Tiere sind keine Sachen

Ethische Fragen und ihre rationale Begründbarkeit bewegen das philosophische Denken in einer Zeit, in der die Politik wieder über "Werte" debattiert und vertraute Grundlagen des politischen Handelns zur Disposition stehen.
Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 31. Aug 2020, 19:41

Im Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der BRD, § 90a Tiere heißt es:

"Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt.".

Gleich gefolgt von:

"Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist."


Quelle: BGB, https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/ ... immt%20ist.

Irgendwie klingt das leicht schizophren.
Mir ist klar, dass der Gesetzgeber mit dem einleitenden Satz die Absicht erklären wollte, Tiere nicht als Sachen zu betrachten.
Auch kennen wir in der BRD Tierschutzgesetze, die zum Beispiel Tierquälerei unter Strafe stellen. Damit erkennt man an, dass Tiere Bedürfnisse haben, die nicht einfach ignoriert werden können und über die sich nicht leichtfertig hinweg gesetzt werden darf.
Trotzdem fehlt mir die letzte Konsequenz. Wenn Tiere per Erklärung keine Sachen sind, wieso kommen dann Gesetze, die für (leblose) Sachen geschaffen worden sind, bei ihnen zur Anwendung?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7170
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 31. Aug 2020, 20:26

Nun ja....die Regelungen für Personen lassen sich wohl schlecht anwenden...es geht ja nicht nur um Rechte, sondern auch um Pflichten. Tiere müsste dann auch Pflichten haben. Haben sie die, und können sie diese verstehen? Wer wird verklagt, wenn der Hund einen beißt?
Oder es geht um so was wie Einsichtsfähigkeit, Geschaftsfähigkeit, Schuld, usw. Deine Katze knurrt dich höchstens an.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Di 1. Sep 2020, 00:15

Stefanie hat geschrieben :
Mo 31. Aug 2020, 20:26
Nun ja....die Regelungen für Personen lassen sich wohl schlecht anwenden...
Da gebe ich Dir Recht. Die Regelungen für Personen sind also nicht anwendbar. Die Regelungen für Sachen stehen im Widerspruch zu dem wie wir Tiere definieren (nämlich nicht als Sachen). Wenn also beides nicht anwendbar ist, gibt es vielleicht noch ein Drittes? Eines das unserer Vorstellung davon was Tiere sind mehr entgegenkommt?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23270
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 2. Sep 2020, 06:30

Indien erkennt Delfine offiziell als Personen an

Gerlingen, 30. Juli 2013 – Diese richtungsweisende Entscheidung ist weltweit einmalig: Die indische Regierung hat Delfine offiziell als nicht-menschliche Personen anerkannt. Somit steht ihnen das Recht auf Leben und Freiheit jetzt per Gesetz zu. Für die indischen Delfine bringt dies zahlreiche Veränderungen mit sich, beispielsweise die Schließung von Delfinarien und der Abbruch von Bauprojekten für künftige Einrichtungen. In ihrer Erklärung bestätigte die indische Regierung, es sei von wissenschaftlicher Seite aus eindeutig, dass Cetaceen (Wale und Delfine) hochintelligente und empfindsame Lebewesen sind. Daraus ergibt sich die Konsequenz, sie als nicht-menschliche Personen anzuerkennen und unter den gleichen rechtlichen Schutz wie Menschen zu stellen. Die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. gratuliert Indien zu dieser Entscheidung und beabsichtigt, die Anerkennung von Delfinen als nicht-menschliche Personen auch von der deutschen Regierung einzufordern. Denn nur so können Delfine ihre Freiheit behalten oder sie zurückgewinnen.

„Indiens Anerkennung von Delfinen als nicht-menschliche Personen ist ein historisches Ereignis“, so Dr. Tanja Breininge (PETA) „Diesen Schritt zur Anerkennung auf das Recht von Leben und Freiheit wünschen wir uns auch für Delfine in Deutschland. Hier leben derzeit 18 Delfine in Gefangenschaft unter extrem beengten, artwidrigen Bedingungen.“

Im Ozean schwimmen Delfine täglich über 100 km weit, tauchen bis zu 300 m tief und leben in großen Sozialverbänden. Wissenschaftler bestätigen ihnen eine Intelligenz, die der unseren nicht nachsteht, und ein Selbstbewusstsein, mit dem sie sich ihrer Gefangenschaft sehr wohl bewusst sind.

https://www.peta.de/indien-erkennt-delf ... uliert-zur




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23270
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 2. Sep 2020, 06:35

Stefanie hat geschrieben :
Mo 31. Aug 2020, 20:26
Nun ja....die Regelungen für Personen lassen sich wohl schlecht anwenden...es geht ja nicht nur um Rechte, sondern auch um Pflichten.
Rechte und Pflichten hängen aber nicht zwingend zusammen. Neugeborene zum Beispiel haben ein Recht auf Leben, aber Pflichten wahrnehmen können sie nicht.




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 2. Sep 2020, 13:47

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 2. Sep 2020, 06:30
Indien erkennt Delfine offiziell als Personen an

Gerlingen, 30. Juli 2013
Das war 2013, also vor 7 Jahren.
Und? Hat sich was getan seit dem? Sind Delfine in Deutschland inzwischen auch als nicht-menschliche Personen anerkannt?
Ich glaube nicht.
(Ich würde übrigens gar nicht darauf bestehen, kluge Meeressäuger als Personen zu betrachtet. Ein Gesetz das den Fang und die Gefangenschaft dieser Tiere zum Zwecke der kommerziellen Ausbeutung verbietet wäre ja auch schon mal ein Anfang.)



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23270
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 2. Sep 2020, 14:16

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 2. Sep 2020, 13:47
Das war 2013, also vor 7 Jahren.
Und? Hat sich was getan seit dem? Sind Delfine in Deutschland inzwischen auch als nicht-menschliche Personen anerkannt?
Wofür oder wogegen möchtest du damit argumentieren?




Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mi 2. Sep 2020, 16:28

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 2. Sep 2020, 14:16
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mi 2. Sep 2020, 13:47
Das war 2013, also vor 7 Jahren.
Und? Hat sich was getan seit dem? Sind Delfine in Deutschland inzwischen auch als nicht-menschliche Personen anerkannt?
Wofür oder wogegen möchtest du damit argumentieren?
Argumentieren? Erstmal weder für noch gegen irgendwas. Ich wollte damit einfach nur mal festhalten, dass es inzwischen 7 Jahre her ist, dass Delfine in Indien zu nicht-menschlichen Personen erklärt wurden. In Deutschland hat das aber wohl niemanden interessiert und es nimmt sich offenbar auch niemand zum Vorbild ausser eben die üblichen Verdächtigen, die das ja auch vorher schon gefordert haben.
7 Jahre. Zeit genug für Änderungen wäre ja gewesen.
Woran liegt's also?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23270
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mi 2. Sep 2020, 16:42

Der Beitrag zeigt, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass (den anderen) Tieren der Personenstatus nicht zugestanden wird. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In der Schweiz, so liest man, ist die Würde der Kreatur jetzt Teil der Verfassung - auch das ist ein wichtiger Punkt. Aber "das Tier" gibt es ja auch nicht. Zwischen einem Wurm und einem Gorilla gibt es ja nicht nur einen Unterschied an Stärke.

Schwieriges Thema, das steht jedenfalls fest.




Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7170
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mi 2. Sep 2020, 20:53

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Di 1. Sep 2020, 00:15
Stefanie hat geschrieben :
Mo 31. Aug 2020, 20:26
Nun ja....die Regelungen für Personen lassen sich wohl schlecht anwenden...
Da gebe ich Dir Recht. Die Regelungen für Personen sind also nicht anwendbar. Die Regelungen für Sachen stehen im Widerspruch zu dem wie wir Tiere definieren (nämlich nicht als Sachen). Wenn also beides nicht anwendbar ist, gibt es vielleicht noch ein Drittes? Eines das unserer Vorstellung davon was Tiere sind mehr entgegenkommt?
Von mir aus könnte man überall, wo es passt, zusätzlich zu Sachen auch Tiere nennen. Dürfte aber auch einigen aus unterschiedlich Gründen nicht passen.

Ich würde es aber nicht bei den Regelungen machen, in dem es um die Teilung von Sachen geht, das klingt doch unpassend, dann von der Teilung von Tieren zum reden.

Ein Baby ist schon bei der Geburt Trägerin von Rechten und Pflichten. Beides wird solange, bis sie es selber kann, von anderen für das Baby wahrgenommen, ausgeübt und durchgesetzt.

Die Frage wurde gestartet mit einem Zitat aus dem Gesetz und ich überlege, wie man das BGB anpassen könnte.

Kommt irgendwer auf die Idee, Mord auf Tiere auszuweiten, und für die Vergiftung eines Hundes den Täter lebenslang einzusperren?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Sa 5. Sep 2020, 12:34

Es artet am Ende immer in eine Form von Schizophrenie aus.
Auch auf der anderen Seite. Nun sind also Delfine in Indien "nicht-menschliche Personen". Das ist gut.
Aber warum nur Delfine? Warum nicht auch Kühe? Oder Schweine. Begründet wird der Personenstatus bei Delfinen mit ihrer Intelligenz, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer daraus folgenden Leidensfähigkeit (?).
Mit dem selben Argument grenzen wir aber auch Tiere vom Menschen ab, was stark kritisiert wird. Auf der einen Seite soll es also als Argument nicht zulässig sein Menschen mehr Rechte zuzugestehen, weil sie diese Eigenschaften haben, andersrum kann man so aber Delfine von Kühen abgrenzen?
Ich weiß der Begriff "Kriterium" wird hier nicht gerne gehört, aber um Willkür zu vermeiden muss doch irgendwie auch festgelegt werden ab wann ein Tier (und welches Tier) bestimmte Rechte haben soll, und warum.
Man könnte zum Beispiel ein Stufenrechtesystem einführen. Je höher entwickelt eine Lebensform ist, desto mehr Rechte erhält sie. Das scheitert aber daran sich darauf zu einigen wie weit entwickelt eine Lebensform ist, denn woran machen wir das fest?



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Timelaios
Beiträge: 35
Registriert: Sa 26. Sep 2020, 22:59

Sa 3. Okt 2020, 07:55

Warum sollte es nicht ein Mehreres geben. Spekulation gehört zur Lebendigkeit von Diskussionen. :?:




Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

So 29. Nov 2020, 19:54

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 5. Sep 2020, 12:34
Es artet am Ende immer in eine Form von Schizophrenie aus.
Auch auf der anderen Seite. Nun sind also Delfine in Indien "nicht-menschliche Personen". Das ist gut.
Aber warum nur Delfine? Warum nicht auch Kühe? Oder Schweine. Begründet wird der Personenstatus bei Delfinen mit ihrer Intelligenz, ihrem Selbstbewusstsein und ihrer daraus folgenden Leidensfähigkeit (?).
Mit dem selben Argument grenzen wir aber auch Tiere vom Menschen ab, was stark kritisiert wird. Auf der einen Seite soll es also als Argument nicht zulässig sein Menschen mehr Rechte zuzugestehen, weil sie diese Eigenschaften haben, andersrum kann man so aber Delfine von Kühen abgrenzen?
Ich weiß der Begriff "Kriterium" wird hier nicht gerne gehört, aber um Willkür zu vermeiden muss doch irgendwie auch festgelegt werden ab wann ein Tier (und welches Tier) bestimmte Rechte haben soll, und warum.
Man könnte zum Beispiel ein Stufenrechtesystem einführen. Je höher entwickelt eine Lebensform ist, desto mehr Rechte erhält sie. Das scheitert aber daran sich darauf zu einigen wie weit entwickelt eine Lebensform ist, denn woran machen wir das fest?
Vielleicht ist es viel einfacher, als wir es uns theoretisch ausmalen. Vielleicht ist alles Leben schützenwert, unabhängig von der Fähigkeit eines spezifischen Individuums, als Person gelten zu können.

Diese Position würde man vielleicht als moralischen Rigorismus (oder Absolutimus) kritisieren können, aber mir will nicht so recht in den Kopf, dass es für Mitleid und Mitgefühl für lebendige Individuen mehr Kriterien braucht als das schlichte, aber entscheidende Kriterium, dass sie lebendig sind. Aus dieser Einrodnung als Mitgefühl verdienende Wesen dürften ihnen vollwertige Rechte erwachsen.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

So 29. Nov 2020, 22:45

Alethos hat geschrieben :
So 29. Nov 2020, 19:54
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 5. Sep 2020, 12:34
[...]
Man könnte zum Beispiel ein Stufenrechtesystem einführen. Je höher entwickelt eine Lebensform ist, desto mehr Rechte erhält sie. Das scheitert aber daran sich darauf zu einigen wie weit entwickelt eine Lebensform ist, denn woran machen wir das fest?
Vielleicht ist es viel einfacher, als wir es uns theoretisch ausmalen. Vielleicht ist alles Leben schützenwert, unabhängig von der Fähigkeit eines spezifischen Individuums, als Person gelten zu können.

Diese Position würde man vielleicht als moralischen Rigorismus (oder Absolutimus) kritisieren können, aber mir will nicht so recht in den Kopf, dass es für Mitleid und Mitgefühl für lebendige Individuen mehr Kriterien braucht als das schlichte, aber entscheidende Kriterium, dass sie lebendig sind. Aus dieser Einrodnung als Mitgefühl verdienende Wesen dürften ihnen vollwertige Rechte erwachsen.
So einfach ist es leider in der Praxis nicht.
Der Bauer will seinen Salat anbauen um ihn zu verkaufen und nicht um damit Schnecken und Käfer zu füttern.
Wir Menschen sind nicht nur "Mitgeschöpfe". Wir sind auch Nahrungskonkurenten.
Das vergessen die Tierethiker leider häufig. Mit unserer Vorstellung von Moral lösen sich die Abhängigkeiten in den diversen Ökosystemen nicht auf. Wir bestimmen diese Abhängigkeiten auch nicht (auch wenn wir sie in gewisser Weise zum Positiven oder Negativen beeinflussen können).



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 30. Nov 2020, 20:14

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
So 29. Nov 2020, 22:45
Alethos hat geschrieben :
So 29. Nov 2020, 19:54
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 5. Sep 2020, 12:34
[...]
Man könnte zum Beispiel ein Stufenrechtesystem einführen. Je höher entwickelt eine Lebensform ist, desto mehr Rechte erhält sie. Das scheitert aber daran sich darauf zu einigen wie weit entwickelt eine Lebensform ist, denn woran machen wir das fest?
Vielleicht ist es viel einfacher, als wir es uns theoretisch ausmalen. Vielleicht ist alles Leben schützenwert, unabhängig von der Fähigkeit eines spezifischen Individuums, als Person gelten zu können.

Diese Position würde man vielleicht als moralischen Rigorismus (oder Absolutimus) kritisieren können, aber mir will nicht so recht in den Kopf, dass es für Mitleid und Mitgefühl für lebendige Individuen mehr Kriterien braucht als das schlichte, aber entscheidende Kriterium, dass sie lebendig sind. Aus dieser Einrodnung als Mitgefühl verdienende Wesen dürften ihnen vollwertige Rechte erwachsen.
So einfach ist es leider in der Praxis nicht.
Der Bauer will seinen Salat anbauen um ihn zu verkaufen und nicht um damit Schnecken und Käfer zu füttern.
Wir Menschen sind nicht nur "Mitgeschöpfe". Wir sind auch Nahrungskonkurenten.
Das vergessen die Tierethiker leider häufig.
Wir wissen, dass Löwen mit Hyänen um den Restkadaver kämpfen. Wir wissen, dass Schnecken ‚unseren‘ Salat wegknabbern. Wir wissen, dass Mäuse unseren Käse aus dem Keller stehlen und Bienen lästig an unserem Fruchtsalat nippen. Also ja, wir wissen: Es herrschen in diesen ökologischen Verbünden multiple und komplexe Konkurrenzssituationen. Das dürfen wir nicht ausblenden und „wegidealisieren“.

Aber es bleibt doch auch wahr, dass wir Menschen sind, die sich ihren Naturtrieben widersetzen können und als denkende Wesen handeln, die, angetrieben durch die Einsicht in den Wert des Lebens, Wege suchen, mit diesem Leben sorgsam umzugehen.

Dass diese Toleranz nicht immer gelingt und es manchmal besser ist, die Maus zu fangen, bevor sie uns den Käse wegschnappt, das liegt auf der Hand. Die Frage ist: Müssen wir sie totschlagen mit einer perfiden Mäusefalle oder fangen wir sie ein, um sie dort auf dem Feld wieder frei zu lassen? Vergiften wir die Schnecken, oder löken wir sie von ‚unserem‘ Salat weg? Erschlagen wir die Biene, oder legen wir ihr ein Stück Ananas auf die Seite, damit sie sich abseits von unserem Revier an ihm weiden kann?

Ich denke, dass in ökologischen Systemen nicht nur das Recht des Stärkeren gelten muss, weil es auch eine Pflicht des Klügeren gibt, die wirksam werden kann, sofern er denn auch klüger ist, und die ihn, den Klügeren, anleiten soll, das Richtige zu tun.

Tiere zu töten, um sie zu essen, das ist vielleicht evolutionär gesehen ganz okay und gut fundiert - aus der Optik eines intelligenten Wesens ist es aber nicht das Klügere. Lebewesen zu töten, um sich zu ernähren, das ist wohl natürlich gewordenes Selbstverständis und so gesehen entspringt es einer ökolgischen Tradition, aber es ist nicht klüger, das weniger Kluge zu tun, wenn es Alternativen gibt, die klüger wären.
Ich bin kein Vegetarierer, aber gerade, dass ich keiner bin, zeigt mir, dass ich fehlbar bin, denn wir müssen doch sehen, dass Tiere zu töten einfach falscher ist, als sie am Leben zu lassen. Töten ist falsch per se, das heisst, es spielt keine Rolle, zu welchem Zweck und mit welcher Begründung auch immer wir töten: Es bleibt falsch.

Wenn mich ein Löwe angreift, ich würde mich sicherlich wehren und ich würde ihn töten, wenn ich müsste, um mich zu schützen. Selbstverteidigung. Aber ich hätte mit seiner Tötung deshalb nichts Richtiges gemacht, sondern nur etwas Unvermeidliches. Aber nicht alles, was wir tun, ist unvermeidlich. Wir haben oftmals Alternativen, die wir gar nicht prüfen, weil wir es nicht müssen. Wir hinterfragen nicht, ob es richtig ist, ein Kuhkalb zu töten, damit wir es fein filetiert geniessen können, wir lassen es einfach mit Blick auf unsere Stellung in der Nahrungskette geschehen: „Brutal ist halt die Natur (für den, der auf dem Teller liegt).“ Ja, aber genau da sollten wir uns doch wenigstens die Mühe machen zu fragen, ob die Natur alles ist, was es gibt, oder ob es nicht auch Ebenen des Rechts und der Moral gibt, in denen Fairness und Gerechtigkeit eine Rolle spielen. Und ob wir, mit unseren grossen Gehirnen in den Bäuchen nicht eben diejenigen sein sollten, die weiter blicken als auf die blosse Naturseite der Dinge, auf Atomkerne und Sterne am Rande des Universums, auf Evolutionstheorien und andere Wissenschaften, sondern ob wir vielleicht ab und zu auch in uns hineinhören sollten. Manchmal müssen wir auf unser Herz hören, das in den Kulleraugen des Kuhkalbs glänzt, weil dort das moralische Gesetz in uns zurückstrahlt.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 30. Nov 2020, 21:21

Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Nov 2020, 20:14
Dass diese Toleranz nicht immer gelingt und es manchmal besser ist, die Maus zu fangen, bevor sie uns den Käse wegschnappt, das liegt auf der Hand. Die Frage ist: Müssen wir sie totschlagen mit einer perfiden Mäusefalle oder fangen wir sie ein, um sie dort auf dem Feld wieder frei zu lassen? Vergiften wir die Schnecken, oder löken wir sie von ‚unserem‘ Salat weg? Erschlagen wir die Biene, oder legen wir ihr ein Stück Ananas auf die Seite, damit sie sich abseits von unserem Revier an ihm weiden kann?
Sicher. Warum nicht. An der Stelle sind dann Ideen gefragt wie man Millionen von Insekten, Nagern und anderen Tieren von unserer tausende von Hektar umfassenden Ernteflächen fernhält.
Wenn Du da Ideen hast wende Dich an das Landwirtschaftsministerium in Deinem Land.
:-)
Ich denke, dass in ökologischen Systemen nicht nur das Recht des Stärkeren gelten muss
Was heißt "muss"? Es gibt es einfach. Als Überlebensstrategie. Genauso wie es Massenvermehrung, Intelligenz, Solidarität und vieles mehr als Überlebensstrategien gibt.
Tiere zu töten, um sie zu essen, das ist vielleicht evolutionär gesehen ganz okay und gut fundiert - aus der Optik eines intelligenten Wesens ist es aber nicht das Klügere. Lebewesen zu töten, um sich zu ernähren, das ist wohl natürlich gewordenes Selbstverständis und so gesehen entspringt es einer ökolgischen Tradition, aber es ist nicht klüger, das weniger Kluge zu tun, wenn es Alternativen gibt, die klüger wären.
Das ist kein einfaches Selbstverständis. Wer sich wirklich für Tiere interessiert,.. also wirklich... nicht nur in Form einer Ideologie.... der wird auch erkennen, dass Tiere nicht nur friedliche Pflanzenfresser sind, dass es viele Tierarten gar nicht gäbe, wenn diese sich nicht von anderen Tieren ernähren würden.
Warum soll ein Prinzip schlecht sein, das Leben hervorbringt? Denn das tut es. Fressen und Gefressenwerden ist nicht nur sinnloses, primitives Töten.
Es ist auch Basis für die Artenvielfalt auf unserem Planeten. Vom kleinsten Einzeller bis hin zum hochkomplexen Löwen.
Ich bin kein Vegetarierer, aber gerade, dass ich keiner bin, zeigt mir, dass ich fehlbar bin, denn wir müssen doch sehen, dass Tiere zu töten einfach falscher ist, als sie am Leben zu lassen.
Warum? Einfach so finde ich das nicht einsichtig. Die Begründung ist hier wichtig. Derer gibt es natürlich viele, aber die haben die Probleme die ich hier schon angesprochen habe.
Töten ist falsch per se, das heisst, es spielt keine Rolle, zu welchem Zweck und mit welcher Begründung auch immer wir töten: Es bleibt falsch.
Also das geht mir ein wenig zu weit.
Ich denke so pauschal können wir das nicht formulieren.
Wenn mich ein Löwe angreift, ich würde mich sicherlich wehren und ich würde ihn töten, wenn ich müsste, um mich zu schützen. Selbstverteidigung. Aber ich hätte mit seiner Tötung deshalb nichts Richtiges gemacht, sondern nur etwas Unvermeidliches. Aber nicht alles, was wir tun, ist unvermeidlich. Wir haben oftmals Alternativen, die wir gar nicht prüfen, weil wir es nicht müssen. Wir hinterfragen nicht, ob es richtig ist, ein Kuhkalb zu töten, damit wir es fein filetiert geniessen können, wir lassen es einfach mit Blick auf unsere Stellung in der Nahrungskette geschehen: „Brutal ist halt die Natur (für den, der auf dem Teller liegt).“ Ja, aber genau da sollten wir uns doch wenigstens die Mühe machen zu fragen, ob die Natur alles ist, was es gibt, oder ob es nicht auch Ebenen des Rechts und der Moral gibt, in denen Fairness und Gerechtigkeit eine Rolle spielen. Und ob wir, mit unseren grossen Gehirnen in den Bäuchen nicht eben diejenigen sein sollten, die weiter blicken als auf die blosse Naturseite der Dinge, auf Atomkerne und Sterne am Rande des Universums, auf Evolutionstheorien und andere Wissenschaften, sondern ob wir vielleicht ab und zu auch in uns hineinhören sollten. Manchmal müssen wir auf unser Herz hören, das in den Kulleraugen des Kuhkalbs glänzt, weil dort das moralische Gesetz in uns zurückstrahlt.
Alles gute Fragen. Was mir fehlt ist die Frage nach der Rolle des Menschen im Ökösystem.
Mir ist schon oft aufgefallen, dass in der Tierrechtsethik eine gewissen Schizophrenie vorherrscht. Die eine habe ich schon erwähnt. Die andere besteht darin auf der einen Seite dem Menschen keine Sonderrechte zusprechen zu wollen, ihn aber gleichzeitig aufgrund seiner mentalen Fähigkeiten (wir können unser Handeln überdenken) als etwas "Besonderes" vom Tier zu unterscheidendes anzusehen.
Das Ergebnis: Wir sind zu allem verpflichtet, aber zu nichts berechtigt.

Ich halte diese Schizophrenie für Quatsch.
Wir stehen nicht irgendwie draussen. Moral kann auch anerkennen, dass wir Teil des Ökosystems sind. Wir sind einer von vielen Räubern und damit Teil eines seit Jahrmillionen perfekt funktionierenden Naturprinzips. Wir leisten, wenn wir den Hasen essen den selben Beitrag für dieses Ökosystem wie der Fuchs. Und wer würde denn absprechen, dass der Fuchs als Räuber wichtig ist?
Also nein, ich denke nicht, dass es falsch ist Tiere zum Zwecke der Ernährung zu töten. Wir nehmen uns da kein Sonderrecht raus, sondern sind ein Teil eines Prinzips das unglaublich erfolgreich ist.
Worauf wir aber achten müssen ist, dass wir dieses Prinzip nicht überstrapazieren. Dass wir es nicht übertreiben. Denn auf der anderen Seite des Gleichgewichts kippt die Waage wenn die Räuber maßlos werden.
Tiere werden einfach maßlos, und die Natur reguliert die Räuber dann aufgrund ihres Funktionsprinzips (Balance: Vermehren sich die Räuber, Reduzieren sich die Beutetiere, das reduziert die Räuber und begünstigt die Beutetiere usw).
Wir hingegen erkennen dieses Prinzip und müssen nicht blind ins Verderben rennen. Wir können uns zügeln. Auch ohne ein wichtiges, elementares Naturprinzip zu verteufeln.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
Alethos
Beiträge: 4212
Registriert: Do 17. Aug 2017, 15:35
Wohnort: Schweiz

Mo 30. Nov 2020, 22:56

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 30. Nov 2020, 21:21
Also nein, ich denke nicht, dass es falsch ist Tiere zum Zwecke der Ernährung zu töten. Wir nehmen uns da kein Sonderrecht raus, sondern sind ein Teil eines Prinzips das unglaublich erfolgreich ist.
Worauf wir aber achten müssen ist, dass wir dieses Prinzip nicht überstrapazieren. Dass wir es nicht übertreiben. Denn auf der anderen Seite des Gleichgewichts kippt die Waage wenn die Räuber maßlos werden.
Leider fehlt mir die Zeit, um auf alle deine Teilantworten einzugehen.

Was mir an diesem von dir im obigen Abschnitt beschriebenen Gleichgewichtsmodell missfällt, ist, dass es den Menschen tatsächlich als eine willenlose Konstante in einem sich selbst regulierenden Ganzen (das Ökosystem) zeigt. Der Mensch darf mitspielen im Spiel von Fressen und Gefressen werden, aber nur solange das Gleichgewicht der Kräfte gewahrt bleibt. Denn das ist das Ganze letztlich: ein nach Harmonie strebender Kräftehaushalt der sich Vernichtenden und Vermehrenden.

Der Mensch, in dieser Rolle als ökologisches Wesen, erscheint als Billiardkugel, die mit anderen Billiardkugeln zusammenstösst, und wegen des Winkels und der Masse, wegen der kinetischen Kräfte, sich genau so bewegen muss und mit anderen Körpern genau so interagieren muss, wie es der ökologische Kosmos, das perfekte biotopische Puzzle gar nicht anders erlauben kann. Er ist Getriebener und Treibender. Wie ein Atomkern und ein Elektron wechselwirken, so wechselwirken die biosphärischen Kohabitanten gegeben ihr biophysischer Spin: das Gleichgewicht suchend, nicht aber wollend, nicht aber handelnd, nicht aber entscheidend.

Wenn wir uns aber nur nach mechanistischen Kriterien einordnen, uns sozusagen nur als Bioautomaten nach einem biophyschen Leitplan funktionierend betrachten, dann dürfen wir nicht vergessen, dass wir zugleich Handelnde sind. Zur Handlung gehört Reflexion, es gehört dazu, eine Wahl zu haben, unter anderem die Wahl, einen Vogel als Lebewesen zu erkennen, das mehr ist als nur Beute, mehr ist als nur vergnügliches Haustier, sondern ein Wesen mit Rechten.
Um ein Tier nicht als Sache betrachten zu können, müssen wir über die Ebene des Physischen, des Ökologischen hinaus, eine rechtlich-moralische Dimension in den Blick nehmen, in der das Du als etwas erscheint, das nicht nur erkannt, sondern als ebenbürtig und „gleichwürdig“ anerkannt wird. Wir müssen diese Perspektive nicht einnehmen, aber wir können es. Das unterscheidet uns vom Kometen, der einmal Kurs genommen, den Trägheitsgesetzen folgend fliegt und fliegt und funktioniert, wie es die Naturgesetze verlangen. Das unterscheidet uns überhaupt von allen nur den Naturgesetzen unterliegenden Dingen. Diese „Ebene des Erkennens des Lebendigen als Lebendiges“, das übersteigt das seelenlose Funktionieren als biologische und physikalische Bausteine. Diese Ebene ist die des achtsamen Gegenübers, in welchem wir uns begegnen als Berechtigte und Berechtigende. Das, meine ich, ist die Perspektive, der den Begriff der Person überhaupt erst Sinn gibt.



-------------------------------
Alle lächeln in derselben Sprache.

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Mo 30. Nov 2020, 23:37

Alethos hat geschrieben :
Mo 30. Nov 2020, 22:56
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 30. Nov 2020, 21:21
Also nein, ich denke nicht, dass es falsch ist Tiere zum Zwecke der Ernährung zu töten. Wir nehmen uns da kein Sonderrecht raus, sondern sind ein Teil eines Prinzips das unglaublich erfolgreich ist.
Worauf wir aber achten müssen ist, dass wir dieses Prinzip nicht überstrapazieren. Dass wir es nicht übertreiben. Denn auf der anderen Seite des Gleichgewichts kippt die Waage wenn die Räuber maßlos werden.
Leider fehlt mir die Zeit, um auf alle deine Teilantworten einzugehen.

Was mir an diesem von dir im obigen Abschnitt beschriebenen Gleichgewichtsmodell missfällt, ist, dass es den Menschen tatsächlich als eine willenlose Konstante in einem sich selbst regulierenden Ganzen (das Ökosystem) zeigt.
Das würde ich direkt verneinen. Das Gegenteil ist der Fall. Wer das so betrachtet nimmt den Menschen bewusst als Teil eines größeren Ganzen wahr, wo kein Tier umsonst stirbt, sondern Leben ermöglicht wird durch ein (natürliches) Prinzip das letztlich ganze Arten hervorbringt. Das ist genau die (Ein-)Sicht, die mir bei deinen Beschreibungen fehlt.
Ich weigere mich ein Prinzip, ohne das es die Tiere die Du schützen willst gar nicht geben würde, "per se" als schlecht anzunehmen.
Wenn Du in Fressen- und Gefressenwerden nur sinnloses Töten sehen willst, dann kann und will ich Dir das nicht ausreden.
Ich kann Dir nur sagen, dass Du dann einfach nicht weit genug blickst, sondern mit dem Verstehenwollen da aufhörst wo es um ein Verstehen des Ganzen geht.
Dieses Prinzip hat zigzausende Arten auf diesem Planeten hervorgebracht. Alle mindestens genauso schön und schützenwert wie Deine Kuh oder Dein Hase.
Und es geht kein Weg dran vorbei: Es gibt sie nur, weil sie Töten und Fressen.
Wer Tiere wirklich liebt, muss sie alle lieben und freut sich ob ihrer Existenz. Und das tue ich. Und es ist - wenn man dem zustimmt - unlogisch das Prinzip, worauf die Existenz vieler dieser Tiere beruht, ohne das es viele dieser geliebten Tiere nicht gäbe, als schlecht "per se" zu bezeichnen.
Das ergibt - aus der Perspektive des Tierliebenden wie ich ihn verstehe - keinen Sinn.
Wenn wir uns aber nur nach mechanistischen Kriterien einordnen, uns sozusagen nur als Bioautomaten nach einem biophyschen Leitplan funktionierend betrachten
Es tut mir leid, aber ich fühle mich von Dir nicht verstanden. Das ist keine Beschreibung dessen was ich schrieb.
Zu wissen, dass wir Teil eines größeren Ganzen sind hat nichts mit der Unbewusstheit und Umhergestossenheit von bewusstlosen Tieren oder "Bioautomaten" zu tun.
Es ist das genaue Gegenteil. Es ist die tiefere Einsicht, dass der Gegenstand der Tierliebe in Teilen nicht existieren würde ohne das große Ganze.

Ich sehe eine unglaubliche Artenvielfalt. Pflanzenfresser und Fleischfresser. Und ich sehe nicht warum ich Erstere mehr lieben sollte als Letztere, warum die einen nun mehr meiner Wertschätzung und Liebe verdient hätten als die anderen?
Wenn ich nach dem Grund für alle diese fantastische Artenvielfalt frage so wird mir klar, dass all das nur möglich ist, weil sich Lebewesen voneinander ernähren. Dieses Prinzip bringt gleichermaßen Leben hervor wie es Leben nimmt. Wer nur die eine Seite sehen will, verkennt seine Bedeutung für alles was kreucht und fleucht, für alles Lebendige auf diesem Planeten.
Deshalb lehne ich es ab dieses Prinzip pauschal als "schlecht" anzunehmen. Für mich ist das einfach eine falsche Vorstellung die geprägt ist von einer kurzsichtigen Moral.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Di 1. Dez 2020, 00:43

Mal ein - wie ich finde - sehr interessantes Beispiel für das Zusammenwirken und die Bedeutsamkeit von Produzenten, sowie Primär- und Sekundärkonsumenten für das Ökosystem.
Auch wichtig hier: Die Rolle des Menschen als ultimativer Räuber:

Wölfe, Wapiti-Hirsche und Biber im Yellowstone-Nationalpark
Im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark wurden die Wölfe in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verfolgt und bis 1926 ausgerottet, um die Population der Bisons zu sichern. Daraufhin wurde in dem Gebiet eine extreme Dichte von Wapiti-Hirschen beobachtet, die in manchen Regionen dicht wie Rinder auf der Weide standen. Nachdem Versuche, die Dichte der Wapitis durch Abschießen zu begrenzen, fehlgeschlagen waren, wurde der Wolf im Jahr 1995 erneut angesiedelt und unter Schutz gestellt. Nun kam es zu folgenden Effekten:

Entlang der Flussufer wuchsen an manchen Stellen anstelle von Gras Dickichte aus Pappeln auf. Genauere Untersuchungen zeigten, dass es sich um unübersichtliche Stellen handelt. Diese wurden nun offensichtlich von den Wapitis gemieden, die vorher durch ihren Fraß der Sämlinge die Pappeln unterdrückt hatten. Entscheidend war hier offensichtlich gar nicht so sehr die Dichtebegrenzung der Wapitipopulation durch den Fraßdruck des Prädators Wolf (wie nach Lehrbuch zu erwarten), sondern einfach die Furcht der Wapitis vor den Wölfen, also eine Verhaltensänderung. Solche indirekten Effekte sind in zahlreichen Ökosystemen hoch bedeutsam, werden aber häufig durch die Fixierung der Ökosystemforschung auf Produktion und Energieumsatz vernachlässigt.[15]
Durch die Pappeldickichte als Nahrungsressource angelockt, begann der im Nationalpark ausgestorbene Biber wieder in das Gebiet einzuwandern und erreichte bald hohe Dichten. Es zeigte sich also, dass die Präsenz des Prädators Wolf über indirekte Effekte (quasi: um zwei Ecken herum) für das Vorkommen des Bibers entscheidend ist.[16] Dies hätte niemand vorhersagen können.
Biber und Wapiti zusammengenommen können schließlich unter Umständen die Weichholzwälder wieder unterdrücken.[17]


https://de.wikipedia.org/wiki/Nahrungskette

Was man hier an diesem Beispiel sehr schön sieht ist welche Bedeutung die Sekundärkonsumenten (hier Wolf) für das Ökosystem haben. Würde man sie herausnehmen, hätte das destabilisierende Auswirkungen auf eine ganze Reihe von Arten, auch jene die gar nicht zu den Konsumenten gehören, Tiere und Pflanzen gleichermaßen.
Die Konsumenten zweiter und höherer Ordnung, also die Fleischfresser, sind für das Ökosystem mindestens genauso wichtig wie die Produzenten (autotrophe Tiere und Pflanzen), Primärkonsumenten (Pflanzenfresser) und Destruenten (Zersetzer).

Was man allerdings auch sehr schön sieht ist wie der Mensch durch sein unbedachtes Eingreifen alles aus der Bahn wirft.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Benutzeravatar
NaWennDuMeinst
Beiträge: 4640
Registriert: Sa 30. Mai 2020, 12:37

Sa 13. Mär 2021, 19:13

Gerade in den Nachrichten gesehen. In Israel hat ein Startup das erste Restaurant eröffnet in dem es Hähnchenfleisch aus der Retorte gibt.
Dieses Fleisch soll nicht nur genauso schmecken wie Fleisch von echten Hühnern, es soll insgesamt auch gesünder sein.
Ausserdem ist es "vegan", so merkwürdig das klingt. Denn für die Herstellung (Züchtung aus Muskelzellen) muss kein Huhn sein Leben lassen.
Auch in Deutschland soll es das Fleisch bald geben.

https://www.n-tv.de/wissen/Startups-set ... 48862.html

Ich bin sehr gespannt. Das könnte die Lösung für viele Probleme sein, die mit dem Fleischkonsum verbunden sind.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Antworten