Gott für Atheisten

Glaube und Wissen, Wesen und Formen von Religionen, ihre Bedeutung für das menschliche Leben, Grundfiguren religiösen Denkens u.ä. - Darauf wirft die Religionsphilosophie ihren Blick.
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Jörn Budesheim
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Mo 1. Apr 2019, 11:19

Die Beispiele sagen dir nichts? Hast du dich noch nie "klein" gefühlt beim Blick auf die Sterne? Lässt dich das im ernst kalt oder kommst auch du da ins Staunen gelegentlich?




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TsukiHana
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Mo 1. Apr 2019, 11:33

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 06:46
TsukiHana hat geschrieben :
So 31. Mär 2019, 22:15
... denn offenbar steuerst Du mit diesem Thema in eine ganz bestimmte Richtung
Das ist so offenbar, dass es mir selbst entgangen ist :) eigentlich habe ich keine "ganz bestimmte Richtung", sondern ich bin einfach mal losgegangen, um zu sehen wohin es führen kann ... um auszuloten was geht.
@ Jörn, ach das kenne ich. Manchmal fische ich ja auch ganz gerne im Trüben. Auch eine Wattwanderung kann höchst vergnüglich und lehrreich sein, man muss nur immer auf die Flut achten... :D
Jaspers Umgreifendes kam mir gerade wieder in den Sinn.



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Jörn Budesheim
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Mo 1. Apr 2019, 11:40

TsukiHana hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 11:33
Jaspers Umgreifendes kam mir gerade wieder in den Sinn.
Das kenne ich nur vom Hörensagen. Was bedeutet es für dich?




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Stefanie
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Mo 1. Apr 2019, 11:44

Staunen, faszinierend, schön, sehr schön, manchmal bedrohlich (z.B. die Wolkenformationen bei einer Gewitterfront, sieht aber geil aus), hässlich kommt auch mal vor, beruhigend, erstaunlich, usw.
Aber Erhaben, nee.
Ich kenne erhaben nur als ein eigentlich etwas "böses" Gefühl, dieses ätschi bätschi Gefühl, wenn einem jemand geärgert hat, und man es ihm oder ihr dann zeigt, weil man etwas besser weiß, dann kann man sich erhaben fühlen, weil ich mich dann selbst über jemanden erhebe.
Aber in dem Sinne oder bei den Ereignisse, die hier aufgezählt werden, nein.

Nehmen wir mal die Sonnen- und die Mondfinsternis. Vor Jahrhunderten konnten sich die Menschen dieses Phänomen nicht erklären, sie wusste noch nicht was das ist und schrieben es oftmals einer göttlichen Kraft zu, z.B. als zornige Reaktion eines Gottes.
Heute wissen wir, wie eine Sonnenfinsternis abläuft, dass die Welt dabei nicht untergeht, und es ein seltener, aber normaler Vorgang ist. Und trotzdem finden wir es immer noch schön und faszinierend. Aber klein gefühlt? Nicht wirklich.
Denn wir sind Bestandteil dieser Welt, und des Universums und stehen nicht außen vor.
Wir sind endliche Wesen, und weil jemand stirbt, stirbt nicht das Universum, sondern lebt weiter. Das ist eine harte Nuss zum verdauen, aber es ist eben so, und sollte nicht dazu führen uns "klein" zu fühlen. Für manche Dinge, Ereignisse und so muss man es halt akzeptieren, das es so ist, wie es ist, und nicht Strategien entwickeln, um es zu verdrängen, zu verklären oder so was in der Art.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
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Jörn Budesheim
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Mo 1. Apr 2019, 11:48

Stefanie hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 11:44
Aber Erhaben, nee.
Dir ist es egal, was ich darunter verstehe, stimmt's? Gestern kanntest du den Begriff noch nicht und heute bist du schon dagegen, das nenne ich ein rasantes Tempo :-)




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Stefanie
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Mo 1. Apr 2019, 11:52

Nöö, natürlich kenne ich den Begriff, und habe mich schon immer gefragt, was genau damit gemeint ist. Ich habe Definitionen von Erhaben angeboten, und darauf kam nichts. Also nehme ich die Standarddefinition. Mit irgendeiner muss ich ja hantieren.



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Jörn Budesheim
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Mo 1. Apr 2019, 11:54

Mit irgendeiner - aber auf keinen Fall meiner, nicht wahr :-) So kommen wir natürlich nicht voran.




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Jörn Budesheim
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Mo 1. Apr 2019, 11:55

"Der Gedanke, dass die Beziehung zwischen Geist und Welt etwas Grundlegendes sein, macht viele Menschen unseres Zeitalters nervös. Nach meiner Überzeugung ist das die Äußerung einer Religionsangst [...]. Dabei rede ich aus Erfahrung, denn ich selbst bin dieser Angst in hohem Maße ausgesetzt. Ich will, dass der Atheismus wahr ist, und es bereitet mir Unbehagen, dass einige der intelligentesten und am besten unterrichtest Menschen, die ich kenne im religiösen Sinne gläubig sind. Es ist nicht nur so, dass ich nicht an Gott glaube und natürlich hoffe, mit meiner Ansicht Recht zu behalten, sondern eigentlich geht es geht es um eine Hoffnung, es möge keinen Gott geben! Ich will, dass es keinen Gott gibt, ich will nicht dass das Universum so beschaffen ist." (Thomas Nagel)




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TsukiHana
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Mo 1. Apr 2019, 12:18

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 11:40
TsukiHana hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 11:33
Jaspers Umgreifendes kam mir gerade wieder in den Sinn.
Das kenne ich nur vom Hörensagen. Was bedeutet es für dich?
Jaspers Heimat, der er sich Zeit seines Lebens verbunden fühlte, war Butjardingen (JEVER-Land :D ). Er war also ein Küstenkind, wie ich und dem Meer sehr verbunden.
Die Küste, den Strand nannte er dann auch den Rand des Umgreifenden... dem kann ich mich bedingungslos anschließen.
Als bekennender, überzeugter und praktizierender "Fischkopp" ist es für mich ein nahezu heiliges Momentum barfuß im Spülsaum zu stehen und meinen Blick auf den unendlich scheinenden Horizont zu richten...

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Jörn Budesheim
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Mo 1. Apr 2019, 12:21

Stefanie hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 11:44
Nehmen wir mal die Sonnen- und die Mondfinsternis. Vor Jahrhunderten konnten sich die Menschen dieses Phänomen nicht erklären, sie wusste noch nicht was das ist und schrieben es oftmals einer göttlichen Kraft zu, z.B. als zornige Reaktion eines Gottes.
Produktinfo, Unseld hat geschrieben : "Im 19. Jahrhundert wurde das Erhabene zu einem der ästhetischen Schlüsselbegriffe der Romantik. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts lebte das Interesse am Erhabenen wieder auf, etwa in der Debatte um die abstrakte Kunst. Auch die Naturwissenschaften erheben Anspruch auf das Erhabene. Wissenschaftler haben begonnen, die physiologischen und genetischen Grundlagen unseres Verständnisses für das Schöne und das Erhabene aufzuspüren. Die zeitgenössische Neurophysiologie erfaßt die Landschaft unserer Emotionen, während sich die Biologie damit beschäftigt, wie neuronale Impulse zu ästhetischen Urteilen führen. In der Naturwissenschaft und in der Kunst konfrontiert uns das Nachdenken über das Erhabene mit der Art und Weise, wie wir mit dem vollkommen Neuen, dem Extremen und dem Undarstellbaren umgehen. Wissenschaft ist ständig mit dem Problem konfrontiert, das zu beschreiben, was jenseits bisheriger Erfahrung und jenseits des gesunden Menschenverstandes liegt. Das ist das Reich des Erhabenen.

Führende Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen untersuchen in diesem Band sowohl die Gemeinsamkeiten von Forschungsstrategien in Kunst und Wissenschaft als auch ihre wesentlichen Unterschiede."
Der Begriff des "Erhabenen" hatte sehr große Momente zur Zeit der Aufklärung. Und in der Kunstdiskussion des 20 Jahrhunderts spielte er auch eine gewisse Rolle, ich denke dabei an Mark Rothko. Ich schätze, da glaubte man nicht mehr, die Mondfinsternis sei die zornige Reaktion eines Gottes. In der Edition Unseld gibt es einen Band zum Erhabenen (siehe Produktinfo), der sich irgendwo in meinen Regalen versteckt hält, sonst hätte ich daraus vielleicht schon zitiert. Während meines Studiums habe ich dazu eine Reihe von Seminaren besucht. Wir haben es hier also keineswegs mit einem überholten Begriff zu tun, den man nur nutzte solange man glaubte, die Götter zürnen :-) Der französische Jean-François Lyotard hat zum Beispiel dazu einige Beiträge geleistet. Aber, wie gesagt: mir geht es nicht um Begriffsgeschichte und Kunstseminar, es geht mir um Erfahrungen, die jeder von uns (das wette ich) schon gemacht hat.




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Jörn Budesheim
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Di 2. Apr 2019, 05:31

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 1. Apr 2019, 11:55
"Der Gedanke, dass die Beziehung zwischen Geist und Welt etwas Grundlegendes sein, macht viele Menschen unseres Zeitalters nervös. Nach meiner Überzeugung ist das die Äußerung einer Religionsangst [...]. Dabei rede ich aus Erfahrung, denn ich selbst bin dieser Angst in hohem Maße ausgesetzt. Ich will, dass der Atheismus wahr ist, und es bereitet mir Unbehagen, dass einige der intelligentesten und am besten unterrichtest Menschen, die ich kenne im religiösen Sinne gläubig sind. Es ist nicht nur so, dass ich nicht an Gott glaube und natürlich hoffe, mit meiner Ansicht Recht zu behalten, sondern eigentlich geht es geht es um eine Hoffnung, es möge keinen Gott geben! Ich will, dass es keinen Gott gibt, ich will nicht dass das Universum so beschaffen ist." (Thomas Nagel)
Ich kann einiges von dem, was Nagel sagt, nachvollziehen. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob es der Begriff "Religions-Angst" trifft. Vielleicht schon... Mir selbst wäre es auch "unangenehm", wenn meine Mitmenschen denken würden, dass ich "spirituell" oder "religiös" oder "gottesgläubig" bin. Wobei diese drei Begriffe unterschiedliche Härtegrade aufweisen. Mit "spirituell" kann auch einfach "geistig" gemeint sein, der Begriff kann ganz diesseitig verwendet werden - bei "religiös" ist das schon schwieriger und bei "gottesgläubig" ist es wohl ausgeschlossen.

Keinen dieser Begriffe würde ich in einer Selbstbeschreibung gegenüber anderen für mich verwenden. Wenn ich direkt danach gefragt werde, nutze ich in der Regel die Formulierung von Max Weber, ich sei "religiös unmusikalisch".

Vollständig lautet das Weber-Zitat so: "Denn ich bin zwar religiös absolut ›unmusikalisch‹ und habe weder Bedürfnis noch Fähigkeit, irgendwelche seelischen ›Bauwerke‹ religiösen Charakters in mir zu errichten – das geht einfach nicht, resp. ich lehne es ab. Aber ich bin, nach genauer Prüfung, weder antireligiös noch irreligiös."

Darin taucht noch ein anderer dieser "heiklen" Begriffe auf, nämlich die "Seele" bzw das "seelische". Mit diesem Begriff habe ich, erstaunlicher Weise, überhaupt keine Probleme, ich nutze ihn sogar lieber als "psychisch" oder ähnlich... Wie auch immer, diese Textpassage von Weber ist nicht schlecht, finde ich. "Antireligiös" bin ich auch nicht und was er mit 'nicht irreligiös' meint, ist nicht ganz klar, finde ich. Vielleicht möchte ich ja dem "nicht irreligiösen im religiös Unmusikalischen" in diesen Thread hier nachspüren :)

Das Thema ist schwierig, das ist mir klar, vielleicht verhindert ja die "Religions-Angst", von der Thomas Nagel spricht, die nötige Offenheit dafür?




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Jörn Budesheim
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Di 2. Apr 2019, 05:56

Laut statista antworten übrigens 58% der Deutschen auf die Frage, ob sie an Gott glauben, mit "Ja" und 38% mit "Nein". 58% kennen also ziemlich sicher keine Religionsangst :) oder doch?




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Friederike
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Mi 3. Apr 2019, 12:44

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 31. Mär 2019, 20:04
[...] Schleiermacher meinte, dass Religion Sinn und Geschmack für das Unendliche ist. Dass man sich selbst in Angesicht des Sternenhimmels ins Verhältnis zur Unendlichkeit** setzt und ins Staunen kommt, dazu braucht man nicht an den christlichen Gott zu glauben. Schleiermachers Wort vom Sinn und Geschmack für das Unendliche passt vielleicht am Ehesten für das, was ich meine, er ist vielleicht passender als der Begriff des Erhabenen - vermutlich gehört das sogar zusammen. Dazu gehört für mich auch das Gefühl des Staunens, was mich manchmal, nicht oft, geradezu schlagartig überfällt, manchmal sogar an ganz profaner Orten wie z.b. in der Fußgängerzone. Ich meine, das Gefühl des Staunens, dass etwas ist und nicht Nichts. Auch für sowas sind sicherlich viele Atheisten empfindlich.
Man erlebt das Staunen, daß etwas ist und nicht Nichts und man spürt die Unendlichkeit ... es ist eine Kombination zwischen Denken und Spüren (es "fühlen" zu nennen, vermeide ich bewußt, weil ich die Intentionalität als Kriterium dafür nehme, was "Gefühle" sind. Das wäre für die beiden o.g. Erfahrungsmodi erst einmal zu klären). Ich bin zwar nicht gaaanz sicher, aber wenn ich das Staunen und das Unendlichkeitsspüren nachvollziehe, dann geht beides mit dem Sinn-Erleben einher. So wie Gabriel den Begriff "Sinn" einsetzt. "Sinn" in diesem Sinne verstanden, kann man nicht definieren. "Sinn" gehört zu den "Grundbegriffen" (A. Kemmerling im Thread "Begriffsrealismus"). Nein, stimmt nicht. Man kann sowohl staunen als auch Unendlichkeit spüren und beides führt nicht zur Erfahrung von "Sinn". Das ist lediglich die positive Variante. Die negative Variante wäre ein Erleben von Nichtigkeit, Sinn-Losigkeit.




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Friederike
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Mi 3. Apr 2019, 14:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 2. Apr 2019, 05:31
[...] Vollständig lautet das Weber-Zitat so: "Denn ich bin zwar religiös absolut ›unmusikalisch‹ und habe weder Bedürfnis noch Fähigkeit, irgendwelche seelischen ›Bauwerke‹ religiösen Charakters in mir zu errichten – das geht einfach nicht, resp. ich lehne es ab. Aber ich bin, nach genauer Prüfung, weder antireligiös noch irreligiös." [...] Darin taucht noch ein anderer dieser "heiklen" Begriffe auf, nämlich die "Seele" bzw das "seelische". Mit diesem Begriff habe ich, erstaunlicher Weise, überhaupt keine Probleme, ich nutze ihn sogar lieber als "psychisch" oder ähnlich... Wie auch immer, diese Textpassage von Weber ist nicht schlecht, finde ich. "Antireligiös" bin ich auch nicht und was er mit 'nicht irreligiös' meint, ist nicht ganz klar, finde ich. Vielleicht möchte ich ja dem "nicht irreligiösen im religiös Unmusikalischen" in diesen Thread hier nachspüren :)
Ich erinnere mich an die Diskussion über den Unterschied zwischen "a-logisch" und "un-logisch". "Ir-religiös" würde dem "A-logischen" entsprechen (was nicht bedeutet, "un-logisch" entspräche dem "Anti-Religiösen). "Ir-religiös" = jenseits des Religiösen. Also außerhalb des Bereiches, den das Religiöse -vom Begriff her- umfaßt. Das finde ich nicht schlecht, es würde passen, wenn Weber gesagt hätte, er sei "irreligiös". Das aber hat er nicht gesagt. Er sagt, er sei nicht "irreligiös", das hieße, er sei nicht jenseits des Religiösen.

Wenn ich Webers Zitat genauer prüfe, um mich seines Wortes zu bedienen, wie kommen denn "Bedürfnis" sowie "Fähigkeit" mit der "Ablehnung" miteinander aus. Jagut, man kann ein Bedürfnis, das man verspürt natürlich ablehnen, aber das scheint er nicht zu meinen. Oder doch?

Prima facie findet Weber sich dem Religiösen gegenüber gleichgültig. Er ist einfach unbegabt und talentlos, was die Religion betrifft. Genauere Prüfung ergibt für ihn, daß das Religiöse doch eine Anziehungskraft auf ihn ausübt (er daher nicht "irreligiös", jenseits des Religiösen ist).




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Mi 3. Apr 2019, 15:31

Vielleicht kann man Webers "irreligiös" besser und einfacher durch "nicht religiös" ersetzen. Er ist weder gegen das Religiöse noch ist er nicht nicht-religiös.

Das macht die kurze Textpassage, wie ich finde, nicht leichter zu interpretieren, aber es verkompliziert das Verstehen nicht unnötig.

So @Jörn, jetzt bin ich endlich auf kleinen Umwegen bei Deiner Frage gelandet. Wie geht es oder was kann gemeint sein mit dem nicht irreligiös sein, wenn einen doch vom Bedürfnis und der Fähigkeit her das Religiöse kalt läßt.




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Jörn Budesheim
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Mi 3. Apr 2019, 20:27

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So, jetzt hatte ich endlich Gelegenheit den Rest des Videos von TsukiHana zu sehen. Was für ein witziger Zufall! Am Ende des Videos geht es um folgendes: Das georgische Lied Tchakrulo wurde mit der Voyager als ein Stück menschliche Kultur 1977 ins Weltall geschickt, um fremden Kulturen von uns zu erzählen.

Nächste Woche veröffentlicht in Frankfurt - im Weltkulturen Museum - eine Ausstellung mit einem "ähnlichen" Thema. Ein Künstler Kollege von mir (Reinhard Wanzke) hat vor ca. 2 Jahren eine Weltreise gemacht und wollte dafür Bilder aus Deutschland mitnehmen und unterwegs in aller Welt sammeln, um fremde Kulturen zu grüßen und von ihnen zu erzählen. Jetzt wird diese Aktion in Frankfurt gezeigt.

Die oben dargestellte Arbeit habe ich für ihn - für diese Weltreise - gemalt. Und wie man sieht, findet sich darauf auch das Motiv, welches sich auf der goldenen Plakette der Voyager befindet. Und auf dem bemalten Stein, den man auf dem Screenshot von dem Video sieht, dürfte sich um ein ganz ähnliches Thema drehen - das Thema des Threads nämlich :) (Bei dem anderen Motiv handelt es sich um eine relativ bekannte mechanische Ente, was natürlich auch zum Thema gehört.)

Wenn ich in den nächsten Tagen Zeit und Muße dafür finde, werde ich noch mehr zu dem Thema des Menschen und seiner Stellung im Universum schreiben :) denn das ist ja im Grunde das Thema hier... und zu dem Gesang auf Weltreise.




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Friederike
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Do 4. Apr 2019, 08:41

TsukiHana hat geschrieben :
So 31. Mär 2019, 15:54
Ich bin in meinem Nihilismus fest. [...] Gerade sehe ich, dass ich hier in "Religionsphilosophie" gelandet bin... OK, dann ist das hier mein letzter Beitrag und ich lese nur noch mit. Kein Problem. ;)
Ich bin hier hängengeblieben @TsukiHana, weil ich Deine Schlußfolgerung und Konsequenz nicht recht verstehe. Die Stimme der dezidierten :lol: Nihilistin, weniger persönlich, der Nihilismus gehört doch ganz unbedingt zur Philosophie über Religionen dazu. Ich weiß jetzt zwar nicht, ob Jaspers "Umgreifendes" das maßgeschneiderte Wort ist, aber jedenfalls ist die Perspektive, aus der der Nihilismus das Religiöse betrachtet, eine des Fernblickes.

NS: Deinen Beitrag in der Kaffeestube lese ich eben erst. Nun bin ich unschlüssig, ob sich meine Frage damit erledigt hat oder nicht. Weil ich das nicht beantworten kann (wer weiß, wie viel Zeit ich dafür brauche :mrgreen: ), deswegen lasse ich die Frage stehen.




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Do 4. Apr 2019, 12:29

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 2. Apr 2019, 05:31
Vollständig lautet das Weber-Zitat so: "Denn ich bin zwar religiös absolut ›unmusikalisch‹ und habe weder Bedürfnis noch Fähigkeit, irgendwelche seelischen ›Bauwerke‹ religiösen Charakters in mir zu errichten – das geht einfach nicht, resp. ich lehne es ab. Aber ich bin, nach genauer Prüfung, weder antireligiös noch irreligiös."
Wenn ich mich weiter mit der kleinen Exegese des Zitates befassen dürfte. Läßt mir keine Ruhe.
Entweder Weber schreibt Unsinn oder aber ... nicht. :lol: Was oder wen prüft er? Sich oder den Begriff der Religion? Oder so: Wenn er den Religionsbegriff näher prüft, dann stellt er fest, weder anti- noch irreligiös zu sein.

Vielleicht sind die "Bauwerke" das Schlüsselwort? Das liefe allerdings doch auf ein bestimmtes Verständnis von Religion hinaus, das er ablehnt, zu dem er keinen Zugang hat, das ihm egal ist. Das ethisierte Christentum?

Die Schwierigkeit ist, daß Weber -ich vermute, absichtsvoll- nur mit dem einen Begriff "religiös" hantiert. Ich erinnere mich so sehr vage, daß Adorno (ja, schon wieder Adorno) in der ND über Webers Methode schreibt, er umkreise die Begriffe, um sie in Bewegung zu halten. Einfacher wäre es, wenn Weber "Gott", "christlich", "Kirche" schriebe.

Mein heutiger Versuch, dem Sinn auf die Spur zu kommen.




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TsukiHana
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Fr 5. Apr 2019, 12:45

Friederike hat geschrieben :
Do 4. Apr 2019, 08:41
Ich bin hier hängengeblieben @TsukiHana, weil ich Deine Schlußfolgerung und Konsequenz nicht recht verstehe. Die Stimme der dezidierten :lol: Nihilistin, weniger persönlich, der Nihilismus gehört doch ganz unbedingt zur Philosophie über Religionen dazu. Ich weiß jetzt zwar nicht, ob Jaspers "Umgreifendes" das maßgeschneiderte Wort ist, aber jedenfalls ist die Perspektive, aus der der Nihilismus das Religiöse betrachtet, eine des Fernblickes.
@ Friederike, dass der Nihilismus oft als negative, sogar diffamierende Zuweisung benutzt wird, stört mich nicht. Hier schwimmen wir im Meer der zahlreichen interpretatorischen Auslegungen, die - je nach Bedarf - immer dann herausgefischt werden, wenn es gerade opportun ist.
Als Selbstbezeichnung im religiösen Sinn kann Nihilismus auch lediglich die bewusst unwissende Stellung zur Existenz übernatürlicher Phänomene (auch Gott) bedeuten. Von Nihilisten in diesem Sinne wird sowohl die bejahende wie die verneinende Stellung zu Gott als Glaubenshaltung abgelehnt.
Was keineswegs heißt, dass ich grundsätzlich alle Werte ablehne, ganz im Gegenteil. Nur ist eben mein Beitrag in solchen Themen ein Nicht-Beitrag. Theologische Debatten störe ich nie. :D
Und gerade diese Haltung macht es mir leicht, alle Glaubens- und Aberglaubens-Richtungen zu respektieren, die Riten & Gebräuche sogar zu schätzen, und die kulturellen Erzeugnisse, wie sakrale Musikwerke, zu genießen. (was ich Dir schon im Kaffeestübchen schrieb)
Fast bin ich geneigt zu sagen, dass ich in dieser Fülle fröhlich "schwimmen" kann, ohne dabei "nass" zu werden. :mrgreen:
Problematisch wird es immer nur dann, wenn Vertreter diverser religiöser Konzepte es nicht unterlassen können mich "missionieren" zu wollen...



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herbert clemens
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Fr 5. Apr 2019, 21:14

Ich habe keine Religionsangst.
Und möchte doch mal ganz anders in dieses Gespräch einsteigen:
Der (christliche) Gott ist tot.
Um der Freiheit der Menschen willen, hat er sich …
Es gibt die verschiedensten Kulturen und Religionen, die Gott in sich lebendig machen.
Für den neuzeitlichen Menschen gilt, vielleicht mit Nietsche (zu wenig gelesen, zu lange her): Gott ist tot.
Das heißt aber nicht, dass es nicht eine geistige ( erst mal ohne religiöse Konnotation im Sinne von Jörn gebraucht) Dimension gibt.
Anscheinend ist sehr unterschiedlich, was uns mit besonderer Lebensfreude erfüllt und beeindruckt. (Ich vermeide mal, Stefanie zu Ehren, den Begriff „erhaben“) Sonnenfinsternisse sind es bei mir jedenfalls auch nicht.
Eher die Regentropfenperlen
Die Schönheit ist da, sie braucht aber immer mein Bereitsein, sie aktiv wahrzunehmen, sie zu erschaffen.
Die geistige liebevolle Dimension der Wirklichkeit ist da,
vorbei die Zeiten, dass wir sie in den Besitz einer Religion bannen.
Manche Religionen wie der Buddhismus geben gute Fingerzeige,
nur ich selbst muss mich auf den Weg machen.

Ich bin noch auf einen ganz anderen, schwer verständlichen Beitrag bei Dialogos gestoßen:
WAS IST GOTT ?
Vortrag von Daskalos vom 29. Dezember 1977
Jetzt finde ich ihn gerade nicht. Vielleicht baut Jörn den Link ein.




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