Gott ist nicht tot

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
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iselilja
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So 14. Jan 2018, 17:32

epitox hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 17:21
iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 17:05
Wir haben ja nun doch bereits einige diskursive Erfahrung darin, soweit ich mich erinnere. :-)
Da bin ich mir nicht so sicher. Scheinbar werden von beiden Gruppen sehr unterschiedliche Positionen eingenommen. Aber was denn genau unter einem Atheisten zu verstehen sei und was unter dem Gottesbegriff, ist wohl so klar noch nicht verstanden worden.

Im übrigen lehne ich deine These von oben rundherum ab! Ich werde abends nochmal genauer ausführen, was ich meine...

epitox
Nun, wenn es zwei Seiten einer Medaille gäbe, gäbe es zwar ein avers und ein revers aber kein richtiges Verständnis der Medaille solange man nur eine Seite versteht. Und ich denke, dass Du mit "verstanden worden" wohl nur eine der beiden Seiten meinst.

Ich will hingegen die Medaille verstehen.




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epitox
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So 14. Jan 2018, 21:09

iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 17:32
epitox hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 17:21
iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 17:05
Wir haben ja nun doch bereits einige diskursive Erfahrung darin, soweit ich mich erinnere. :-)
Da bin ich mir nicht so sicher. Scheinbar werden von beiden Gruppen sehr unterschiedliche Positionen eingenommen. Aber was denn genau unter einem Atheisten zu verstehen sei und was unter dem Gottesbegriff, ist wohl so klar noch nicht verstanden worden.

Im übrigen lehne ich deine These von oben rundherum ab! Ich werde abends nochmal genauer ausführen, was ich meine...

epitox
Nun, wenn es zwei Seiten einer Medaille gäbe, gäbe es zwar ein avers und ein revers aber kein richtiges Verständnis der Medaille solange man nur eine Seite versteht. Und ich denke, dass Du mit "verstanden worden" wohl nur eine der beiden Seiten meinst.

Ich will hingegen die Medaille verstehen.
Also dann mal auf!
Kant - als Aufklärer der Religion und die entscheidende Stimme in der aufgehenden Wahrheitskrise der christlichen Religion nach dem 30jährigen Krieg, sagt, Aussagen über Gott als dem transzendenten Sinn können keinen empirischen Wirklichkeitsbezug haben. D. h. die Gottesrede ist naturwissenschaftlichen Überprüfungen nicht zugänglich und damit nicht objektivierbar. Sie hat ihren Bereich allein im Ethischen. Dort ist dann auch Gott erfahrbar. Gott ist dabei der Garant des Sittengesetzes und gleichzeitig ist er notwendiges Postulat der praktischen Vernunft (d.h. das Sittengesetz muss erfüllbar sein, wenn es sinnvoll sein soll - trotz der Endlichkeit des Menschen und der desolaten Zustände in der Welt muss ich jemanden denken können, der dies garantiert. Und dieser "Jemand" ist Gott).

Weiterhin kann man nun - nach Kant - sehr schön mitverfolgen wie sich die moderne Religionskritik weiterentwickelt hat: im Mittelpunkt der Gottesrede steht der subjektive Mensch. Von ihm geht jedes transzendente Denken aus - ihn selbst allein betrifft jeder daraus folgende Diskurs. Gottesrede ist damit eine Form der Anthropologie, basierend auf dem (nicht objektivierbaren) subjektiven Empfinden jedes Einzelnen. Feuerbach baut auf der kantischen anthropologischen Wende auf. Bei ihm ist das Religiöse das Bewusstsein des Unendlichen und Gott darin bloß eine Extrapolation des Menschlichen. Damit besteht für den Menschen die Gefahr seiner Selbstvergessenheit und Selbstleugnung. Indem er seine Eigenschaften auf Gott projiziert, verleugnet er sich selbst. Er kommt nicht zu sich selbst, er wird sich selbst dabei nicht gerecht. Darin liegt die eigentliche Gefahr für den Menschen. Bis hierin ist die Frage nach der Notwendigkeit des Atheismus gleichsam noch schwebend.

Die eine Seite der Medaille zeigt den Gottesglauben verbunden mit dem Bewußtsein des Unendlichen, in dessen Sphäre der Mensch vermeintlich in der Anschauung Gottes nur sich selbst wahrnimmt, die andere Seite hingegen zeigt die desolaten Verhältnisse (politisch, ökonomisch, sozial, ethisch und psychisch) der Welt, die der von sich selbst entfremdete Mensch zu verantworten hat. Aus den daraus möglichen Konsequenzen können nun direkte Linien zu Marx und Engels, Freud und zum materialistischen Atheismus gezogen werden. (Teil1)

epitox




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Friederike
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Mo 15. Jan 2018, 13:19

offtopic, weil ich es witzig finde.
epitox hat geschrieben : Im übrigen lehne ich deine These von oben rundherum ab! [...] epitox
"Von oben" - ??? Gestern: Ist gemeint, daß iselilja irgendwo eine These aufgestellt hat, deren Inhalt ein "von oben" ist, oder aber ist gemeint, ich lehne deine These von oben herab, herablassend also, ab? Heute früh dasselbe Spielchen. Und jetzt eben ... die obige These von iselilja, die Du auch zitierst (habe ich hier weggelassen) ist gemeint. Der Würfel ist endlich gefallen!!! :lol:




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iselilja
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Mo 15. Jan 2018, 19:27

Friederike hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 13:19
offtopic, weil ich es witzig finde.
epitox hat geschrieben : Im übrigen lehne ich deine These von oben rundherum ab! [...] epitox
"Von oben" - ??? Gestern: Ist gemeint, daß iselilja irgendwo eine These aufgestellt hat, deren Inhalt ein "von oben" ist, oder aber ist gemeint, ich lehne deine These von oben herab, herablassend also, ab? Heute früh dasselbe Spielchen. Und jetzt eben ... die obige These von iselilja, die Du auch zitierst (habe ich hier weggelassen) ist gemeint. Der Würfel ist endlich gefallen!!! :lol:
Ich muss gestehen, dass ich den Satz auch mehrmals lesen musste. :-)

Aber zum Thema.. @epitox: Weder die weltlichen Dinge noch die heiligen (um mal eine etwas veraltete Redeweise wieder zu beleben) sind ein Politikum, welches man einfach ablehnen kann. Man kann dies vielleicht nicht verstehen oder nicht erkennen - es ist kein Frage des individuellen Geschmacks oder der Überzeugung, ein Weltbild ist immer konsistent.. ob religiös oder atheistisch.

So wie Du (?) ein religiös fundiertes Bild hast und daraus den Atheismus verstehst,habe ich ein atheistisches Weltbild und sehe daraus die Religion. Salopp ausgedrückt wären dies also die zwei Seiten der Medaille.




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epitox
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Mo 15. Jan 2018, 20:01

Friederike hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 13:19
offtopic, weil ich es witzig finde.
epitox hat geschrieben : Im übrigen lehne ich deine These von oben rundherum ab! [...] epitox
"Von oben" - ??? Gestern: Ist gemeint, daß iselilja irgendwo eine These aufgestellt hat, deren Inhalt ein "von oben" ist, oder aber ist gemeint, ich lehne deine These von oben herab, herablassend also, ab? Heute früh dasselbe Spielchen. Und jetzt eben ... die obige These von iselilja, die Du auch zitierst (habe ich hier weggelassen) ist gemeint. Der Würfel ist endlich gefallen!!! :lol:
Du hast recht Friederike, "von oben [herab]" bedeutet vielleicht so gar eine Stimme aus dem Himmel!!!!!? :lol:

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epitox
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Mo 15. Jan 2018, 20:34

iselilja hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 19:27
Ich muss gestehen, dass ich den Satz auch mehrmals lesen musste. :-)

Aber zum Thema.. @epitox: Weder die weltlichen Dinge noch die heiligen (um mal eine etwas veraltete Redeweise wieder zu beleben) sind ein Politikum, welches man einfach ablehnen kann. Man kann dies vielleicht nicht verstehen oder nicht erkennen - es ist kein Frage des individuellen Geschmacks oder der Überzeugung, ein Weltbild ist immer konsistent.. ob religiös oder atheistisch.
Mit der "obigen" These von dir meinte ich deine Behauptung
iselilja hat geschrieben :
So 14. Jan 2018, 15:14
... Dieses Weltverständnis, in dem überhaupt kein Gott in irgendeiner Weise vorkommt, nenne ich (wie wohl auch sonst üblich) atheistisch. Und ich denke, wir müssen das auch nicht nochmal neu definieren um zu verstehen was Atheismus bedeutet.:-) Es geht hier un die Frage, woran liegt es,dass es zu solchen "Vorstellungswechseln" kommt.
Du siehst schon in meinem "1.Teil " wie sich die Auffassung von Religion ändert, ohne aber dass sie dadurch etwa im Verschwinden begriffen ist.. Heute mögen zwar - als Sonderfall in Europa - die typischen Gläubige christl. Konfession, die christliche Gruppen und kirchenähnliche Vereinigungen im Rückzug begriffen zu sein, aber das betrifft nicht das Religiöse an sich. So billig kommst du mir hier nicht davon, dass es sich so verhalten sollte,. dass man auf der einen Seite die Atheisten und auf der anderen Seite halt die "Gläubigen" versammeln kann. Hübsch getrennt und sauber unterschieden. Die Geschichte der Religionskritik gibt eine solche einfache Interpretation der Verhältnisse nicht her! Deshalb sagte ich weiter oben auch, dass das Thema Atheismus viel komplexer ist, als es sich viele der sich selbst als Atheisten bezeichnenden Menschen erahnen.

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iselilja
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Mo 15. Jan 2018, 20:50

Da besteht kein tieferer Klärungsbedarf, glaub mir ruhig.. ich weiß schon, warum ich etwas in welcher Form schreibe. :-)

Den historischen Verlauf übersehe ich nicht, und mir ist ebenso wie Dir klar, dass Religionskritik in der Religion selbst ihren Anfang nimmt. Und dennoch ist es Tatsache, dass aus diesem historischen Kontext heraus etwas entstanden ist, das man zwei völlig anders denkende Systeme nennen darf.. einfach weil es nunmal so ist.




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epitox
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Mo 15. Jan 2018, 20:57

iselilja hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 20:50
Da besteht kein tieferer Klärungsbedarf, glaub mir ruhig.. ich weiß schon, warum ich etwas in welcher Form schreibe. :-)

Den historischen Verlauf übersehe ich nicht, und mir ist ebenso wie Dir klar, dass Religionskritik in der Religion selbst ihren Anfang nimmt. Und dennoch ist es Tatsache, dass aus diesem historischen Kontext heraus etwas entstanden ist, das man zwei völlig anders denkende Systeme nennen darf.. einfach weil es nunmal so ist.
Das ist keine Begründung. Auf dem Niveau von "es ist halt so" lässt sich kein Diskurs aufbauen...

Du hast wohl Angst, dass sich bei einer weiteren Diskussion herausstellen mag, dass du als Atheist doch nur ein verkappter Theist bist... :lol:

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iselilja
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Mo 15. Jan 2018, 21:50

epitox hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 20:57
Du hast wohl Angst, dass sich bei einer weiteren Diskussion herausstellen mag, dass du als Atheist doch nur ein verkappter Theist bist...
Warum sollte ich vor so etwas Angst haben.. ich denke doch gerade, dass sich sowohl Atheismus als auch Religion in bestimmten Ansichten sehr ähnlich sind. Was glaubst Du wohl warum bestimmte Menschen ganz fest an einen Urknall glauben, aber rigoros den Gedanken an Gott verweigern? Das sind die Menschen, denen Du diese Frage stellen solltest. :-)




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epitox
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Mo 15. Jan 2018, 23:29

iselilja hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 21:50
epitox hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 20:57
Du hast wohl Angst, dass sich bei einer weiteren Diskussion herausstellen mag, dass du als Atheist doch nur ein verkappter Theist bist...
Warum sollte ich vor so etwas Angst haben.. ich denke doch gerade, dass sich sowohl Atheismus als auch Religion in bestimmten Ansichten sehr ähnlich sind. Was glaubst Du wohl warum bestimmte Menschen ganz fest an einen Urknall glauben, aber rigoros den Gedanken an Gott verweigern? Das sind die Menschen, denen Du diese Frage stellen solltest. :-)
Nein, nein. Da hast du etwas missverstanden. Der Glaube an den Urknall ist kein versteckter christlicher Glaube. Auch berührt es nicht den Glauben eines christlichen Astronomen, die jeweils aktuellen Spekulationen einer Kosmologie in Zweifel zu ziehen.

Der heutige moderne Atheismus lehnt Gott ab - nicht etwa weil der Gottesgedanke nicht bewiesen oder logisch inkonsistent wäre oder das Leid der unschuldigen Kinder zu sehr drückt, sondern weil man ihn (den Gottesgedanken, die Rede von Gott) nicht braucht . Wir kommen - so sagen sie - im Leben in jeglicher Hinsicht ohne Gott aus. Sie erklären damit Gott für unnütz, entbehrlich - übrigens ganz im Sinne der Religionskritik Kants.

epitox




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Herr K.
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Sa 20. Jan 2018, 14:58

epitox hat geschrieben :
Mo 15. Jan 2018, 23:29
Der heutige moderne Atheismus lehnt Gott ab - nicht etwa weil der Gottesgedanke nicht bewiesen oder logisch inkonsistent wäre oder das Leid der unschuldigen Kinder zu sehr drückt, sondern weil man ihn (den Gottesgedanken, die Rede von Gott) nicht braucht . Wir kommen - so sagen sie - im Leben in jeglicher Hinsicht ohne Gott aus. Sie erklären damit Gott für unnütz, entbehrlich - übrigens ganz im Sinne der Religionskritik Kants.
Ja, ich denke das auch. In der Wissenschaft herrscht ein methodologischer Atheismus vor, d.h. "Gott war's" ist als Erklärung nicht zugelassen - weil das gar keine Erklärung wäre. Gleiches gilt mE auch im Bereich der Moral - "Gott will das so" wäre dort keine Begründung.

Brauchen tut man Gott hingegen evtl. dann, wenn man sich nicht mit seiner Sterblichkeit abfinden kann und ein ewiges Leben möchte.

Um es mit Brecht auszudrücken:

Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe.
Herr K. sagte: "Ich rate dir, nachzudenken, ob dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallen lassen. Würde es sich ändern, dann kann ich dir wenigstens noch so weit behilflich sein, dass ich dir sage, du hast dich schon entschieden: Du brauchst einen Gott."




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epitox
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Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 14:58
Brauchen tut man Gott hingegen evtl. dann, wenn man sich nicht mit seiner Sterblichkeit abfinden kann und ein ewiges Leben möchte.
Ich habe bisher noch niemanden getroffen, der nicht an seinem Leben hing. Dennoch gibt es Atheisten oder Agnostiker... obwohl das von der atheistischen Seite her als Ausspruch bloß zynisch gemeint sein kann: "Glaub du nur an deinen Gott! Aber am Ende bist du trotzdem tot!"

Theologisch wäre die hinter dieser Ansicht stehende Haltung allerdings reiner Nonsens, denn die Fragen nach dem Leben ist identisch mit der Frage nach Gott!

Die Wissenschaft will - aus welchen Grund auch immer - in ihren Theorien keinen direkten Bezug auf Gott haben, aber ganz los wird sie Ihn dennoch nicht. So wie bei Kant Gott der Garant des Sittengesetzes ist, so ist Gott auch Garant der natürlichen Ordnung, ohne die weder Welt noch Wissenschaft existieren würden (Naturgesetze). Eine solche Sichtweise führt beispielsweise Gott in die Welt ein, ohne dass die Freiheit und Unabhängigkeit des Menschen tangiert werden. Die Schwierigkeiten, die die Atheisten mit solchen Aussagen haben, liegt darin begründet, dass sie glauben dass wissenschaftlichen Aussagen und Gottesrede von gleicher Art oder vom gleichen Typ sind - also auch nicht gleichzeitig richtig und wahr sein können. Das ist natürlich wiederum Nonsens, denn beide verhalten sich nicht kontradiktorisch sondern komplementär zueinander.

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Alethos
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Sa 20. Jan 2018, 20:58

epitox hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 20:12
Die Wissenschaft will - aus welchen Grund auch immer - in ihren Theorien keinen direkten Bezug auf Gott haben, aber ganz los wird sie Ihn dennoch nicht. So wie bei Kant Gott der Garant des Sittengesetzes ist, so ist Gott auch Garant der natürlichen Ordnung, ohne die weder Welt noch Wissenschaft existieren würden (Naturgesetze). Eine solche Sichtweise führt beispielsweise Gott in die Welt ein, ohne dass die Freiheit und Unabhängigkeit des Menschen tangiert werden. Die Schwierigkeiten, die die Atheisten mit solchen Aussagen haben, liegt darin begründet, dass sie glauben dass wissenschaftlichen Aussagen und Gottesrede von gleicher Art oder vom gleichen Typ sind - also auch nicht gleichzeitig richtig und wahr sein können. Das ist natürlich wiederum Nonsens, denn beide verhalten sich nicht kontradiktorisch sondern komplementär zueinander.
Man kann bis zur Patristik oder noch weiter zurückgehen, um solche Wahrheit zu finden, die sich selbst Begründung ist. Es ist die platonische, dass es etwas gebe, das ewiger wahr ist als der menschliche Irrtum.

Gott ist, z.B. im Duktus der englischen Platoniker des 17. Jahrhunderts, ein Begriff, der die Vollkommenheit des Seins aussprechbar macht. Gott wird nicht begreifbar, aber denkbar durch eine auf den Begriff gebrachte Vorstellung der ontischen Wirklichkeit. Gott ist die thematisierte Unendlichkeit, verstanden als die Vollkommenheit der Wirklichkeit, der möglichen und der seienden, der künftigen und gewesenen. Gott ist der Begriff der Singularität, verstanden als die Gegenwart des Ganzen in seinen Teilen, verstanden als der Grund aller Gründe und Ziel aller Ziele. Es gibt kein metaphysisch Höheres, sowenig wie es eine Steigerungsform der Ganzheit gibt.

Nun muss man aber feststellen, dass der Niedergang des Platonismus in seiner dualistischen Struktur bereits in ihm selbst angelegt war. Gewisse Mittel- und Neuplatoniker, gefolgt von Descartes, haben die Risse im platonischen Ganzen ungewollt vergrössert und der Theologie irreparablen Schaden zugefügt, indem sie in die Kerbe der dualistischen Welt hineingedacht haben und so die Dichotomie immer grösser werden liessen. An die Stelle der Alternative zwischen einem Reich oder dem Anderen, dem platonischen oder dem irdischen, trat der Mensch als mögliche Alternative der Hinwendung, einer Hinwendung zu sich selbst.

Denn es ist doch unbestreitbar so, dass der Ganzheitsmythos an Attraktivität einbüsst, wenn die Welt keine einheitliche Welt mehr sein kann. Mit dem cartesianischen cogito fand der selbstbewusste Zweifel in die Welt, und in ihm fand der
Mensch eine Alternative zur von Gott gegebenen Wahrheit. Der Subjektivismus späterer Zeit war eine folgerichtige Fortsetzung der Emanzipation des Denkens von Gott und damit ein aufkeimender Atheismus.

Atheismus ist insofern kein Mangel an Wahrheit, sondern ein weiterer Weg der Wahrheit. Wissenschaft und Theologie sind deshalb nicht unvereinbar, sondern sie setzen je unterschiedliche Prioritäten, das sehen wir vermutlich ähnlich.
Aber man kann die Entscheidung für einen Weg deshalb auch nicht als defizitär ansehen, weder den wissenschaftlichen noch den spirituellen, oder?



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Herr K.
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Sa 20. Jan 2018, 21:56

epitox hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 20:12
Ich habe bisher noch niemanden getroffen, der nicht an seinem Leben hing. Dennoch gibt es Atheisten oder Agnostiker...
Aus einem Wollen folgt kein Sein.
epitox hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 20:12
So wie bei Kant Gott der Garant des Sittengesetzes ist, so ist Gott auch Garant der natürlichen Ordnung, ohne die weder Welt noch Wissenschaft existieren würden (Naturgesetze).
Weil?




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epitox
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So 21. Jan 2018, 18:26

Herr K. hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 21:56
epitox hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 20:12
Ich habe bisher noch niemanden getroffen, der nicht an seinem Leben hing. Dennoch gibt es Atheisten oder Agnostiker...
Aus einem Wollen folgt kein Sein.
epitox hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 20:12
So wie bei Kant Gott der Garant des Sittengesetzes ist, so ist Gott auch Garant der natürlichen Ordnung, ohne die weder Welt noch Wissenschaft existieren würden (Naturgesetze).
Weil?
Hier habe ich eine kleine Handreichung zum Thema:

Im Christentum gibt es eine Trennung zwischen der allumfassenden Natur und dem sie begründenden, ihr Ursprung gebenden Sein. Damit treten Physik und Metaphysik auseinander. Nur der wirkliche Gott, den wir denkend in der Natur erkennen können, wird angebetet. Gott geht der Natur voraus, und sie ist sein Geschöpf. Dieser Trennung von Natur und Gott tritt eine zweite, genauso wichtige Erkenntnis zur Seite: Zu einem (röm./griech. antiken) Gott, der Natur, Weltseele oder was auch immer, hatte man nicht beten können; er war kein „religiöser Gott“. Im Judentum/Christentum hat sich dieser Gott, der der Natur vorausgeht, den Menschen zugewandt. Eben weil er nicht bloß Natur ist, ist er kein schweigender Gott. Er ist in die Geschichte eingetreten, geht dem Menschen entgegen. Er kann sich Gott verbinden, weil Gott sich dem Menschen verbunden hat. Sie können ihn dabei denkend in der Natur finden, weil er sich ihnen in der Ordnung der Welt zeigt. Diese Ordnung ist Voraussetzung jeglichen naturwissenschaftlichen Arbeitens und wird von ihnen in Form einer Naturgesetzlichkeit erkannt.

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So 21. Jan 2018, 18:31

Alethos hat geschrieben :
Sa 20. Jan 2018, 20:58
Atheismus ist insofern kein Mangel an Wahrheit, sondern ein weiterer Weg der Wahrheit. Wissenschaft und Theologie sind deshalb nicht unvereinbar, sondern sie setzen je unterschiedliche Prioritäten, das sehen wir vermutlich ähnlich. Aber man kann die Entscheidung für einen Weg deshalb auch nicht als defizitär ansehen, weder den wissenschaftlichen noch den spirituellen, oder?
Nein, dem kann ich so nicht zustimmen: Ich habe dir im Folgenden einen Text aus der Enzyklika Spe Salvi (2007) herauskopiert. Ich denke es berührt unser Thema mit dem ganzen moralischen Ernst des Christentums!

“Vernunft ist die große Gottesgabe an den Menschen, und der Sieg der Vernunft über die Unvernunft ist auch ein Ziel des christlichen Glaubens. Aber wann herrscht die Vernunft wirklich? Wenn sie sich von Gott gelöst hat? Wenn sie für Gott blind geworden ist? Ist die Vernunft des Könnens und des Machens schon die ganze Vernunft? Wenn der Fortschritt, um Fortschritt zu sein, des moralischen Wachsens der Menschheit bedarf, dann muss die Vernunft des Könnens und des Machens ebenso dringend durch die Öffnung der Vernunft für die rettenden Kräfte des Glaubens, für die Unterscheidung von Gut und Böse ergänzt werden. Nur so wird sie wahrhaft menschliche Vernunft. Sie wird menschlich nur, wenn sie dem Willen den Weg zeigen kann, und das kann sie bloß, wenn sie über sich hinaussieht. Sonst wird die Lage des Menschen im Ungleichgewicht zwischen materiellem Vermögen und Urteilslosigkeit des Herzens zur Bedrohung für ihn und die Schöpfung.”

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epitox hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 18:31
Vernunft ist die große Gottesgabe an den Menschen
Du wirst mir aber sicherlich zustimmen, dass dies zunächst einmal eine Setzung ist, die durch die Setzung selbst Gültigkeit hat. Wir haben es hier mit einem Dogma zu tun, vielleicht mit einem theologischen Axiom. Es ist jedenfalls nicht evident für Nichtgläubige.



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Alethos hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 19:05
epitox hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 18:31
Vernunft ist die große Gottesgabe an den Menschen
Du wirst mir aber sicherlich zustimmen, dass dies zunächst einmal eine Setzung ist, die durch die Setzung selbst Gültigkeit hat. Wir haben es hier mit einem Dogma zu tun, vielleicht mit einem theologischen Axiom. Es ist jedenfalls nicht evident für Nichtgläubige.
Der Glaube ist keine Setzung!

Du hast mich allerdings etwas missverstanden! Es geht mir weder um Bekehrung noch um Belehrung aus christlicher Sicht! Der Text soll eine Antwort geben auf die falschen Alternativen, die du anbietest - nämlich zwischen wissenschaftlich und "spirituell" (was das immer auch heißen mag) wählen zu müssen. Das Christentum versteht sich als Aufklärung. Eine Aufklärung die Religion geworden ist. Damit ist ihr Vernunftbegriff - anders als in der Moderne - nicht etwa nur auf die empirischen Wissenschaften begrenzt.

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So 21. Jan 2018, 19:39

Ich sehe Glauben und Wissenschaft nicht als Gegensätze, sie behandeln schlicht anderes.

Aber wenn du zitierst, dass die Vernunft eine Gabe Gottes ist, dann frage ich mich, wo der Beweis für diese Behauptung liegt. Es mag ja sein, dass man an die Existenz Gottes glaubt, aber für denjenigen, der nicht glaubt, muss man überzeugendere Argumente finden als ein simpler Hinweis auf die Gottgegebenheit von Vernunft? Gott ist ja das zu Beweisende, man sollte ihn nicht für den Beweis voraussetzen. Das war mein Punkt.



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epitox hat geschrieben :
So 21. Jan 2018, 19:29
Damit ist ihr Vernunftbegriff - anders als in der Moderne - nicht etwa nur auf die empirischen Wissenschaften begrenzt.
Allerdings ist der Glaube an die Vernunft auch eine Setzung, banalerweise die, dass man qua Vernuft die Welt erklären kann.
Die Setzung des Glaubens ist einfach, dass Gott existiert und von dieser Prämisse ausgehend, versucht man Welt zu erklären, die Setzung des Naturalismus ist, dass Gott (und weiitere oder andere höhere, nichtnatürliche Mächte oder Kräfte) nicht existiert. Dabei muss man sicher Volksglauben und theologische Details trennen.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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