Ich vermute – ohne dazu eigens Quellen recherchiert zu haben –, dass Zafer Şenocak mit seiner Bemerkung auf die geistigen und kulturellen Einflüsse des Orients auf Europa anspielt. Ich habe das an anderer Stelle bereits skizziert: Dazu zählen – die kleine Aufzählung versteht sich natürlich nicht als vollständig – der Erhalt und die Weiterentwicklung antiker Texte durch arabische Gelehrte; ohne diese Leistung wäre die philosophische Tradition, auf die wir in Europa (meines Erachtens zurecht) so stolz sind, sicher völlig anders verlaufen. Ich denke auch an die wissenschaftliche Blütezeit in Bagdad, Andalusien und Persien, deren Wirkung weit über ihre geographischen Grenzen hinausreichte; an die Entstehung der drei monotheistischen Religionen im Orient, die uns alle – selbst Atheisten wie mich – bis heute auf die eine oder andere Weise "prägen", schätze ich; und an den jahrhundertelangen Einfluss des Islams in Spanien, der tief in den europäischen Kulturraum hineingewirkt hat. Ohne all diese Impulse wäre auch die europäische Renaissance kaum in der Form denkbar gewesen, in der sie schließlich stattfand. All das, so meine Lesart des Zitats, hat das europäische Denken und Selbstverständnis wesentlich mitgeprägt – und gehört damit auch zur deutschen Geschichte.Burkart hat geschrieben : ↑Fr 11. Jul 2025, 22:05Tja, vieles ist für uns selbstverständlich geworden und quasi "eingedeutscht" und man sieht die aktuellen Unterschiede nur noch oder zumindest vor allem.Jörn P Budesheim hat geschrieben : ↑Fr 11. Jul 2025, 15:24Zafer Şenocak (der ganz am Anfang kurz in diesem Faden erwähnt wurde) schreibt irgendwo sinngemäß, dass die meisten Deutsch nicht mal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt. Das finde ich sehr treffend.
Solche Verflechtungen sollte man nicht übersehen. Die kulturellen und geistigen Beziehungen zwischen Orient und Europa sind tiefgreifend. Diese Tatbestände sind real und wirksam, spielen aber in vielen Diskussionen keine Rolle – auch wenn sie es eigentlich sollten.
