt und minutiös dargestellt in dem Sammelband von Homulka/Heidegger "Heidegger und der Antisemitismus" nachlesen. Dort stehen aber Dokumentation und Interpretation im Vordergrund und nicht das, was die Autorin im Stile des Raunens mit Heidegger/Koselleck unternimmt.
Vielleicht ist dir nicht aufgefallen, dass in diesem Zitat Heidegger und sonst niemand zu Wort kam.
Weshalb sollte es mir entgangen sein?
Ich könnte dir auch mal Kästner aus seinen Kriegstagebüchern zitieren. Da zieht's dir dann auch die Schuhe aus.
Um was geht's dir denn? Wirklich um die Semantik von "schimmern"? Oder willst du damit beweisen, dass Heidegger und Sellner doch eines Geistes sind?
Nicht, dass ich irgendetwas an Heidegger schätzen würde. Genauso wenig schätze ich diese eigenartige Kultur, wie sie sich in dem Artikel von Kellerer ausdrückt,. Sie dokumentiert nicht, sie erklärt nichts, sie raunt. Das stört mich. Hat ein Leser, der Heidegger oder Koselleck nicht kennt, ein kohärentes Bild von der Beziehung zwischen Heidegger/Koselleck und Sellner vermittelt bekommen?

Marquard hat das schöne Wort von den verspäteten Widerstandskämpfern geprägt. Davon, scheint mir, gibt's heute noch mehr als zu der Zeit, in der Marquard den Begriff prägte. Menschen, die sich (wie ich) nie beweisen mussten, jederzeit ihre romantische Selbstvervollkommnung (Rorty) betreiben konnten, und mit einer Inbrunst und Hingabe richten, dass man nur staunen kann. An Kellerers Artikel ist nichts, aber auch gar nichts nur ansatzweise wissenschaftlich.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 11:36

Quk hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 10:37
Er könnte doch selber bei der Aufarbeitung mitmachen ...
... so wie ich hier: ;)

Schematische Ostrakisierung

"Nach heutiger Rechtsauffassung zu NS-Verbrechen, die das funktionale Sein und Mitwirken am Tatort als Mittäterschaft versteht ('funktionelle Mittäterschaft'), kann es keinen Zweifel daran geben, daß Jauss ein Kriegsverbrecher war." (Jens Westemeier; Hans Robert Jauss. Jugend, Krieg und Internierung; S. 272) [Von mir zitiert]

 "Hans Robert Jauß war (...) die idealtypische Sozialfigur des begeisterten NS-Aktivisten." (Hans Robert Jauß. Jugend, Krieg und Internierung; S. 35) [Von mir zitiert]

"Jauß' Beförderung zum SS-Sturmmann erfolgte am 09. November 1940. Als Abiturient, ehemaliger HJ-Führer und weil er sich an der Front 'bewährt' hatte, besaß er die Voraussetzung zum Lehrgang an einer der Junkerschulen des Dritten Reichs. Die Junkerschulen waren die Elite-Schmieden der Waffen-SS." (Nauplios)

"Durch seine Funktion als Kompanieführer trug Jauß Mitverantwortung an den Verbrechen des Bataillons, dem seine Kompanie angehörte. Es ist völlig ausgeschlossen, daß er als Kompanie- und Marschgruppenführer im Einsatz von den Verbrechen keine Kenntnis hatte." (Westemeier; S. 116f.) [von mir zitiert]




Benutzeravatar
Quk
Beiträge: 1882
Registriert: So 23. Jul 2023, 15:35

Sa 17. Feb 2024, 11:39

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:36
Quk hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 10:37
Er könnte doch selber bei der Aufarbeitung mitmachen ...
... so wie ich hier: ;)
Mit "er" meine ich Jauß, nicht Nauplios :-)




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 11:44

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:33
Um was geht's dir denn? Wirklich um die Semantik von "schimmern"?
So ist es, genau um diesen Begriff ging es mir. Denn er erweckt einen ganz falschen Eindruck, wie das Zitat belegen sollte.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 11:48

Quk hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:39
Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:36
Quk hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 10:37
Er könnte doch selber bei der Aufarbeitung mitmachen ...
... so wie ich hier: ;)
Mit "er" meine ich Jauß, nicht Nauplios :-)
Ja, das ist mir schon klar. So hatte ich es auch verstanden. ;) Ich wollte damit belegen, daß ich Teile der wissenschaftlichen Aufarbeitung (Westemeiers Gutachten) ja hier selbst schon bei einer früheren Gelegenheit eingebracht habe.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 12:06

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:36
"Nach heutiger Rechtsauffassung zu NS-Verbrechen, die das funktionale Sein und Mitwirken am Tatort als Mittäterschaft versteht ('funktionelle Mittäterschaft'), kann es keinen Zweifel daran geben, daß Jauss ein Kriegsverbrecher war." (Jens Westemeier; Hans Robert Jauss. Jugend, Krieg und Internierung; S. 272) [Von mir zitiert]
Halten wir also fest, Jauss war ein Kriegsverbrecher. In einem Theaterstück wurden ihm allerdings Dinge zum Vorwurf gemacht, die er nicht getan hat. "Jauß selbst orakelte stets ausweichend." Diese Dinge sind mit dem Begriff "Skandalisierung" nicht angemessen zusammengefasst, finde ich.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 12:54

Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:33
An Kellerers Artikel ist nichts, aber auch gar nichts nur ansatzweise wissenschaftlich.
Vor allem belegen ihre Koselleck-Zitate nicht das, was sie belegen sollen, daß eine gerade Linie von Reinhart Koselleck zu Sellner und Kubitschek führt. Sie schreibt von einer "Taktik der Camouflage", von "rechtsradikalen Diskursstragien von damals und heute", nennt die Ebracher Seminare eine "rechtsradikale Gegenakademie" und zieht damit die nächste gerade Linie von Ebrach nach Schnellroda.

An den Ebracher Seminaren nahm Ernst-Wolfgang Böckenförde teil, der später Richter am Bundesverfassungsgericht wurde. Böckenförde verfasste seinen Text über "Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation", in dem er sein berühmtes Diktum formulierte, 1964 für die Ebracher Ferienseminare! - Dieter Henrich nahm an diesen Seminaren teil, Kurt Hübner, Martin Kriele, Hermann Lübbe, Niklas Luhmann, Christian Meier, Robert Spaemann, Joachim Ritter, Ernst Tugendhat ... Eine "rechtsradikale Gegenakademie"???

Viele der Teilnehmer an den Ebracher Seminaren zählten nachher zum Mitgliederkreis von Poetik und Hermeneutik. Eine andere Gruppe war das Collegium Philosophicum, aus dem später die "Ritter-Schule" hervorging; hier finden sich viele Teilnehmer aus Ebrach wieder: Ernst-Wolfgang Böckenförde, Hermann Lübbe, Martin Kriele, Robert Spaemann ... Auch Carl Schmitt war hier zu Gast, spielte aber nicht die dominierende Rolle, die er in Ebrach hatte. Ritter hatte 1933 das "Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler" unterschrieben und trat 1937 gleich in vier NS-Organisationen ein: in die NSDAP, in die NS-Studentenkampfhilfe, den NS-Lehrerbund und in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 13:16

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 12:06
Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:36
"Nach heutiger Rechtsauffassung zu NS-Verbrechen, die das funktionale Sein und Mitwirken am Tatort als Mittäterschaft versteht ('funktionelle Mittäterschaft'), kann es keinen Zweifel daran geben, daß Jauss ein Kriegsverbrecher war." (Jens Westemeier; Hans Robert Jauss. Jugend, Krieg und Internierung; S. 272) [Von mir zitiert]
Halten wir also fest, Jauss war ein Kriegsverbrecher. In einem Theaterstück wurden ihm allerdings Dinge zum Vorwurf gemacht, die er nicht getan hat. "Jauß selbst orakelte stets ausweichend." Diese Dinge sind mit dem Begriff "Skandalisierung" nicht angemessen zusammengefasst, finde ich.
Zu dem Artikel des Konstanzer "seemoz", ("Konzentrationsgeruch") der über das Theaterstück von Zahner berichtete und den sich anschließenden Berichten im überregionalen Feuilleton hab' ich seinerzeit im Jauß-Thread geschrieben. Die Quintessenz war: Jauß hat wie Mengele an der Rampe gestanden und Selektionen vorgenommen. Das ging damals durch die Presse. Das Gutachten von Westemeier belegt das Gegenteil. - Das ist keine Petitesse, kein geringfügiges Versehen.




Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 13:40

Der eigentliche Punkt in dieser Diskussion über Schmitt, Heidegger, Koselleck, Jauß u.a. ist für mich dieser: die deutschen Geisteswissenschaften waren während der Nazi-Diktatur kein Hort kollektiven Widerstands. Die meisten Professoren waren eher konservativ, einige deutschnational.

Dennoch bleiben die Schriften, insbesondere die aus der Nachkriegszeit. Sich damit zu beschäftigen, scheint mir lohnenswert. Sidonie Kellerer wischt das alles vom Tisch. Sie glaubt, eine Geheimsprache bei den "rechten Vordenkern" entdeckt zu haben, in der sich diese über Generationen hinweg konspirativ verständigen.

Wer Jauß' Studien zur Romanistik oder Kosellecks historische Arbeiten liest, kann dies gefahrlos tun, ohne sich rechtsradikalem Gedankengut auszusetzen. Das gilt auch etwa für Schmitts "Hamlet oder Hekuba" oder Heideggers "Sein und Zeit". Infektionsgefahr besteht erst dann, wenn man unter rechtsradikalen Vorerkrankungen leidet wie Sellner oder Kubitschek.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 14:02

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 13:16
Das ging damals durch die Presse. Das Gutachten von Westemeier belegt das Gegenteil. - Das ist keine Petitesse, kein geringfügiges Versehen.
Dennoch halte ich deine Zusammenfassung als "Skandalisierung" hier in diesem Thread für verfehlt. Dass Jauss als Kriegsverbrecher gelten muss, ist schließlich auch keine Petitesse.




Benutzeravatar
Lucian Wing
Beiträge: 790
Registriert: Do 7. Jul 2022, 18:40

Sa 17. Feb 2024, 14:03

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:44
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 11:33
Um was geht's dir denn? Wirklich um die Semantik von "schimmern"?
So ist es, genau um diesen Begriff ging es mir. Denn er erweckt einen ganz falschen Eindruck, wie das Zitat belegen sollte.
Die direkten Zitate nehmen in den vier Bänden, die ich hier stehen habe, wenig Raum ein. Sie sind das, was eben aus den Heften gerne zitiert wird, so wie "Gott ist tot" oft den ganzen Nietzsche erklären soll. Diese Zitate sind das Aufblitzen, im Rest schimmert es nur, wenn man danach sucht oder wenn man den Text unter bestimmten Vorzeichen (etwa "Anti-Amerikanismus") lesen möchte.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

1+1=3
Beiträge: 577
Registriert: Di 22. Jun 2021, 00:50

Sa 17. Feb 2024, 14:23

Generell: Es gibt (!) Vieles, das skandalisiert gehört, zumindest aber nicht länger unter den Teppich des "Vergangenen" etc. gekehrt bleiben sollte (etwa aus moralischen Gründen!). In diesem Zusammenhang ist der Skandal ja i.d.R. vielmehr der, dass das Skandalieren skandalisiert wird, während das, worum es dabei eigentlich ging, vornehm "im Hintergrund" gelassen und eher nicht angerührt wird. Das ist eher die alte Geschichte des "Nichtsowohlgelittenseins" des Überbringers der schlechten Nachricht. Im Falle Koselleck kenne ich mich nicht aus. Da kann ich nur verfolgen, was über ihn verbreitet wird, und "entscheiden", für wie glaubwürdig mir die Quellen vorkommen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 15:20





Benutzeravatar
Nauplios
Beiträge: 3002
Registriert: Mo 27. Mai 2019, 16:12

Sa 17. Feb 2024, 16:31

1+1=3 hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 14:23
Im Falle Koselleck kenne ich mich nicht aus. Da kann ich nur verfolgen, was über ihn verbreitet wird, und "entscheiden", für wie glaubwürdig mir die Quellen vorkommen.
Zuvor muß ja entschieden werden, ob der "Fall Koselleck" überhaupt ein "Fall" ist, ob überhaupt ein Anfangsverdacht für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens vorliegt. ;) Dank der Nachforschungen von Sidonie Kellerer wissen wir im Moment nur, daß er "an Treffen beteiligt war", daß er "an Ferienseminaren teilgenommen" hat, daß er "Carl Schmitt bewundert" hat und daß er "zwischen den Zeilen gekonnt rechtsradikales Gedankengut" gefördert hat. - Warum nicht, statt "zwischen den Zeilen" mal in den Zeilen lesen?




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23548
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Sa 17. Feb 2024, 16:38

Nauplios hat geschrieben :
Sa 17. Feb 2024, 16:31
Warum nicht, statt "zwischen den Zeilen" mal in den Zeilen lesen?
Im Fall Heidegger äußert sie sich dazu sehr ausführlich in dem von mir verlinkten Vortrag. Dort erläutert sie, warum aus ihrer Sicht Textpassagen allein aus dem zeitlichen Kontext zu verstehen sind und im Zusammenhang z.B. mit Briefen, die er geschrieben hat, gelesen werden müssen.




Gesperrt