Was ist deutsch? Die Suche einer Nation nach sich selbst

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Jörn P Budesheim
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Sa 12. Jul 2025, 07:14

Burkart hat geschrieben :
Fr 11. Jul 2025, 22:05
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 11. Jul 2025, 15:24
Zafer Şenocak (der ganz am Anfang kurz in diesem Faden erwähnt wurde) schreibt irgendwo sinngemäß, dass die meisten Deutsch nicht mal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt. Das finde ich sehr treffend.
Tja, vieles ist für uns selbstverständlich geworden und quasi "eingedeutscht" und man sieht die aktuellen Unterschiede nur noch oder zumindest vor allem.
Ich vermute – ohne dazu eigens Quellen recherchiert zu haben –, dass Zafer Şenocak mit seiner Bemerkung auf die geistigen und kulturellen Einflüsse des Orients auf Europa anspielt. Ich habe das an anderer Stelle bereits skizziert: Dazu zählen – die kleine Aufzählung versteht sich natürlich nicht als vollständig – der Erhalt und die Weiterentwicklung antiker Texte durch arabische Gelehrte; ohne diese Leistung wäre die philosophische Tradition, auf die wir in Europa (meines Erachtens zurecht) so stolz sind, sicher völlig anders verlaufen. Ich denke auch an die wissenschaftliche Blütezeit in Bagdad, Andalusien und Persien, deren Wirkung weit über ihre geographischen Grenzen hinausreichte; an die Entstehung der drei monotheistischen Religionen im Orient, die uns alle – selbst Atheisten wie mich – bis heute auf die eine oder andere Weise "prägen", schätze ich; und an den jahrhundertelangen Einfluss des Islams in Spanien, der tief in den europäischen Kulturraum hineingewirkt hat. Ohne all diese Impulse wäre auch die europäische Renaissance kaum in der Form denkbar gewesen, in der sie schließlich stattfand. All das, so meine Lesart des Zitats, hat das europäische Denken und Selbstverständnis wesentlich mitgeprägt – und gehört damit auch zur deutschen Geschichte.

Solche Verflechtungen sollte man nicht übersehen. Die kulturellen und geistigen Beziehungen zwischen Orient und Europa sind tiefgreifend. Diese Tatbestände sind real und wirksam, spielen aber in vielen Diskussionen keine Rolle – auch wenn sie es eigentlich sollten.




Burkart
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Sa 12. Jul 2025, 08:07

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 07:14
Burkart hat geschrieben :
Fr 11. Jul 2025, 22:05
Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Fr 11. Jul 2025, 15:24
Zafer Şenocak (der ganz am Anfang kurz in diesem Faden erwähnt wurde) schreibt irgendwo sinngemäß, dass die meisten Deutsch nicht mal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt. Das finde ich sehr treffend.
Tja, vieles ist für uns selbstverständlich geworden und quasi "eingedeutscht" und man sieht die aktuellen Unterschiede nur noch oder zumindest vor allem.
Ich vermute – ohne dazu eigens Quellen recherchiert zu haben –, dass Zafer Şenocak mit seiner Bemerkung auf die geistigen und kulturellen Einflüsse des Orients auf Europa anspielt. Ich habe das an anderer Stelle bereits skizziert: Dazu zählen – die kleine Aufzählung versteht sich natürlich nicht als vollständig – der Erhalt und die Weiterentwicklung antiker Texte durch arabische Gelehrte; ohne diese Leistung wäre die philosophische Tradition, auf die wir in Europa (meines Erachtens zurecht) so stolz sind, sicher völlig anders verlaufen. Ich denke auch an die wissenschaftliche Blütezeit in Bagdad, Andalusien und Persien, deren Wirkung weit über ihre geographischen Grenzen hinausreichte; an die Entstehung der drei monotheistischen Religionen im Orient, die uns alle – selbst Atheisten wie mich – bis heute auf die eine oder andere Weise "prägen", schätze ich; und an den jahrhundertelangen Einfluss des Islams in Spanien, der tief in den europäischen Kulturraum hineingewirkt hat. Ohne all diese Impulse wäre auch die europäische Renaissance kaum in der Form denkbar gewesen, in der sie schließlich stattfand. All das, so meine Lesart des Zitats, hat das europäische Denken und Selbstverständnis wesentlich mitgeprägt – und gehört damit auch zur deutschen Geschichte.

Solche Verflechtungen sollte man nicht übersehen. Die kulturellen und geistigen Beziehungen zwischen Orient und Europa sind tiefgreifend. Diese Tatbestände sind real und wirksam, spielen aber in vielen Diskussionen keine Rolle – auch wenn sie es eigentlich sollten.
Es ist schon klar, was du meinst. Dann sollte man vielleicht unterscheiden zwischen historischen (eben deinen genannten) Verquickungen und heutiger Verbindungen zwischen Kulturen. Z.B. sind bei uns die extrem patriarchalen z.T. des Nahen Osten bei uns heute "nicht deutsch".



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn P Budesheim
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Sa 12. Jul 2025, 08:16

Burkart hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 08:07
Es ist schon klar, was du meinst.
Offensichtlich nicht.

Denn ich möchte, dass ein wesentlicher Aspekt der deutschen und europäischen "Identität" in den Blick gerückt wird – ein Aspekt, der in der Diskussion bislang kaum eine Rolle spielt. Du hingegen scheinst genau das vermeiden zu wollen. Ich will das Bild erweitern – du willst es eng halten und die entsprechenden Hinweise abtun.

Wenn in der Debatte (auch hier im Faden) historische Narrative – etwa nationale Mythen und Gründungslegenden – als zentral für kulturelle Identität (falls es dergleichen gibt) hervorgehoben werden, dann sollte auch dieses Narrativ dazugehören. Doch es wird in der Regel nicht einmal erwähnt.

Gerade diese Tendenz, das Eigene als Maßstab zu setzen und andere Perspektiven auszublenden, gehört selbst zur Geschichte Europas – und zu ihren problematischen Seiten. Darauf habe ich weiter oben bereits hingewiesen: Die arabische Welt fungiert dabei häufig als negative Folie, vor deren Hintergrund sich Europa als aufgeklärt und fortschrittlich inszenieren kann, während „die anderen“ pauschal als rückständig gelten.

Dazu findet sich im Netz ein treffender Hinweis:

„Die Vorstellung einer durchgehend patriarchalen arabischen Welt ist daher zu undifferenziert und kann als Projektion westlicher Stereotype verstanden werden. Sie blendet regionale Unterschiede, historische Entwicklungen und aktuelle Reformprozesse aus.“

Außerdem ist das Patriarchat kein exklusiv „arabisches“ oder „muslimisches“ Phänomen. Es ist ein globales "Muster", das in nahezu allen Weltreligionen und Gesellschaften – auch in Deutschland – in unterschiedlichen Graden und Formen fortwirkt.




Burkart
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Sa 12. Jul 2025, 10:47

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 08:16
Burkart hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 08:07
Es ist schon klar, was du meinst.
Offensichtlich nicht.
Jörn der Hellseher...
Offentlich ist dir dann nicht klar, was ich meinte, aber macht ja nichts.
Ich kann jedenfalls nichts bei uns gutheißen, was zum IS u.ä. auch nur annähernd passt.

Interessant gerade: Ein Schweizer Freibad lässt keinen Franzosen mehr rein, weil von letzteren zu viele Ärger gemacht haben, somit u.a. nicht kulturentsprechend waren.
Ich hoffe, du siehst die Parallele.



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Ottington
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Sa 12. Jul 2025, 10:58

Burkart hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 10:47
Ich kann jedenfalls nichts bei uns gutheißen, was zum IS u.ä. auch nur annähernd passt.


Zum IS und ähnlichem passt?
Hm...hm....hm




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Jörn P Budesheim
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Sa 12. Jul 2025, 11:34

Burkart hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 10:47
Ich hoffe, du siehst die Parallele.
Die Parallele besteht darin, dass du in den beiden letzten Beiträgen jeweils nicht auf das reagiert hast, was ich geschrieben habe.




Burkart
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Sa 12. Jul 2025, 12:09

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 11:34
Burkart hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 10:47
Ich hoffe, du siehst die Parallele.
Die Parallele besteht darin, dass du in den beiden letzten Beiträgen jeweils nicht auf das reagiert hast, was ich geschrieben habe.
Ich habe darauf reagiert, aber anders als du es erwünscht hast offensichtlich.
Du hast übrigens inhaltlich nicht auf meine Parallele reagiert, anders als ich es erhofft habe.
(Der Verweis auf diese neue Parallele ist eigentlich trivial, aber nun ja...)



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Jörn P Budesheim
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Sa 12. Jul 2025, 12:12

Du hast reagiert, in dem Sinne, dass du irgendwas dazu geschrieben hast, aber du hast den Inhalt, um den es ging, außen vorgelassen.




Burkart
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Sa 12. Jul 2025, 12:25

Siehe 93731:
Dir sind die kulturellen und historischen Betrachtungen der Verflechtungen wichtig, richtig? (Sonst korrigieren!)
Darauf versuchte ich aus meiner Perspektive zu antworten.



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Pragmatix
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Sa 12. Jul 2025, 13:13

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 08:16
Burkart hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 08:07
Es ist schon klar, was du meinst.
Offensichtlich nicht.

Denn ich möchte, dass ein wesentlicher Aspekt der deutschen und europäischen "Identität" in den Blick gerückt wird – ein Aspekt, der in der Diskussion bislang kaum eine Rolle spielt.
Ja, du möchtest den Aspekt deiner kosmopolitischen Ideen in den Blick rücken. Am Ende des Ganzen steht: alles ist mit allem verbunden.

Zwei Dinge dazu. Erstens ist die Frage unbeantwortet, wie sich Identität eigentlich entwickelt. Bottom-up oder Top-down. Deine Version ist auf Top-down fokussiert, auf den eher elitären geistesgeschichtlichen Hintergrund, bei dem Identität unabhängig vom Gefühl bestimmt wird. Die Bottom-up-Variante ist eher die Gefühlsvariante, die sich an Mythen, Bräuchen, Sitten, Moralen, Gemeinschaft orientiert.

Zweitens zur Differenzierung. Ich kann alles differenziert betrachten. So differenziert, dass am Ende aus einer Beschreibung nicht mehr zu erkennen ist, dass über einen Tisch oder über Nazis gesprochen wird. Und dass in Deutschland patriarchalische Strukturen in einer milderen Form herrschen, ist ein klassischer Whataboutism.

Es geht dir um deine kosmopolitische Ideologie, nicht um die Klärung, was Deutsch ist. Und falls es sich klären ließe, was ich ohnehin bezweifle, dann muss aus deiner Sicht auf jeden Fall die Top-down-Variante durchgesetzt werden: Deutsch ist, was oben verordnet wird. Das nun kommt einem vielleicht dann wieder bekannt vor. Wo Pickelhaube und die kaiserlichen Insignien waren, soll die Regenbogenfahne wehen über der inklusiven „Spiel- und Aktionsfläche“ des internationalen Synkretismus.




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Jörn P Budesheim
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Sa 12. Jul 2025, 16:22

Ganz unabhängig davon, wie du meine Einstellung einschätzt, welche Ideologien du mir unterstellst und was ich angeblich möchte – was ich oben zu Protokoll gegeben habe, entspricht schlicht den historischen Tatsachen. Und wenn wir darüber nachdenken, welche Geschichten unsere "Identität" prägen, dann gibt es nicht den geringsten Grund, diese ganz offensichtlich bedeutsamen Geschichten außen vor zu lassen.




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Sa 12. Jul 2025, 16:57

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 16:22
Ganz unabhängig davon, wie du meine Einstellung einschätzt, welche Ideologien du mir unterstellst und was ich angeblich möchte – was ich oben zu Protokoll gegeben habe, entspricht schlicht den historischen Tatsachen. Und wenn wir darüber nachdenken, welche Geschichten unsere "Identität" prägen, dann gibt es nicht den geringsten Grund, diese ganz offensichtlich bedeutsamen Geschichten außen vor zu lassen.
Ich hatte dich schon einmal gefragt, was denn ausschlaggebend ist: dass sich jemand als x fühlt oder das, was Akademiker, ob nun Historiker, Soziologen oder Philosophen sagen? Wer bestimmt denn, was „Deutsch“ ausmacht?

Wenn ich deine Theorie der materiellen oder geistigen Einflüsse nehme, gibt es weder im Morgenland noch im Abendland irgendetwas wie „arabisch“ oder „deutsch“. Trotzdem werden sich genügend Menschen finden, für die solche Einflüsse nicht ausschlaggebend sind, als was sie sich fühlen. Du stülpst ihnen deine Mütze über wie reduktionistische Neurowissenschaftler die ihrige: die 1.Person-Perspektive wird wegrasiert.




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Jörn P Budesheim
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Sa 12. Jul 2025, 18:06

Pragmatix hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 16:57
Ich hatte dich schon einmal gefragt, was denn ausschlaggebend ist: dass sich jemand als x fühlt oder das, was Akademiker, ob nun Historiker, Soziologen oder Philosophen sagen? Wer bestimmt denn, was „Deutsch“ ausmacht?
In dem Beitrag von mir geht es nicht darum, was Akademiker – ob Historiker, Soziologen oder Philosophen – sagen. So etwas kommt darin nicht einmal vor.

Ausgangspunkt war das Dictum, dass die meisten Deutschen nicht einmal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt.

Genauso wenig geht es um irgendetwas, das „ausschlaggebend“ wäre. Es geht um historische Tatsachen, die man meines Erachtens in der Gemengelage mit in Betracht ziehen muss – und die man nicht einfach ausblenden kann, besonders dann nicht, wenn man – wie Consul es tut – nach Narrativen sucht, die unsere „Identität“ mitformen. Der Punkt ist wichtig, man darf ihn nicht ausblenden – aber ich habe an keiner Stelle behauptet, dass er in irgendeiner Weise ausschlaggebend sei.

Es geht ebenfalls nirgendwo um ein „oder“. Auch die Frage, wie wichtig es ist, ob sich jemand als deutsch fühlt, habe ich in diesem Beitrag/Zusammenhang gar nicht diskutiert.




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Jörn P Budesheim
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Der Algorithmus bietet mir jetzt solche Dinge an, weil ich anscheinend zu oft am Thema dran bin:
"Wir wollen dem völkischen Germanenbild ein Gegenbild setzen"

Stand: 11.07.2025 16:43 Uhr

Noch immer gelten die Germanen vielen als wilde Haudegen. Erst seit relativ kurzer Zeit geben archäologische Quellen und wissenschaftliche Forschungen Aufschluss über die tatsächliche Lebensweise der germanischen Stämme. Der Historiker Karl Banghard räumt in seinem Buch "Die wahre Geschichte der Germanen" mit den Geschichtsmythen der völkischen Ideologie auf.

https://www.ndr.de/kultur/wir-wollen-de ... n-100.html




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Consul
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Sa 12. Jul 2025, 22:04

Ein Freund hat mir diesen großartigen Schinken über die Germanen geschenkt: https://www.spektrum.de/rezension/buchk ... en/1820459

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"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Jörn P Budesheim hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 18:06
Pragmatix hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 16:57
Ich hatte dich schon einmal gefragt, was denn ausschlaggebend ist: dass sich jemand als x fühlt oder das, was Akademiker, ob nun Historiker, Soziologen oder Philosophen sagen? Wer bestimmt denn, was „Deutsch“ ausmacht?
In dem Beitrag von mir geht es nicht darum, was Akademiker – ob Historiker, Soziologen oder Philosophen – sagen. So etwas kommt darin nicht einmal vor.

Ausgangspunkt war das Dictum, dass die meisten Deutschen nicht einmal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt.

Genauso wenig geht es um irgendetwas, das „ausschlaggebend“ wäre. Es geht um historische Tatsachen, die man meines Erachtens in der Gemengelage mit in Betracht ziehen muss – und die man nicht einfach ausblenden kann, besonders dann nicht, wenn man – wie Consul es tut – nach Narrativen sucht, die unsere „Identität“ mitformen. Der Punkt ist wichtig, man darf ihn nicht ausblenden – aber ich habe an keiner Stelle behauptet, dass er in irgendeiner Weise ausschlaggebend sei.

Es geht ebenfalls nirgendwo um ein „oder“. Auch die Frage, wie wichtig es ist, ob sich jemand als deutsch fühlt, habe ich in diesem Beitrag/Zusammenhang gar nicht diskutiert.
Gut, letzter Versuch, eine Antwort zu erhalten: Ist „Deutsch“ eher eine Frage einer geteilten Erfahrung oder eines scheinbar objektiven Blickes aus einer transdeutschen Perspektive?

Der Unterschied sollte auf der Hand liegen.




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Jörn P Budesheim
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So 13. Jul 2025, 07:05

Pragmatix hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 23:33
oder
Ich sehe da kein "oder", darauf hab ich schon hingewiesen. Nochmal: Zafer Şenocak schreibt irgendwo sinngemäß, dass die meisten Deutsch nicht mal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt. Ein Zusammenhang, der meines Erachtens auf der Hand liegt.




Pragmatix
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So 13. Jul 2025, 08:13

Also Antwort b. Danke und einen schönen Sonntag.




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So 13. Jul 2025, 09:46

Jörn P Budesheim hat geschrieben :
So 13. Jul 2025, 07:05
Pragmatix hat geschrieben :
Sa 12. Jul 2025, 23:33
oder
Ich sehe da kein "oder", darauf hab ich schon hingewiesen. Nochmal: Zafer Şenocak schreibt irgendwo sinngemäß, dass die meisten Deutsch nicht mal ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt. Ein Zusammenhang, der meines Erachtens auf der Hand liegt.
Würde es dir was nützen, dass ich dir zustimme, dass wir selbstverständlich historisch über Jahrhunderte viel aus dem Orient übernommen haben?
Das ist eben ein Aspekt.
Ein anderer ist, dass man vor allem den heutigen Status, sagen wir den seit 80 Jahren vor allem als unser "deutsch" ansieht und vor allem negative Dinge, die dazu nicht passen, als nicht deutsch.



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Pragmatix hat geschrieben :
So 13. Jul 2025, 08:13
Also Antwort b. Danke und einen schönen Sonntag.
Warum willst du mir eine Antwort in den Mund legen, die ich ausdrücklich ausgeschlossen habe? Es geht mir nicht um ein „oder“, sondern um ein Zusammenwirken.

Wenn Şenocak, gemäß dem, was ich über ihn recherchiert habe, sinngemäß sagt – was ich inhaltlich unterstütze –, dass die meisten Deutschen gar nicht ahnen, wie viel Orient in ihnen steckt, dann heißt das meines Erachtens: Vieles, was unser Leben, unser Denken, den Alltag und die Kultur hier ausmacht – so unterschiedlich es im Einzelnen sein mag –, ist auch vom Orient geprägt. Nicht ausschließlich, aber eben in einem gewissen Maß.

Diese Einflüsse sind so vielfältig und so sehr Teil unseres Alltags, dass wir sie oft gar nicht mehr bemerken – vom Kaffee, den wir trinken, über die Ziffern, mit denen wir rechnen, Wörter, die wir tagtäglich nutzen, philosophische Sichtweisen, die unser Denken prägen, die Bäderkultur, die wir genießen, Teppiche, auf denen wir stehen, Stoffe, mit denen wir uns kleiden, religiöse Bilder und Vorstellungen, die unser Denken, die Feste und Rituale mitformen – und vieles, vieles andere mehr, das seine Wurzeln (nicht ausschließlich, aber eben auch) im Orient hat.

Meines Erachtens ist es historisch belegt, dass der Orient in vielerlei Hinsicht (nicht nur) das deutsche Alltagsleben und Selbstverständnis mitgeprägt hat – oft so selbstverständlich, dass diese Einflüsse kaum noch bewusst erkannt werden, aber sicherlich subkutan immer noch wirken. Noch einmal: Es handelt sich dabei natürlich nicht um die einzige und ausschließliche, aber um eine bedeutende Komponente der "deutschen Kultur", falls es dergleichen gibt. Das Bewusstsein davon ist jedoch – im Unterschied zu ihrer tatsächlichen Bedeutung – relativ wenig verbreitet. Auch darauf macht Şenocak – nach meinem Verständnis –aufmerksam.

Mit "a oder b" lässt sich das meines Erachtens nicht gut einfangen.

Nachtrag: Gleichzeitig wurde in Europa – und damit auch in Deutschland – oft ein negatives und/oder exotisierendes Bild des Orients geschworen. Die dortige Kultur wurde häufig als rückständig, despotisch was auch immer beschrieben, was es ermöglichte, sich selbst als fortschrittlich, aufgeklärt und zivilisiert abzugrenzen. Und natürlich hat auch diese Linie ihre Einflüsse bis zum heutigen Tage.




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