Was ist Gesellschaft.

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Nauplios
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Mi 25. Okt 2023, 19:48

Die Frage, was die Gesellschaft ist hat eine ontologische Grundierung, sofern man damit ja nach einem Seinsbereich fragt. In diesem Seinsbereich lassen sich dann beispielsweise Grenzkonflikte zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre verorten. Analog einer Hausgemeinschaft gibt es Dinge, die alle angehen, über die man Absprachen trifft und auf der anderen Seite gibt es die eigenen vier Wände, die - Ungesetzliches ausgenommen - nur die Bewohner dieser Wände etwas angeht. Das ließe sich noch weiter differenzieren in das Zimmer des pubertierenden Sohnes, an dessen Tür "Eintritt verboten" steht und das elterliche Schlafzimmer, während das Wohnzimmer wiederum ein Treffpunkt aller ist usw.

Grenzkonflikte gibt es aber nicht nur zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, sondern auch zwischen Mann und Frau, zwischen Reichen und Armen, zwischen Alten und Jungen, Einheimischen und Flüchtlingen, Lehrern und Schülern, Gläubigen und dem Klerus, Kriminellen und Opfern usw. - Die kleinste Einheit ist am Ende immer der Mensch und die Gesamtheit aller Menschen ist dann die Gesellschaft. -

Aus dieser Ausgangsposition heraus importiert man Größen wie Mensch, Subjekt, Individuum, Bewußtsein, Geist u.ä. in die Theorie der Gesellschaft und damit auch alle Schwierigkeiten der Anthropologie, der Subjektphilosophie, der Bewußtseinsphilosophie, der Philosophie des Geistes, der Ontologie, der Ethik usw.

Ich will damit nicht sagen, daß die damit verbundenen Themen der Erörtung nicht wert wären, aber unter Theorie der Gesellschaft offeriert die Systemtheorie Luhmanns (von der zu Beginn des Threads schon die Rede war) ein Angebot, das sich nicht selbst ontologische Fesseln anlegt und den Menschen (was immer das genau sein mag) von seiner Rolle als dem kleinsten Grundbaustein der Gesellschaft befreit. Diese Offerte sollte man nicht ungenutzt lassen.




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Mi 25. Okt 2023, 20:25

Ist es nicht gerade bei Luhmanns Variante der Systemtheorie, dass dort "Größen wie Mensch, Subjekt, Individuum, Bewußtsein, Geist u.ä." herauseskamoniert werden als bestenfalls noch gewisse "Systemeffekte"? Das System ist der "Alleinherrscher", das "(handelnde) Subjekt" - denn diejenigen, denen zuvor dieser Titel zugedacht war - den einzelnen Menschen - sind, wie gesagt, höchstens noch Momente der jeweiligen Systemdynamik. So meine "Befürchtung" (bei nicht wirklich intimer Kenntnis von Luhmanns Systemtheorie - bin nur interessierter Laie)...




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AufDerSonne
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Mi 25. Okt 2023, 23:47

Nauplios hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 19:48
Die kleinste Einheit ist am Ende immer der Mensch und die Gesamtheit aller Menschen ist dann die Gesellschaft. -
Es geht natürlich um das Zusammenleben. Irgendwie müssen sich die Menschen (in einem Land) so organisieren, dass das Ganze funktioniert. Ich denke davon befreit uns keine Systemtheorie. Menschen haben Gefühle und Interessen. Menschen sind menschlich. Offenbar entsteht in einer gesunden Gesellschaft auf natürliche Weise eine Regierung mit dem Auftrag, dass dieses Zusammenleben (die Gesellschaft) funktioniert. Weiter sind verschiedene Gesellschaften denkbar (Gesellschaftsformen). Es ist nicht in Stein gemeisselt, wie eine Gesellschaft organisiert sein muss.
Das Problem ist schlussendlich immer das gleiche. Irgendwie müssen wir miteinander auskommen, bald auch weltweit. Deshalb ist es wichtig, dass man den einzelnen Menschen als Atom der Gesellschaft sieht (Grundbaustein). Und zwar als Mensch mit seinen Stärken und Schwächen.



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Timberlake
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Do 26. Okt 2023, 01:16

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 23:47
Nauplios hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 19:48
Die kleinste Einheit ist am Ende immer der Mensch und die Gesamtheit aller Menschen ist dann die Gesellschaft. -
Es geht natürlich um das Zusammenleben. Irgendwie müssen sich die Menschen (in einem Land) so organisieren, dass das Ganze funktioniert. Ich denke davon befreit uns keine Systemtheorie.
.. und ich denke, wenn uns die Systhemtheorie schon nicht "davon" befreien kann , so kann sie doch zumindest erklären , wie das Zusammenleben in einer Gesellschaft funktioniert. Um dazu auf die Systemtheorie von Luhmann zurück zu kommem ..

Wikipedia hat geschrieben :
Systemtheorie (Luhmann)

Die Luhmannsche Systemtheorie ist eine Spielart der Systemtheorie des deutschen Soziologen Niklas Luhmann, in welcher die Welt als grundlegend aus autopoietischen Systemen bestehend betrachtet wird, welche klar von ihrer Umwelt getrennt sind (von ihm Differenz genannt).

Autopoiesis

Eine weitere wesentliche Voraussetzung für das Vorhandensein eines Systems ist die Fähigkeit, sich selbst (wieder-)herzustellen, also die Autopoiesis. Der Merksatz im Luhmannschen Sinne lautet: Wenn es sich nicht selbst macht, ist es kein System. Dabei bezog sich Luhmann auf das Konzept der chilenischen Neurobiologen Humberto Maturana und Francisco Varela. Diese wendeten das Konzept der Autopoiesis auf organische Prozesse an und meinten damit, dass Systeme sich mit Hilfe ihrer eigenen Elemente selbst herstellen. Lebewesen sind die ursprünglichen Beispiele für autopoietische Systeme. Für den Beobachter ereignet sich Leben von selbst, ohne dass ein äußerer herstellender Prozess eingreift. Luhmann überträgt dieses Konzept nicht nur auf biologische Systeme, sondern auch auf psychische Systeme und insbesondere soziale Systeme. Auch diese reproduzieren sich selbst mit Hilfe ihrer systemeigenen Operationen (zur weiteren Erklärung dieser Operationen: siehe unten).
Daran, dass sich eine Gesellschaft mit Hilfe ihrer eigenen Elemente , als da wären "Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien" selbst (wieder-) herstellt, sollten doch wohl keinerlei Zweifel bestehen. Was mit einer Gesellschaft bezüglich dessen, also der (Wieder-) Herstellung , passiert , für den Fall , dass diese Kommunikationsmedien nicht mehr überzeugen , durften wir übrigens vor über dreißig Jahren im s.g Ostblock erleben. .. und wenn wir so weitermachen ...




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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2023, 08:07

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 23:47
Nauplios hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 19:48
Die kleinste Einheit ist am Ende immer der Mensch und die Gesamtheit aller Menschen ist dann die Gesellschaft. -
Das Zitat ist möglicherweise etwas "verfälschend". Hat Nauplios das, was du da zitierst, an dieser Stelle dargelegt oder vertreten? Da er auf Luhmann zusteuert, will er vielleicht darauf hinaus, dass der Mensch in einer gewissen Hinsicht gar nicht zur Gesellschaft gehört?!
AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 23:47
Ich denke davon [der einzelne Mensch als Atom der Gesellschaft] befreit uns keine Systemtheorie.
Vielleicht doch? Zumindest von dem Glauben, es sei so, wenn die Theorie recht hat.




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Quk
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Do 26. Okt 2023, 09:09

Ich denke, wenn man das Paradoxon vorschlägt, Menschen gehörten nicht zur Gesellschaft, dann muss man sehr genau beschreiben, was man unter dem Verb "dazugehören" versteht, andernfalls bleibt der Vorschlag paradox.




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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2023, 09:25

Der Systembegriff wurde von Luhmann mit entsprechenden Abstraktionen aus der Biologie übernommen. Ein System macht sich selbst, es erhält sich und seine Elemente (Autopoiesis). D.h. es erhält die Differenz zur Umwelt aufrecht. Das System ist die "Einheit der Differenz von System und Umwelt" - so oder so ähnlich lauten die teilweise paradox anmutenden Formulierungen. Luhmann sieht die Gesellschaft aus vielen Kommunikationssystemen wie Recht, Wirtschaft, Medizin und Kunst zusammengesetzt. Der Mensch wird in dieser Sichtweise als Teil der Umwelt dieser Systeme betrachtet. Das ist natürlich (wie in der Biologie auch) keine strikte Trennung.

Diese Darstellung ist natürlich sehr stark vereinfacht, ich hoffe aber nicht ganz falsch.




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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2023, 09:32

Nauplios hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 19:48
Die Frage, was die Gesellschaft ist hat eine ontologische Grundierung, sofern man damit ja nach einem Seinsbereich fragt.
Niklas Luhmann betont (nach meiner Erinnerung), dass es Systeme gibt - "Es gibt Systeme". Hat das nicht auch eine ontologische Grundierung?




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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2023, 10:18

Stefanie hat geschrieben :
Di 24. Okt 2023, 18:55
Arendt unterscheidet zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten. Der private Bereich ist der Bereich des Familienhaushalts.
Das gefällt mir nicht so gut. Sicher, der Familienhaushalt ist privat. Aber ich finde nicht, dass man das Private ganz damit identifizieren sollte. Als Gegenbeispiel habe ich die Handynutzung in der Öffentlichkeit gebracht.




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Stefanie
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Do 26. Okt 2023, 10:29

Im Handy Beispiel wird das Private in den Öffentlichkeit getragen. Die Handynutzung bleibt aber privat, wird nur in der Öffentlichkeit ausgeführt, was es aber nicht sollte.
Zum Privaten zählt für Arendt auch das Arbeiten und Herstellen. Das meint nicht, dass man nur in den eigenen vier Wänden arbeitet. Arbeiten ist eine private Angelegenheit, keine öffentliche Angelegenheit.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Do 26. Okt 2023, 10:36

Stefanie hat geschrieben :
Do 26. Okt 2023, 10:29
Im Handy Beispiel wird das Private in den Öffentlichkeit getragen. Die Handynutzung bleibt aber privat, wird nur in der Öffentlichkeit ausgeführt, was es aber nicht sollte
Genau, das Private ist also nicht notwendig an einen Ort gebunden. Es geht dabei eher um verschiedene Ordnungen, meine ich.




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Nauplios
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Do 26. Okt 2023, 12:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 26. Okt 2023, 09:32

Niklas Luhmann betont (nach meiner Erinnerung), dass es Systeme gibt - "Es gibt Systeme". Hat das nicht auch eine ontologische Grundierung?
"Wir sind Systemtheoretiker, aber keiner von uns hat jemals ein System gesehen." (Peter Fuchs)

"Es gibt Systeme." Das hat sicher eine ontologische Grundierung, aber diese Systeme gibt es nicht als Teilbereiche des Seienden. Es gibt nicht Systeme, die einem exklusiven Seinsbereich angehören, die dann Gegenstände einer regionalen Ontologie wären. "Es gibt Systeme" meint vor allem die epistemologische Einbettung der Systemtheorie in einen "operativen Konstruktivismus", der nicht nur die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit in den Blick nimmt, sondern auch die Wirklichkeit der gesellschaftlichen Konstruktionen. Die Systemtheorie enthält den Schlüssel für beides. (Damit könnte auch eine Jahrzehnte währende, oft hitzige Debatte, die sich auch in Foren immer wieder Spielplätze anlegt, ihrer Entschärfung zugeführt werden: die Diskussion um Konstruktivismus und Realismus.)


"So wird der Erkenntnistheoretiker selbst Ratte im Labyrinth und muss reflektieren, von welchem Platz aus er die anderen Ratten beobachtet." (Luhmann)

Die Differenz zwischen System und Umwelt wird ja im System erzeugt. Das führt zu dem paradoxen Befund: das System ist die Differenz von System und Umwelt. Die Einheit von Selbstreferenz und Fremdreferenz ist Selbstreferenz. Mit Luhmanns Worten: "Die primäre Realität liegt, die Kognition mag darauf reflektieren wie sie will, nicht in 'der Welt draußen' sondern in den kognitiven Operationen selbst".

Das heißt, das Problem, daß es ja durchaus Erkenntnis gibt, obwohl es für das System keinen "Zugang" zur Außenwelt gibt, löst sich auf, denn es gibt Erkenntnis nicht obwohl, sondern weil es diesen "Zugang" nicht gibt. Daß Erkenntnis nur "durch Abbruch von operativen Beziehungen zur Außenwelt erreichbar sei, besagt (..) nicht, daß Erkenntnis nichts Reales sei oder nichts Reales bezeichne; sie besagt nur, daß es für die Operationen, mit denen das erkennende System sich ausdifferenziert, keine Entsprechungen in der Umwelt geben kann, weil, wenn es so wäre, das System sich laufend in seine Umwelt auflösen und das Erkennen damit unmöglich machen würde." (Luhmann)

Der operative Konstruktivismus verflüssigt gewissermaßen die Realismus/Konstruktivismus-Debatte. Denn daß das System die Umwelt aus eigenen Elementen konstruiert - es ist ja operativ geschlossen - bedeutet nicht, daß es "da draußen" nichts mehr gibt.




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Nauplios
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Do 26. Okt 2023, 12:54

Es gibt einen ganz kurzen Ausschnitt aus einem Gespräch mit Peter Fuchs zum Thema "Erkenntnis durch Beobachtung", der in diesem Zusammenhang aufschlussreich ist:







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Nauplios
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Do 26. Okt 2023, 13:31

Quk hat geschrieben :
Do 26. Okt 2023, 09:09
Ich denke, wenn man das Paradoxon vorschlägt, Menschen gehörten nicht zur Gesellschaft, dann muss man sehr genau beschreiben, was man unter dem Verb "dazugehören" versteht, andernfalls bleibt der Vorschlag paradox.
Daß der Mensch keine adressierbare Größe für die Systemtheorie ist, ist ja kein Paradoxon, sondern ergibt sich aus der differenztheoretischen Unterscheidung von System und Umwelt. -

Autopoietische Systeme unterliegen der Paradoxie der Selbstbezüglichkeit, die sie unsichtbar machen müssen, um operieren zu können. Diese Zivilisierung von Paradoxien kann erkenntnistheoretisch durch den Einzug einer zweiten Ebene erfolgen; dann hat man wie bei Platon beispielsweise auf der einen Seite die Welt der Dinge und auf der anderen Seite die Welt der Ideen der Dinge oder man hat jenseits der empirischen eine transzendentale Ebene (Kant) oder man verteilt die Erkenntnis auf mehrere Beobachter oder invisibilisiert sie unter Zuhilfenahme von Zeit.

Systemtheorie ist ein riskantes Unternehmen. Sie ist der Versuch, es sich in der Höhle des Polyphem gemütlich zu machen. Die üblichen Navigationsinstrumente wie zweiwertige Logik, Hypothesenbildung, Wahrheit im Sinne der adaequatio usw. versagen hier; die Kompassnadel dreht sich im Kreis. Paradoxien müssen ausgehalten, Verfremdungen in Kauf genommen werden und ab einer bestimmten Abstraktionshöhe ist Schwindelfreiheit gefordert.

(Danke für das Einbetten des Videos)




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Nauplios
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Do 26. Okt 2023, 13:41

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 23:47

Es geht natürlich um das Zusammenleben. Irgendwie müssen sich die Menschen (in einem Land) so organisieren, dass das Ganze funktioniert. Ich denke davon befreit uns keine Systemtheorie. Menschen haben Gefühle und Interessen. Menschen sind menschlich. Offenbar entsteht in einer gesunden Gesellschaft auf natürliche Weise eine Regierung mit dem Auftrag, dass dieses Zusammenleben (die Gesellschaft) funktioniert. Weiter sind verschiedene Gesellschaften denkbar (Gesellschaftsformen). Es ist nicht in Stein gemeisselt, wie eine Gesellschaft organisiert sein muss.
Das Problem ist schlussendlich immer das gleiche. Irgendwie müssen wir miteinander auskommen, bald auch weltweit. Deshalb ist es wichtig, dass man den einzelnen Menschen als Atom der Gesellschaft sieht (Grundbaustein). Und zwar als Mensch mit seinen Stärken und Schwächen.
Das sind zustimmungsfordernde und von Konsens verwöhnte Appellationen, denen kaum jemand die Gefolgschaft verweigern wird. Darunter leidet allerdings auch ihre theoretische Belastbarkeit. ;)




Timberlake
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Do 26. Okt 2023, 15:03

Stefanie hat geschrieben :
Di 24. Okt 2023, 18:55
Arendt unterscheidet zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten. Der private Bereich ist der Bereich des Familienhaushalts.
Gefällt mir ausgesprochen gut. Zumindest, wenn man bezüglich der Frage "Was ist Gesellschaft" sich auf Luhmanns Systemtheorie bezieht.
Wikipedia hat geschrieben :
Systemtheorie (Luhmann)

Soziale_Systeme

Ein soziales System ist laut Luhmann nichts anderes als Kommunikation. Die Begriffe Kommunikation und Soziales System sind derart eng miteinander verknüpft, dass sie praktisch synonym verwendet werden können. Wann immer etwas kommuniziert, ist es ein soziales System, und umgekehrt muss jedes soziale System kommunizieren (operieren), um zu existieren.

Wird doch sowohl im öffentlichen , wie auch im Privaten etwas kommuniziert. Was übrigens, um auf mein Beispiel im Beitrag 69610 zurück zu kommen , als Teil des Ostbklocks, insbesondere in der DDR deutlich wurde und das durchaus aus eigener Erfahrung ...
Timberlake hat geschrieben :
Do 12. Okt 2023, 03:15
Um mal an dieser Stelle die Sprachverwirrung des Guten und Bösen .. so Nietzsche .. als Zeichen des Staates , an eine konkrete Frage festzumachen ..
sokrates_is_alive hat geschrieben :
Fr 25. Mär 2022, 10:24
. Gibt es eigentlich auch Philosophen, die soweit gehen, dass die Freiheit unter allen Umständen - sogar unter Inkaufnahme des kollektiven Untergangs - zu verteidigen ist?
Da hätten wir hier zum Einem .. das Gute! .. Staaten , die sich dazu berufen fühlen , die Freiheit zu verteidigen und zum Anderen .. das Böse! .. Staaten , die dazu den kollektiven Untergang in Kauf nehmen. Ich hatte seiner Zeit in der DDR , als Student an der Fachschule für Verkehrstechnik , in ähnlicher weise argumentiert. Wen würden wir denn bei einem atomaren Gegenschlag treffen? Wären das mit den Arbeitern nicht genau diejenigen , bei denen man sich dazu berufen fühlte , sie von der Ausbeutung durch die Kapitalisten zu befreien? Hier die gleiche Sprachverwirrung des Guten und Bösen, als Zeichen des Staates. Ein Zeichen, das von mir übrigens im privaten zur Sprache gebracht wurde. Solche Fragen offiziell vorgebracht , beispielsweise an der Fachschule , im Fach "Wissenschaftlicher Kommunismus", hätte unmittelbar zur Exmatrikulation geführt.

Soviel zur Wahrheit...... und dem Gefühl des gesunden Menschenverstandes .. in der DDR .
Von einem meiner Kommilitonen, wurde ich übrigens "im Privaten" davor gewarnt , es mit meinen "privaten Meinungsäußerungen" nicht zu übertreiben. Nur um einmal deutlich zu machen , wie sich ein System mit seinen "Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien ( Luhmann)" selbst (wieder-) herstellt. Einer Kommunikation bzw. Erfahrung , mit der ich wiederum heute konfrontiert bin. So zumindest mein Eindruck. Irgendwie will mir scheinen, dass ich so recht zu keinem "öffentlichen System" passe. Was allerdings vermutlich vor dem Hintergrund, meiner Anhängerschaft zu Nietzsche, wohl geradezu zwangsläufig ist . Wer mit Nietzsche "kommuniziert" und meint damit "öffentlich" furore machen zu können , hat ihn nicht verstanden. Wie übrigens auch eine Öffentlichkeit, die sich auf Nietzsches Kommunikation bezieht. ...
  • "Als Zarathustra diese Worte gesprochen hatte, sahe er wieder das Volk an und schwieg. »Da stehen sie«, sprach er zu seinem Herzen, »da lachen sie: sie verstehen mich nicht, ich bin nicht der Mund für diese Ohren.
    Muß man ihnen erst die Ohren zerschlagen, daß sie lernen, mit den Augen hören? Muß man rasseln gleich Pauken und Bußpredigern? Oder glauben sie nur dem Stammelnden?"
    Friedrich Nietzsche ... Also sprach Zarathustra
.. das mal , als "private Meinungsäußerung" , nur so nebenbei oder im Hinblick der Frage "Was ist Gesellschaft" auch nicht.




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Nauplios
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Do 26. Okt 2023, 16:17

1+1=3 hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 20:25
Ist es nicht gerade bei Luhmanns Variante der Systemtheorie, dass dort "Größen wie Mensch, Subjekt, Individuum, Bewußtsein, Geist u.ä." herauseskamoniert werden als bestenfalls noch gewisse "Systemeffekte"? Das System ist der "Alleinherrscher", das "(handelnde) Subjekt" - denn diejenigen, denen zuvor dieser Titel zugedacht war - den einzelnen Menschen - sind, wie gesagt, höchstens noch Momente der jeweiligen Systemdynamik. So meine "Befürchtung" (bei nicht wirklich intimer Kenntnis von Luhmanns Systemtheorie - bin nur interessierter Laie)...
Das System als "handelndes Subjekt" - damit hätte man ein Einfallstor für die Subjekt- und Bewußtseinsphilosophie. Man hat dann sozusagen ein Makrosubjekt, das in seinem Handeln wie ein großer Organismus vorgestellt wird, dessen einzelne Zellen die Menschen sind u.ä.

Ohne Menschen keine Gesellschaft. Aber das bedeutet nicht, daß die Gesellschaft aus Menschen besteht. Würde der Mensch in seiner Totalität, beispielsweise auch in seiner Leiblichkeit (s. den anderen Fuchs: Verteidigung des Menschen. Grundfragen einer verkörperten Anthropologie), Teil der Gesellschaft sein, wäre die Gesellschaft nach meinem Friseurbesuch "leichter", "kleiner" ... als vorher. Man würde damit schnell wieder mit der Frage konfrontiert sein: Was gehört alles von diesem verkörperten Anthopos zur Gesellschaft? - Die Haare vielleicht nicht, das Nervensystem aber wohl? Die Atemwege nicht, der Blutkreislauf hingegen wohl? usw.

Und vor allem stünde man vor dem Problem der "Verbindung" der einzelnen Subjekte zu einem Großsubjekt. Die philosophische Tradition hat hier das Angebot der Intersubjektivität gemacht (Husserl), die Soziologie spricht vom "sozialen Band" (Durkheim) die Sprache könnte ein Kandidat sein, die Vernunft ... usw.




Timberlake
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Do 26. Okt 2023, 16:35

AufDerSonne hat geschrieben :
Mi 25. Okt 2023, 23:47

Es geht natürlich um das Zusammenleben. Irgendwie müssen sich die Menschen (in einem Land) so organisieren, dass das Ganze funktioniert. Ich denke davon befreit uns keine Systemtheorie. Menschen haben Gefühle und Interessen. Menschen sind menschlich. Offenbar entsteht in einer gesunden Gesellschaft auf natürliche Weise eine Regierung mit dem Auftrag, dass dieses Zusammenleben (die Gesellschaft) funktioniert. Weiter sind verschiedene Gesellschaften denkbar (Gesellschaftsformen). Es ist nicht in Stein gemeisselt, wie eine Gesellschaft organisiert sein muss.
Um auf Nietzsche zurück zu kommen. Nach dem , wie der Mensch beschaffen ist, ist sehr wohl in Stein gemeißelt ,wie eine Gesellschaft organisiert sein muss.
Natürlich nur wenn man sich dazu überwindet , jene Wohlwollende Verstellung abzulegen , von der Nietzsche sagt , dass sie häufig im Verkehre mit Menschen nötig ist.
Zuletzt geändert von Timberlake am Do 26. Okt 2023, 16:49, insgesamt 4-mal geändert.




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Nauplios
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Do 26. Okt 2023, 16:37

Liegt in der Systemtheorie nicht auch eine "Verteidigung des Menschen" beschlossen, sofern er damit nicht länger ein Rädchen in ambitionierten Fortschrittserwartungen ist, nicht länger Prototyp für ein humanistisches Modell, das in der Zukunft liegt? :o




Timberlake
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Do 26. Okt 2023, 16:46

Das ist , zumindest nach meinen Dafürhalten , eine doch sehr "unwahrscheinliche Kommunikation".




Wo ist denn die "Beobachtung" , die diese Kommunikation wahrscheinlich macht ?




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