Wachsende AfD kann die Demokratie abschaffen

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 09:03

Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 08:55
Außerdem habe ich nichts und niemanden kritisiert, sondern über eine Erfahrung berichtet.
Nein, das hast du nicht. Du kannst keine Erfahrungen mit den „Verhaltensmustern der muslimischen Männer“ machen, weil deine persönlichen Erlebnisse keine ausreichende Basis für so eine Verallgemeinerung bieten. Das ist ein Overgeneralization Bias: Du schließt von Einzelfällen auf eine ganze Gruppe. Philosophisch betrachtet handelt es sich dabei um einen Induktionsfehlschluss. Möglicherweise tritt auch ein Confirmation Bias auf, wenn du nur nach Beispielen suchst, die deine vorgefasste Meinung stützen.



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Pragmatix
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Fr 14. Feb 2025, 09:51

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 09:03
Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 08:55
Außerdem habe ich nichts und niemanden kritisiert, sondern über eine Erfahrung berichtet.
Nein, das hast du nicht. Du kannst keine Erfahrungen mit den "Verhaltensmustern der muslimischen Männer" machen. Deine persönlichen Erfahrungen bilden bei weitem keine ausreichende Datenbasis für so eine Verallgemeinerung. Du gibst hier nur einen ideologisch motivierten Induktionsfehlschluss zum Besten.
Ich erinnere dich mal daran, wenn du mal wieder über AfDler oder andere sprichst. ,-)

Wer über Erfahrungen berichtet, berichtet über Erfahrungen. Du kannst ja mal auf ein paar AfD-Versammlungen gehen und dann von deinen Erfahrungen berichten. Also einen ideologisch motivierten Induktionsschluss zum Besten geben.

Du vertrittst eine beinharte Ideologie. Wie fast alle, die irgendeiner politischen Richtung folgen. Ich habe es da einfacher, weil ich keine grundsätzlichen politischen Präferenzen habe. Das macht es manchmal leichter, aber man bleibt trotzdem letztlich im vorherrschenden Weltbild ideologisch gefangen. Was dem einen der Antikapitalismus oder vielleicht die Vielfalt oder beides ist, ist dem nächsten das Eigentumsrecht oder die Freiheit, das jüdisch-christliche Menschenbild, der Humanismus, der Fortschritt oder was weiß ich. Der heilsgeschichtlichen Erzählungen sind viele, wobei der Westen glücklicherweise in dieser Hinsicht noch wie bei den Joghurtsorten ein reichhaltiges Angebot hat. Es ist noch vieles im Regal, aber das Angebot, wie man derzeit in den USA sieht, wird doch radikal verknappt. Mal sehen, wie lange Europa durchhält.

In diesem Sinne: am Wahltag wird abgerechnet, welches Weltbild wie viel Prozent hinter sich versammelt. Überraschungen sind möglich, aber unwahrscheinlich.




Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 10:04

Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 09:51
Ich erinnere dich mal daran, wenn du mal wieder über AfDler oder andere sprichst. ,-)
Das kannst du gerne tun, weil ich hier das, was ich schreibe durchgängig durch Erhebungen/Statistiken oder andere Quellen belege.



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Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 10:08

Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 09:51
Ich habe es da einfacher
Du machst es dir bloß einfacher, weil du deine Behauptungen selten bis nie sachgerecht begründest.



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Quk
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Fr 14. Feb 2025, 10:23

Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 09:51
Ich habe es da einfacher, weil ich keine grundsätzlichen politischen Präferenzen habe.
Gehst Du wählen? :-)

Wenn Du nicht wählen gehst, hast Du es sogar noch einfacher. Überhaupt am einfachsten wäre es vielleicht, wenn alle Menschen präferenzlos wären; so entstünde eine Ideologie der monochromatischen Ideenlosigkeit. -- Standfußball.




Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 10:32

Quk hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 10:23
Überhaupt am einfachsten wäre es vielleicht, wenn alle Menschen präferenzlos wären;
Dahin kann man in der ideologischen Fantasie fast kommen, wenn man sich wie viele rechte Populisten ein einheitliches "Volk" ausmalt. Sehr viel schwieriger wird es, wenn man die Unterschiedlichkeit der Menschen (und ihr Recht dazu) ins Bild nimmt und von da aus weiterdenkt ...



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Pragmatix
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Fr 14. Feb 2025, 10:58

Quk hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 10:23
Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 09:51
Ich habe es da einfacher, weil ich keine grundsätzlichen politischen Präferenzen habe.
Gehst Du wählen? :-)

Wenn Du nicht wählen gehst, hast Du es sogar noch einfacher. Überhaupt am einfachsten wäre es vielleicht, wenn alle Menschen präferenzlos wären; so entstünde eine Ideologie der monochromatischen Ideenlosigkeit. -- Standfußball.
Das klingt sympathisch aber unerreichbar. Letzten Endes bleibt keiner im Zimmer sitzen, man muss raus. Aber „trying not to try“, Wu wei, ist zumindest einen Gedanken wert. Auch die Erkundung der eigenen Höhle ist nicht verkehrt.




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Quk
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Fr 14. Feb 2025, 11:02

Pragmatix, ich habe den Eindruck (vielleicht liege ich falsch), dass Du gerne all dasjenige pauschal abwertest, was von der vertikalen und horizontalen Achsenmitte des 2D-Politspektrums von der Mitte abweicht. Daraus muss ich folgern, dass für Dich die ideale Politlandschaft sozusagen keine ausgefüllte Gartenanlage wäre, sondern eine Kiesfläche mit einem Bäumchen in der Mitte, das auf jede Problemfrage automatisch die einzige, richtige Lösung vorschlägt, denn alle anderen Lösungsvorschläge seien ja lächerlich. Demnach reicht für Dich im Grunde ein Monoparteienstaat, der jegliche intraditionelle Idee außerhalb der inaktiven Mitte voreingenommen abschmettert. Deshalb muss man dann auch nicht wählen gehen. Es gibt ja keine Auswahl. Dieses engbandige System ist zwar nicht links oder rechts außen, aber es ist dennoch geschlossen eng, nur eben halt in der "Mitte".

Paradox.




Wolfgang Endemann
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Fr 14. Feb 2025, 11:13

Ideologen zeichnen sich durch die Ideologie der Ideologielosigkeit aus. Oder kennt jemand einen Ideologen, der einräumt, Ideologe zu sein?




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Quk
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Fr 14. Feb 2025, 11:33

Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:13
Ideologen zeichnen sich durch die Ideologie der Ideologielosigkeit aus. Oder kennt jemand einen Ideologen, der einräumt, Ideologe zu sein?
Ich bin ja der Ansicht, dass jeder Mensch einer Ideologie folgt. Deshalb habe ich bisher nie sogenannte Nichtideologen wie etwa Jonathan Meese verstanden, die missionarisch ausrufen: "Folgt keiner Ideologie!!"




Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 11:36

Quk hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:33
Ich bin ja der Ansicht, dass jeder Mensch einer Ideologie folgt. Deshalb habe ich bisher nie sogenannte Nichtideologen wie etwa Jonathan Meese verstanden, die missionarisch ausrufen: "Folgt keiner Ideologie!!"
Der Begriff „Ideologie“ wird in verschiedenen Kontexten unterschiedlich verwendet. Zwar ist er nach meinem Eindruck überwiegend negativ konnotiert, doch es gibt auch eine neutralere Interpretation: Ein System von Ideen, Überzeugungen und Werten, das die Weltanschauung einer Person oder einer Gruppe prägt (Pi mal Daumen gesagt). In der negativen Version jedoch ist eine Ideologie meistens ein allumfassendes, vereinfachendes Erklärungssystem, das der Vielschichtigkeit der Wirklichkeit nicht gerecht wird und in der Regel zu simple Antworten auf komplexe Fragen bietet – und in totalitären Systemen auch andere Antworten kaum zulässt. In dieser Sichtweise ist Ideologie das Gegenteil von Philosophie.



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Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 11:44

Btw: Ideologie, Zynismus und Nihilismus können tatsächlich eng miteinander verflochten sein, sodass Zynismus und Nihilismus zum festen Bestandteil der ideologischen Haltung werden: Ein Beispiel dafür ist die Vorstellung, dass der Wunsch nach Gerechtigkeit nur eine „linksgrüne“ Agenda sei, die ohnehin keinen realen Wert hat. Der integrierte Nihilismus untergräbt jede echte Diskussion, indem er das Streben nach Gerechtigkeit als bedeutungslos, naiv und ideologisch abstempelt. Der Nihilist sieht sich selbst dabei in einer überlegenen Beobachterposition, in der er alles erkennt und kommentiert – während er davon überzeugt ist, dass andere, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, verblendet sind.



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Pragmatix
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Fr 14. Feb 2025, 12:27

Quk hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:02
Pragmatix, ich habe den Eindruck (vielleicht liege ich falsch), dass Du gerne all dasjenige pauschal abwertest, was von der vertikalen und horizontalen Achsenmitte des 2D-Politspektrums von der Mitte abweicht. Daraus muss ich folgern, dass für Dich die ideale Politlandschaft sozusagen keine ausgefüllte Gartenanlage wäre, sondern eine Kiesfläche mit einem Bäumchen in der Mitte, das auf jede Problemfrage automatisch die einzige, richtige Lösung vorschlägt, denn alle anderen Lösungsvorschläge seien ja lächerlich. Demnach reicht für Dich im Grunde ein Monoparteienstaat, der jegliche intraditionelle Idee außerhalb der inaktiven Mitte voreingenommen abschmettert. Deshalb muss man dann auch nicht wählen gehen. Es gibt ja keine Auswahl. Dieses engbandige System ist zwar nicht links oder rechts außen, aber es ist dennoch geschlossen eng, nur eben halt in der "Mitte".

Paradox.
Das klingt nun äußerst unsympathisch und so gar nicht nach dem, was ich vertrete. Monoparteienstaat - das klingt nach einer Mischung aus bereits Dagewesenem und einer Drohung. Mit Pragmatismus hat das nichts zu tun. Pragmatismus ist nach meinem Verständnis das Gegenteil einer "idealen Politlandschaft".
Quk hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:33
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:13
Ideologen zeichnen sich durch die Ideologie der Ideologielosigkeit aus. Oder kennt jemand einen Ideologen, der einräumt, Ideologe zu sein?
Ich bin ja der Ansicht, dass jeder Mensch einer Ideologie folgt. Deshalb habe ich bisher nie sogenannte Nichtideologen wie etwa Jonathan Meese verstanden, die missionarisch ausrufen: "Folgt keiner Ideologie!!"
Ja, dieser Meinung bin ich auch. Man muss sich bloß einmal anschauen, mit welch abenteuerlichen Begründungen und Herleitungen die wichtigsten Werte begründet werden, ob nun Eigentum oder Menschenwürde. Da knirscht es mächtig im argumentativen Gebälk.
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:13
Ideologen zeichnen sich durch die Ideologie der Ideologielosigkeit aus. Oder kennt jemand einen Ideologen, der einräumt, Ideologe zu sein?
Eben. Mit Ideologien ist es wie mit der Hölle: das sind immer die anderen.




Pragmatix
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Fr 14. Feb 2025, 12:52

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 10:04
Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 09:51
Ich erinnere dich mal daran, wenn du mal wieder über AfDler oder andere sprichst. ,-)
Das kannst du gerne tun, weil ich hier das, was ich schreibe durchgängig durch Erhebungen/Statistiken oder andere Quellen belege.
Das ist doch illusorisch. Du kannst dein Wohlbefinden äußern und sagen: Es kommen viele Menschen zu uns und dabei fühle ich mich gut. Die Zahlen, dass viele Menschen kommen, beweisen aber nicht, dass es richtig oder falsch ist, dass sie kommen. Es ist ein einfach ein Fehlschluss zu sagen: Deutschland ist ein Einwanderungsland und deshalb soll es das (nicht) sein und dann auf Zahlen zu verweisen. Im Jahr x sind y Menschen nach Deutschland gekommen: was soll das beweisen, außer dass y Menschen gekommen sind?

Du möchtet, dass Menschen kommen, andere möchten es nicht. Was aber zu viel oder zu wenig ist, das entscheidet sich danach, wer sein Befinden durchsetzen kann. Daran wird letztendlich gemessen, ob zu viel oder wenige. Es ist eine Gefühls- und Wertentscheidung, ob jemand lieber eine Mauer oder offene Grenzen oder auch weder noch möchte. Und wer für seine Position die Machtpositionen besetzen kann, die über die Zahl y bestimmen, bestimmt, was gilt. Nicht die Quellenlage, Macht ist ausschlaggebend. Das ist der blinde Fleck bei vielen. Die Zahlen verraten uns nicht, was wir tun sollen.




Jörn Budesheim
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Fr 14. Feb 2025, 13:07

Das hat nichts (aber auch gar nichts) mit dem zu tun, was ich wirklich geschrieben habe.



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Pragmatix
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Fr 14. Feb 2025, 13:16

Es zeigt deine verschwiegenen Prämissen.




Pragmatix
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Fr 14. Feb 2025, 17:20

Um das noch mal so neutral wie möglich zu erläutern.

Die Menschen in diesem Lande vertreten bestimmte Werte. Sie wählen diejenigen, mit denen sie sich wohlfühlen. Kein Mensch vertritt Werte, die fundamental gegen das eigene Wohlbefinden gerichtet sind. Welche Werte das sind, richtet sich nach der jeweiligen Sozialisierung, abhängig von den Bedingungen und Möglichkeiten, objektiven wie subjektiven. Was tut mir gut? Das ist dabei, sofern die basalen materiellen Grundbedürfnisse erfüllt sind, der Ausgangspunkt für den Willen zur Durchsetzung seiner Weltsicht mit deren Werten. Das gilt für alle Spielarten im Joghurtregal der politischen Richtungen: Kommunismus, Sozialismus, Sozialdemokratismus, Liberalismus, Libertarismus, Anarchokapitalismus, Konservatismus, Faschismus in all ihren unterschiedlichen Abstufungen und Schnittmengen. Ich kenne keinen Menschen, der etwas vertritt, was sein Wohlbefinden beeinträchtigen würde, wenn es sich allgemein durchsetzt. Mutter Theresa ist eine Wohltäterin gewesen, weil es ihrem Wohlbefinden guttat.

Auch wenn ich Partei x wähle, obwohl die eigentlich meinen Interessen zuwiderläuft, weil sie mich etwa höher besteuert als mir lieb ist, nehme ich das in Kauf, wenn mir anderes wichtiger ist und in der Summe mein Wohlbefinden mehr fördert als der Nachteil des Steuersatzes mich ärgert. Es geht immer um das Wohlbefinden. Alles andere ist geflunkert.

Genau hieraus erklärt sich auch, dass Menschen etwa gegen ihre finanziellen Interessen AfD wählen. Die sind nicht blöd, die haben bloß andere Präferenzen. Abgesehen vielleicht davon, dass sie ohnehin wissen, dass die Partei ihrer Wahl entweder nicht an die Macht kommt oder aber in einer Koalition ihre (absurden) finanzpolitischen Forderungen nicht durchsetzen könnte.




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Consul
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Fr 14. Feb 2025, 23:10

Pragmatix hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 12:27
Wolfgang Endemann hat geschrieben :
Fr 14. Feb 2025, 11:13
Ideologen zeichnen sich durch die Ideologie der Ideologielosigkeit aus. Oder kennt jemand einen Ideologen, der einräumt, Ideologe zu sein?
Eben. Mit Ideologien ist es wie mit der Hölle: das sind immer die anderen.
"‘Nobody would claim that their own thinking was ideological’
…[T]o begin with we might look for some clarification of the nature of ideology in the way the term is used in political debate. However, in doing so we encounter a, perhaps surprising, problem in that politicians rarely use the term ‘ideology’. When they do it is not usually with reference to their own values and beliefs but to those of their opponents, and their usage bears out Freeden’s claim that ‘ideology’ is used as a term of abuse or to convey disapproval. It seems that, as Eagleton puts it,

Nobody would claim that their own thinking was ideological, just as nobody would habitually refer to themselves as Fatso. Ideology, like halitosis, is in this sense what the other person has. (Eagleton 1991: 2)

For example, in 2009 the Labour Party leader and Prime Minister Gordon Brown, referring to the financial crisis which erupted during the previous year, argued that

what let the world down last autumn was not just bankrupt institutions but a bankrupt ideology. What failed was the Conservative idea that markets always self-correct but never self-destruct. What failed was the right wing fundamentalism that says you just leave everything to the market and says that free markets should not just be free but values free. (Brown 2009)

Following the 2010 general election, Prime Minister David Cameron defended the coalition government’s austerity programme of public spending cuts on the grounds that

We are not doing this because we want to. We are not driven by some theory or some ideology. We are doing this as a government because we have to, driven by the urgent truth that unless we do so, people will suffer and our national interest will suffer too. (Cameron 2010a)

Crossing the Atlantic, we find a similar avoidance of the term ‘ideology’ in the speeches of Barack Obama. One of the rare examples is in a speech during the 2008 presidential contest (the so-called ‘race speech’ in which Obama responded to controversial comments on racism in America by his former pastor Reverend Wright) in which Obama referred in passing to the ‘perverse and hateful ideologies of radical Islam’ (Obama 2008).

It is not surprising that Obama did not use the term ‘ideology’ in his speeches since he described himself as ‘not a particularly ideological person’ (Rucker 2013). Similarly, launching her bid to become Conservative Party leader and UK Prime Minister, Theresa May disavowed ‘ideological fervour’ and described her motivation in terms of ‘public service’, implicitly seen as non-ideological (conservativehome 2016).

From these examples we can see that the use of ‘ideology’ as a term of abuse takes a number of forms.

* First, ‘ideology’ is used to refer to ideas and policies that have ‘failed’ or are ‘bankrupt’.
* Second, ‘ideology’ is equated with fundamentalism or dogma, terms which can be understood as referring to a belief that a person holds to be true regardless
of whether there is any evidence to support it. This leads to the criticism of policies that are based on ideology (‘ideologically-driven’) rather than on evidence of what will lead to successful outcomes or is necessary in current circumstances.
* Third, ‘ideology’ is used to refer to ideas that are characterized as ‘perverse’, ‘hateful’, or extremist.

In other cases ideology is seen as unhealthy or pathological—something that people become ‘obsessed’ with or ‘infected’ by. The use of ‘ideology’ as a term of abuse or insult aimed at other people is also an aspect of conservative thought.

‘We are all ideologists’?
Of course, just because politicians refrain from using the word ‘ideology’ does not mean that they do not have one. Even when politicians, such as Obama, say they are ‘not particularly ideological’ it might be that actually they are. Indeed it can be argued that everyone’s thinking is inescapably ideological—that we are all ideologists."

(Wetherly, Paul, ed. Political Ideologies. Oxford: Oxford University Press, 2017. pp. 2-4)

————————————————————

"„Niemand würde behaupten, sein eigenes Denken sei ideologisch“

…Zuerst könnten wir uns eine Klärung der Natur der Ideologie in der Art und Weise ansehen, wie der Begriff in der politischen Debatte verwendet wird. Dabei stoßen wir jedoch auf ein vielleicht überraschendes Problem, da Politiker den Begriff „Ideologie“ selten verwenden. Wenn sie es tun, dann normalerweise nicht in Bezug auf ihre eigenen Werte und Überzeugungen, sondern auf die ihrer Gegner, und ihre Verwendung bestätigt Freedens Behauptung, dass „Ideologie“ als Schimpfwort oder zur Äußerung von Missbilligung verwendet wird. Es scheint, dass, wie Eagleton es ausdrückt,

Niemand behaupten würde, sein eigenes Denken sei ideologisch, genauso wie sich niemand gewohnheitsmäßig als Fettsack bezeichnen würde. Ideologie ist in diesem Sinne, wie Mundgeruch, das, was die andere Person hat. (Eagleton 1991: 2)

So sagte beispielsweise der Labour-Parteivorsitzende und Premierminister Gordon Brown 2009 in Bezug auf die Finanzkrise, die während der im Vorjahr argumentierte, dass

was die Welt im vergangenen Herbst im Stich gelassen hat, nicht nur bankrotte Institutionen waren, sondern eine bankrotte Ideologie. Was scheiterte, war die konservative Idee, dass Märkte sich immer selbst korrigieren, aber niemals selbst zerstören. Was scheiterte, war der rechtsgerichtete Fundamentalismus, der sagt, man solle einfach alles dem Markt überlassen und dass freie Märkte nicht nur frei, sondern auch wertfrei sein sollten. (Brown 2009)

Nach den Parlamentswahlen 2010 verteidigte Premierminister David Cameron das Austeritätsprogramm der Koalitionsregierung zur Kürzung der öffentlichen Ausgaben mit der Begründung,

Wir tun dies nicht, weil wir es wollen. Wir werden nicht von irgendeiner Theorie oder irgendeiner Ideologie getrieben. Wir tun dies als Regierung, weil wir es müssen, getrieben von der dringenden Wahrheit, dass, wenn wir dies nicht tun, die Menschen leiden werden und auch unser nationales Interesse leiden wird. (Cameron 2010a)

Auf der anderen Seite des Atlantiks finden wir eine ähnliche Vermeidung des Begriffs „Ideologie“ in den Reden von Barack Obama. Eines der seltenen Beispiele ist eine Rede während des Präsidentschaftswahlkampfs 2008 (die sogenannte „Rassenrede“, in der Obama auf kontroverse Kommentare seines ehemaligen Pastors Reverend Wright zum Thema Rassismus in Amerika reagierte), in der Obama beiläufig auf die „perversen und hasserfüllten Ideologien des radikalen Islam“ verwies (Obama 2008).

Es ist nicht überraschend, dass Obama den Begriff „Ideologie“ in seinen Reden nicht verwendete, da er sich selbst als „keine besonders ideologische Person“ bezeichnete (Rucker 2013). Ebenso distanzierte sich Theresa May bei ihrem Versuch, Parteivorsitzende der Konservativen Partei und britische Premierministerin zu werden, von „ideologischem Eifer“ und beschrieb ihre Motivation als „öffentlichen Dienst“, der implizit als nicht ideologisch angesehen wurde (conservativehome 2016). Anhand dieser Beispiele können wir erkennen, dass die Verwendung von „Ideologie“ als Schimpfwort verschiedene Formen annimmt.

* Erstens wird „Ideologie“ verwendet, um sich auf Ideen und Strategien zu beziehen, die „gescheitert“ oder „bankrott“ sind.
* Zweitens wird „Ideologie“ mit Fundamentalismus oder Dogma gleichgesetzt, Begriffe, die als eine Überzeugung verstanden werden können, die eine Person für wahr hält, unabhängig davon, ob es dafür Beweise gibt. Dies führt zur Kritik an Strategien, die auf Ideologie („ideologisch motiviert“) basieren, anstatt auf Beweisen dafür, was zu erfolgreichen Ergebnissen führt oder unter den gegenwärtigen Umständen notwendig ist.
* Drittens wird „Ideologie“ verwendet, um sich auf Ideen zu beziehen, die als „pervers“, „hasserfüllt“ oder extremistisch charakterisiert werden.

In anderen Fällen wird Ideologie als ungesund oder pathologisch angesehen – als etwas, von dem Menschen „besessen“ oder „infiziert“ werden. Die Verwendung von „Ideologie“ als Schimpfwort oder Beleidigung gegenüber anderen Menschen ist ebenfalls ein Aspekt konservativen Denkens.

„Wir sind alle Ideologen“?
Nur weil Politiker das Wort „Ideologie“ nicht verwenden, heißt das natürlich nicht, dass sie keine haben. Selbst wenn Politiker wie Obama sagen, sie seien „nicht besonders ideologisch“, kann es sein, dass sie es tatsächlich sind. Tatsächlich kann argumentiert werden, dass jedermanns Denken unausweichlich ideologisch ist – dass wir alle Ideologen sind."
[Übersetzt von Google Translate]

(Wetherly, Paul, ed. Political Ideologies. Oxford: Oxford University Press, 2017. pp. 2-4)
"In response to the use of ‘ideology’ as a term of abuse it can be argued:

* First, a person can have an ‘unhealthy’ approach to an ideology and become ‘obsessed’ by it or hold their ideological views as an inflexible ‘dogma’, just as religious or other ideas in society can be the basis of an obsession or dogma. But people can also reason about their ideological beliefs and be open-minded in the sense of being willing to revise their opinions in the face of convincing argument or evidence.

* Second, an ideology can promote ideas that are ‘extremist’. Fascism and so-called ‘Islamist extremism’ may be characterized in these terms (even though their adherents might take a different view of them). We have to be careful with terms such as ‘extremism’ because of the temptation to use them in a rather indiscriminate way in order to dismiss an opponent’s views, and because there can be reasonable disagreement about the application of these terms. But the general point is that, however extremism is defined, it does not apply to all ideologies—ideology as such cannot be characterized as extremist.

* Third, the criticism that ‘ideologically-driven’ policies ignore evidence of what will lead to successful outcomes is rejected on the basis that it involves a false opposition. All policies are ideologically-driven in the sense that they are based on values, such as Obama’s commitment to an environmentalist ethic of sustainability. Politicians might not always be very good at basing policy on evidence, but in principle there is no point in being passionate about values unless you are interested in implementing the policies that will realize those values. Similarly the negative association of ideology with policies that have ‘failed’ misdiagnoses the problem. For example, if, as Brown claims, policies based on free market ideology were to blame for the financial crisis, this was not because ideology as such is bankrupt but because this particular ideology was bankrupt—it needed to be replaced by a non-bankrupt ideology rather than by a non-ideology."

(Wetherly, Paul, ed. Political Ideologies. Oxford: Oxford University Press, 2017. pp. 2-4)

————————————————————

"Als Antwort auf die Verwendung von „Ideologie“ als Schimpfwort kann argumentiert werden:

* Erstens kann eine Person eine „ungesunde“ Einstellung zu einer Ideologie haben und von ihr „besessen“ werden oder ihre ideologischen Ansichten als unflexibles „Dogma“ betrachten, genauso wie religiöse oder andere Ideen in der Gesellschaft die Grundlage einer Obsession oder eines Dogmas sein können. Aber Menschen können auch über ihre ideologischen Überzeugungen nachdenken und aufgeschlossen sein in dem Sinne, dass sie bereit sind, ihre Meinung angesichts überzeugender Argumente oder Beweise zu revidieren.

* Zweitens kann eine Ideologie Ideen fördern, die „extremistisch“ sind. Faschismus und der sogenannte „islamistische Extremismus“ können mit diesen Begriffen charakterisiert werden (auch wenn ihre Anhänger eine andere Ansicht über sie haben könnten). Wir müssen mit Begriffen wie „Extremismus“ vorsichtig sein, weil die Versuchung groß ist, sie auf eine ziemlich wahllose Weise zu verwenden, um die Ansichten eines Gegners abzutun, und weil es vernünftige Meinungsverschiedenheiten über die Anwendung dieser Begriffe geben kann. Aber der allgemeine Punkt ist, dass Extremismus, wie auch immer er definiert wird, nicht auf alle Ideologien zutrifft – Ideologie als solche kann nicht als extremistisch bezeichnet werden.

* Drittens wird die Kritik, dass „ideologisch motivierte“ Politik Beweise dafür ignoriert, was zu erfolgreichen Ergebnissen führen wird, mit der Begründung zurückgewiesen, dass es sich dabei um eine falsche Opposition handelt. Alle Politik ist ideologisch motiviert in dem Sinne, dass sie auf Werten basiert, wie Obamas Bekenntnis zu einer umweltbewussten Ethik der Nachhaltigkeit. Politiker sind vielleicht nicht immer sehr gut darin, ihre Politik auf Beweise zu stützen, aber im Prinzip hat es keinen Sinn, sich leidenschaftlich für Werte einzusetzen, wenn man nicht an der Umsetzung von Politik interessiert ist, die diese Werte verwirklicht. Ebenso stellt die negative Assoziation von Ideologie mit Politik, die „gescheitert“ ist, eine Fehldiagnose des Problems dar. Wenn beispielsweise, wie Brown behauptet, auf der Ideologie des freien Marktes basierende Politiken für die Finanzkrise verantwortlich waren, dann lag dies nicht daran, dass die Ideologie als solche bankrott ist, sondern daran, dass diese spezielle Ideologie bankrott war – sie musste durch eine nicht bankrotte Ideologie ersetzt werden und nicht durch eine Nicht-Ideologie."
[Übersetzt von Google Translate]

(Wetherly, Paul, ed. Political Ideologies. Oxford: Oxford University Press, 2017. pp. 5-6)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Fr 14. Feb 2025, 23:22

Eine Ideologie im nichtpejorativen, rein deskriptiven Sinn ist Folgendes:
"An ideology is a more or less coherent set of ideas that provides the basis for organized political action, whether this is intended to preserve, modify or overthrow the existing system of power. All ideologies therefore have the following features. They:

(a) offer an account of the existing order, usually in the form of a ‘world-view’

(b) advance a model of a desired future, a vision of the ‘good society“

(c) explain how political change can and should be brought about – how to get from (a) to (b).

This definition is neither original nor novel, and is entirely in line with the social-scientific usage of the term. It nevertheless draws attention to some of the important and distinctive features of the phenomenon of ideology. In particular, it emphasizes that the complexity of ideology derives from the fact that it straddles the conventional boundaries between descriptive and normative thought, and between political theory and political practice. Ideology, in short, brings about two kinds of synthesis: between understanding and commitment, and between thought and action."

(Heywood, Andrew. Political Ideologies. 6th ed. London: Palgrave, 2017. pp. 10-1)

————————————————————

"Eine Ideologie ist eine mehr oder weniger kohärente Menge von Ideen, die die Grundlage für organisiertes politisches Handeln bildet, unabhängig davon, ob dieses darauf abzielt, das bestehende Machtsystem zu erhalten, zu verändern oder zu stürzen. Alle Ideologien haben daher die folgenden Merkmale. Sie:

(a) bieten eine Darstellung der bestehenden Ordnung, normalerweise in Form einer „Weltanschauung“

(b) entwickeln ein Modell einer gewünschten Zukunft, eine Vision der „guten Gesellschaft“

(c) erklären, wie politischer Wandel herbeigeführt werden kann und sollte – wie man von (a) nach (b) gelangt.

Diese Definition ist weder originell noch neuartig und entspricht voll und ganz der sozialwissenschaftlichen Verwendung des Begriffs. Sie lenkt dennoch die Aufmerksamkeit auf einige der wichtigen und charakteristischen Merkmale des Phänomens der Ideologie. Insbesondere betont sie, dass die Komplexität der Ideologie aus der Tatsache resultiert, dass sie die herkömmlichen Grenzen zwischen deskriptivem und normativem Denken und zwischen politischer Theorie und politischer Praxis überschreitet. Kurz gesagt, die Ideologie führt zu zwei Arten von Synthese: zwischen Verständnis und Engagement, und zwischen Denken und Handeln."
[Übersetzt von Google Translate]

(Heywood, Andrew. Political Ideologies. 6th ed. London: Palgrave, 2017. pp. 10-1)



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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Consul
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Fr 14. Feb 2025, 23:35

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 13. Feb 2025, 11:35
Ich will dazu noch einmal die Präsidentin des BLLV zitieren, die du zitiert hast: "Eigentlich müsste das bayerische Schulsystem es schaffen, all diesen Kindern gerecht zu werden."
Tja, "eigentlich"…
Zuletzt geändert von Consul am Fr 14. Feb 2025, 23:38, insgesamt 1-mal geändert.



"Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst." – Juliane Werding

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