epitox hat geschrieben : ↑ Sa 20. Jan 2018, 20:12
Die Wissenschaft will - aus welchen Grund auch immer - in ihren Theorien keinen direkten Bezug auf Gott haben, aber ganz los wird sie Ihn dennoch nicht. So wie bei Kant Gott der Garant des Sittengesetzes ist, so ist Gott auch Garant der natürlichen Ordnung, ohne die weder Welt noch Wissenschaft existieren würden (Naturgesetze). Eine solche Sichtweise führt beispielsweise Gott in die Welt ein, ohne dass die Freiheit und Unabhängigkeit des Menschen tangiert werden. Die Schwierigkeiten, die die Atheisten mit solchen Aussagen haben, liegt darin begründet, dass sie glauben dass wissenschaftlichen Aussagen und Gottesrede von gleicher Art oder vom gleichen Typ sind - also auch nicht gleichzeitig richtig und wahr sein können. Das ist natürlich wiederum Nonsens, denn beide verhalten sich nicht kontradiktorisch sondern komplementär zueinander.
Man kann bis zur Patristik oder noch weiter zurückgehen, um solche Wahrheit zu finden, die sich selbst Begründung ist. Es ist die platonische, dass es etwas gebe, das ewiger wahr ist als der menschliche Irrtum.
Gott ist, z.B. im Duktus der englischen Platoniker des 17. Jahrhunderts, ein Begriff, der die Vollkommenheit des Seins aussprechbar macht. Gott wird nicht begreifbar, aber denkbar durch eine auf den Begriff gebrachte Vorstellung der ontischen Wirklichkeit. Gott ist die thematisierte Unendlichkeit, verstanden als die Vollkommenheit der Wirklichkeit, der möglichen und der seienden, der künftigen und gewesenen. Gott ist der Begriff der Singularität, verstanden als die Gegenwart des Ganzen in seinen Teilen, verstanden als der Grund aller Gründe und Ziel aller Ziele. Es gibt kein metaphysisch Höheres, sowenig wie es eine Steigerungsform der Ganzheit gibt.
Nun muss man aber feststellen, dass der Niedergang des Platonismus in seiner dualistischen Struktur bereits in ihm selbst angelegt war. Gewisse Mittel- und Neuplatoniker, gefolgt von Descartes, haben die Risse im platonischen
Ganzen ungewollt vergrössert und der Theologie irreparablen Schaden zugefügt, indem sie in die Kerbe der dualistischen Welt hineingedacht haben und so die Dichotomie immer grösser werden liessen. An die Stelle der Alternative zwischen einem Reich oder dem Anderen, dem platonischen oder dem irdischen, trat der Mensch als mögliche Alternative der Hinwendung, einer Hinwendung zu sich selbst.
Denn es ist doch unbestreitbar so, dass der Ganzheitsmythos an Attraktivität einbüsst, wenn die Welt keine einheitliche Welt mehr sein kann. Mit dem cartesianischen
cogito fand der selbstbewusste Zweifel in die Welt, und in ihm fand der
Mensch eine Alternative zur von Gott gegebenen Wahrheit. Der Subjektivismus späterer Zeit war eine folgerichtige Fortsetzung der Emanzipation des Denkens von Gott und damit ein aufkeimender Atheismus.
Atheismus ist insofern kein Mangel an Wahrheit, sondern ein weiterer Weg der Wahrheit. Wissenschaft und Theologie sind deshalb nicht unvereinbar, sondern sie setzen je unterschiedliche Prioritäten, das sehen wir vermutlich ähnlich.
Aber man kann die Entscheidung für einen Weg deshalb auch nicht als defizitär ansehen, weder den wissenschaftlichen noch den spirituellen, oder?