Was ist Autorität?

Ursprünglich in der praktischen Philosophie beheimatet sind Theorien der Gesellschaft heute weitgehend von der Soziologie aufgegriffen worden.
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Stefanie
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Di 15. Okt 2019, 22:19

Darüber denke ich gerade nach.

Einige Denkansätze:
Zum einen sprechen wir einer Person aufgrund herausragender Kenntnisse in einem bestimmten Bereich eine Autorität hinsichtlich dieses Bereiches zu. Richard von Weizsäcker wurde oft als moralische Autorität bezeichnet.

Dann gibt es die sog. relationale form der Autorität, die eine Beziehung beschreibt, die Eltern über ihre Kinder, Vorgesetze über ihre Untergebenen, oder aber der Staat über seine Bürger inne haben.

Folgende Definition habe ich auf spektrum.de gefunden:
(lat. auctoritas: Ansehen, Einfluss, Geltung, Machtvollkommenheit, Vorbild, Würde), Ansehen oder Geltung von Personen oder überpersönlichen und unpersönlichen Wertträgern (Gruppen, Bräuchen, Institutionen etc.) in den Augen anderer Personen oder Gruppen. Die Geltung liegt begründet im hohen sozialen Rang oder in einer starken und wirksamen Wertüberlegenheit, die sozialen Einfluss auf die Gruppenmitglieder gewinnt.

Es gibt autoritäre Personen, einen autoritären Führungsstil und autoritäre Staaten. Ich frage mich, was ist das kennzeichnende, das Merkmal, wenn in diesen Fällen Autorität gemeint ist.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Tangens Alpha
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Mi 6. Nov 2019, 22:02

Stefanie hat geschrieben :
Di 15. Okt 2019, 22:19
Es gibt autoritäre Personen, einen autoritären Führungsstil und autoritäre Staaten. Ich frage mich, was ist das kennzeichnende, das Merkmal, wenn in diesen Fällen Autorität gemeint ist.
Hi Stefanie,
ich denke, dass man A. zweifach bestimmen kann, wie du schon andeutest.

1. Im negativen Sinn bezieht sich A. auf nicht-kommunikative Eigenschaften eines Menschen; wichtiger ist das, was erledigt werden muss.
ZB. unterscheidet man in der Mitarbeiterführung zwischen folgenden Führungsstilen:
- den Laissez-faire, der bei seinen Mitarbeitern die Zügel schießen lässt, weder Grenzen noch klare Ziele vorgibt - ein Totalausfall.
- den Fraternisierer, der seinen Mitarbeitern sofort das DU anbietet und sich verbrüdert - der Kumpeltyp.
- den Autoritären, der allein bestimmt, wo's lang geht, weil er lediglich an einer zügigen Auftragserledigung interessiert ist: harte Zielvorgaben, engmaschige Kontrollen, geringer eigenverantwortlicher Spielraum für die MA, geringe Kooperations- & Gesprächsbereitschaft, Unnahbarkeit, bei Fehlleistung Bestrafung der MA - ein harter Hund.
- der Kooperative, der eine ausgewogene Mischung der o.a. Eigenschaften hat.
Diese Eigenschaften kann man entsprechend 'runterbrechen auf Erziehungsstile und Staatsführung, eigentlich überhaupt auf Kommunikation.

2. Im positiven Sinn bezieht sich A. auf Eigenschaften eines Menschen wie soziale, fachliche & Eigenkompetenz, Ausgeglichenheit, Kommunikations- & Kontaktbereitschaft, Freundlichkeit, aber klare Grenzen setzend, Integrität & hoher ethischer Standard.



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Jörn Budesheim
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Do 7. Nov 2019, 19:29

Ich vermute, Personen die keine "natürliche" Autorität haben, neigen dazu autoritär zu sein.




Timelaios
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Di 6. Okt 2020, 11:45

Auorität in Zusammenhang mit Gruppen/Gesellschaften.




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Jörn Budesheim
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Di 17. Nov 2020, 09:36

Alles Lüge?

Bei Niklas Luhmann habe ich mal gelesen, dass wir unser gesamtes Wissen aus den Medien haben. Missgünstig interpretiert, stimmt das natürlich nicht, denn wir wissen vieles auch aus direkter Bekanntschaft. Wohlwollend betrachtet, ist allerdings "was dran". Das meiste, was wir wissen, haben wir irgendwo gelesen, gesehen oder gehört. Das wenigste davon könnten wir wohl auf eigene Faust nachprüfen, oft nicht mal wirklich nachvollziehen. Wir leben schließlich in einer arbeitsteiligen, extrem ausdifferenzierten Gesellschaft mit unüberschaubar vielen Wissensgebieten.

Dennoch spielt dieses Wissen für uns in jedem Moment eine unendlich große Bedeutung. Sei es, wenn wir am Rechner sitzen und die Ergebnisse der Quantenphysik zum Chat nutzen. Sei es, wenn wir Nachts in romantischer Stimmung in den Himmel schauen und uns von Sternen umgeben wähnen, die vielleicht schon erloschen sind. In jedem Moment, den wir bewusst sind, fließen unüberschaubar viele Hintergrundannahmen mit ein, ohne die wir uns gar nicht orientieren könnten und auch keine Vorstellung davon haben könnten, wer wir selbst eigentlich sind und "wo" wir uns befinden. Das Wissen, das wir nicht selbst erwirtschaften und überprüfen können, bestimmt dennoch (mit) wer wir sind und wie wir leben.

Letztlich ist das unausweichlich. Ist es ein Problem? Das "System" basiert auf Ausdifferenzierung - und das kann meines Erachtens nicht funktionieren, wenn man nicht darauf vertrauen kann - schließlich muss man. Und dazu gehört auch Autorität. Wenn wir generell nicht mehr anerkennen (können), dass jemand in seinem Fach was kann, dann bedroht das das ganze System, meine ich.

Worauf bezieht sich das, was ich da schreibe? Im Grunde auf die aktuelle Lage bei der Leute / Bewegungen wie Trump & Co oder die Querdenker etc. dieses Gefüge bedrohen. Dabei ist nicht nur die Autorität der Wissenschaften bedroht, sondern auch die der freien Presse. Das macht ein Argumentieren nahezu unmöglich. Denn das basiert immer darauf, dass es irgendwo Tatsachen gibt, die alle an der Argumentation beteiligten, akzeptieren. Wenn es aber keine Autoritäten (außer Trump & Co selbst) mehr "gibt", weil alles als "Fakenews" ausgezeichnet wird, was nicht deren Machtinteressen entspricht und ihnen darin auch noch viele folgen, dann sehe ich schwarz ...

Biden zum Beispiel hat gesagt, er will die USA wieder einen, er will, dass Wahrheit und Wissenschaft wieder in Geltung kommen. Gutes Ziel. Aber die, die Wahrheit und Wissenschaft ablehnen, machen das ja nicht alle bewusst im Namen der Lüge. Viele von denen wollen ja ihrerseits der Wahrheit Geltung verschaffen ...

Wie kommt man es diesem Dilemma wieder raus?




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