Gott für Atheisten

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
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Friederike
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Di 7. Mai 2019, 13:23

sz hat geschrieben : Wer meint bei der philosophischen Selbsterkenntnis würde ein "Selbst" erkannt werden ist auf dem Holzweg. Das passiert vll. einem wissenschaftlich orientierten Rationalisten wie Metzinger, der unbedingt etwas beweisen will, wissenschaftlich ... da er mit Hirnforscherm zusammenarbeitet. Aber er sieht das ja schon zu Beginn des Buchs ein (s.o.). Aber vll. hat er auch zuviel mit Objektivisten zu tun ... und will diese aufklären?
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 6. Mai 2019, 13:56
Wir können uns jedoch auf folgendes einigen: Wer sich auf die Suche nach einem Selbst macht und hofft ein "Ding" zu finden, der muss zwingend scheitern, weil er nach dem falschen sucht. Er wird ebenso scheitern, wie jemand, der mithilfe eine Lupe die Zahl zwischen 5 und 7 sucht.
Der "Holzweg", so lese ich die Passage, bezieht auf ein Verständnis des "Selbst" als einem Ding in Zeit und Raum, das ebenso wie ein Ding in Zeit und Raum "erkannt" werden kann. Dies jedoch muß "scheitern", wie Du geschrieben hattest.

Dies wäre zugleich die Antwort auf Deine Frage, die Struktur betreffend.




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Friederike
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Di 7. Mai 2019, 15:24

Angenommen, wir würden den Begriff "Selbst" -als Substantiv- streichen, würde dann eigentlich ein Baustein fehlen, ein Baustein, der hilfreich ist, die Funktionsweise des menschlichen Handelns, Denkens und Fühlens zu erklären oder zu verstehen? Braucht man außer des "Ichs", dessen sich jeder Mensch bewußt ist, das Selbst?
Ich behaupte, "nein".




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Friederike
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Mi 8. Mai 2019, 10:13

szimmer hat geschrieben :
Mo 6. Mai 2019, 23:06
Jo ein bisschen arg einfach 😀
Mir jedenfalls zu einfach betrachtet, daher klinke ich mich hier aus. 😉
Nö, tu' das nicht. Bild




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Jörn Budesheim
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Fr 10. Mai 2019, 07:51

Mein Gebet hört Gott auch
am Morgen im Kornfeld
wo der Wind
die Kinder des Mittags sammelt
und die Entschlafenen
von ihren Gehirnen ausruhen
an der Mauer.
Gott hört mich
in der Finsternis des Regens
und auf den Wegen
bittrer Gräser und blanker Steine
über den Totenschädeln der Nacht
die in meinen Träumen zerschellen
aus Furcht
Gott hört mich
in jedem Winkel der Welt.

(Thomas Bernhard)




herbert clemens
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Fr 10. Mai 2019, 10:27

„Selbst“ ist, wie schon gesagt, kein Ding, sondern der Versuch, ein Wort zu finden, um die Beziehung zu sich selbst zu begreifen. Ich übersteige der Möglichkeit nach, immer wieder meine biographischen Möglichkeiten, die mich als dieses oder jenes Indiviuum charakterisieren. Es gibt immer wieder die Möglichkeit, dass ich nicht in meinen Gedanken, Gefühlen, … aufgehe. Dieser „Null-Punkt“ ist zwar eine räumliche Bildvorstellung, die aber sicher nicht in den „Raum“ gehört.
Die Kommentare von Jörn finde ich zutreffend, wenn ich sie richtig verstehe.
Assoziativ fällt mir „Nirvana“ und ganz anders „Blick von Nirgendwo“ ein.
Vielleicht ist es auch der „Blick von Über-All“?
Noch dunkler formuliert, wenn ich die „All“umfassende Liebe in mir wahrnehme, bin ich frei von meinen mich bedrängenden Gedanken, Gefühlen, Begierden, frei für die Liebe zu mir und der Welt.
Ich gehe durch den „Null-Punkt“ über „All“ auf meine konkreten biographischen Möglichkeiten und Freuden zu.




herbert clemens
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Fr 10. Mai 2019, 10:34

zu Friederike:
" Falls ich Dich richtig verstehe, dann besteht aus meiner Sicht der Clou Deines Ansatzes darin, daß das, wofür es den Begriff "Selbst" gibt, eine Art von Beziehung im Umgang mit uns selbst meint. Hier würde vielleicht der Ausdruck "Annäherung" passen. Eine Annäherung einer Person an die Potentiale, die ihr eigen sind.
"
Das größte Potential ist, von den vorgegebenen biographischen Möglichkeiten Abstand zu nehmen, und eine neue Möglichkeit zu schaffen. Deshalb möchte ich auf den Begriff "Selbst" nicht verzichten, der zur Freiheit aufruft. (Jörn, ich bekomme es mal wieder mit dem Zitieren Nicht richtig hin)




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Friederike
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Fr 10. Mai 2019, 10:54

herbert clemens hat geschrieben :
Fr 10. Mai 2019, 10:27
„Selbst“ ist, wie schon gesagt, kein Ding, sondern der Versuch, ein Wort zu finden, um die Beziehung zu sich selbst zu begreifen. Ich übersteige der Möglichkeit nach, immer wieder meine biographischen Möglichkeiten, die mich als dieses oder jenes Indiviuum charakterisieren. Es gibt immer wieder die Möglichkeit, dass ich nicht in meinen Gedanken, Gefühlen, … aufgehe. Dieser „Null-Punkt“ ist zwar eine räumliche Bildvorstellung, die aber sicher nicht in den „Raum“ gehört. Die Kommentare von Jörn finde ich zutreffend, wenn ich sie richtig verstehe. Assoziativ fällt mir „Nirvana“ und ganz anders „Blick von Nirgendwo“ ein. Vielleicht ist es auch der „Blick von Über-All“? Noch dunkler formuliert, wenn ich die „All“umfassende Liebe in mir wahrnehme, bin ich frei von meinen mich bedrängenden Gedanken, Gefühlen, Begierden, frei für die Liebe zu mir und der Welt. Ich gehe durch den „Null-Punkt“ über „All“ auf meine konkreten biographischen Möglichkeiten und Freuden zu.
Alles, was biographisches "Ich" nicht ist, das vom "Ich" Ausgeschlossene ist "Selbst" (dieser Satz steht unter dem Motto und in Anlehnung an Dein hübsches "mich reizt es, folgenden Gedanken zu formulieren"). Das heißt, die biographischen Daten sind alle verwirklichten Möglichkeiten, die vom Feld der nicht verwirklichten Möglichkeiten umgeben sind. Ach, *seufz* ich treffe weder das, was Du mE meinst noch was ich meine.

Nebenbei @Herbert, Du ergänzt "Ich" meistens um "biographisch". Tust Du es einfach deswegen, um den Begriff "Ich" präziser zu bestimmen und ihn klarer vom "Selbst" unterscheiden zu können? Dies ist meine Vermutung, aber da ich nicht sicher bin, frage ich nach.




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Jörn Budesheim
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Fr 10. Mai 2019, 12:36

Jetzt wo du ihn erwähnst, fällt mir auf, dass der Begriff des biographischen ich, den ich eigentlich hilfreich finde, präzisionsbedürftig ist. Ist das "biografische ich" das ich, was ich aus den Geschichten ergibt, die wir über uns selbst erzählen? Oder ist es einfach die Geschichte, die man erlebt hat? Oder irgendeine komplexere Mischung aus beiden?




herbert clemens
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Mo 13. Mai 2019, 08:19

Danke, dass ihr so konstruktiv, auf meinen Versuch diese Wirklichkeit zu erfassen, eingeht.
Ich vermute auch wie Friederike, dass ich das biographische Moment beim Ich betone, um den Unterschied zum freien Selbst heraus zu arbeiten.
Und ich denke auch, dass dies mindestens(?) eine „komplexere Mischung“ (Jörn) aus der Geschichte, die ich erlebt habe und die ich über mich erzähle, ist.
Ergänzende Beobachtungen: Ich bin mir meines biographischen Ichs nie gewiss. Stimmt die Erzählung, die ich mir von mir mache?
Andererseits gibt mir mein gewordenes Ich eine Struktur, mich gegen unbewusste Antriebe auf der einen Seite und den Versuchungen, den Reizen der Umwelt zu folgen, auf der anderen Seite zu behaupten.
Noch unverbunden damit folgende Feststellung: Ich bedauere, dass i c h (?!) nicht so entschieden und kraftvoll in meiner Welt handle und finde mich wunderbar, dass ich nicht so voreingenommen bin.
Und ich Selbst kann mich von diesen Gedanken lösen, und mich in der Liebe zum blauen Himmel des gegenwärtigen Augenblickes erheben und gegenwärtig die frische Luft des vorherigen Augenblickes als befriedigend erleben. Und mich über die „Göttlichkeit“, den „Gott für Atheisten“, … freuen.




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Friederike
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Mo 13. Mai 2019, 13:45

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 13. Mai 2019, 08:19
Ergänzende Beobachtungen: Ich bin mir meines biographischen Ichs nie gewiss. Stimmt die Erzählung, die ich mir von mir mache?
Das ist, wie ich finde, eine gute Anregung zum Überlegen - woran man eigentlich merkt, ob die Erzählung stimmt oder ob sie nicht stimmt?* Denn man kann natürlich verschiedene Geschichten über sich erzählen. Was man einmal daran merkt, daß andere Menschen die Geschichte einer Person möglicherweise komplett anders erzählen und zum anderen auch daran, daß man selber, das eigene biographische Ich im Laufe des Lebens die Geschichte von Zeit zu Zeit oder dauerhaft anders erzählt.
Herbert hat geschrieben : Andererseits gibt mir mein gewordenes Ich eine Struktur, mich gegen unbewusste Antriebe auf der einen Seite und den Versuchungen, den Reizen der Umwelt zu folgen, auf der anderen Seite zu behaupten.
Nur, um es für mich handhabbarer zu machen, was Du meinen könntest: Mich erinnert Deine Aufteilung an Freud, das "Ich" der bewußte Teil, das "Es" die Triebe und die Umwelt das "Über-Ich".
Dieses Modell finde ich nicht sonderlich "glücklich", deswegen nicht, weil ich meine, daß es das menschliche "Funktionieren" nicht zutreffend wiedergibt. Ich werde überlegen, wie ich es anders und besser konzipieren würde.

*Am ehesten denke ich an ein Gefühl, eine Art von Gefühl, :lol: Zufriedenheit, innere Stille, Friedlichkeit oder so ...




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Mo 13. Mai 2019, 14:17

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 13. Mai 2019, 08:19
Noch unverbunden damit folgende Feststellung: Ich bedauere, dass i c h (?!) nicht so entschieden und kraftvoll in meiner Welt handle und finde mich wunderbar, dass ich nicht so voreingenommen bin. Und ich Selbst kann mich von diesen Gedanken lösen, und mich in der Liebe zum blauen Himmel des gegenwärtigen Augenblickes erheben und gegenwärtig die frische Luft des vorherigen Augenblickes als befriedigend erleben. Und mich über die „Göttlichkeit“, den „Gott für Atheisten“, … freuen.
Daran kaue ich herum, aber ich glaube, jetzt verstehe ich. "Ich bedaure", das ist der krittelnde, reflektierende Teil in Dir, der zwei Feststellungen trifft (die Zögerlichkeit und die Selbstzufriedenheit). Dagegen dann das "Selbst", das diesem krittelnden Teil keinen Raum gibt, sondern lebt.




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Friederike
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Di 14. Mai 2019, 09:12

@Herbert, mir ist gestern noch eingefallen, daß ich lieber sagen würde, "dagegen dann "Selbst", das diesem krittelnden Teil keinen Raum gibt, sondern schwebt".




herbert clemens
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Do 16. Mai 2019, 08:52

Ergänzende Gedanken:
„Selbst“ beinhaltet, dass Wahrheit möglich ist und „Ich“, dass ich mich immer wieder von neuem mit meinen Irrtümern herum schlage.
„Selbst“ beinhaltet, mit dem Herzen zu denken, vorauszusetzen, dass Liebe gegenwärtig und möglich ist, „ eine Art von Gefühl, Zufriedenheit, innere Stille, Friedlichkeit oder so ... … freuen“ (Friederike), „Ich“, der immer unzureichende Versuch dies in meine jetzige Lebenswirklichkeit zu tragen.
„Selbst“ beinhaltet, immer wieder in der aufrechten Haltung gegründet zu „sitzen“ (Zen), „Ich“ dankbar im Alltag den ersten Bissen zu kauen.
PS: Ich habe nicht an Freud gedacht, obwohl mir die Analogien im nachhinein ersichtlich sind. Aber ich glaube auch, dass sein Modell nicht weiterführend ist.




herbert clemens
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Mo 20. Mai 2019, 10:09

Selbst-Gespräch Fortsetzung:
Ich bin dankbar für diesen gesamten Gesprächsfaden.
Mir ist klarer geworden, dass es für mich nur den „Gott für Atheisten“ gibt.
In langen Jahren habe ich nach einer „geistigen Heimat“ gesucht.
So fällt mir ein, dass ich Veranstaltungen und Bücher christlicher, buddhistischer, sufistischer(=Islam),... Herkunft mit Interesse wahrgenommen habe, aber mich keiner Gruppe zugehörig fühle.
Die Wahrheit kann ich nur Selbst finden.
Keine der Traditionen hat alleine recht.
Alle haben ihre Möglichkeiten.
Wer aufgrund seiner Biographie die Hilfsmittel der jeweiligen Tradition benutzt, und auf seine Weise zu Freiheit und Liebe, zur Humanität, gelangt, hat auch sich Selbst gefunden.
Wer aufgrund seiner Biographie als Künstler die Wunder der Welt wahrnimmt und sie schöpferisch vervielfältigt, …
Mein biographisches Ich ist Möglichkeit und Schranke zugleich in dieser Welt meine Lebensfreude zu verwirklichen.
Im Jetzt bin ich für ein Nu ganz bei mir, ganz ich Selbst. (Nirwana, Paradies, Himmel)

Selbst weist immer über mich hinaus.
So gekräftigt verwirkliche Ich mich im Alltag.




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Friederike
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Mi 22. Mai 2019, 13:46

@Herbert, red' weiter ... Bild




herbert clemens
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Do 23. Mai 2019, 09:38

Danke für die Ermutigung.
Dass wir es als Menschen als stärkend und motivierend erleben, eine positive Anerkennung zu bekommen, gehört wohl zum Menschsein dazu. (Ausdruck verwirklichter Liebe)
Ich hatte mir gerade, sozusagen dennoch, vorgenommen, das Thema weiter umkreisen, um mir Selbst (?) Klarheit zu verschaffen:

Selbst-Erziehung heißt von der grundsätzlichen Freiheitsmöglichkeit, von Selbst-Bestimmung, Gebrauch machen.
Einerseits: Mein biografisches Ich wird von mir in Frage gestellt, ich versuche gegen bisherige Gewohnheiten, mir neue Möglichkeiten zu schaffen.
Andererseits: Ich schätze meine biographisch gegebenen Möglichkeiten und lasse mich bewusst nicht auf Umwelteinflüsse ein.
Unabhängig vom mir bewussten (biographischen) Ich gibt es kein (mir erfahrbares) Selbst. (Da hat Stefanie recht.) Andererseits ist Selbst die Freiheitsmöglichkeit, die mich als Menschen erst konstituiert.
Freiheit in den jeweiligen Alltag zu tragen, ist immer abhängig von den in diesem Leben angesammelten biographischen Möglichkeiten. Doch bin ich immer frei, sie so oder so zu handhaben.
Illustriert an mir: Lebensgeschichtlich schüchtern und ohne breite Brust bin ich empfindsam gegenüber Meinungen anderer Menschen. Doch kann ich mich dennoch positionieren. Hilfreich ist meine Hypothese, dass die „Liebe“ (Gott der Atheisten) mich trägt, auch wenn konkrete Menschen mich merkwürdig finden.




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Fr 24. Mai 2019, 13:55

herbert clemens hat geschrieben :
Mo 20. Mai 2019, 10:09
Mein biographisches Ich ist Möglichkeit und Schranke zugleich in dieser Welt meine Lebensfreude zu verwirklichen. Im Jetzt bin ich für ein Nu ganz bei mir, ganz ich Selbst. (Nirwana, Paradies, Himmel)
Selbst weist immer über mich hinaus. So gekräftigt verwirkliche Ich mich im Alltag.
Mich interessiert, ob das über Dein biografisches Ich hinausweisende Selbst auf irgendeine Art im Metaphysischen verankert ist ... oder besser ins Metaphysische hineinragt. Wie mache ich mich verständlich?

Hm, Du versuchst die Haltung der Liebe einzunehmen, also die Bejahung all dessen, was ist - gehört die Bejahung der Vergänglichkeit Deines Ichs auch dazu? Der Tod ist das Ende Deines biografischen Ichs auf der Erde, geht die Biografie danach weiter, oder ist es das Selbst, das fort"lebt", das auf irgendeine Weise eingeht in ein "Größeres"? Oder bist "Du" insgesamt nicht mehr?


Für mich ist die Auferstehungs- und Jenseitshoffnung das entscheidende Moment an meinem Gottesglauben.




herbert clemens
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Sa 25. Mai 2019, 17:33

Metaphysisch?: Ich bin bei der philosophischen Begriffsbildung unsicher. Geht folgende Antwort in die Richtung deiner Frage? Ich denke, dass es eine „geistige Dimension“ in der Realität gibt, an die wir Menschen teilhaben, und die nur im Selbst-Bewusstsein des Menschen zum Bewusstsein kommen kann.
Meine Überlegungen sind sicherlich aufgrund langer christlicher Phasen geprägt. Ein zentraler Satz des NT findet bei mir großen Widerhall: „Und hättet die Liebe nicht...“
Für mich ist klar, dass sich dies nur immer im jeweiligen Hier und Jetzt unserer Lebensrealität verwirklicht.
Und, dass das Himmelreich in erster Linie in uns ist (irgendwo anders im NT).
Diese Einsichten gibt es auch in anderen geistigen Traditionen, aber ich habe auch keine Scheu zu christlichen Traditionen ja zu sagen.
Andererseits habe ich lebensgeschichtlich eine gewisse Distanz zum Christentum der Kirchen.
Es kann sein (es ist nicht widerlegbar), dass Dein Vertrauen, „ Auferstehungs- und Jenseitshoffnung“ sich auf Realität stützt.
Da bin ich unsicherer.
Gewiss ist mir, dass die „göttliche“ (?) Liebe mich trägt und ich selbst die Liebe als eigene Lebensfreude und zum Wohle von Mitmenschen und natürlicher Umwelt verwirklichen möchte.
Ob ich mit meinen biographischen Vorlieben an der ewigen Liebe teilhaben kann?
Ob mein „Selbst“ darin aufgelöst wird?
Ob Ich „ insgesamt nicht mehr“ bin?
Ich kann darüber nur spekulieren.
Dem Leiden und den Hoffnungen im Diesseits begegne ich gern mit dem islamischen „So Gott will“.
Auch die buddhistischen Gedanken zu Karma haben für mich eine gewisse Plausibilität (göttliche Welt ist gerecht, Ursache und Wirkung gilt).
Meine persönliche Hoffnung ähnelt eher der Deinen, dass ich nicht wiederkommen muss, sondern nach dem „Fegefeuer“ in die ewige Seligkeit eingehe.
Wie auch immer, fühle ich mich zur „Liebe“ aufgerufen.
Und sie ist auch für A-Theisten eine plausible Perspektive.




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So 26. Mai 2019, 08:37

Lieber Herbert, ich habe Deine ausführliche Antwort eben gelesen. Es ist, wie ich finde, so eine Fülle von Aussagen darin ... die ich erst einmal ruminieren (auf der Zunge zergehen lassen, langsam und gründlich kauen - so sollten die benediktinischen Mönche und Nonnen die Hl. Schrift lesen) muß, bevor ich antworten kann.




herbert clemens
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Mo 27. Mai 2019, 08:58

Kennst du, Friederike, Publik Forum, - christlich, - kritisch, - unabhängig, ökomenisch?
Ich lese darin ganz gerne.
Satz aus einem Leserbrief: „Ich gehe davon aus, dass wir alle aus der Liebe kommen und mit unserem Tod in das Meer der Liebe zurückfallen. Das heißt für „auferstehen“.“
Auch eine Möglichkeit?




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