Friederike hat geschrieben : ↑ Mi 4. Dez 2019, 15:52
Mittels welcher Methode
entdeckt man
praktische bzw. moralische
Tatsachen? (die immer "wahr" sind, oder gibt es auch "falsche" Tatsachen?). Ich frage anders: Wie überprüft man die Wahrheit der praktischen Tatsachen?
Welches Argument möchtest du damit verbinden? Worum geht es dir mit der Frage. Zwar kommt sie an dieser Stelle stets so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber tatsächlich gibt es keinen wirklichen Zusammenhang!
Noch wichtiger: Warum lässt du die Beispiele weg? Dass sie fehlen ist nämlich interessant! Glaubst du, es muss einen allgemeinen Weg der Wahrheitsfindung geben? Zeigt ein Blick auf die Geschichte, dass das nicht eine ganz und gar seltsame Vorstellung ist? Was machen wir hier in dem Forum? Wenn deine Frage stichhaltig wäre, sollte man den Laden Philosophie einfach schließen, denn es gibt offenbar keinen Königsweg zur Wahrheit. Das wissen wir sicher. Bei unglaublich vielen Fragen, die für uns wichtig sind, können wir deine Frage nicht beantworten und kein allgemeines Muster der Wahrheitsfindung angeben.
Warum kommt diese Frage dennoch immer?
Kann es Wahrheiten nur geben, wenn es einfach angebbare Methoden der Wahrheitsfindung gibt? Natürlich nicht. Das weiß jede/r. Denn Wahrheit ist radikal "nicht-epistemisch". Es gibt keinen einfachen und generellen Zusammenhang zwischen unseren Fähigkeiten, die Wahrheit zu entdecken und dem Umstand, dass es Wahrheit gibt. Viele Wahrheiten dürften uns für ewig verborgen bleiben, sind es deswegen keine Wahrheiten? Manche Wahrheiten liegen hingegen auf der Hand und wir können sie nicht mal begründen, aber sie bleiben wahr.
Dennoch ein kurzes Wort zu deiner Frage: Die Entdeckung, um die es geht ist nämlich eine ganz andere! Viele unserer ethischen Entdeckungen sind "negativ". Wir entdecken einfach, dass angebliche Gründe, die unsere Freiheit und Gleichheit umterminieren, überhaupt nicht stichhaltig sind. Man glaubte früher (und oft leider auch noch heute), es gäbe triftige Gründe, Menschen ihre Freiheit vorzuenthalten: Schwarzen, weil sie schwarz sind. Frauen, weil sie Frauen sind. Schwulen, weil sie schwul sind. Schließlich entdeckt man, dass die angeblichen Gründe alle Unsinn sind. Und darin besteht die Entdeckung, dass die vorgeschobenen Behauptungen, die eine Ungleichheit zementieren sollten, eben nicht standhalten: Könige sind gar nicht von Gott legitimiert. Dabei werden Irrtümer und Lügen aufgedeckt, so dass die ursprüngliche Wahrheit, dass wir alle frei und gleich sind nicht mehr davon verdeckt wird.
Dann stelle ich dir jetzt deine eigene Frage: Wie hast du herausgefunden, dass Männer und Frauen eigentlich gleichberechtigt behandelt werden sollten? Und wenn du das jetzt nicht letzt-begründen kannst aus dem Stegreif, wollen wir in diesem Punkt dann unsere Einsicht verleugnen? Willst du das im Ernst bezweifeln? Oder ist das nur ein sogenannter Paper Doubt? (Es gilt: auch Zweifel müssen gut begründet werden!)
Wie findet man heraus, dass man Menschen in Not helfen sollte? Ist das nicht seltsam, wenn man diese Frage im ernst stellt? All diese "Argumente" kommen nur, wenn man von unserem wirklichen Leben absieht und ganz abstrakt vorgeht. Aber in der Ethik kann man nicht vom Leben absehen, denn das ist ihr Gegenstand.