Gibt es eine Demokratie ohne Kapitalismus?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2017, 20:06

Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 20:03
Es geht also nicht um Profit, sondern um fairen Profit.
Welchen Sinn hat es, die Tatsache zu leugnen, dass die Begriff Gewinn und Profit verschieden konnotiert sind?




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Tarvoc
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So 12. Nov 2017, 20:07

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 20:06
Welchen Sinn hat es, die Tatsache zu leugnen, dass die Begriff Gewinn und Profit verschieden konnotiert sind?
Erkläre mir, wo in der Sache der Unterschied liegt. Die "unterschiedlichen Konnotationen" sind einfach die, dass das eine Wort bei dir positive Gefühle hervorruft und das andere nicht. Deine Gefühle sind kein ökonomischer Sachverhalt. Sie sind für diese Diskussion vollkommen irrelevant. Wenn du einen begrifflichen Unterschied einführen willst, müsstest du sagen, worin in der Sache ein Unterschied besteht.



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Alethos
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So 12. Nov 2017, 20:27

Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 19:53
Alethos hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 19:35
Ich denke übrigens nicht, dass die beiden Begriffe synonym verwendet werden können. Ein Unternehmen, das einen Euro Gewinn macht, ist nicht per se profitabel, weil es z.B. einen gewissen Cashflow erwirtschaften muss, z.B. für Investitionen. Profitabel ist ein Unternehmen, wenn es gewisse Kennziffern erreicht: return on investment oder EBIT-Margen etc.
Ob ein Profit übrigens hoch genug ist, dass Shareholders sich für ihn interessieren, oder nicht, ändert übrigens nichts daran, ob es sich um einen Profit handelt oder nicht. Dass ein hoher Profit für die Eigner und Investoren immer wünschenswerter ist als einer, der nur aus Peanuts besteht, versteht sich sowieso von selbst. Dass sie bei Profiten, die zu gering sind, ihr Geld woanders anlegen, ist natürlich auch klar. Das ist aber ja alles schon dadurch mit eingerechnet, dass sich die Profitrate aus dem Verhältnis des Mehrwerts zum investierten konstanten Kapital ergibt. Davon abgesehen wäre auch die Frage, wie die Erwartungshaltungen irgendwelcher Shareholder zur Begriffsbestimmung dessen beitragen, was Profit ökonomisch ist. Um eine bestimmte Profitrate fordern zu können, braucht man ja bereits einen Begriff von Profit.
Ich meine, dass Profit nicht nur eine für Investoren relevante Grösse ist, sondern für das Unternehmen selbst von grösster Wichtigkeit. Dabei ist die Höhe des Gewinns entscheidend, um bestimmen zu können, ob es profitabel ist oder nicht. Eine Unternehmung, die 1 Euro Profit macht könnte man sozusagen zu den Non-Profit-Organistionen zählen. Profit und Gewinn sind deshalb nicht ganz dasselbe.

Wir sprechen ja nicht nur von Shareholder-Interessen, sie ist im Grunde für 98% der Unternehmungen eine irrelevante Gruppe, da sie gar keine Investoren kennen (entweder weil die Unternehmung nicht kotiert ist oder so klein ist, dass sich die Investorenbrut nicht für sie interessiert.)

Mir scheinen die Interessen der Stakeholder viel wichtiger zu sein: Faire Bedingungen für Zulieferer (damit sie nicht unter den runtergehandelten Preisen leiden und uns nicht mehr beliefern können), gute Beziehungen zu den Mitarbeitern (damit sie motiviert bleiben und ihren Beitrag gerne und gut leisten), ein gesundes Unweltbewusstsein (aus Imagegründen, aber auch zum Schutz der Ressourcen) etc. etc. Das alles gehört zum Schaffen von Mehrwerten dazu, und nich nur die investierte Arbeitszeit zur Veredelung eines Produkts. Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein.



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Tarvoc
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So 12. Nov 2017, 20:39

Alethos hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 20:27
Ich meine, dass Profit nicht nur eine für Investoren relevante Grösse ist, sondern für das Unternehmen selbst von grösster Wichtigkeit. Dabei ist die Höhe des Gewinns entscheidend, um bestimmen zu können, ob es profitabel ist oder nicht. Eine Unternehmung, die 1 Euro Profit macht könnte man sozusagen zu den Non-Profit-Organistionen zählen. Profit und Gewinn sind deshalb nicht ganz dasselbe.
Mh ja - aber der Unterschied ist ein quantitativer, keiner in der Sache. Ich denke, genau das ist der Grund, dass z.B. Marx die beiden Begriffe synonym benutzt. Er ist ja auch nicht der einzige Ökonom, der so redet.
Alethos hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 20:27
Mir scheinen die Interessen der Stakeholder viel wichtiger zu sein: Faire Bedingungen für Zulieferer (damit sie nicht unter den runtergehandelten Preisen leiden und uns nicht mehr beliefern können), gute Beziehungen zu den Mitarbeitern (damit sie motiviert bleiben und ihren Beitrag gerne und gut leisten), ein gesundes Unweltbewusstsein (aus Imagegründen, aber auch zum Schutz der Ressourcen) etc. etc. Das alles gehört zum Schaffen von Mehrwerten dazu, und nich nur die investierte Arbeitszeit zur Veredelung eines Produkts. Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein.
Das ist aber einfach nicht das, was man üblicherweise mit dem Wort Mehrwert meint. Diese Dinge können sich vielleicht allenfalls auf den Warenwert und damit womöglich indirekt auf den Mehrwert auswirken.



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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2017, 20:49

Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 20:07
Deine Gefühle sind kein ökonomischer Sachverhalt.
Wie funktioniert eigentlich Werbung? Hat das was mit Gefühlen zu tun? Warum buhlen Unternehmen um meine Gefühle, wenn sie nicht von Bedeutung sind? Warum gibt es dann überhaupt sowas wie Imagewerbung? Wenn die Unternehmer für Anleger werben, dann schreiben sie von lukrativen Gewinnen, aber nicht von Profit. Übrigens ist das Gefühl nicht nur für den Erfolg nach Außen wichtig, sondern auch für die Identifikation nach innen. Ist es für das Unternehmen wirklich nicht von Belang, ob die Mitarbeiter sich dem Unternehmen verbunden fühlen, zum Beispiel weil es nicht nur auf Profit setzt, sondern fair agiert? Das Gefühl fair behandelt zu werden und auch fair zu sein, das ist von größter Bedeutung, dafür verzichten die Menschen auch auf sichere Gewinne, wie man aus verschiedensten Untersuchungen weiß. Wie viel Gefühl spielt sogar bei der Markteinschätzung eine Rolle und den damit verbundenen Fragen? Markt ist zu großen Teilen Psychologie bis hin zur Hysterie ...




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Tarvoc
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So 12. Nov 2017, 21:28

Dein ganzer Beitrag redet buchstäblich völlig an meinem Punkt vorbei. Es ging um Folgendes und um nichts anderes: Deine Gefühle, die du hast, wenn du das Wort "Profit" hörst, haben keinerlei Relevanz für das, was Profit ökonomisch gesehen ist. Wenn du einen Unterschied zwischen Profit und Gewinn machen willst, musst du sagen, worin hier ökonomisch gesehen ein Unterschied in der Sache bestehen soll. Ansonsten ist der Verweis auf "Konnotationen" einfach an der Sache vorbei geredet. Wenn du das nicht kannst, dann gibt es eben keinen Grund, hier irgendeinen begrifflichen Unterschied zu machen. Und nein, die Frage, was Profit ist, ist nicht "zum größten Teil Psychologie", sondern ganz und gar eine ökonomische Frage. Kaufentscheidungen sind vielleicht Psychologie, aber das interessiert gerade gar nicht.

Also nochmal ganz direkt gefragt: Was ist der Unterschied zwischen Profit und Gewinn? Welchen Unterschied willst du hier machen?



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Alethos
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So 12. Nov 2017, 21:47

Ich vermute mal, dass Jörn auf den kapitalismuskritischen Slang verweist, der die marxistische Färbung deiner Postulate ausdrückt. Du könntest nämlich genauso gut von Überschuss sprechen und eine gewisse emotionale Neutralität in die Konnotation legen.



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Jörn Budesheim
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So 12. Nov 2017, 21:55

Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:28
Wenn du einen Unterschied zwischen Profit und Gewinn machen willst, musst du sagen, worin hier ökonomisch gesehen ein Unterschied in der Sache bestehen soll.
Nein, das muss ich nicht, weil ich auf etwas anderes hinaus will. Das hab ich weiter oben bereits erläutert. Es ist für eine Analyse keineswegs egal, ob man wertende Begriff nutzt oder nicht. Du setzt auf Begriffe, die tendenziös sind und eine negative Wertung nahe legen, ohne das zu begründen.




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Tarvoc
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So 12. Nov 2017, 21:58

Alethos hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:47
Ich vermute mal, dass Jörn auf den kapitalismuskritischen Slang verweist, der die marxistische Färbung deiner Postulate ausdrückt.
Aber wieso denn? Auch Leute, denen man Marxismus nun wirklich nicht unterstellen kann, sprechen von Profit. Das Wirtschaftsmagazin des Radiosenders WDR 5 heißt zum Beispiel "WDR 5 Profit". Auch viele Marketingagenturen haben das Wort "Profit" im Namen. Zum Beispiel diese hier: Dein Profit - Die Agentur für Synergie-Marketing. Oder dieser Verkäufer und Ankäufer von Schmuckgegenständen: Schmuck Profit.

Es scheint fast so, als sei die "negative Konnotation" von "Profit" eine Privatmarotte von Jörn Budesheim, die noch nicht mal von denen geteilt wird, die tatsächlich Gewinne machen wollen. Ein weiterer Grund, warum emotionale Reaktionen hier keine Rolle spielen können: Nicht nur bestimmen sie nicht den Sachbezug des Begriffs, sondern sie sind auch völlig vom jeweiligen Individuum abhängig.
Alethos hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:47
Du könntest nämlich genauso gut von Überschuss sprechen und eine gewisse emotionale Neutralität in die Konnotation legen.
Das hat den kleinen Schönheitsfehler, dass der Überschuss nur im Kapitalismus die Form eines Gewinns bzw. Profits annimmt.
Zuletzt geändert von Tarvoc am So 12. Nov 2017, 22:10, insgesamt 4-mal geändert.



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Tarvoc
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So 12. Nov 2017, 22:00

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:55
Es ist für eine Analyse keineswegs egal, ob man wertende Begriff nutzt oder nicht.
Da bist du im Irrtum, und zwar grundsätzlich. Es ist für eine Analyse tatsächlich buchstäblich völlig egal, welche "Wertungen" du persönlich mit den Begriffen assoziierst, solange sie für die Begriffsbestimmung im Rahmen der Analyse keine Rolle spielen und man klar bestimmen kann, was gemeint ist. Das einzig Entscheidende ist der Sachbezug. Niemand ist verpflichtet, in seinen Analysen nur solche Wörter zu verwenden, die vom Obersten Wortrichter Jörn Budesheim für "hinreichend wertfrei" befunden werden. Dass eine solche Verpflichtung selbst alles andere als unideologisch wäre, sollte klar sein.

Überhaupt sind wir an einem toten Punkt in der Diskussion angelangt. Du hast an dem, was ich sage, inhaltlich nichts auszusetzen, aber dir gefallen die Worte nicht, in denen ich diese Inhalte ausdrücke, und zwar ohne echte sachliche Begründung. Die Begründung reduziert sich buchstäblich darauf, dass dir das Wort "Profit" nicht gefällt, weil es sich für dich persönlich unbehaglich anfühlt.

Um mal Hegel zu paraphrasieren: Theorie ist nicht zur emotionalen Erbauung da.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:55
Du setzt auf Begriffe, die tendenziös sind und eine negative Wertung nahe legen, ohne das zu begründen.
Ich bin nicht für deine persönlichen Assoziationen und gefühlsmäßigen Reaktionen verantwortlich.



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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2017, 05:27

Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 22:00
Du hast an dem, was ich sage, inhaltlich nichts auszusetzen,
Na doch, ich setze aus, dass du ohne es begründet zu haben, Wertung vornimmst.

Im übrigen: Wenn du tatsächlich der Ansicht wärest, dass die Begriffe Profit und Gewinn synonym sind, dann könntest du problemlos statt von Profit von Gewinn reden, um weitere Missverständnisse zu vermeiden.

Die Bedeutung von Begriffen hängt selbstverständlich auch an dem semantischen Feld, in dem sie stehen. Die Beziehung der verschiedenen Zeichen untereinander stiftet ebenso Bedeutung wie der Sachbezug. Der Begriff Profit z.b. steht im selben (spannungsreichen) semantischen Feld wie z.b. der Begriff Profitgier, aber auch der deutlich weniger negativ konnotierte Begriffe profitabel. Es ist offensichtlich, dass man das bei den Begriff Gewinn nicht sagen kann; es bedarf schon einer gewissen Anstrengung, um diesen Begriff in ein negatives Licht zu tauchen. (Hurra, Sie haben bei russisch Roulette gewonnen!")

Und daher ist es auch kein unerklärlicher Zufall, dass in Zusammenhängen, in denen der Kapitalismus negativ dargestellt werden oder kritisiert werden soll, regelmäßig der Begriff Profit auftaucht, während in affirmativen Zusammenhängen in der Regel der Begriff Gewinn verwendet wird. Es ist offensichtlich, dass es allein schon aufgrund der sprachlichen Voreinstellungen schwierig ist, vorurteilsfrei und wertungsfrei über den Gesamtzusammenhang zu reden.




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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2017, 08:10

Ähnliches gilt im übrigen für den Begriff Kapitalismus. Er gehört hierzulande, wie es in dem zu Beginn verlinkten Artikel heißt zu den "ideologisch aufgeladenen Schlagworten". In manchen Zusammenhängen ist es nahezu ein Kampfbegriff. Während der Begriff in den USA selbstverständlich verwendet wird, gilt bei uns bereits die Wortwahl als „links“ oder gar „marxistisch“ - man spricht dann statt dessen eher von "Marktwirtschaft", obwohl dieser Begriff es sachlich nicht ohne weiteres trifft: "Es geht um den Einsatz von Kapital mit dem Ziel, hinterher noch mehr Kapital zu besitzen, also einen Gewinn zu erzielen. Es handelt sich um einen Prozess, der exponentielles Wachstum erzeugt. Genau dieser zentrale Zusammenhang geht bei dem Begriff Marktwirtschaft verloren, der in Deutschland so beliebt ist." (U. Herrmann)

Der Autor Edmund Conway macht klar, dass die Sozialisten und Marxisten des 19. Jahrhunderts den Begriff "Kapitalismus" in einem abwertenden Sinn verwendet haben, um die ihrer Ansicht nach "verabscheuten Aspekte des modernen Wirtschaftslebens zu kritisieren: Ausbeutung, Ungleichheit und Unterdrückung". Es ist also auch eine historische Tatsache, dass das Begriffsset wertend eingesetzt wurde.

Mit der Wahl der Begriffe schmuggelt man ggf. (teilweise unreflektiert/teilweise ideologisch motiviert) bereits Bedeutungen, Wertungen und Sichtweisen ein, die die alle folgenden Gedanken mitprägen und in ein entsprechendes Licht tauchen können. Sich selbst über solche Zusammenhänge Klarheit zu verschaffen, gehört fraglos zu inhaltlichen Klärungen dazu.




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Tarvoc
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Mo 13. Nov 2017, 11:55

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 05:27
Na doch, ich setze aus, dass du ohne es begründet zu haben, Wertung vornimmst.
Erstens ist das keine inhaltliche Kritik und zweitens habe ich bereits gezeigt, dass es sachlich schlicht falsch ist, bzw. dass es sich einzig und allein um deine eigenen Privatassoziationen handelt.
Tarvoc hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:58
Alethos hat geschrieben :
So 12. Nov 2017, 21:47
Ich vermute mal, dass Jörn auf den kapitalismuskritischen Slang verweist, der die marxistische Färbung deiner Postulate ausdrückt.
Aber wieso denn? Auch Leute, denen man Marxismus nun wirklich nicht unterstellen kann, sprechen von Profit. Das Wirtschaftsmagazin des Radiosenders WDR 5 heißt zum Beispiel "WDR 5 Profit". Auch viele Marketingagenturen haben das Wort "Profit" im Namen. Zum Beispiel diese hier: Dein Profit - Die Agentur für Synergie-Marketing. Oder dieser Verkäufer und Ankäufer von Schmuckgegenständen: Schmuck Profit.

Es scheint fast so, als sei die "negative Konnotation" von "Profit" eine Privatmarotte von Jörn Budesheim, die noch nicht mal von denen geteilt wird, die tatsächlich Gewinne machen wollen.
Ich bin nicht verpflichtet, auf deine eigenen Privatassoziationen in meiner Darstellung Rücksicht zu nehmen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 05:27
Im übrigen: Wenn du tatsächlich der Ansicht wärest, dass die Begriffe Profit und Gewinn synonym sind, dann könntest du problemlos statt von Profit von Gewinn reden, um weitere Missverständnisse zu vermeiden.
Worin liegt denn bitte das Missverständnis? Die Wahrheit ist doch die, dass es hier überhaupt kein Missverständnis gibt. Du missverstehst nicht, was ich sage, sondern dir passt einfach meine Wortwahl nicht, und zwar wie gesagt ohne sachlichen Grund. Deine Behauptung, meine Wortwahl sei wertend, ist erstens nachweislich falsch und stellt zweitens kein Sachargument gegen sie dar, es sei denn, du könntest zeigen, dass die Wertung zu einer sachlich falschen Darstellung des Gegenstandes führt. Aber dafür müsstest du dich mit dem Gegenstand auseinandersetzen, statt über Wortkonnotationen zu klugscheißen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 05:27
Die Bedeutung von Begriffen hängt selbstverständlich auch an dem semantischen Feld, in dem sie stehen.
Die Bedeutung von Begriffen hängt davon ab, wie sie im Rahmen der jeweiligen Abhandlung bzw. des jeweiligen theoretischen Kontexts inhaltlich bestimmt werden. Lediglich wenn die Bestimmung sachlich ungenügend ist, kann man seine sonstigen Kenntnisse zum Verständnis hinzunehmen. Ansonsten landet man dabei, einfach nur seine eigenen Vorurteile in den Text hineinzuprojizieren. Was ganz genau das ist, was hier stattfindet. Du projizierst deine eigenen Vorurteile in meine Beiträge hinein, ohne ihre Relevanz sachlich zu begründen, und verlangst dann argumentlos von mir, darauf Rücksicht zu nehmen.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 05:27
Die Beziehung der verschiedenen Zeichen untereinander stiftet ebenso Bedeutung wie der Sachbezug.
Die Beziehung der Zeichen untereinander ist das, was den Sachbezug herstellt. Aber die Beziehung der Zeichen untereinander innerhalb des jeweiligen theoretischen Kontexts.

Ansonsten könntest du genausogut Physikern unterstellen, dass sie irgendeinen esoterischen Quatsch meinen, wenn sie "Energie" sagen, weil Esoteriker auch die ganze Zeit von irgendwelchen "Energien" reden.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 05:27
Der Begriff Profit z.b. steht im selben (spannungsreichen) semantischen Feld wie z.b. der Begriff Profitgier, aber auch der deutlich weniger negativ konnotierte Begriffe profitabel. Es ist offensichtlich, dass man das bei den Begriff Gewinn nicht sagen kann; es bedarf schon einer gewissen Anstrengung, um diesen Begriff in ein negatives Licht zu tauchen.
Mit anderen Worten: Du willst, dass ich den Begriff Profit nicht benutze, damit ich schon im Voraus davon abgeschnitten bin, bestimmte Dinge, die ich womöglich irgendwann sagen könnte, sagen zu können - und zwar schon bevor ich sie tatsächlich gesagt habe. Noch deutlicher formuliert: Du willst aus rein ideologischen Gründen den Diskurs verkrüppeln, indem du durch Wortverbote schon im Voraus die Möglichkeiten des Ausdrucks beschneidest. Du willst Worte aus der Sprache streichen, damit man bestimmte Sachen nicht mehr sagen kann, die man vielleicht sagen könnte. Das ist buchstäblich Orwellscher Mist à la "Newspeak". Dass ich mich darauf nicht einlassen werde, versteht sich von selbst. Wenn es vorher für mich keinen Grund gab, auf dem Wort Profit zu insistieren: Jetzt gibt es einen.

Im Übrigen kann ich dich beruhigen. Es fiele mir gar nicht ein, im Kontext einer seriösen Kapitalismuskritik von "Gier" zu sprechen. Der Zwang zur Kapitalakkumulation ist eine ökonomische Notwendigkeit des Systems, keine Charakterschwäche von Kapitaleignern. Wieder zeigt sich, dass du nicht versuchst, meinen Diskurs zu verstehen, sondern nur deine eigenen Vorurteile auf ihn projizierst
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 05:27
Und daher ist es auch kein unerklärlicher Zufall, dass in Zusammenhängen, in denen der Kapitalismus negativ dargestellt werden oder kritisiert werden soll, regelmäßig der Begriff Profit auftaucht, während in affirmativen Zusammenhängen in der Regel der Begriff Gewinn verwendet wird.
Das habe ich bereits widerlegt. Auch Leute, die mit Kapitalismuskritik nichts am Hut haben und denen es um Gewinn geht, sprechen von Profit. Beispiele habe ich ja gebracht. Das kann also als belegt gelten.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 08:10
Es ist also auch eine historische Tatsache, dass das Begriffsset wertend eingesetzt wurde.
Na und? Was du zu beweisen hättest, ist nicht, dass man mit Begriffen irgendwelche Wertungen assoziieren kann (das kann man buchstäblich immer), sondern dass das zu Irrtümern in der Sache führt.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 08:10
Mit der Wahl der Begriffe schmuggelt man ggf. (teilweise unreflektiert/teilweise ideologisch motiviert) bereits Bedeutungen, Wertungen und Sichtweisen ein, die die alle folgenden Gedanken mitprägen und in ein entsprechendes Licht tauchen können.
Was du nicht sagst. Das gilt für die Begrifflichkeit, die du gerne hättest, ganz genauso. Der Unterschied ist aber der, dass du deine persönlichen Wortwahlen allen anderen aufzwingen willst.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 08:10
Sich selbst über solche Zusammenhänge Klarheit zu verschaffen, gehört fraglos zu inhaltlichen Klärungen dazu.
Soso. Welchen Beitrag zur inhaltlichen Klärung leisten denn deine Ausführungen?



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Jörn Budesheim
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Mo 13. Nov 2017, 13:17

Tarvoc hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 11:55
Welchen Beitrag zur inhaltlichen Klärung leisten denn deine Ausführungen?
Siehe oben. Ich habe folgendes gezeigt: Die Begriffe implizieren bereits Wertungen, schon bevor klar ist, ob diese zu rechtfertigen sind. Irrtümliche oder verfälschende Wertungen sind Sachfehler.




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Mo 13. Nov 2017, 16:50

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 13:17
Die Begriffe implizieren bereits Wertungen, schon bevor klar ist, ob diese zu rechtfertigen sind.
Nochmal: In dem Sinne, in dem meine Begriffe bereits Wertungen "implizieren", implizieren alle Begriffe Wertungen, inklusive der von dir bereits vorgeschlagenen. Ob meine Begriffe Wertungen beinhalten und eben nicht nur irgendwie vage "implizieren", kann sich im Übrigen ausschließlich aus dem Inhalt der Theorie oder Darstellung ergeben, zu der sie gehören. Die ganze Debatte um "implizite Wertungen" ist ein reines Ablenkungsmaneuver. Du willst dich nicht mit den von mir dargestellten Inhalten auseinandersetzen, und deshalb weichst du auf die "Implikationen" aus, mit dem einzigen Zweck, Wortzensur zu betreiben.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 13:17
Irrtümliche oder verfälschende Wertungen sind Sachfehler.
Dass in meinen Darstellungen irgendwo ein sachlicher Irrtum oder eine Verfälschung steckt, hast du aber immer noch nicht gezeigt. Der bloße Hinweis auf irgendwelche "impliziten Wertungen" ist keine inhaltliche Widerlegung. Dass es immer möglich ist, dass eine Theorie oder Darstellung auch falsch sein könnte, ist im Übrigen eine Binse. Das beweist aber eben noch nicht ihre tatsächliche Falschheit.



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Mo 13. Nov 2017, 19:49

Vielleicht geht es gar nicht so sehr um richtig oder falsch, sondern um das Explizitmachen der latenten Kritik. Die Frage: Was kritisierst du am Gewinnstreben, dass du von Profitstreben sprichst? fragt eventuell klarer nach den Gründen, die noch nicht ausführlich ausgetauscht wurden.

Es geht, finde ich, daher gar nicht um Zensur, ganz im Gegenteil, es geht um Dialogförderung.



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Tarvoc
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Mo 13. Nov 2017, 20:14

Alethos hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 19:49
Die Frage: Was kritisierst du am Gewinnstreben, dass du von Profitstreben sprichst? fragt eventuell klarer nach den Gründen, die noch nicht ausführlich ausgetauscht wurden.
Zunächst mal: Das Wort "Profit" habe ich einfach von Marx übernommen. In den Texten der klassischen Ökonomen von Adam Smith bis Marx sind die Worte Gewinn und Profit einfach synonym gebraucht. Ob es auch damals schon im Alltagssprachgebrauch unterschiedliche "implizite Konnotationen" gab, weiss ich nicht, aber wenn es sie gab, spielen sie für die Theorien der Ökonomen buchstäblich keine Rolle, und zwar sowohl der kapitalismuskritischen als auch der klassischen bürgerlichen Ökonomen. Wer also aus der bloßen Verwendung des Wortes Profit bereits eine Kritik abliest, der überinterpretiert.

Marx selbst geht es insgesamt weniger um das individuelle Gewinn"streben" (Fragen der individuellen Moral interessieren Marx insgesamt nur sehr wenig), sondern um die Tatsache, dass Kapitalakkumulation im Kapitalismus einen ökonomischen Zwang und eine Notwendigkeit darstellt. Daraus allein wird noch keine Kritik (außer vielleicht, wenn man das mit einer Darstellung verknüpft, die herausstellt, welche gesellschaftlichen Härten aus dieser Tatsache folgen). Die Frage ist also erstmal, wo Gewinn bzw. Profit überhaupt herkommt. Welcher Faktor im Produktionsprozess erschafft einen Mehrwert, aus dem überhaupt Gewinn hervorgehen kann, und wie geht das vor sich? Zu einer Kritik des Kapitalismus kommt man dann über die Arbeitswerttheorie und über die Einsicht, dass der einzige Faktor, der zu einem Mehrwert führt, der ist, dass der Verkaufswert hergestellter Produkte den Einkaufswert der dafür benötigten Arbeit übersteigen kann. Oder anders gesagt, der Ursprung des Mehrwerts und damit des Profits ist die menschliche Arbeit selbst. Die vorgeschossenen Maschinen erzeugen zum Beispiel keinen Mehrwert, sondern übertragen nur ihren eigenen Wert auf die Produkte (was man im Unternehmerjargon als "Abschreiben" der Maschine bezeichnet). Genau daraus folgt dann eben die ganze Theorie der Exploitation des Arbeiters durch den Unternehmer, nebst sämtlicher ökonomischer Härten für ihn, die Marx diesbezüglich darstellt.



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Alethos
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Mo 13. Nov 2017, 21:09

Danke für deine Ausführungen, ich werde mir dazu noch ein wenig Literatur verschaffen, da ich mich im moment nicht in der Lage sehe, hierzu konkret etwas zu sagen.



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Stefanie
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Mo 13. Nov 2017, 21:31

Wenn ich mich richtig an meinen Geschichtsunterricht erinnere, wurde der Arbeiter damit quasi lediglich als Objekt angesehen, dass dem Unternehmer einen Profit ermöglichen. Oder um es mit Kant zu sagen, er war das Mittel zum Zweck des Profits.

Um die Kurve zur Ausgangsfrage zu bekommen...eine Demokratie, ein Sozialstaat und ein Rechtsstaat bewirkten, dass Arbeiter nicht mehr als Mittel zum Zweck behandelt werden dürfen und können.
Bismarck wird gerne als Begründer der Sozialversicherung angesehen. Richtig, nur ganz freiwillig war das nicht. Zum einen wurde durch das Aufkommen der Sozialdemokraten und andere Parteien ein Druck aufgebaut und zum anderen auch durch den Reichstag. Es kann vielleicht gesagt werden, dass das Aufkommen von demokratischen Strukturen, durch neue Parteien dazu führte, dass die Lebensbedingungen von Arbeitern etwas verbessert wurden.

Demokratie und Rechtsstaat regulieren die Folgen eines im negativen Sinne verstandenen Kapitalismus.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Tarvoc
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Mo 13. Nov 2017, 22:20

Stefanie hat geschrieben :
Mo 13. Nov 2017, 21:31
Um die Kurve zur Ausgangsfrage zu bekommen... eine Demokratie, ein Sozialstaat und ein Rechtsstaat bewirkten, dass Arbeiter nicht mehr als Mittel zum Zweck behandelt werden dürfen und können.
Das ist... so halb richtig. Demokratie, Sozialstaat und Rechtsstaat bewirken hier im Westen, dass gewisse Standards im Umgang mit Arbeitern eingehalten werden müssen, um eine regelrechte gesellschaftliche Dehumanisierung zu verhindern, wie sie im 19. Jahrhundert die Norm war und andernorts heute noch ist. Mittel zum Zweck der Mehrwerterzeugung sind sie für ihre Arbeitgeber natürlich immer noch. Unternehmen stellen Arbeiter ja normalerweise nicht aus Herzensgüte ein - auch mit Demokratie, Sozialstaat und Rechtsstaat.



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