Gibt es eine Demokratie ohne Kapitalismus?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Alethos
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Sa 11. Nov 2017, 10:26

Nun ja, nein, die fools und greater fools kommen ja vor, sie sind sogar sehr prominent vertreten in meiner Überlegung.

Ich gebe aber zu, dass die theoretischen Überlegungen flach sind, insofern es keine ‚Plastizität’, keine rationale Dimensionalität gibt. Märkte sind ja nicht einfach mechanische Konstrukte, sondern darin kommen Menschen vor, Hoffnungen, Erwartungen, Wünsche, Bedürfnisse, Sicherheit und Unsicherheit etc.
Deshalb müssten wir vielleicht die Tulpen nochmal etwas genauer betrachten resp. das Warum sie Spekulationsblüten treiben analysieren :-)

Geld ist ja kein Wert an sich, sondern sein Wert kommt in der Form eines verbürgten Versprechens auf späteren Konsum. Geld gilt als Gültigkeit dieses Versprechens, und die Erwartung, dass dieses Versprechen in Zukunft mehr bedeuten dürfte zeigt nicht nur, dass wir konsumierende Wesen sind, sondern auch hoffende :-)



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Jörn Budesheim
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Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 10:26
fools
Ah, verstehe :-) Aber die Fools, die auf der Suche nach noch größeren Dummköpfen sind, müssen ja keine Besitzer von "Produktionsmitteln" sein. Es waren je gelegentlich sogar Mägde, die mit Tulpen in die Märkte gingen.




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Tarvoc
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Sa 11. Nov 2017, 18:03

Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 09:48
Ich überlege mir zu Beginn der nächsten Saison die Spielergagen und lege nach meinem Motto fest, dass alle gleich viel verdienen werden. Der eine flinke und schnelle Spieler kommt zu mir ins Büro und beklagt sich: ‚Ich habe doch viel mehr Verdienste im Team als xy, ist es gerecht, dass ich gleich viel verdienen soll wie er?‘
Sag mir erstmal, wie du an das Geld gekommen bist, mit dem du dir deinen Fußballverein kaufst, und mit welcher fußballerischen Leistung du es verdient hast.

An deiner Analogie sind eine ganze Reihe von Dingen falsch. Zum Beispiel: Erstens bemisst sich der Wert der Lohnarbeit auf einem kapitalistischen Arbeitsmarkt nicht daran, ob der Arbeiter besonders tüchtig ist, sondern daran, was er zur Reproduktion seiner Arbeitskraft benötigt. Du wirst als Kapitalist den flinken und schnellen Spieler nicht nur deshalb besser bezahlen als einen anderen, weil er besser spielt. Sondern eine Lohnerhöhung für ihn kommt für dich nur dann in Frage, wenn du entweder dir daraus höhere Profite erhoffen kannst, oder Profiteinbrüche befürchten müsstest, wenn du es nicht tust. Wenn für dich zu arbeiten seine einzige Option ist, dann kann er tausendmal flinker und schneller sein als die anderen, er wird trotzdem mit dem selben Lohn vorlieb nehmen müssen. Man sieht hier, dass sein Lohn mit seinen spielerischen Fähigkeiten überhaupt nichts zu tun hat. Sie sind einfach kein Faktor in der Berechnung des Tauschwerts seiner Arbeit. Der Arbeitsmarkt kennt weder Moral noch Belohnung in diesem Sinne. Zweitens erzielt der Kapitalist (also in diesem Beispiel du) seinen eigenen Wohlstand überhaupt nicht durch eigene Lohnarbeit, sondern durch Abschöpfung des Mehrwerts der Arbeit anderer, nämlich seiner beschäftigten Lohnarbeiter. Niemand wird ausschließlich durch eigene Arbeit Milliardär. Es geht bei Kapitalismuskritik nicht darum, zu bemängeln, dass manche Lohnarbeiter mehr verdienen als andere, sondern darum, dass alle Lohnarbeiter ausgebeutet werden, weil kein Kapitalist einen Lohnarbeiter anstellen würde, dessen Arbeit keinen Mehrwert für ihn abwirft. Die fundamentale Ungleichheit des Kapitalismus besteht nicht darin, dass ein Lohnarbeiter vom Kapitalisten besser bezahlt wird als ein anderer, sondern darin, dass es überhaupt Kapitalisten gibt, die Loharbeiter für sich arbeiten lassen. Dein flinker, schneller Spieler könnte ja mal ganz keck fragen, warum du überhaupt die Löhne festlegen darfst und nicht die ganze Mannschaft gemeinsam über die Verwendung der erwirtschafteten Einnahmen entscheiden sollte. Der Grund dafür ist, dass du damit seine Arbeitskraft kaufst - und das geht nur, weil du Kapital hast und er nicht. In einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel Gemeineigentum sind, ergibt sich dein Szenario gar nicht.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 10:26
Geld ist ja kein Wert an sich, sondern sein Wert kommt in der Form eines verbürgten Versprechens auf späteren Konsum.
Nein. Du tust so, als könne man mit Geld nur Konsumgüter erwerben und nicht z.B. auch Produktionsmittel und Arbeitskraft. Der Wert des Geldes kommt dadurch zustande, dass es als allgemeines Tauschäquivalent fungiert, d.h. Zugriff auf alle anderen Waren erlaubt. Konsumgüter sind zwar heutzutage üblicherweise Waren, aber nicht alle Waren sind Konsumgüter.



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Tarvoc
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Sa 11. Nov 2017, 18:39

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 09:51
Irgendwie fehlen in deiner "Definition" die "Kapitalisten" :-) also die Unternehmer (seien es nun Privatpersonen oder Gesellschaften) , die mit der Hoffnung auf Gewinn etwas auf den Markt bringen.
In seinem Fußballbeispiel ist der Kapitalist ja auf fast gespenstische Art gleichzeitig abwesend und anwesend. :mrgreen:



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Jörn Budesheim
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Sa 11. Nov 2017, 18:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 7. Nov 2017, 06:51
Demokratie ohne Kapitalismus?
Ein "interessanter Nebenaspekt" der Frage: Was auch immer Kapitalismus im Einzelnen sein mag, so wie wir ihn jetzt kennen, ist er zwingend mit Wachstum verbunden. Wenn dieses Wachstum an seine Grenzen stößt (Ressourcen sind erschöpft, Umwelt ist lahmgelegt) und es mit dem Kapitalismus nicht weiter gehen kann, was passiert dann mit der Demokratie, wenn es sie ohne Kapitalismus nicht gibt?




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Tarvoc
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Sa 11. Nov 2017, 18:59

Wenn die Umwelt in dem Sinne "lahmgelegt" ist, in dem unsere gegenwärtige Weltgesellschaft sie über kurz oder lang lahmzulegen droht, hat sich das Demokratieproblem schon dadurch erledigt, dass es dann keine Menschen mehr gibt, die noch demokratisch oder undemokratisch regiert werden könnten.



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Alethos
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Sa 11. Nov 2017, 20:41

Tarvoc hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 18:03
An deiner Analogie sind eine ganze Reihe von Dingen falsch. Zum Beispiel: Erstens bemisst sich der Wert der Lohnarbeit auf einem kapitalistischen Arbeitsmarkt nicht daran, ob der Arbeiter besonders tüchtig ist, sondern daran, was er zur Reproduktion seiner Arbeitskraft benötigt. Du wirst als Kapitalist den flinken und schnellen Spieler nicht nur deshalb besser bezahlen als einen anderen, weil er besser spielt. Sondern eine Lohnerhöhung für ihn kommt für dich nur dann in Frage, wenn du entweder dir daraus höhere Profite erhoffen kannst, oder Profiteinbrüche befürchten müsstest, wenn du es nicht tust. Wenn für dich zu arbeiten seine einzige Option ist, dann kann er tausendmal flinker und schneller sein als die anderen, er wird trotzdem mit dem selben Lohn vorlieb nehmen müssen. Man sieht hier, dass sein Lohn mit seinen spielerischen Fähigkeiten überhaupt nichts zu tun hat. Sie sind einfach kein Faktor in der Berechnung des Tauschwerts seiner Arbeit. Der Arbeitsmarkt kennt weder Moral noch Belohnung in diesem Sinne.
Es gibt hier offensichtlich ein ganz essentielles Missverstehen. Ich habe meinen Fussballclub nicht kapitalistisch organisiert, sondern egalitär etatistisch. Alle erhalten per Verordnung denselben Lohn, weil sie sich in ihrer Funktion für das System grundsätzlich nicht unterscheiden. Sie alle führen eine Arbeit aus, deren Wert durch die Höhe des Lohnes nicht unterscheidbar ist.

Nun gibt es aber vor meinem Idealismus ein Entkommen für die, die besonders tüchtig sind :) Denn mein Wunsch nach Gleichheit wird durch die besondere Leistung des einen und seinem Wunsch nach Anerkennung konkurrenziert. Er kann nun entweder seine Lohnforderung gegen die verordnete Gleichheit durchsetzen, indem er seinen Mehrwert in seiner Tätigkeit verdeutlicht und aufzeigen, dass er weniger gleich sei als alle anderen. Das wird mein System natürlich nicht tolerieren. Er wird auswandern, falls er es kann, und dort einen Arbeitgeber suchen, der ihm den gewünschten Lohn zu zahlen bereit ist. Oder er wird, ganz in orwellschem Sinn, einen Aufstand, gar einen Umsturz anzetteln, weil er allen anderen aufzeigen kann, wie ungerecht doch die gleichmacherische Nivellierung meines Systems ist. Und dieses Schicksal droht jedem egalitären System, das per Autorität eine Gleichheit erzwingt, wo keine ist.


In einem kapitalistischen System funktioniert es so, dass die einen mehr verdienen als die anderen. Aber sie tun es in der Regel wegen ihrer besonderen Fähigkeiten. Dass es auch Financiers gibt, die von den Zinsen ihrer Vermögen leben, das ist sicherlich auch richtig. Aber das System erlaubt grundsätzlich den sozialen Aufstieg. Das ist meritokratisch und nicht grundsätzlich schlecht.



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Sa 11. Nov 2017, 20:45

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 18:45
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 7. Nov 2017, 06:51
Demokratie ohne Kapitalismus?
Ein "interessanter Nebenaspekt" der Frage: Was auch immer Kapitalismus im Einzelnen sein mag, so wie wir ihn jetzt kennen, ist er zwingend mit Wachstum verbunden. Wenn dieses Wachstum an seine Grenzen stößt (Ressourcen sind erschöpft, Umwelt ist lahmgelegt) und es mit dem Kapitalismus nicht weiter gehen kann, was passiert dann mit der Demokratie, wenn es sie ohne Kapitalismus nicht gibt?
Dann gibt es wohl keine Demokratie. Aber ich bezweifle diese notwendige Beziehung, nur habe ich noch keine stichhaltige Begründung. :)



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Sa 11. Nov 2017, 21:05

Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 20:41
Ich habe meinen Fussballclub nicht kapitalistisch organisiert, sondern egalitär etatistisch.
Du hast ihn ganz klar kapitalistisch organisiert und trittst dabei selbst als der Kapitalist, d.h. Arbeitgeber auf. Da auch ein Staat Arbeitgeber sein kann, schließen sich diese beiden Dinge aber ohnehin nicht aus.

Dass die Art, wie du deinen Fußballclub führst, nicht deinen imaginären Vorstellungen von Kapitalismus entspricht, heißt einfach nicht, dass du dabei nicht Kapitalist und deine Fußballer nicht Lohnarbeiter sind.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 20:41
In einem kapitalistischen System funktioniert es so, dass die einen mehr verdienen als die anderen. Aber sie tun es in der Regel wegen ihrer besonderen Fähigkeiten.
Das ist stimmt aber eben einfach nicht. Und ich hab' auch schon erklärt, warum das nicht stimmt. Ich zitier' mich einfach mal selbst.
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 18:03
Du wirst als Kapitalist den flinken und schnellen Spieler nicht nur deshalb besser bezahlen als einen anderen, weil er besser spielt. Sondern eine Lohnerhöhung für ihn kommt für dich nur dann in Frage, wenn du entweder dir daraus höhere Profite erhoffen kannst, oder Profiteinbrüche befürchten müsstest, wenn du es nicht tust. Wenn für dich zu arbeiten seine einzige Option ist, dann kann er tausendmal flinker und schneller sein als die anderen, er wird trotzdem mit dem selben Lohn vorlieb nehmen müssen. Man sieht hier, dass sein Lohn mit seinen spielerischen Fähigkeiten überhaupt nichts zu tun hat. Sie sind einfach kein Faktor in der Berechnung des Tauschwerts seiner Arbeit. Der Arbeitsmarkt kennt weder Moral noch Belohnung in diesem Sinne.
Geh' mal darauf ein, anstatt das einfach wohlfeil zu überlesen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 20:41
Aber das System erlaubt grundsätzlich den sozialen Aufstieg. Das ist meritokratisch und nicht grundsätzlich schlecht.
Nein, das ist nicht meritokratisch. Der Markt kennt kein Meritum.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Sa 11. Nov 2017, 21:09, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 11. Nov 2017, 21:08

Also ich verdiene doppelt soviel wie vor 2 Jahren. Das ist ein Meritum.

Und doch: Ich habe meinen Fussballclub als Kommunismus-Modell skizziert und 11 Proletarier erschaffen. D.h. ich bin in meinem Modell auch nicht der Staat, sondern die Partei.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 11. Nov 2017, 21:12, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 11. Nov 2017, 21:11

Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:08
Also ich verdiene doppelt soviel wie vor 2 Jahren. Das ist ein Meritum.
Nein, das heißt einfach nur, dass du jetzt mehr verdienst. Wie das ökonomisch zustande gekommen ist, müsste man sich im Detail ansehen. Ganz generell: Dein Verdienst wird nicht den Wert übersteigen, den du insgesamt produzierst. Er wird vielmehr immer darunter liegen. Dein Merit besteht darin, deinem Arbeitgeber Profit zu scheffeln - aber diesen Merit hat jeder Lohnarbeiter, ansonsten würde er gar nicht eingestellt. Wenn er deinen Lohn erhöht, dann vermutlich genau aus einem der beiden von mir oben genannten Gründe. Welchen Grund sollte er sonst haben?
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:08
Und doch: Ich habe meine Fussballclub als Kommunismus-Model skizziert
Nein, hast du nicht. Du hast ihn allenfalls als etwas skizziert, was du persönlich für Kommunismus hältst. Um mich nochmal selbst zu zitieren:
Tarvoc hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 18:03
Dein flinker, schneller Spieler könnte ja mal ganz keck fragen, warum du überhaupt die Löhne festlegen darfst und nicht die ganze Mannschaft gemeinsam über die Verwendung der erwirtschafteten Einnahmen entscheiden sollte. [...] In einer Gesellschaft, in der die Produktionsmittel Gemeineigentum sind, ergibt sich dein Szenario gar nicht.
Das ist ein Kommunismus-Modell. Im Übrigen geht daraus schon hervor, dass die Idee, Meriten zu belohnen, dem überhaupt nicht widerspricht.

Der Markt hingegen kennt keine Meriten, er arbeitet völlig blind.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:08
und 11 Proletarier erschaffen.
Das zeigt um so mehr, dass dein Modell ein kapitalistisches ist. Im Kommunismus gibt es keine Proletarier.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:08
D.h. ich bin in meinem Modell auch nicht der Staat, sondern die Partei.
Von mir aus. Der entscheidende Punkt ist, dass du als Arbeitgeber, d.h. Kapitalist auftrittst.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Sa 11. Nov 2017, 21:20, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 11. Nov 2017, 21:20

Tarvoc hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 18:03
Du wirst als Kapitalist den flinken und schnellen Spieler nicht nur deshalb besser bezahlen als einen anderen, weil er besser spielt. Sondern eine Lohnerhöhung für ihn kommt für dich nur dann in Frage, wenn du entweder dir daraus höhere Profite erhoffen kannst, oder Profiteinbrüche befürchten müsstest, wenn du es nicht tust. Wenn für dich zu arbeiten seine einzige Option ist, dann kann er tausendmal flinker und schneller sein als die anderen, er wird trotzdem mit dem selben Lohn vorlieb nehmen müssen. Man sieht hier, dass sein Lohn mit seinen spielerischen Fähigkeiten überhaupt nichts zu tun hat. Sie sind einfach kein Faktor in der Berechnung des Tauschwerts seiner Arbeit. Der Arbeitsmarkt kennt weder Moral noch Belohnung in diesem Sinne.
Du brauchst dich nicht selber zitieren, wir sind ja kooperativ.

Als Kapitalist (und ich spreche hier nun also nicht mehr von meinem Fussballclub) würde ich ihm mehr Lohn geben, wenn er für mich einen besonderen Nutzen hat, d.h. wenn er für mich einen Mehrwert schafft.

Aber ich verstehe nicht, warum es seine einzige Option sein muss, für mich zu arbeiten. Gerade schrieb ich doch, dass er sich einen anderen Arbeitgeber suchen kann?

Und dass der Arbeitsmarkt sehr wohl Belohnung kennt, kann ich aus meiner eigenen Erfahrung erzählen. Bei Moral bin ich mir nicht mehr so sicher, gebe ich zu.



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Sa 11. Nov 2017, 21:24

Sorry, Tarvoc. Du hast deinen Beitrag so schnell modifiziert, dass ich gar nicht mehr nachkomme mit meinen Antworten.

Vielleicht sammeln wir die Argumente für und dagegen in einem anderen Thread und beginnen eine Kommunismus vs. Kapitalimus-Diskussion? Vielleicht finden wir auf dem Weg die ideale Gesellschaftsform.



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Sa 11. Nov 2017, 21:25

Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:20
Aber ich verstehe nicht, warum es seine einzige Option sein muss, für mich zu arbeiten. Gerade schrieb ich doch, dass er sich einen anderen Arbeitgeber suchen kann?
Und der zahlt ihm mehr, weil...? Womöglich um ihn von dir abzuwerben. Aber das setzt schon voraus, dass er nennenswert mehr Mehrwert erzeugt als ein anderer Arbeiter. In den meisten Branchen ist der Unterschied nicht derart groß. Aber abgesehen davon heißt das ja auch nur, dass er sich effektiver ausbeuten lässt als andere Arbeiter. Die Differenz zwischen seiner Mehrwertproduktion und der anderer Arbeiter muss dabei höher sein als die Lohndifferenz beim Arbeitgeberwechsel, weil sich sonst kein Arbeitgeber die Mühe machen würde, ihn abzuwerben. Wenn sie niedriger wäre, wäre das sogar ein Verlustgeschäft.
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:20
Und dass der Arbeitsmarkt sehr wohl Belohnung kennt, kann ich aus meiner eigenen Erfahrung erzählen.
Es kann ja sein, dass ein besseres Marktergebnis bei dir mit tatsächlichen Fähigkeiten koinzidiert, aber sie sind nicht die einzige Ursache.
Zuletzt geändert von Tarvoc am Sa 11. Nov 2017, 21:34, insgesamt 2-mal geändert.



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Tarvoc hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:25
Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:20
Aber ich verstehe nicht, warum es seine einzige Option sein muss, für mich zu arbeiten. Gerade schrieb ich doch, dass er sich einen anderen Arbeitgeber suchen kann?
Und der zahlt ihm mehr, weil...?
Zum Beispiel, weil er sich weitergebildet hat oder über ausgezeichnete analytische Fähigkeiten verfügt oder weil er das Team insgesamt zu höherer Leistung motivieren kann etc. Oder er hat beim Stellenwechsel einfach gut verhandelt. Es gibt viele Gründe für eine Ungleichbehandlung, die nicht in der Ausbeutung des Arbeitnehmers liegen müssen.

Es ist aber schon so, dass man nicht einfach darauf hoffen kann, beschenkt zu werden. Man muss leisten und wer mehr und besser leistet, diese Leistung auch präsentieren kann, der hat bessere Chancen auf mehr Lohn. Das kann man als Unterwerfung unter das kapitalistische Sklaventum ansehen, aber auch einfach als einen fairen Wettkampf um gute Plätze, d.h. als sportlichen Event?



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Sa 11. Nov 2017, 21:36

Alethos hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 21:32
Es gibt viele Gründe für eine Ungleichbehandlung, die nicht in der Ausbeutung des Arbeitnehmers liegen müssen.
Der Grund ist immer der, dass sich dein Arbeitgeber von deiner Beschäftigung einen höheren Profit erhofft als von der Beschäftigung eines anderen. Es gibt keinen anderen Grund dafür, dir mehr zu zahlen.

Der Punkt ist eigentlich der: Der Lohnarbeiter erhält immer weniger an Lohn, als er an Wert produziert. Würde er mehr Lohn produzieren (oder auch nur genausoviel), wie er an Wert schafft, würde es sich für den Kapitalisten nicht lohnen, ihn überhaupt zu beschäftigen. Wenn dir jemand mehr Lohn anbietet, dann nur, weil er hofft, dass der Wert, den du produzierst, die Differenz wieder mehr als wettmacht, d.h. auch trotz erhöhtem Lohn für ihn einen Mehrwert abwirft, und zwar einen, der höher ist, als wenn er einfach irgendwen angeheuert hätte. Du stehst dann vielleicht besser dar als die meisten anderen Arbeiter, aber du machst immer noch einen Verlust verglichen mit einer Situation, in der du freien Zugang zu den Produktionsmitteln hättest und dort (alleine oder in Kooperation mit anderen) für dich selbst produzieren könntest - und zwar deshalb, weil du als Lohnarbeiter eben nicht nur für dich selbst arbeitest, sondern für den Profit eines anderen, und du nur deshalb überhaupt arbeiten kannst, weil du jemand anderem einen Profit erzielst. Wären die Produktionsmittel vergesellschaftet und in den Händen der Arbeiter, die sie betreiben, dann käme dir der ganze Wert zu, den du tatsächlich produzierst.

Kurz: Der Profit des Arbeitgebers ist der Verlust des Arbeitnehmers - nämlich genau der Teil der vom Arbeiter produzierten Produkte, der über den Wert hinausgeht, den er als Lohn ausgezahlt bekommt. Dass ein Arbeitnehmer aus einer Beschäftigung Vorteile gegenüber anderen Arbeitnehmern ziehen kann (genau das bedeutet "gesellschaftlich aufsteigen" hier), ist geschenkt, ändert aber nichts. (In dem Sinne, in dem du von "gesellschaftlichem Aufstieg" redest, ist es auch ein Aufstieg, von Hartz IV weg in ein Arbeitsverhältnis zu kommen. D.h. es ist ein Aufstieg, wieder jemand anderem einen Profit erwirtschaften zu "dürfen".)



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Sa 11. Nov 2017, 22:34

Zwischenfrage: was ist der Mehrwert von sozialen Dienstleistungen?
Kinder- und Jugendarbeit, Behindertenhilfe, Obdachlosenhilfe, Drogenhilfe? Was wird in diesen Bereichen produziert?



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Tarvoc
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Stefanie hat geschrieben :
Sa 11. Nov 2017, 22:34
Zwischenfrage: was ist der Mehrwert von sozialen Dienstleistungen? Kinder- und Jugendarbeit, Behindertenhilfe, Obdachlosenhilfe, Drogenhilfe?
Das kommt darauf an. Wenn es sich um eine profitorientierte Dienstleistung handelt, die zum Zweck der Erwirtschaftung von Profit auf den Markt geworfen wird, dann ist die Dienstleistung selbst die angebotene Ware. Auch hier gilt ja dann wieder, dass der Wert der Ware von der aufgewendeten Arbeitszeit abhängt, der Wert der Arbeitskraft der Lohnarbeiter sich aber anders ergibt - wodurch eben wieder ein Mehrwert entstehen kann. Wenn es sich gar nicht um ein profitorientiertes Marktangebot handelt, sondern z.B. um eine gemeinnützige Einrichtung, dann wird eben kein Profit erwirtschaftet. Dann muss aber der Träger in anderen Bereichen genug Profit erwirtschaftet haben, um das tragen zu können. Deshalb wird das dann oft entweder vom Staat oder von Kirchen angeboten.



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Sa 11. Nov 2017, 23:08

Wenn es sich gar nicht um ein profitorientiertes Marktangebot handelt, sondern z.B. um eine gemeinnützige Einrichtung, dann wird eben kein Profit erwirtschaftet. Dann muss aber der Träger in anderen Bereichen genug Profit erwirtschaftet haben, um das tragen zu können. Deshalb wird das dann oft entweder vom Staat oder von Kirchen angeboten.
Es handelt sich um kein profitorientiertes Marktangebot. Die Kunden hab einen Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen (Unterstützungsleistungen, Hilfeleistungen in vielen Bereichen des Lebens) gegen den Staat. Der Staat übernimmt in der Regel nicht diese Leistungen, bzw. bietet diese nicht an. Das machen die freien Träger und die kirchlichen Träger. Diese bekommen dann vom Staat einen bestimmten Satz X, mit dem müssen diese dann auskommen. Diese Träger sind alle gemeinnützig organisiert, und können daher nicht an anderen Stellen Profit erwirtschaften. Bei denen, die z.B. im Bereich der Drogenhilfe oder im Bereich der WfBM Arbeitsplätze haben, die Waren produzieren oder Dienstleistungen anbieten ist es eine Mischkalkulation, d.h. die Sätze des Staates sind geringer, da ja Einnahmen hinzukommen. Oder z.B. die Kindergartenfinanzierung in NRW, dass ist ein Nullsummenspiel, der Träger kann froh sein, wenn er den Betrieb mit einer schwarzen Null hinbekommt. Nicht umsonst ziehen sich die Kommunen und die Kirchen immer weiter aus dem Betrieb von Kindergärten zurück.

Welche Waren produzieren diese gemeinnützigen Organisationen? Eine Produktion, die auch nicht einfach mal gesteigert werden kann, wenn es mal finanziell knapp wird. Was ist die produzierte Ware eines Kindergartens, einer Wohnstätte für Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen?

Ich frage das ernsthaft. In einem anderem Forum hatte ich das auch mal einen Marx Kenner gefragt... er konnte es nicht beantworten.

Zur Info: Ich kenne die Systematik und die Refinanzierungsregelungen von sozialen Organisationen ziemlich gut.



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Sa 11. Nov 2017, 23:55

Ganz generell: Was nicht für einen Markt produziert wird, um einen Umsatz (Tauschwert) zu realisieren, ist auch keine Ware. Nicht alle Produkte sind Waren. Es kann durchaus sein, dass diese Dienstleistungen keine sind. Was wäre damit gezeigt?

Übrigens haben die Kirchen natürlich anderweitige Einnahmen. Die katholische Kirche besitzt z.B. sogar eine Bank. Auch der Staat hat Einnahmen.



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