Gibt es eine Demokratie ohne Kapitalismus?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
Tosa Inu
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Mi 28. Feb 2018, 10:58

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 10:07
Wie man hier die Balance zwischen den verschiedenen Freiheiten bewahrt, das ist natürlich die große Frage. Deine Ansätze scheinen mir erhebliche Einschränkungen der Freiheit vorzusehen. Und das kann ich nicht gut heißen.
Genau.
Wenn ich bspw. Craft-Bier brauen will. Habe ich eigentlich noch die Freiheit keine Internetpräsenz zu haben, nicht beim großen Social Media Anbieter zu sein, evtl. sogar auf ein Smartpone zu verzichten? Sicher, aber es geht vielleicht so weit, außer ich habe einen Kultladen, dass ich nicht wahrgenommen werde.

Wenn ich einen Springerjob habe, muss ich ein Handy haben und ein Bankkonto. Freiheit hier, bedeutet oft auch, Einschränkung da.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

herbert clemens
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Fr 2. Mär 2018, 08:24

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 10:07
herbert clemens hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 09:26
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die ein hohes Maß an Selbstbestimmung für alle Menschen aufweist. In der die Produzenten in erster Linie an dem Wohle der Konsumenten interessiert sind.
Selbstbestimmung sollte auch aus meiner Sicht eine Basis jeder Gesellschaft sein. Daraus folgt jedoch zunächst einmal, dass Produzenten sich an dem orientieren dürfen, was sie selbst für richtig erachten. Wenn sie sich allein für Gewinne interessieren, dann ist das eben so. Auch diese Freiheit darf nicht ohne weiteres eingeschränkt werden. Denn Freiheit ist das oberste Gebot. Die Freiheit des Einzelnen endet jedoch da, wo die Freiheit eines Anderen tangiert wird, aber auch nicht früher. Wenn jemand sich entscheidet, dass „Gewinn“ für ihn die einzige Möglichkeit ist, dann hat er alles Recht dazu. An diesem Punkt kann ich dir auf keinen Fall zustimmen. Freiheit ist nämlich immer auch die Freiheit des anders Denkenden. Dass du (ich oder wer auch immer) Gewinnmaximierung nicht magst, kann nicht ohne weiteres ein Kriterium sein.

Verschiedene und konkurrierende Lebensentwürfe müssen selbstverständlich möglich sein und wenn jemand möglichst reich werden will, dann ist das Ausdruck seiner Freiheit. Die Freiheit des Unternehmers kann natürlich nicht grenzenlos sein. Weil die Anderen die natürliche Grenze sind. Aus der Unternehmerfreiheit folgt also zum Beispiel nicht, dass er Arbeiter unter unmenschlichen Bedingungen und mit unzureichender Bezahlung "halten" darf. Wie man hier die Balance zwischen den verschiedenen Freiheiten bewahrt, das ist natürlich die große Frage. Deine Ansätze scheinen mir erhebliche Einschränkungen der Freiheit vorzusehen. Und das kann ich nicht gut heißen.
Dass Gewinnmaximierung als Ziel des Handelns auftaucht, ist einer bestimmten geschichtlichen Form der Wirtschaftsweise geschuldet. In anderen Formen, in anderen geschichtlichen Epochen, taucht sie nicht auf. Es ist keine „natürliche“ oder anthropologische Konstante. Deshalb ist sie für mich nicht einfach so ein offensichtlicher Inhalt von Selbstbestimmung.
Ich habe auführlich geschildert, dass ich auch in erster Linie die Selbstbestimmung des Produzenten als wichtig ansehe. Die Selbstbestimmung des Produzenten richtet sich in jeder Gesellschaftsform gleich welcher wirtschaftlichen Organisationsform auf die Idee, ein Produkt zu entwickeln, und auf die Weise, wie dies bewerkstelligt wird. Diese Freiheit schätze ich als sehr wichtig ein (und habe deswegen Bedenken gegenüber einer demokratischen Planwirtschaft (tarvoc)).
Als Gedankenexperiment stelle ich dem Kapitalismus, der Gewinnmaximierung für alle als Ziel angibt, aber nur wenigen Besitzenden die Möglichkeit zur Realisierung gibt, eine soziale nachhaltige Marktwirtschaft gegenüber. Die Freiheit, seinen Reichtum in der quantitativen Ausweitung des Konsums zu verwirklichen, wäre nicht abgeschafft, die Freiheit, sich Reichtum auf Kosten anderer, zu erwerben, allerdings wohl. Noch einmal anders formuliert, materieller Reichtum, wegen meiner in Geldquantitäten gemessen, ist in meinem Denken durchaus akzeptabel,
Die demokratisch legitimierte Abschaffung von Aktiengesellschaften als Rechtsform wäre nach meinem jetzigen Erkenntnisstand andererseits durchaus wünschenswert. (Diese Idee ist übrigens für mich neu, und aus dem Gespräch hier entstanden.) Zur Zeit ist sie wohl nicht realistisch (also habt keine Sorge).
Aber: Was wäre, wenn tatsächlich 9 von 10 Menschen sich für ein anders Wirtschaftsmodell in einer demokratischen Wahl entscheiden würden?
Eine unangemessenen Einschränkung von Freiheiten mir zu unterstellen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin Anhänger von kleinen Brauereien, die dunkles Bier brauen.




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Jörn Budesheim
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herbert clemens hat geschrieben :
Fr 2. Mär 2018, 08:24
[Gewinnmaximierung als Ziel ]ist keine „natürliche“ oder anthropologische Konstante. Deshalb ist sie für mich nicht einfach so ein offensichtlicher Inhalt von Selbstbestimmung.
Diesen Argumentationsschritt verstehe ich nicht. Warum sollte Wahlfreiheit auf anthropologische Konstanten limitiert sein? Oder wie ist das gemeint?
herbert clemens hat geschrieben :
Fr 2. Mär 2018, 08:24
Die demokratisch legitimierte Abschaffung von Aktiengesellschaften als Rechtsform wäre nach meinem jetzigen Erkenntnisstand andererseits durchaus wünschenswert.
Warum sollte man jemandem verbieten, Anteile an seinem Geschäft zu verkaufen? Und was sollte damit erreicht werden?




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Jörn Budesheim
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Fr 2. Mär 2018, 09:00

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 28. Feb 2018, 09:26
Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die ein hohes Maß an Selbstbestimmung für alle Menschen aufweist. In der die Produzenten in erster Linie an dem Wohle der Konsumenten interessiert sind.
herbert clemens hat geschrieben :
Fr 2. Mär 2018, 08:24
Eine unangemessenen Einschränkung von Freiheiten mir zu unterstellen, kann ich nicht nachvollziehen.
Dein Statement "In der die Produzenten in erster Linie an dem Wohle der Konsumenten interessiert sind" liest sich für mich so. Du willst den Produzenten vorschreiben, wie sie zu denken haben. Das ist eine Einschränkung ihrer Freiheit. So was ist möglich, aber muss sehr gut begründet sein. Ich bin kein Wirtschaftwissenschaftler, daher weiß ich nicht, inwiefern zum Beispiel solche Theorien mittlerweile obsolet sind, die davon ausgehen, dass das Eigeninteresse der "Produzenten" und das "Wohl der Konsumenten" sich in einem gewissem Maße sogar bedingen. Das müsste man erst mal recherchieren, was hier der Stand des Wissens ist.




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Tarvoc
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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 2. Mär 2018, 09:00
Ich bin kein Wirtschaftwissenschaftler, daher weiß ich nicht, inwiefern zum Beispiel solche Theorien mittlerweile obsolet sind, die davon ausgehen, dass das Eigeninteresse der "Produzenten" und das "Wohl der Konsumenten" sich in einem gewissem Maße sogar bedingen.
Dass es hier irgendeinen zwingenden Zusammenhang gäbe, wird einfach durch praktisch alle Empirie widerlegt. Wenn es einen gäbe, dürfte es z.B. sowas wie geplante Obsoleszenz nicht geben. Aber das ist auch nur ein Beispiel dafür, wie es zwischen den Interessen der produzierenden Firmen und denen der Konsumenten zu regelrechten Widersprüchen kommen kann. Man könnte auch andere Beispiele anführen.



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novon
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Fr 2. Mär 2018, 22:34

Das funktioniert, sofern man Konsument vorweg als hirnlosen Idioten annimmt. Aber selbst Stalin (RIP) sollte mittlerweile kapiert haben, dass das, wenn überhaupt, nur sehr bedingt passt.




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Tarvoc
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Sa 3. Mär 2018, 01:39

novon hat geschrieben :
Fr 2. Mär 2018, 22:34
Das funktioniert, sofern man Konsument vorweg als hirnlosen Idioten annimmt.
Bezieht sich das auf meinen letzten Beitrag?



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herbert clemens
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So 4. Mär 2018, 09:52

Zu Jörns Beiträgen weiter oben:
Von Gewinnmaximierung als Ziel meines Handelns zu reden, macht nur Sinn, wenn ich von einem kapitalistischen Kontext ausgehe.
Wenn ich eine andere Wirtschaftsweise für erstrebenswert halte, und ich davon einen Mehrheit von Menschen überzeugen könnte, hätte dies Ziel in dieser Formulierung keinen Bestand.
Davon setze ich als Ziel Reichtum ab, dass mir also eine Fülle von materiellen Wohlstand wichtig sein kann.
Natürlich sind in marktwirtschaften Gesellschaften Konsumenten und Produzenten aufeinander bezogen. Durch das kapitalistische Prinzip der Gewinnmaximierung kommt jedoch eine sachfremde Orientierung auf Geldvermehrung ins Spiel.
Ich verstehe nicht: Am Wohl des Gegenübers oder einer Gesamtheit von Menschen interessiert zu sein, führt zu Unfreiheit?
Produkte werden doch immer deshalb erzeugt, um den Konsumenten einen Nutzen zu bringen. Durch das Prinzip der Gewinnmaximierung wird dies allerdings der Tendenz nach außer Kraft gesetzt. Die Geldvermehrung wird zum einzigen Ziel. Mir geht es in diesem Thread darum auszuloten, wie ein möglichst hohes Maß an Selbstbestimmung im gesellschaftlichen Rahmen, insbesondere also hier Wirtschaft und Staat, zu ermöglichen ist. Grundsätzlich trete ich für eine Marktwirtschaft ein, die nach sozialen Erwägungen demokratisch reguliert wird.
Im ethischen Zusammenhang könnte man über „Haben und Sein“ (Erich Fromm“) nachdenken. Gestern sah ich ein schönes Zitat von Antoine de Saint-Exupery: „Wer nur um Gewinn kämpft, erntet nichts, wofür es sich lohnt zu leben.“

Noch ein Nachtrag zu Aktiengesellschaften: Es geht ja nicht darum, einer Privatperson zu verbieten, Anteile an seinem Geschäft zu verkaufen. Es geht darum, dass in unserem hoch entwickelten Finanzkapitalismus die Geldvermehrung als Selbstzweck zu absurden und die Menschheit und Erde bedrohenden Auswüchsen führt. Als Gedankenexperiment biete ich an, über Genossenschaften als wirtschaftlicher Organisationsform (statt AG) nachzudenken.




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Tarvoc
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So 4. Mär 2018, 17:47

herbert clemens hat geschrieben :
So 4. Mär 2018, 09:52
Produkte werden doch immer deshalb erzeugt, um den Konsumenten einen Nutzen zu bringen. Durch das Prinzip der Gewinnmaximierung wird dies allerdings der Tendenz nach außer Kraft gesetzt.
Genauer gesagt: Es wird nicht einfach nur tendenziell außer Kraft gesetzt, sondern zunächst mal dem Prinzip der Gewinnmaximierung unterworfen, und zwar nicht tendenziell, sondern vollständig. Selbst den Konsumenten einen Nutzen bringen wollen die Produzenten nur noch zum Zweck der Erwirtschaftung von Profit. In allen Fällen, in denen sich dieser Zweck auch anders und mit weniger Aufwand verfolgen lässt, wird dann tendenziell eben dazu übergegangen, ihn anders zu verfolgen.



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Jörn Budesheim
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Mo 5. Mär 2018, 05:55

herbert clemens hat geschrieben :
So 4. Mär 2018, 09:52
Zu Jörns Beiträgen weiter oben:
[..]
Ich verstehe nicht: Am Wohl des Gegenübers oder einer Gesamtheit von Menschen interessiert zu sein, führt zu Unfreiheit?
Du schreibst "zu Jörns Beiträgen weiter oben" und dann unterstellst du mir etwas, was ich nie gesagt habe ... Und was auch nicht aus irgendetwas, was ich gesagt habe folgt.




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Jörn Budesheim
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Bei Produkten ohne Käufern ist es ziemlich schwierig die Gewinne zu maximieren ...




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Tarvoc
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Mo 5. Mär 2018, 10:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Mär 2018, 06:02
Bei Produkten ohne Käufern ist es ziemlich schwierig die Gewinne zu maximieren ...
U.a. setzt dein Argument optimale Transparenz der Produktionsprozesse voraus - also etwas, das bei marktwirtschaftlicher Produktion schlicht unmöglich ist.

Es ist einfach Tatsache, dass es unübersehbar viele Möglichkeiten gibt, Profite zu machen, ohne das Wohl der Kunden im Auge zu haben. Viele davon hängen sogar noch nicht mal direkt mit Intransparenz zusammen, sondern haben ganz andere Gründe. Tatsächlich kann es schon dem Kundenwohl widersprechen, sie überhaupt in eine Situation zu bringen, in der sie auf deine Produkte angewiesen sind. Ein gutes Beispiel dafür ist Monsanto und die Privatisierung der Rechte auf Saatgut.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Mo 5. Mär 2018, 10:30, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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Tarvoc hat geschrieben :
Mo 5. Mär 2018, 10:22
Es ist einfach Tatsache, dass es unübersehbar viele Möglichkeiten gibt, Profite zu machen, ohne das Wohl der Kunden im Auge zu haben.
Bild

Stimmt, das ist eine Tatsache. Aber der Gedanke, dass das Eigeninteresse der "Produzenten" und das "Wohl der Konsumenten" sich in einem gewissem Maße sogar bedingen, setzt gar nicht voraus, dass die "Produzenten" das Wohl der Kunden im Auge zu haben.




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Tarvoc
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Mo 5. Mär 2018, 10:30

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Mär 2018, 10:29
Aber der Gedanke, dass das Eigeninteresse der "Produzenten" und das "Wohl der Konsumenten" sich in einem gewissem Maße sogar bedingen, setzt gar nicht voraus, dass die "Produzenten" das Wohl der Kunden im Auge zu haben.
Erläutere das doch bitte. Es gibt ja nun wirklich genug Gegenbeispiele gegen einen solchen Zusammenhang. Es wurden hier auch schon einige angeführt.

Präzisiere doch mal, welchen Zusammenhang du da siehst.



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herbert clemens
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Mi 7. Mär 2018, 09:48

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 5. Mär 2018, 05:55
herbert clemens hat geschrieben :
So 4. Mär 2018, 09:52
Zu Jörns Beiträgen weiter oben:
[..]
Ich verstehe nicht: Am Wohl des Gegenübers oder einer Gesamtheit von Menschen interessiert zu sein, führt zu Unfreiheit?
Du schreibst "zu Jörns Beiträgen weiter oben" und dann unterstellst du mir etwas, was ich nie gesagt habe ... Und was auch nicht aus irgendetwas, was ich gesagt habe folgt.
Du hast oben geschrieben: "Dein Statement "In der die Produzenten in erster Linie an dem Wohle der Konsumenten interessiert sind" liest sich für mich so. Du willst den Produzenten vorschreiben, wie sie zu denken haben. Das ist eine Einschränkung ihrer Freiheit."
Das Einzige, was ich in meinem Beitrag, den du kritisierst, angesprochen hatte, war, dass die Produzenten das Wohl der Konsumenten im Auge haben sollen. Das ist für mich in etwa sinngleich mit „ Am Wohl des Gegenübers oder einer Gesamtheit von Menschen interessiert zu sein“. Du schreibst dann: „Das ist eine Einschränkung ihrer Freiheit.“ Ich verstehe also nicht, worin meine Unterstellung besteht. Wahrscheinlich habe ich dich missverstanden. Mir legt es jedenfalls fern, einen anderen Menschen etwas vorzuschreiben.
Ich halte es für sinnvoll, wenn ein Produzent Interesse und Freude an seinen Produkten hat und die Produkte sich auf die Bedürfnisse der Konsumenten ausrichten. Das schafft schöpferische kreative Freiheit.
Gesellschafttheoretisch formuliert, suche ich nach Möglichkeiten eines „Dritten Weges“. Ob der niedergeschlagene „Prager Frühling“ dafür Anregungen geboten hätte? Weiß da jemand etwas?
Trotz des herrschenden Prinzips der Gewinnmaximierung gibt es ja auch Gegentendenzen:
Bauern, die sich um das Tierwohl und einen gesunden Boden kümmern,
Textilfirmen, die sich um faire und biologische Klamotten kümmern (fand gerade einen interessanten, indirekt passenden Link in einer Mail: https://utopia.de/manomama-gegen-zaland ... -261511969
meine Lieblingsfirma (Schuhe und mehr) www.gea.at/
fairtrade hat gute Umsatzsteigerungen, ….




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Do 8. Mär 2018, 15:47

herbert clemens hat geschrieben :
Mi 7. Mär 2018, 09:48
Trotz des herrschenden Prinzips der Gewinnmaximierung gibt es ja auch Gegentendenzen:
Die Frage ist, ob das, was du aufzählst, wirklich gesellschaftliche Tendenzen sind, oder nicht doch eher individuelle "Marotten".

Da, wo man es tatsächlich mit so etwas gesellschaftlichen Tendenzen zu tun hat, hat man oft das Problem, dass die Produkte oftmals so viel teurer sind, dass nur "Besserverdienende" sie sich leisten können (Reformbewegung, Fair Trade, etc.). Eine Gemeinnützigkeit, die nur Reiche sich leisten können, nutzt buchstäblich niemandem außer dem guten Gewissen besagter Reicher.



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Mir ist gerade nicht danach, genauer zu belegen, wie hoch die Wachstumsraten im Bereich Bio-Produkte oder im Bereich fairer Handel sind. Ich habe die Hoffnung, dass die Tendenz weiter steigend ist.
Reichtum ist ein relativer Begriff. Sind z. B. Sozialpädagogen, Erzieher, Lehrer, …, reich wenn sie „bewusst“ konsumieren? Natürlich ist es auch meine „Marotte“ ein gutes Gewissen zu haben, aber ich unterstütze doch mit meinem Kaffee eine Kooperative in Nicaragua, mit meiner Jeans eine Genossenschaft in Indien, mit meiner Schokolade eine Genossenschaft in Bolivien, … Es nutzt also schon einigen Menschen mehr. Das bedeutet ja nicht, auf weitergehende Forderungen im politischen Raum zu verzichten.




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So 11. Mär 2018, 14:25

herbert clemens hat geschrieben :
So 11. Mär 2018, 11:57
Sind z. B. Sozialpädagogen, Erzieher, Lehrer, …, reich wenn sie „bewusst“ konsumieren?
Zumindest sind sie wohlhabend genug, um sich das leisten zu können. Eine Selbstverständlichkeit ist das ja wohl kaum - noch nicht mal hierzulande. Vom Rest der Welt mal ganz zu schweigen.



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Di 13. Mär 2018, 09:10

Tarvoc hat geschrieben :
So 11. Mär 2018, 14:25
herbert clemens hat geschrieben :
So 11. Mär 2018, 11:57
Sind z. B. Sozialpädagogen, Erzieher, Lehrer, …, reich wenn sie „bewusst“ konsumieren?
Zumindest sind sie wohlhabend genug, um sich das leisten zu können. Eine Selbstverständlichkeit ist das ja wohl kaum - noch nicht mal hierzulande. Vom Rest der Welt mal ganz zu schweigen.
Das ist richtig. Wir sind relativ reich, weil wir in Deutschland alle auch vom globalen Ausbeutungszusammenhang profitieren. Das spricht aber nicht dagegen, auch durch bewussten Konsum Zeichen zu setzen. Und es sind mehr als Zeichen, wenn Kakaobauern in Ghana oder Bolivien, … für ihren Kakao einen existenzsichernden Lohn und eine Schule für ihre Kinder finanzieren können, und Kinderarbeit eingeschränkt wird. …
Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie bleibt brilliant und in Grundzügen zutreffend. Auch aufgrund eines anderen Menschenbildes und aufgrund der historischen Erfahrungen halte ich ein Beibehalten von marktwirtschaftlichen Elementen für sinnvoll.
Regulierungen finden auch unter neoliberalen Vorzeichen immerzu statt, wie sie aussehen, ist auch eine Frage der politischen Einflussnahme.
Ein Beispiel: https://aktion.campact.de/mercosur/appe ... t=random-c
Dreischritt: selbst ein freiheitliches faires Bewusstsein entwickeln, dementsprechend leben (und auch konsumieren), auch im politischen Raum für faire Regelungen eintreten.




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Di 13. Mär 2018, 12:14

herbert clemens hat geschrieben :
Di 13. Mär 2018, 09:10
Dreischritt: selbst ein freiheitliches faires Bewusstsein entwickeln, dementsprechend leben (und auch konsumieren), auch im politischen Raum für faire Regelungen eintreten.
:!:
Meine ergänzenden Vorschläge sind:
4. Sich dabei nicht zu Tode stressen und
5. auf moralische Überheblichkeit verzichten.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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