Arbeit

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Jörn Budesheim
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Mi 4. Mai 2022, 10:15

Was ist Arbeit? Insbesondere: Arbeitet nur der Mensch oder gibt es auch andere "Arbeitstiere"? Womit ich jetzt nicht das Nachdenken über Aliens anregen möchte, es soll ganz irdisch zugehen :-)




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Jörn Budesheim
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Mi 4. Mai 2022, 14:17

Zwei Dinge, die mir spontan dazu einfallen: Niemand arbeitet, der/die kein Bewusstsein davon hat, zu arbeiten. Arbeiten gibt es nur in arbeitsteiligen Gesellschaften - eine Vermutung auf dünnen Eis. Arbeiten muss sich gegen andere Tätigkeiten abgrenzen: Zum Beispiel Freizeit, auch wenn das ein ziemlich neues Phänomen ist. Ggf. Zeit des Spiels oder religiöse Zeit.




Burkart
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Mi 4. Mai 2022, 23:55

Der Begriff "Arbeit" ist nicht eindeutig. Ist z.B. eine freiwillige Tätigkeit Arbeit bzw. wann und wann nicht? Ich denke, das ist "Geschmackssache" bzw. subjektive Ansicht.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Jörn Budesheim
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Do 5. Mai 2022, 06:49

Hier ein Link mit einer superkurzen Geschichte der Arbeit (aus eher "westlicher" Sicht) der allerdings keine Begriffsbestimmung enthält:

https://www.planet-wissen.de/gesellscha ... t-100.html




1+1=3
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Do 5. Mai 2022, 13:05

Ist es nicht auch Arbeit, was ein jegliches selbsterschaffendes, selbsterhaltendes, selbststeigernden usw. System in seiner Eigenschaft als solches leistet?




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Jörn Budesheim
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Do 5. Mai 2022, 14:53

Den würde der Begriff für unser Leben seine "Unterscheidungsfähigkeit" einbüßen, denn dann wäre alles immer Arbeit. Ich könnte mir vorstellen, dass die "Gegenbegriffe" zu Arbeit viel über eine Kultur aussagen. Ist also Nichtarbeit bloß Regeneration und steht damit nur im Dienst der Arbeit oder ist Nichtarbeit der Raum für Muße und ähnliches.




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NaWennDuMeinst
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Do 5. Mai 2022, 18:06

Irgendwer, ich glaube es war mein Physiklehrer damals, hat mir mal gesagt Arbeit sei Leistung durch Zeit (oder war es anders? Leistung ist Arbeit durch Zeit? Ich weiß es nicht mehr).

So kann man das betrachten. Sehr humanistisch finde ich diesen Ansatz aber nicht.



But I, being poor, have only my dreams; I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.
(William Butler Yeats)

Körper
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Do 5. Mai 2022, 18:13

Nein, Leistung ist Arbeit durch eine Zeitdauer: P = W / t (je schneller, desto grösser die Leistung)
Arbeit ist Leistung über eine Zeitdauer: W = P * t (je länger man eine Leistung bringt, desto mehr hat man gearbeitet)
(zum nachlesen)




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Jörn Budesheim
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Do 5. Mai 2022, 18:50

NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Do 5. Mai 2022, 18:06
Physiklehrer
Schätze, da geht es dann um Physik :)

Ich meine so etwas: Arbeiten auf dem Feld, Arbeiten im Büro, Arbeiten auf der Baustelle, Arbeiten im Gericht, Arbeiten auf der Kanzel, Arbeiten im Krankenhaus und so weiter




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Stefanie
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Do 5. Mai 2022, 20:16

Bei Arbeitstieren fallen mir Ameisen, Bienen aber auch Hütehunde z.B. bei Schafen, Hunde bei der Polizei oder Zoll, ein.
Ameisen dürften nur arbeiten, sowas wie Muße gibt es wohl nicht. Hunde dürften anders ticken.
Affen arbeiten auch, Nahrungssuche, Kinder erziehen etc. und Faulenzen können viele Affen auch ziemlich gut.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Do 5. Mai 2022, 20:39

Ich für meinen Teil glaube nicht, dass Tiere arbeiten. Aber das muss nicht unbedingt der Premiere Gegenstand dieses Fadens werden.




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Jörn Budesheim
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Do 5. Mai 2022, 20:48

Mal sehen, was im Lexikon steht.
Wörterbuch der philosophischen Begriffe hat geschrieben : Arbeit (gr. kopos, ponos, lat. labor, molestia), mhd. arebeit, wie sich aus der Wurzel orbu ›Knecht‹ ergibt, urspr. ›Knechtstätigkeit‹, daher noch im Mhd. vorwiegend in negativem Sinn ›Not‹, ›Mühsal‹, ›mühseliges Werk‹ gebr. Arbeit wurde bis ins 19. Jh. in einem Ggs. zur Muße (↑Müßiggang) gesehen. Bereits in der Antike war auch ein privativer Arbeitsbegriff verbreitet (Arbeit gr. als a-scholia, lat. als neg-otium, jeweils wörtl. ›Nicht-Muße‹). Diese Unterscheidung ließ sich nur solange aufrechterhalten, wie die (wesentlich geistig ausgeübten) ›freien‹ Tätigkeiten (›Muße‹) von den (wesentlich körperlich ausgeführten) abhängigen Tätigkeiten eindeutig zu unterscheiden waren. Seit dem 19. Jhd. setzt sich mit der Begriffsschöpfung ›Geistige Arbeit‹ auch ein Verständnis für kreative Tätigkeit durch, das es erlaubt, nicht nur den manuell tätigen Lohnabhängigen, sondern auch den überwiegend mit seinen intellektuellen Fähigkeiten Tätigen als ›Arbeiter‹ zu bezeichnen (so z. B. in der Rede vom wissenschaftl. Arbeiter, desgl. enthalten in der Berufsbez. ›wissensch. Mitarbeiter‹, ferner im Begr. Arbeit als Synonym für das Produkt wiss. Tätigkeit, z. B. für den Aufsatz). Arbeit im heutigen Sinne bez. im allg. einen auf ein Ziel gerichteten, bewußten, der Befriedigung von Bedürfnissen oder der Verwirklichung von Werten dienenden Einsatz körperlicher und geistiger Kräfte. [von mir hervorgehoben]

In der Physik wird die Arbeit definiert als das Produkt aus einer Kraft k und dem Wege s, längs dessen sie wirkt, oder als die Bewegung eines Körpers durch eine bestimmte Strecke gegen einen vorhandenen Widerstand. Die in einem best. Zeitabschnitt verrichtete A. nennt man Leistung. Für die Umrechnung von Arbeitseinheiten gelten die gleichen Äquivalente wie für ↑Energie (seit 1978 einheitl. ›Joule‹ für Wattsekunden, Newtonmeter und Kalorien).




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Jörn Budesheim
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Do 5. Mai 2022, 20:51

"Arbeit im heutigen Sinne bez. im allg. einen auf ein Ziel gerichteten, bewußten, der Befriedigung von Bedürfnissen oder der Verwirklichung von Werten dienenden Einsatz körperlicher und geistiger Kräfte."

Nach dieser Definition müsste dann z.b. Wandern grundsätzlich eine Arbeit sein, oder?




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Stefanie
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Do 5. Mai 2022, 21:24

Hmm.
Welche Bedürfnisse bei den genannten Beispielen, arbeiten im Büro, Krankenhaus etc. gegen Bezahlung sind gemeint?
Das eine Bedürfnis ist die wirtschaftliche bzw. finanzielle Sicherheit, Nahrung, Dach über dem Kopf etc. Obwohl, sicher bin ich mir nicht, ob das ein Bedürfnis im Zusammenhang mit Arbeit ist.
Das andere sehr wichtige Bedürfnis ist das soziale, kommunikative Zusammensein mit anderen Menschen.
Ich sage es mal so...wenn ich jetzt ein ausreichendes Vermögen hätte, um bis zu meinen Tod den Standard zu haben, wie jetzt, würde ich sofort das Arbeiten im Büro aufhören.
Stattdessen, dass was Spaß macht und was ich gut kann, nur noch ehrenamtlich ausüben, um das Bedürfnis der sozialen Kontakte zu befriedigen und auch die Verwirklichung von Werten. Was dann nach der o.g. Definition auch Arbeit wäre.
Mich irritiert diese Definition etwas, warum weiß ich noch nicht.

Mir ist aufgefallen, dass nur noch von Jobs die Rede ist, nicht mehr von Stelle oder Arbeit. Es gibt die Jobbörse, nicht die Arbeit(splatz )börse. Es wird gejobbt, nicht gearbeitet. Nur so ein Nebengedanke.



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Stefanie
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Do 5. Mai 2022, 21:33

Jörn
Ist also Nichtarbeit bloß Regeneration und steht damit nur im Dienst der Arbeit oder ist Nichtarbeit der Raum für Muße und ähnliches.
Die genannte Definition unterscheidet das nicht, oder?

Ein anderer Satz ist, lebe ich um zu arbeiten, oder arbeite ich, um zu leben. Den habe ich allerdings nie so richtig verstanden.



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Do 5. Mai 2022, 22:50

Die Arbeit wird zunehmend von Maschinen, KI etc. verrichtet. Menschen entsprechend zunehmend davon "freigestellt". So wird das Konzept "Erwerbsarbeit" tendenziell immer prekärer. Es braucht also andere "Ansätze", Organisationsformen usf. dafür. Und die Menschen haben sich andere "sinnvolle" Beschäftigungen zu suchen für ihr Leben, so sie dies möchten.




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Jörn Budesheim
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Stefanie hat geschrieben :
Do 5. Mai 2022, 21:24
Was dann nach der o.g. Definition auch Arbeit wäre.
Dass auch ehrenamtlicher Formen der Arbeit Formen der Arbeit sind, finde ich jetzt nicht problematisch.




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Jörn Budesheim
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Ich glaube, was mich an der Definition besonders stört, ist, dass der Aspekt, dass Arbeit im Grunde ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist und nur von daher zu verstehen ist, nicht ausgearbeitet ist.




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Jörn Budesheim
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1+1=3 hat geschrieben :
Do 5. Mai 2022, 22:50
Die Arbeit wird zunehmend von Maschinen, KI etc. verrichtet. Menschen entsprechend zunehmend davon "freigestellt". So wird das Konzept "Erwerbsarbeit" tendenziell immer prekärer. Es braucht also andere "Ansätze", Organisationsformen usf. dafür. Und die Menschen haben sich andere "sinnvolle" Beschäftigungen zu suchen für ihr Leben, so sie dies möchten.
Stefanie hat geschrieben :
Do 5. Mai 2022, 21:24
Mir ist aufgefallen, dass nur noch von Jobs die Rede ist, nicht mehr von Stelle oder Arbeit. Es gibt die Jobbörse, nicht die Arbeit(splatz )börse. Es wird gejobbt, nicht gearbeitet. Nur so ein Nebengedanke.
Ja, das sind interessante Aspekte, finde ich auch. Vielleicht drückt sich darin aus, dass man sich zunehmend weniger über die Arbeit "definiert"? Dazu gehört vermutlich auch folgendes: Arbeit ist keine "natürliche Art", wie etwa Elementarteilchen, Vögel oder schwarze Löcher. In diesen Fällen ist es egal für die Dinge, was wir unter ihnen verstehen. Bei "Arbeit" ist das natürlich anders, was Arbeit ist hängt auch davon ab, was wir darunter verstehen wollen. Und das kann sowohl diachron als auch synchron, also über die Zeiten und Kulturen hinweg verschieden sein.

Diese "begriffliche Freiheit" hängt jedoch auch von den technischen Möglichkeiten ab. Je raffiniertere Werkzeuge wir haben, desto vielfältiger ist die Arbeitswelt. Einerseits und auf der anderen Seite drohen immer mehr aus diesem Zusammenhang herauszufallen.




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Jörn Budesheim
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Fr 6. Mai 2022, 06:55

Wenn jemand regelmäßig, sagen wir von 18 Uhr bis 21 Uhr in seiner Hobbywerkstatt an der Modelleisenbahn "arbeitet", dann läuft das in der Regel nicht unter Arbeit, sondern unter Hobby in der Freizeit. Mir ist nicht ganz klar, wie die Definition der Arbeit lauten müsste, um diesen Unterschied abbilden zu können. Was jemand in seinem Hobbykeller für sich selbst bastelt, gehört irgendwie zum Privatvergnügen :) aber nicht wirklich zur arbeitsteiligen Gesellschaft.

Naheliegend wäre der Aspekt der Bezahlung, aber wird wirklich jeder oder jede, die je gearbeitet hat, bezahlt? Hausfrauen auf jeden Fall arbeiten oftmals, ohne dafür bezahlt zu werden. Und Bauern in frühen Agrargesellschaften haben doch wohl sicherlich keinen Lohn erhalten. Zudem gab es doch ganz sicher geldlose Gesellschaften, in denen dennoch gearbeitet wurde.




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