Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Di 5. Sep 2017, 07:52
Wir haben Rechte, weil wir Personen sind. So zumindest eine gängige Antwort. Aber, so ein Einwand von Singer, auch andere Wesen haben Personenstatus, können also Träger von Rechten sein. Wie Singer sich das im Detail ausmalt, weiß ich leider (noch) nicht. Hier könnte segler vielleicht aushelfen
Nachdem ich wieder im Lande bin, versuche ich, meinen Standpunkt zu Singers Theorie darzulegen.
Singer gesteht allen empfindungsfähigen Wesen Rechte zu, nicht nur Personen. Dem ist wenig hinzuzufügen. Diskutieren kann man allenfalls darüber, welche Rechte das im Einzelfall sind. Darüber, wie Pflichten zugewiesen werden, schweigt Singer sich aus. Dabei ist dieses die zentrale Frage der Ethik.
Singers Vorwurf eines „Speziesismus“ beruht auf einem Kategorienfehler. Er setzt innerartliche Diskriminierungen (Rasse, Geschlecht, etc.) mit der Ungleichbehandlung unterschiedlicher Spezies gleich.
Singer liefert keine hinreichende Begründung, warum ausgerechnet Präferenzen Rechte begründen sollen. Was ist zum Beispiel mit bösartigen oder perversen Präferenzen? Verschaffen die perversen Präferenzen eines Kinderschänders diesem irgendwelche Rechte? Hat er einen Anspruch darauf, dass seine Präferenzen berücksichtigt werden? Wenn nicht, warum nicht? Wie will man die Präferenz zu quälen gegen die Präferenz nicht gequält zu werden aufwiegen? Eine weitgehend akzeptierte Position ist es doch, dass Moral gerade dazu dient, Präferenzen einzuschränken und zu kontrollieren.
Die These, alle selbstbewussten Wesen hätten den gleichen moralischen Status, führt zu extrem kontraintuitiven Resultaten. Entweder müssen wir dann Tieren Pflichten auflasten, was völlig absurd erscheint, oder Menschen hätten keine Pflichten. Haben Menschen keine Pflichten, dürfen sie nach Belieben quälen und töten. Hier wird deutlich, weshalb die Spezies Mensch moralisch einen anderen Status hat, als Tiere. Menschen haben Pflichten.
Die Ablehnung von Potentialität wird von Singer mit dem bekannten Kronprinzenargument begründet. „Ein Kronprinz ist ein potentieller König, hat aber nicht die Rechte eines Königs.“ Das wird dann analog auf den menschlichen Fötus übertragen. „Der Fötus ist eine potentielle Person, hat aber nicht die Rechte einer Person.“ Auch dieses Argument enthält einen Kategorienfehler. Der Fötus verfügt intrinsisch über das Potential, sich zur Person zu entwickeln, während der Kronprinz ausschließlich durch einen äußeren performativen Akt, den Dritte ausführen, zum König gekrönt werden kann. Es könnte auch eine völlig andere Person, die nicht der gleichen Familie entstammt, an seiner Stelle gekrönt werden. Das ist in der Geschichte regelmäßig vorgekommen.
Würde Singer das Töten von Tieren generell ablehnen, müsste er auch das Töten von Menschen ablehnen. Da er das nicht will, muss er notwendig auch zulassen, dass Tiere getötet werden.
Das Töten menschlicher Nichtpersonen schränkt Singer mit einem eher seltsamen Argument ein. Föten und Neugeborene dürfen getötet werden, an Altersdemenz leidende Menschen dagegen nicht. Das begründet Singer mit dem Argument, jede menschliche Person habe das Entwicklungsstadium des Fötus und des Neugeborenen hinter sich gelassen. Es störe menschliche Personen daher nicht, wenn solche Lebewesen getötet würden. Dagegen muss jede menschliche Person befürchten, im Alter dement zu werden. Daher würde die Tötung von Demenzpatienten menschliche Personen beunruhigen und die Gesellschaft destabilisieren.
Die Entscheidung darüber, ob ein Neugeborenes getötet wird, soll nach Singer bei den Eltern liegen. Entscheiden diese sich, das Kind leben zu lassen, hat es ihm zufolge alle Rechte. Das ist ein moralischer Voluntarismus. Wesen A entscheidet eigenmächtig darüber, ob Wesen B Würde und Rechte hat. Wer trifft diese Entscheidung bei Tieren? Vielleicht ein Mensch?