deutschlandfunk hat geschrieben : Skepsis gegenüber der Idee einer grenzenlosen Welt der globalen Freizügigkeit äußert auch der Münchener Philosoph Julian Nida Rümelin. Dabei versteht er sich selbst als Kosmopolit, als jemand also, der das Recht auf Freizügigkeit als Menschenrecht versteht.
„Ich vertrete kosmopolitische Positionen, bin trotzdem aber anders als die meisten, die sich als kosmopolitisch verstehen, gegen eine Politik und eine Praxis der offenen Grenzen. Das ist provozierend, ist aber wohl begründet.“
Zweifellos, so der Philosoph in seinem Buch „"Über Grenzen denken“ müsse Deutschland als Mitglied der Genfer Flüchtlingskonvention für Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge die Grenzen öffnen, um den Menschen Schutz zu geben. Aber eine generelle Willkommenskultur, die angesichts globaler Ungerechtigkeiten den westlichen Wohlstand auch mit sogenannten Armutsmigranten teilen möchte, hält Nida Rümelin zwar für sympathisch, jedoch vor allem für realitätsverkennend:
Wir haben eine Milliarde Menschen die unter allerextremster Not leiden. Die Vorstellung, dass man diesen Menschen helfen kann, indem wir die Grenzen öffnen ist geradezu absurd. Einfach deshalb, weil es viel zu viele sind. Und zum anderen weil die auch gar nicht die Mittel aufbringen, das kostet 7,9, 10000 Dollar um von Ägypten nach Lampedusa oder von Ghana nach Sizilien zu kommen. D.h. quantitativ und auch von der Art der Menschen die kommen, das sind Menschen, die für uns zu den Ärmsten gehören, die aber dort in den Herkunftsregionen nicht zu den Ärmsten gehören, sonst hätten sie nämlich die Mittel nicht.
Der Kosmopolitismus Nida Rümelins basiert darauf, die Welt durch eine gerechtere Verteilung der Ressourcen gleicher zu machen, aber nicht darauf, die Grenzen zu den reichen Ländern der Welt für mehr oder weniger alle zu öffnen. Denn dies würde zu derart massiven Bevölkerungsverschiebungen führen, dass staatliche Strukturen teilweise zerstört würden. Nationalstaatliche Strukturen, die aber funktionierende Grenzen voraussetzen.
„Ich glaube nicht, dass eine humane Gesellschaft sich organisieren lässt ohne Staatlichkeit und ohne politische Gestaltungskraft, ich glaube nicht, dass wir auf organisierte Staatlichkeit, Solidarität in Institutionen, auf sozialstaatlich garantierte individuelle Rechte verzichten können. Und solange wir die Nationalstaaten als den Hauptträger haben, solange dies so ist, bedarf es staatlicher funktionierender Grenzen. Ohne diese Grenzen funktionieren diese staatlichen Gebilde nicht mehr.“
An anderer Stelle schreibt er: "Der normative Grundkonsens der Demokratie hat seinen Ursprung in der wechselseitigen Anerkennung als Freie und Gleiche."
Diese wechselseitigen Anerkennung als Freie und Gleiche ist meines Erachtens ein moralisches, universelles Gebot. Dass einige wenige Freizügigkeit genießen, nahezu universell, die Mehrheit aber nicht, verstößt meines Erachtens direkt gegen dieses Gebot. Darauf basiert nach meiner Ansicht die Idee, alle Grenzen zu öffnen oder sogar abzuschaffen. Und nicht auf der Vorstellung, dass man diesen Menschen (z.b ökonomisch) helfen kann, indem wir die Grenzen öffnen.
Der folgende Gedanke von Nida Rümelin spricht meines Erachtens auch nicht gegen das Öffnen von Grenzen: „Ich glaube nicht, dass eine humane Gesellschaft sich organisieren lässt ohne Staatlichkeit und ohne politische Gestaltungskraft, ich glaube nicht, dass wir auf organisierte Staatlichkeit, Solidarität in Institutionen, auf sozialstaatlich garantierte individuelle Rechte verzichten können. Und solange wir die Nationalstaaten als den Hauptträger haben, solange dies so ist, bedarf es staatlicher funktionierender Grenzen. Ohne diese Grenzen funktionieren diese staatlichen Gebilde nicht mehr.“
Die entscheidende Einschränkung macht er ja am Schluss selbst, wir brauchen die Grenzen nur, solange es die Nationalstaaten sind, die unsere Freiheit garantieren und umsetzen. Die Gedanken von Nida Rümelin (soweit sie in dem Artikel wiedergegeben sind) sind meines Erachtens vollständig damit vereinbar, dass man offene Grenzen als
Ziel anvisiert. Dieses Ziel wird sich sicherlich nicht kurzfristig umsetzen lassen, befürchte ich. Das heißt aber nicht dass man es nicht verfolgen sollte. Nida Rümelin glaubt nicht, dass eine humane Gesellschaft sich organisieren lässt ohne Staatlichkeit. Warum sollte ein freiheitlich organisierter demokratischer Weltstaat individuelle Rechte und Freiheit nicht ebenso garantieren können? Dafür sehe ich in den Zitaten keinen Grund.