Verteilungsdilemma

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
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Friederike
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Fr 26. Okt 2018, 13:25

Ich komme so schnell gedanklich nicht mit, deswegen nur als fragender Einwurf: Wir sind oder Ihr seid auf einmal von der Gleichverteilung auf die Gleichheit (der Personen) gekommen. Muß man das nicht unterscheiden?




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Friederike
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Fr 26. Okt 2018, 13:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Okt 2018, 13:05
Man kann meines Erachtens nicht fordern, die Gleichheit zu begründen, ohne sie in dieser Forderung bereits als solche akzeptiert zu haben, also indem man eine Begründung fordert. Der Begründung "einfordert" hat damit Gleichheit bereits geliefert.
Unabhängig davon, ob ich der Aussage später zustimme oder nicht (ich raffs noch nicht) - sehr pfiffig, "hat was".




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Friederike
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Fr 26. Okt 2018, 14:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Okt 2018, 13:05
Im Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen spielen idealiter die Hauptrolle die Gründe und ihre Verknüpfungen aneinander und nicht der Status oder das Gewicht der Person, die sie vorbringen. Die durchgängige Reziprozität und Gleichheit der Akteure des Spiels als Richtschnur ist die Voraussetzung dafür, dass das Spiel überhaupt spielbar ist. Ein Argument wird nicht besser oder schlechter, wenn es von dieser oder jener Person vorgetragen wird. Gründe werden ausgetauscht und das funktioniert nur auf Basis der Gleichheit der Akteure. Man kann meines Erachtens nicht fordern, die Gleichheit zu begründen, ohne sie in dieser Forderung bereits als solche akzeptiert zu haben, also indem man eine Begründung fordert. Der Begründung "einfordert" hat damit Gleichheit bereits geliefert.
Wenn die Begründung die Gleichheit der die Begründung Vortragenden nach sich zieht oder impliziert, und wenn die Gleichheit der Personen die Gleichverteilung nach sich zieht bzw. impliziert, dann erfordert die Gleichverteilung tatsächlich keine Begründung. Das hört sich bestechend an, aber irgendwas ist daran tricky ... oder kommt mir tricky vor.




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Jörn Budesheim
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Fr 26. Okt 2018, 14:48

Wenn man sich daran erinnert, dass auch die Freiheit nur aus sehr starken Gründen heraus eingeschränkt werden darf...




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novon
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Sa 27. Okt 2018, 00:05

Je weniger Personen, desto geringer die Überlebenschance jedes Einzelnen. Die Möglichkeit, Aufgaben gegebenenfalls zu delegieren, vergrößert den Raum des Machbaren, Gemeinschaft stärkt den Einzelnen. In dem Sinne wäre es gerechtfertigt, denen, die irgendwie gesundheitlich beeinträchtigt sind auch mehr der verfügbaren Nahrungsmittel zuzugestehen, damit sie möglichst bald wieder auf die Beine kommen, also innerhalb der Gemeinschaft auch mehr leisten können. Dadurch würde die Möglichkeit Ressourcen zu erlangen erhöht. Zu überleben, könnte man wohl voraussetzend annehmen, ist im Sinne jedes der Gestrandeten hier, Solidarität quasi notwendiges Mittel der Wahl, die je eigenen Chancen zu überleben zu erhöhen. (Das würde ich durchaus sogar als (auch) ökonomisch gerechtfertigte Position ansehen.)




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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 07:17

Man könnte sich auch fragen, ob solche instrumentelle Sichtweisen ethisch zu rechtfertigen sind. Wir sollten uns gegenseitig als Personen schätzen und nicht als mögliches Mittel zum Zweck.

Die Informationen, die der Eingangstest liefert, sind auch recht dürftig, quasi nur der Anfang eines Plots. Es wird im Prinzip nur gefragt, was an diesem Abend zu geschehen hat. Brenzlig wird die Sache vermutlich erst nach etlichen Monaten. Ganz ohne Essen kommt man fast 100 Tage es, mit eingeschränkter Zufuhr sicher wesentlich länger. Was die Insel sonst noch hergibt, wissen wir halt nicht. Am Anfang sollten das "Prinzip Hoffnung" und "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (Schwestern sind schließlich keine da)" gelten.

Was in Extremsituationen oder Dillema-Situationen zu tun ist, ist bekanntermaßen schwer zu entscheiden, aber das Leben ist kein Planspiel und auf den Alltag lässt sich das nicht einfach übertragen. Ich schätze so etwas ähnliches meinte Otting weiter oben schon.




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Friederike
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Sa 27. Okt 2018, 09:04

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 26. Okt 2018, 11:46
Denn wo sollte er nun genau liegen, dieser Nullpunkt? Irgendwo auf halber Strecke der biologischen Eher so eine Art Omega, denn Nullpunkt könnten die Menschenrechte sein, aber ich weiß nicht, ob sie das Spiel einer letztlich wohlmeinenden aber dennoch im Kern willkürlichen Setzung tatsächlich überwinden können, [...]
Spätestens an dieser Stelle, nämlich der Möglichkeit, den Nullpunkt bei den Menschenrechten zu setzen, ist mir klar geworden, daß es sich bei dem Nullpunkt um ein Windei gehandelt hat bzw. handelt, denn die Menschenrechte zu begründen führt auf ein Terrain, auf dem offenkundig wird, wieviel an Voraussetzungen wir schon "geschluckt" haben, bevor wir uns ans Werk des Argumentierens und Begründens machen.




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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 09:53

Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 26. Okt 2018, 11:46
Irgendwo im Urknall und den Naturgesetzen, bei denen durch wundersame Weise aus Ursachen irgendwie Gründe werden müssen, ohne dass man so genau weiß, wie das geht?
Ist das vom Grundsatz her überhaupt für das Thema die richtige Fragestellung? Denn wir müssen unterscheiden zwischen Entstehungs- und dem Begründungszusammenhang. Man kann deren Verwechslung oder Vermischung ja nicht zum Prinzip erheben. Wenn man versucht Geltung in raumzeitliche Strukturen einzubinden, dann begeht man einen gravierenden Kategorienfehler. Wenn man mit so einer naturalistischen Argumentation selbst Geltung beansprucht, kann man sie nicht im selben Moment negieren, dass ist ein inneren Widerspruch.




Tosa Inu
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 09:53
Denn wir müssen unterscheiden zwischen Entstehungs- und dem Begründungszusammenhang. Man kann deren Verwechslung oder Vermischung ja nicht zum Prinzip erheben.
Entstehung und Begründung gehen ja eigentlich immer fließend ineinander über ...
Friederike hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 09:04
denn die Menschenrechte zu begründen führt auf ein Terrain, auf dem offenkundig wird, wieviel an Voraussetzungen wir schon "geschluckt" haben, bevor wir uns ans Werk des Argumentierens und Begründens machen.
Beim Gott der dies und das will, der Natur, die uns gebietet usw., ist das noch offensichtlicher.

Es ging ja nur darum, dass man keinen sauberen Ansatzpunkt findet, der fraglos "richtig" ist und uns sagt, wie man 10 Fische gerecht auf 3 Leute verteilt.
Man könnte von der anderen Seite ansetzen, sich fragen, was mit SIcherheit nicht geht (also, was man nicht tun sollte, auch wenn es natürlich geht) und schauen, ob man dafür eine Begrüdung findet.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 11:40

Was mit Sicherheit nicht geht, das ist z.b. den Begründungs- Entstehungszusammenhang zu verwechseln und zu vermischen. Weil das eben auf einen Argumentationsfehler hinausläuft.

Ebenso verfehlt wäre es, zu glauben, dass aus dem Umstand, dass man die richtige Lösung nicht ad hoc findet, folgt, dass es keine gibt.




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Friederike
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Sa 27. Okt 2018, 11:54

Tommy hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 11:47
Ziel aller Überlegungen muss meiner Meinung nach immer sein alle Menschen ausreichend zu versorgen. Das hat immer Vorrang vor allen anderen Überlegungen. Das Recht des Einzelnen auf Leben muss gewahrt bleiben.
Ist das z.B. eine der Grundwahrheiten, von denen Parfit spricht? Ich frage das. Denn, auch wenn es sich grauslich anhört, aber warum muß das "Recht des Einzelnen auf Leben gewahrt" sein.




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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 12:03

Wenn du eine Begründung für eine selbstevidenten Wahrheit findest, ist es offenbar keine selbstevidente Wahrheit.




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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 17:14

Das ging an Friederike.




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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 17:47

Wir wissen nicht, was passieren würde, wenn sich die drei Herren selbst zu Wort melden könnten. Vielleicht gibt es ja auch eine ungleiche Verteilung, mit der jedoch jeder der drei Beteiligten zufrieden ist, ohne auf einen der anderen neidisch zu sein und ohne falsche Rücksicht zu nehmen. Das liefe dann nicht auf eine numerische Gleichheit hinaus, sondern auf eine gleiche Verteilung gemäß der Bedürftigkeit - inklusive allgemeiner Akzeptanz der Verteilung.




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Jörn Budesheim
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Jörn Budesheim
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Sa 27. Okt 2018, 18:44

Friederike hat geschrieben :
Di 23. Okt 2018, 16:31
Schon gibt es einen Haken. Der Hüne braucht mehr an Kalorien als die Anderen. Sonst würde er mehr abmagern (ich gehe vorläufig von der harmlosen Variante aus). Oje. Der Hüne kriegt 4 und die beiden Anderen je 3 Fische.
Woher wissen wir denn, dass nicht der Kranke der Bedürftigste ist? Außerdem ist es ein altes Prinzip, dass man insbesondere den Schwachen und Kranken helfen soll. Die Situation ist so komplex und der Erläuterungstext hält sich sehr bedeckt mit Fakten... Aber vermutlich soll er einfach zum Nachdenken anregen :-)




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Sa 27. Okt 2018, 19:51

Ja, wenn der Herr Lehrer seiner Klasse einen Knochen hinwirft. :roll:




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novon
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Sa 27. Okt 2018, 22:04

Ethisches Erwägen bedarf einer allgemein schlüssigen Begründung, sonst ginge es nicht um Ethik, funktionierte nicht. Meine Begründung hier war nun so gestrickt, das selbst ein Egoist dieser notwendig zustimmen müsste, sofern eigenes Überleben als erstrebenswert angenommen wäre und die dem zugrundeliegenden Prämissen zutreffen. Ethik braucht immer nachvollziehbare Gründe. Die könnten sich anders als hier gestalten, aber für dieses Szenario passt da imo soweit. Ethik ist nunmal - im Gegensatz zur Moral - durch und durch rational gestrickt... *g




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Friederike
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So 28. Okt 2018, 12:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 18:44
Woher wissen wir denn, dass nicht der Kranke der Bedürftigste ist? Außerdem ist es ein altes Prinzip, dass man insbesondere den Schwachen und Kranken helfen soll.
Das hatte ich schon vor Tagen :lol: vorgeschlagen.




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Friederike
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So 28. Okt 2018, 12:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Okt 2018, 12:03
Wenn du eine Begründung für eine selbstevidenten Wahrheit findest, ist es offenbar keine selbstevidente Wahrheit.
Da das an mich geht, wie ich später lese, möchte ich nur sagen, daß die Begründung nicht von mir kommt. Daß es sich so verhält, wie Du oben schreibst, ist mir klar.




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