Organspenden

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Tosa Inu
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Sa 10. Feb 2018, 12:08

Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 11:15
In Spanien geht man davon aus, dass der Hirntod unweigerlich nach spätestens 5 Minuten eintritt, wenn das Herz nicht mehr schlägt.
Davon geht man überall aus, darum versucht man ja den Patienten wiederzubeleben. Was ist denn nach 7 Minuten? Wie sicher kann man sein, dass man dann nicht so wiederkommt, wie man war und wer bestimmt, falls es so ist, dass man dann den ganzen Menschen wegwerfen sollte? Manche sprechen von 10 oder 15 Minuten. Was, wenn es in diesem Fall das eigene Kind trifft? Alles tun, damit es überlebt oder doch lieder die flotte Organentnahme, damit wenigstens ein anderer weiterlebt? Finde ich dann auch nicht so einfach.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 11:15
Denn nur wenn das Gehirn noch Hirnströme aufweisst und der Körper eine Spontanatemreaktion hat, lebt der Mensch.
Sag ich ja, das ist die grundlegendere Ebene. Was meinst Du wie oft so ein Herz aussetzen kann, Helmut Schmidt war glaube ich 20 mal 'tot', nach eigenen Aussagen.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 11:15
Im übrigen gab es in Deutschland einen Organhandelskandal und nicht in Spanien.
Mir geht es auch nicht darum Spanien zu bashen, aber ich habe mal ein eindrucksvolles und ausgewogenes Radio-Feature über die Transplantationspraktiken gehört und ich glaube, da wurde auf spanische Besonderheiten hingewiesen, eine ist, dass man dort schneller für tot erklärt wird.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 11:15
Jeder der nicht damit einverstanden ist, dass seine Organe entnommen werden, hat die unterschiedlichsten Möglichkeiten das bekannt zu machen.
Keine Frage, aber es ging ja u.a. darum, ob man per Geburt automatisch Organspender ist (wie in Spanien), oder nicht (wie bei uns). Und die Haltung, dass das ja alles ganz einfach und kein größeres Problem ist, halte ich in dem Kontext für unangemessen, nicht umsonst ist es eine Frage die Ethikkommissionen beschäftigt.

Nun kann man auch deren Arbeit für verzichtbar halten, weil man eine Differenz zwischen real life und Philosophie vertritt, das ist aber nicht meine Auffassung. Ich finde, dass wir an einer Entwertung von Moral und Ethik leiden, die sich in unterschiedlichsten Feldern manifestiert ... übrigens finde ich die Formulierung 'menschlichen Gemüses' im höchsten Grade unglücklich und ich hoffe, dass Du das anders, denn als persölichen Angriff verarbeiten kannst.

Also, alles nicht ganz so leicht, finde ist, darum lohnt es sich darüber zu reden.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 11:15
Diese Annahme verstehe ich nicht. Wie kann das gehen, wenn der Hirntod bereits nach 5 Minuten nach dem Herztod eintritt.
Das erkläre doch mal bitte.
Erst stirbt das Herz, dann das Hirn. Damit ist es grundlegender.
Die eigentliche Frage ist ja die, wann man sozusagen toter ist.
Bleibt das Herz stehen und man wird rechtzeitig versorgt und kommt nach einer Zeit wieder, kann man fröhlich weiterleben.
Ist das Hirn tot, aber das Herz schlägt noch, ist man etwas toter, weil gesagt wird, dass man von hier aus nicht wieder zurück kommt.

Aber auch das ist kontrovers:
Verschiedene Mediziner und Wissenschaftler üben Kritik an der Hirntod-Definition als endgültigem Tod des Menschen.

So meint etwa der Alternativmediziner und Kardiologe Paolo Bavastro, dass der Begriff des „hirntoten Menschen“ eine „arglistige Täuschung“ sei, da ein Mensch mit Hirnversagen zwar „ein Mensch“ sei, dessen „Gehirn einen erheblichen Schaden“ habe und „ein schwerstkranker, sterbender Mensch“ sei, aber eben „noch kein Toter“. Ärzte könnten bei hirntoten Menschen trotzdem einen Herzschlag wahrnehmen, sie würden ihre Körpertemperatur selbst regulieren, Urin und Stuhl ausscheiden, sie könnten schwitzen, auf Schmerzreize reagieren und sogar Antikörper bilden, Männer könnten Erektionen bekommen und Frauen schwanger werden und gesunde Kinder gebären. Die Vorstellung, dass „nur die Hirnaktivität den Menschen zum Menschen“ mache und „der Tod des Hirns auch den Tod des Menschen bedeute“, sei überholt, so Bavastro.
Quelle



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

Rosita
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Sa 10. Feb 2018, 13:08

Bavastro ist ein Aussenseiter und nicht wirklich als Massstab anzusehen.
In unserer westlichen Gesellschaft gilt ein Mensch als tot, wenn er hirntod ist, auch wenn er noch unwillkürliche Rektionen zeigt, wie urinieren. Das ist nicht gleichzusetzten mit Komapatienten, die noch Hirntätigkeiten haben aber in ihrem Innen eingeschlossen sind. Diese Patienten können wieder aufwachen, Hirntote niemals.

Meines Erachtens gehst Du zu sehr davon aus, dass alle Sterbenden sich in der Nähe von Reanimationsgeräten aufhalten.
Ja, dort ist der Erhalt von Gehirn und Herz am ehesten möglich.

Was aber ist mit all den Sterbenden die ausserhalb oder auf der Strasse verletzt werden? Bei Herzstillstand stirbt das Gehirn, wenn dann sehr schnell danach Hilfe eintritt, kann das Herz unter Umständen wieder reanimiert werden.
Das reicht dann zwar um den Körper zu erhalten bis man in der Klinik ist und den Patienten an die Herz-/Lungenmaschine anschliessen kann, aber nicht immer tritt wieder Hirntätigkeit ein.

Wenn man wie Du davon ausgeht, dass auch Hirntote noch Menschenrechte haben und sich ein Leben lohnt, bis das Herz von alleine versagt, dann ist eine Organentnahme unethisch. Aber die überwältigende Mehrheit sieht das anders.



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Alethos
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Sa 10. Feb 2018, 13:26

Bin nicht sicher, ob diese Diskussion um den technischen Todeszeitpunkt den Problemkern trifft. Dass das Herz vorher aufhören kann zu schlagen als das Hirn stirbt, ist unbestreitbar der Fall. Und dass dann das Hirn stirbt, wenn es nicht mit Sauerstoff versorgt wird, ist auch erwiesen. Dass aber auch das Hirn sterben kann, insofern es seine lebenserhaltenden Funktionen nicht mehr ausübt, bevor das Herz zu schlagen aufhört, und es dieser Hirntod ist, der unweigerlich zum Organversagen führt, unter anderem dem Herzversagen, ist ja wohl alles medizinisch relativ unproblematisch.

Diese medizinischen Überlegungen sind doch dann aber höchstens nur Aspekte in einem grundsätzlicheren moralischen Diskurs, der ganz anders gerichtete Frage stellt: Was wiegt mehr: der Wille des Verstorbenen oder der Überlebenswille des Erkrankten? Ist ein Leben ohne Bewusstsein, angeschlossen an eine Herz-Lungen-Maschine, lebenswert? Darf als vorausgesetzt gelten, dass Menschen ihre Organe spenden wollen, wenn sie nicht das Gegenteil sagen? Das sind doch die schwierigen fragen und nicht die Frage, ob der Hirntod nach 5 oder 6 Minuten eintritt. Wenn er eintritt, ist er eingetreten und hat gravierende Konsequenzen, die die moralphilosophisch diskutierten Fragen relevant machen.



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Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Diese Patienten können wieder aufwachen, Hirntote niemals.
Naja, das ist ja dann ein Argument dafür den Hirntod als Grenze zu nehmen und meine anfängliche, fragende Bemerkung war ja, dass und warum die Spanier das nicht tun.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Meines Erachtens gehst Du zu sehr davon aus, dass alle Sterbenden sich in der Nähe von Reanimationsgeräten aufhalten.
Warum sollte ich davon ausgehen und was hat das mit der Diskussion zu tun?
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Was aber ist mit all den Sterbenden die ausserhalb oder auf der Strasse verletzt werden? Bei Herzstillstand stirbt das Gehirn, wenn dann sehr schnell danach Hilfe eintritt, kann das Herz unter Umständen wieder reanimiert werden.
Das reicht dann zwar um den Körper zu erhalten bis man in der Klinik ist und den Patienten an die Herz-/Lungenmaschine anschliessen kann, aber nicht immer tritt wieder Hirntätigkeit ein.
Ja, es gibt, da man ja hier von zwei lebensbestimmenden Zentren ausgeht (Herz und Hirn) da natürlich alle möglichen Mischungen und muss den entsprechenden Umgnag diskutieren.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Wenn man wie Du davon ausgeht, dass auch Hirntote noch Menschenrechte haben und sich ein Leben lohnt, bis das Herz von alleine versagt, dann ist eine Organentnahme unethisch. Aber die überwältigende Mehrheit sieht das anders.
Klar, die spannende Frage ist ja, wie man es sehen sollte, das Sollen ist der Inhalt der Ethik.

Sagt man einfach, dass es die meisten so sehen und meint das dies ein schlagendes Argument ist, musst man es notgedrungen bei anderen Fragen auch gelten lassen. Gewohnheitsrecht, war halt immer so. Bei anderen Fragen, hast Du aber engagiert dagegen angeschrieben.

Einstellungen wie "Hier will ich es so und dort will ich es eben anders", sind an sich legitim, aber ethisch in der Form nicht bindend und Floskeln wie, dass der Mensch eben so sei oder es eben immer schon so gemacht wurde, werden so auch ausgebremst. Das ist zwar einerseits nervig, auf der anderen Seite wird Ehtik aber genau an der Stelle relevant. Und lebensnah in dem Sinne, als hier die Frage virulent wird warum wir uns überhaupt füreinander interessieren sollten. Wenn man die Antwort gibt, dass Ethik ein nettes Geplänkel sei, wenn es ernst wird, aber sowieso alle drauf pfeifen, hält man Ethik und Moral für verzichtbar. Es gibt aber sehr gute Gründe dafür, warum das nicht so ist und man dies im Zweifel auch nicht wollen wird.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Sa 10. Feb 2018, 13:57, insgesamt 1-mal geändert.



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Alethos hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:26
Diese medizinischen Überlegungen sind doch dann aber höchstens nur Aspekte in einem grundsätzlicheren moralischen Diskurs, der ganz anders gerichtete Frage stellt: Was wiegt mehr: der Wille des Verstorbenen oder der Überlebenswille des Erkrankten? Ist ein Leben ohne Bewusstsein, angeschlossen an eine Herz-Lungen-Maschine, lebenswert?
Die Frage nach dem lebenswerten Leben wirft zugleich die nach dem lebensunwerten Leben auf, da haben wir Deutsche uns schon mal kräftig die Finger dran verbrannt. Die Mehrheit des Volkes oder seiner Machthaber ... puh.

Man hat mal Schwule und Behinderte als lebensunwert angesehen. Die Tatsache, dass das heute anders ist, mag erfreuen, aber wie schützen wir uns und andere, vor dem Akt der Willkür, dass es Morgen wieder anders sein könnte. Man muss ins Prinzipiellere greifen. Soll mein Wille tatsächlich in Dein Leben oder das Deiner Kinder eingreifen können?

Die Aussage, dass ein Leben an einem Punkt x nichts mehr wert ist und man daher auch auf seine Würde, Rechte und Organe verzichten kann, ist sicher etwas, was man mehrmals wenden sollte.



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Sa 10. Feb 2018, 14:08

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:55
Die Frage nach dem lebenswerten Leben wirft zugleich die nach dem lebensunwerten Leben auf, da haben wir Deutsche uns schon mal kräftig die Finger dran verbrannt.
Wir Schweizer sind da etwas ungezwungener im Umgang mit dieser Frage, weil wir uns die Finger nicht verbrannt haben. Wir können aber auch 'Heimatliebe' sagen, ohne dabei anti-nationalistische Reflexe auszubilden.

Es geht ja auch nicht um einen prinzipiellen Wert oder Unwert, sondern im Grunde um sehr persönliche, intime Fragen. Wenn jemand z.B. den begleiteten Freitod wählt (was in der Schweiz legal ist), hat er sich ja intensiv mit dem Wert und Unwert seines Lebens auseinandergesetzt. Diese Autonomie der Bewertung des eigenen Lebens sorgt ja für die Individualität des Werts und dieser wiederum sorgt dafür, dass der Wert des Lebens auf das eigene Leben angewendet bleibt und nicht auf eine Gruppe, eine Ethnie oder eine Gesinnungsgemeinschaft. Die Frage nach dem Wert des Lebens ist nur in zweiter Linie eine demokratische, eine politische, in erster Linie eine persönliche.



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Sa 10. Feb 2018, 14:52

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:46
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Diese Patienten können wieder aufwachen, Hirntote niemals.
Naja, das ist ja dann ein Argument dafür den Hirntod als Grenze zu nehmen und meine anfängliche, fragende Bemerkung war ja, dass und warum die Spanier das nicht tun.

Die Spanier tun das sehr wohl. Sie gehen von der Annahme aus, dass nach dem Herztod auch das Gehirn unweigerlich tot ist, wenn nicht innerhalb kürzester Zeit der Patient an die Herz-/Lungenmaschine kommt. Nur, das ist selten möglich. Durch Herzmassage und Sauerstoffzufuhr kann ein Mensch noch bis in die Klinik so versorgt werden, dass die körperlichen Funktionen erhalten bleiben, aber nicht das Gehirn, dazu muss eine genügend hohe Sauerstoffsättigung des Blutkreislaufes gegeben sein.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Meines Erachtens gehst Du zu sehr davon aus, dass alle Sterbenden sich in der Nähe von Reanimationsgeräten aufhalten.
Warum sollte ich davon ausgehen und was hat das mit der Diskussion zu tun?
Das hab ich dem entnommen, was Du geschrieben hast.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Was aber ist mit all den Sterbenden die ausserhalb oder auf der Strasse verletzt werden? Bei Herzstillstand stirbt das Gehirn, wenn dann sehr schnell danach Hilfe eintritt, kann das Herz unter Umständen wieder reanimiert werden.
Das reicht dann zwar um den Körper zu erhalten bis man in der Klinik ist und den Patienten an die Herz-/Lungenmaschine anschliessen kann, aber nicht immer tritt wieder Hirntätigkeit ein.
Ja, es gibt, da man ja hier von zwei lebensbestimmenden Zentren ausgeht (Herz und Hirn) da natürlich alle möglichen Mischungen und muss den entsprechenden Umgnag diskutieren.
Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:08
Wenn man wie Du davon ausgeht, dass auch Hirntote noch Menschenrechte haben und sich ein Leben lohnt, bis das Herz von alleine versagt, dann ist eine Organentnahme unethisch. Aber die überwältigende Mehrheit sieht das anders.
Klar, die spannende Frage ist ja, wie man es sehen sollte, das Sollen ist der Inhalt der Ethik.

Sagt man einfach, dass es die meisten so sehen und meint das dies ein schlagendes Argument ist, musst man es notgedrungen bei anderen Fragen auch gelten lassen. Gewohnheitsrecht, war halt immer so. Bei anderen Fragen, hast Du aber engagiert dagegen angeschrieben.
Vielleicht deshalb, weil das garnicht meine Meinung ist, sondern die Wissenschft das festlegt, im Gegensatz zur metoo Debatte.


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Sa 10. Feb 2018, 14:54

Alethos hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:26
Bin nicht sicher, ob diese Diskussion um den technischen Todeszeitpunkt den Problemkern trifft. Dass das Herz vorher aufhören kann zu schlagen als das Hirn stirbt, ist unbestreitbar der Fall. Und dass dann das Hirn stirbt, wenn es nicht mit Sauerstoff versorgt wird, ist auch erwiesen. Dass aber auch das Hirn sterben kann, insofern es seine lebenserhaltenden Funktionen nicht mehr ausübt, bevor das Herz zu schlagen aufhört, und es dieser Hirntod ist, der unweigerlich zum Organversagen führt, unter anderem dem Herzversagen, ist ja wohl alles medizinisch relativ unproblematisch.

Diese medizinischen Überlegungen sind doch dann aber höchstens nur Aspekte in einem grundsätzlicheren moralischen Diskurs, der ganz anders gerichtete Frage stellt: Was wiegt mehr: der Wille des Verstorbenen oder der Überlebenswille des Erkrankten? Ist ein Leben ohne Bewusstsein, angeschlossen an eine Herz-Lungen-Maschine, lebenswert? Darf als vorausgesetzt gelten, dass Menschen ihre Organe spenden wollen, wenn sie nicht das Gegenteil sagen? Das sind doch die schwierigen fragen und nicht die Frage, ob der Hirntod nach 5 oder 6 Minuten eintritt. Wenn er eintritt, ist er eingetreten und hat gravierende Konsequenzen, die die moralphilosophisch diskutierten Fragen relevant machen.
Nein, das triff nicht den Problemkern, aber es ist wichtig um bei einer Diskussion, von gleichen Voraussetzungen auszugehen.



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Rosita
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Sa 10. Feb 2018, 15:05

Ich möchte hier auch zur Ehrenrettung der Spanier sagen, dass die gnadenlose Ausnutzung zum eigenen Vorteil, derzeit deutlich weniger hervortritt als in Deutschland. Es gibt dazu sehr viele falsche Eindrücke hauptsächlich von Touristen, die noch nicht mal spanisch sprechen.

Unnötige OPs wie in Deutschland sind mir nicht bekannt. Handwerker, die eine zugefallene Tür mit 500 Euro berechnen, weil jemand in Not ist, auch nicht. Im Gegensatz zu DE, liegen die teuersten Produkte nicht auf Augenhöhe, sondern ganz unten im Regal. Die Spanier halten auch nicht die Hand für Trinkgeld auf, wie immer unterstellt wird, dazu sind sie zu stolz.

Ich weiss, das hat mit dem Thema auch nichts zu tun. Soll nur die Transplantationpraxis ins rechte Licht rücken. Sorry



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Sa 10. Feb 2018, 17:12

Alethos hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 14:08
Wir Schweizer sind da etwas ungezwungener im Umgang mit dieser Frage, weil wir uns die Finger nicht verbrannt haben. Wir können aber auch 'Heimatliebe' sagen, ohne dabei anti-nationalistische Reflexe auszubilden.
Ja, in der Tat.
Da ist man bei uns schon Ultranationalist.
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Sa 10. Feb 2018, 14:08
Es geht ja auch nicht um einen prinzipiellen Wert oder Unwert, sondern im Grunde um sehr persönliche, intime Fragen. Wenn jemand z.B. den begleiteten Freitod wählt (was in der Schweiz legal ist), hat er sich ja intensiv mit dem Wert und Unwert seines Lebens auseinandergesetzt. Diese Autonomie der Bewertung des eigenen Lebens sorgt ja für die Individualität des Werts und dieser wiederum sorgt dafür, dass der Wert des Lebens auf das eigene Leben angewendet bleibt und nicht auf eine Gruppe, eine Ethnie oder eine Gesinnungsgemeinschaft. Die Frage nach dem Wert des Lebens ist nur in zweiter Linie eine demokratische, eine politische, in erster Linie eine persönliche.
So würde ich das im Großen und Ganzen auch sehen.
Habe gestern eine Sendung mit dem wunderbaren Thomas Macho darüber (über den Suizid & Co.) gehört.



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Sa 10. Feb 2018, 17:18

Rosita hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 14:52
Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 13:46


Sagt man einfach, dass es die meisten so sehen und meint das dies ein schlagendes Argument ist, musst man es notgedrungen bei anderen Fragen auch gelten lassen. Gewohnheitsrecht, war halt immer so. Bei anderen Fragen, hast Du aber engagiert dagegen angeschrieben.
Vielleicht deshalb, weil das garnicht meine Meinung ist, sondern die Wissenschft das festlegt, im Gegensatz zur metoo Debatte.
Nur hast Du Dich eben genau dazu auch selbst positioniert, bereits am Anfang:
Rosita hat geschrieben :
Mi 7. Feb 2018, 20:17
Liebe Stefanie,

philosophisch kann ich nichts beitragen.
Aber vielleicht interessiert es, dass hier in Spanien jeder automatisch Organspender ist, wenn er nicht einen Spenderpass
bei sich trägt, der aussagt, dass er nicht Organspender sein will.

Hier in Spanien werden die meisten Transplantationen durchgeführt!!!

Ich finde das sehr gut und alle die ich höre hier, finden das auch.
Das klingt schon sehr nach Meinung (was ja nicht schlimm ist, nur begründet werden muss).
Denn damit läufst Du ansonsten in den skizzerten Widerspruch.



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Jörn Budesheim
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So 11. Feb 2018, 06:15

Segler hat geschrieben :
Sa 10. Feb 2018, 07:23
Es gibt, besonders in Asien und Ozeanien, metaphysische Vorstellungen, die davon ausgehen, dass die Einheit von Geist und Körper über den Tod hinaus anhält. Wer Organe entnimmt, verstümmelt den Menschen, auch wenn er bereits tot ist. Das ist unter anderem die metaphysische Grundlage des Kannibalismus. Ein Kannibale nimmt die Kraft des Gegners auf, indem er dessen Körper verzehrt. Gleichzeitig vernichtet er den Gegner auch jenseitig.
Ja, das ist interessant.

Allerdings spart die Widerspruchs-Regel diese Sichtweisen nicht aus. Wer so etwas glaubt, der wird durchaus berücksichtigt, er muss seine Ansicht nur explizit machen, was in diesem Fall heißt, er muss Widerspruch anmelden. Ich finde das ist durchaus zumutbar.




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Alethos
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So 11. Feb 2018, 10:04

Es ist zumutbar, aber es bleibt ein Zwang.

Nun müssen wir uns fragen, was eher zuzumuten ist: Dass man jemanden sterben lässt, der mit einem Organ überlebt hätte, das vorhanden gewesen wäre, wenn die Widerspruchslösung gegolten hätte, oder dass man jemanden den Willen antut, sich entscheiden zu müssen für oder gegen Organspenden. Die Antwort wird relativ klar zugunsten der Widerspruchslösung ausfallen, vermute ich. Aber die Frage ist doch die (ob vor dem Hintergrund der Annahme einer metaphysischen Einheit von Organen und Seele oder nicht): Mit welchem Recht beharren wir darauf, als Individuen um jeden Preis überleben zu wollen. Natürlich ist das eine Frage, die sich bei nicht unmittelbarer Betroffenheit viel leichter stellen lässt, als wenn man konkret vor der Entscheidung steht: Organtransplantation oder Sterben! Aber es ist doch interessant, dass wir so manche unserer natürlichen Reflexe wie ungehemmte Aggressionen etc. domestizieren, aber unseren Drang in jedem Fall überleben zu wollen nicht.



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