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Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 19:50
von NaWennDuMeinst
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 26. Aug 2022, 19:40
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 26. Aug 2022, 19:27
Weil hier Ideologie gegen Ideologie steht
Das verpflichtet darauf, das Spiel genauso mitzuspielen?
Man muss das erstmal bemerken.
Ich habe da auch meine Wurzeln, und ich spüre es auch heute noch in jedem "Ast".
Bestürzt von der Gleichgültigkeit des nationalsozialistischen Kollektivismus 1933-1945 gegenüber dem Individuum (exemplarisch am Schicksal der Sophie Scholl) war "kein Fuß breit" auch mein Motto.
Der Staat und die Gesellschaft waren nur noch Monster für mich die mit härtester Härte bekämpft werden müssen jedes Mal wenn sie sich auch nur anschickten in die Freiheit des Individuums einzugreifen.
Viele Jahre lang habe ich das so gesehen und dabei gar nicht bemerkt, das es nicht irgendein Ungeheuer von Staat ist der etwas von mir fordert, sondern andere Individuen.
Philosophie kann helfen das zu heilen.

„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. “

Es gibt auch einen guten, gemäßigten, einen fürsorglichen Kollektivismus, genauso wie einen inhumanen Individualismus.
Macht doch mal einen Thread über die zwei Pole Individualismus und Kollektivismus und bildet eine Synthese.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 20:27
von Jörn Budesheim
Jens Balzer
Ethik der Appropriation
87 Seiten, Klappenbroschur

Ein Reizthema der Gegenwart, bei dem es lohnt, es sich nicht zu einfach zu machen ...

https://www.matthes-seitz-berlin.de/buc ... ation.html
"Ein Reizthema der Gegenwart, bei dem es lohnt, es sich nicht zu einfach zu machen ..." Das ist in jedem Fall mal ein guter Slogan. Der Autor ist der Ansicht, dass Aneignung unvermeidlich ist, aber es kommt darauf an, wie man es macht. Ob ich das unterschreibe, kann ich natürlich jetzt noch nicht sagen. Mal sehen, vielleicht kaufe ich mir das sogar.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 20:32
von NaWennDuMeinst
Solange das nur als ein illegitimer Versuch in die heilige und absolut gesetzte, individuelle Freiheit einzugreifen begriffen wird, kannst Du Dir hier den Mund fusselig reden. Du wirst nichts erreichen.
Du wirst nur, je mehr Du Dich anstrengst, umso vehementere Widerrede ernten.

Ich bin müde. Das ist langweilig, weil so offensichtlich, durchschaubar und absehbar.
Ich sehe mich woanders um.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 20:56
von Stefanie
Dann macht doch ein Thema auf, was Dich interessiert. Vielleicht eine Philosophin oder ein Philosoph. Du hast doch bestimmt einen Liebling, oder?

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 21:11
von NaWennDuMeinst
Stefanie hat geschrieben :
Fr 26. Aug 2022, 20:56
Dann macht doch ein Thema auf, was Dich interessiert.
Es liegt nicht nur am Thema. Diese ideologischen Kämpfe sind auf Dauer sehr anstrengend.
Ich bin des Diskutierens insgesamt müde.
Ich habe mich auch in der letzten Zeit mit zu viel Blödsinn rumgeschlagen.
Mir steht der Sinn jetzt eher nach was Erheiterndem, um die Schwermut abzuschütteln.
Aber danke für den Vorschlag.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 21:16
von Stefanie
Erheiterndes ist auch gern gesehen, ähm gelesen.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Fr 26. Aug 2022, 21:24
von NaWennDuMeinst
Stefanie hat geschrieben :
Fr 26. Aug 2022, 21:16
Erheiterndes ist auch gern gesehen, ähm gelesen.
Etwas anderes als Philosophie wäre gut.
Morgen bin ich auf einem Ärzte-Konzert auf dem Tempelhofer Feld.
Sofern es nicht wetterbedingt abgesagt wird.


Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 00:50
von Lucian Wing
Stefanie hat geschrieben :
Fr 26. Aug 2022, 20:56
Dann macht doch ein Thema auf, was Dich interessiert. Vielleicht eine Philosophin oder ein Philosoph. Du hast doch bestimmt einen Liebling, oder?
Ich wette mal, dass Isaiah Berlin da nicht infrage käme. :mrgreen:
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Fr 26. Aug 2022, 20:32
Ich sehe mich woanders um.
Bleib da, ich bin hier nur auf Urlaub. Touristen sind halt manchmal ein bisschen unsensibel in ihrer Feierlaune. In ein paar Tagen ist die Saison zu Ende, dann hast du es wieder gemütlich und ganz und gar unfrei nach deinem Gusto. Vielleicht machst ja du oder ein anderer mir vor dem Heimflug noch klar, was genau sich an den materiellen Lebensbedingungen der Indigenen in den USA ändert, wenn die Deutschen ihre Märchen über Indianer in die Tonne kloppen.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 01:16
von NaWennDuMeinst
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 00:50
Bleib da, ich bin hier nur auf Urlaub. Touristen sind halt manchmal ein bisschen unsensibel in ihrer Feierlaune.
Schon ok. Du bist nur der Tropfen der das Fass zum Überlaufen brachte.
In ein paar Tagen ist die Saison zu Ende, dann hast du es wieder gemütlich und ganz und gar unfrei nach deinem Gusto.
Ich bin nicht unfrei, wenn ich mich z.B. zugunsten moralischer Prinzipien selbst einschränke. Im Gegenteil. Es ist ein Ausdruck meiner Freiheit.
Vielleicht machst ja du oder ein anderer mir vor dem Heimflug noch klar, was genau sich an den materiellen Lebensbedingungen der Indigenen in den USA ändert, wenn die Deutschen ihre Märchen über Indianer in die Tonne kloppen.
Der Effekt ist indirekt. Es geht darum die Wahrnehmung der Menschen zu ändern. Ein Bewusstsein zu schaffen. Die Hoffnung kann sein, dass das dann indirekt, also in Folge, auch etwas an den Lebensbedingungen ändert, z.B. durch politische Entscheidungen, die sich aus der geänderten öffentlichen Wahrnehmung ergeben.

Anderer Aspekt: Was ändert es an den materiellen Lebensbedingungen der Juden, wenn wir verbieten sie als niedlich gekleidete, hübsch frisierte, fröhliche Mädchen und Jungen beim Blumenpflücken auf der Wiese im KZ darzustellen?
Nichts, oder? Und immerhin ist die Freiheit der Phantasie doch unantastbar?
Dennoch würde ich sagen, dass Du mir zustimmst, dass die Darstellung hier eine Rolle spielt, oder?
Die Lebensbedingungen der Betroffenen sind doch nicht nur materiell.
Die Würde des Menschen ist übrigens wirklich unantastbar.

Warum ich dir das schreibe? Keine Ahnung. Wahrscheinlich weil ich glaube dass Freiheit nichts Absolutes ist, sondern dass sie wie fast alle Werte immer in Relation zu anderen Werten begriffen werden muss. "Nichts geht mir über meine individuelle Freiheit", ist mir zu unflexibel. Und das geht in der Lebenspraxis auch schief.
Sich für Andere einzuschränken reduziert nicht zwingend Freiheit, sondern kann sie - gesamtgesellschaftlich betrachtet - auch mehren.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 09:56
von Lucian Wing
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 01:16

Ich bin nicht unfrei, wenn ich mich z.B. zugunsten moralischer Prinzipien selbst einschränke. Im Gegenteil. Es ist ein Ausdruck meiner Freiheit.
Eben. Es ist deine Entscheidung. Aber es ist nicht mehr deine freie Entscheidung, wenn du dich einem Mob beugst. Und genau das ist ja die Tendenz gerade für Kultur: Es ist immer jemand beleidigt und verletzt und schwupps geht der Pöbel online um anzuprangern. Das ist das Problem mit dem Zeitgeist und der zunehmenden Gängelung von Kunst und Kultur. Alles ist potenziell eine Verletzung von Gefühlen, und schon liegt Rushdie im Krankenhaus (und diverse andere Involvierte wurden schon damals umgebracht).
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 01:16
Der Effekt ist indirekt. Es geht darum die Wahrnehmung der Menschen zu ändern. Ein Bewusstsein zu schaffen. Die Hoffnung kann sein, dass das dann indirekt, also in Folge, auch etwas an den Lebensbedingungen ändert, z.B. durch politische Entscheidungen, die sich aus der geänderten öffentlichen Wahrnehmung ergeben.
Welche Märchen in Deutschland erzählt werden, entscheidet nicht darüber, welche materiellen Bedingungen die Indigenen in den USA haben. Und das Abschaffen solcher Märchen wird das Bewusstsein vor allem so beeinflussen, dass die Methoden, die zur Erreichung solcher Begklückungsziele eingesetzt werden, als legitim betrachtet werden. Es wird sich der Geist der Wächter durchsetzen. Hier ist jemand über ein Märchen beleidigt, dort über ein Video einer tanzenden Regierungschefin, dort fühl sich jemand vom Prospekt einer Bank nicht angesprochen, hier darf der Übersetzer des Gedichts einer schwarzen Frau nicht männlich und weiß sein. Die Liste ist inzwischen lang geworden, die Schlagzahl der Shitstorms nimmt täglich zu. Es ist eine Lust am Anprangern und Denunzieren, die sagenhaft ist. Dagegen erscheint einem der Pietismus, wie ihn Hesse geschildert hat, geradezu humanistisch.

Na, wie auch immer. Genieß dein Konzert der Ärzte, die ja früher auch schon hier und da von den Vorgängermoralisten der gegenwärtigen gecancelt wurden.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 11:14
von NaWennDuMeinst
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 09:56
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 01:16

Ich bin nicht unfrei, wenn ich mich z.B. zugunsten moralischer Prinzipien selbst einschränke. Im Gegenteil. Es ist ein Ausdruck meiner Freiheit.
Eben. Es ist deine Entscheidung. Aber es ist nicht mehr deine freie Entscheidung, wenn du dich einem Mob beugst.
Wenn ich mich ihm aus freien Stücken (also aus Einsicht) beuge, dann schon.
Welche Märchen in Deutschland erzählt werden, entscheidet nicht darüber, welche materiellen Bedingungen die Indigenen in den USA haben.
Wenn die Amerikaner sich mit den Taliban streiten, erleben wir in Deutschland Terror. Auch das ist Globalisierung.
Ich würde die Macht der öffentlichen Meinung nicht unterschätzen wollen..
Na, wie auch immer. Genieß dein Konzert der Ärzte, die ja früher auch schon hier und da von den Vorgängermoralisten der gegenwärtigen gecancelt wurden.
Ich erinnere mich an einen Vorfall mit einem Schäferhund und der Song "Geschwisterliebe" ist bis heute auf dem Index.. Ich finde man darf auch die Frage stellen, ob Kunst alles darf oder ob es auch da Grenzen gibt.
Fakt ist wir kennen solche Grenzen und wir akzeptieren sie auch. Das muss ausgehandelt werden und solange das so ist, sehe ich kein Problem.
Den Ärzten hat es jedenfalls nicht geschadet. Sie geben dieses Wochenende in Berlin ganze drei Konzerte, weil die Nachfrage so hoch ist.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 11:17
von Körper
Wenn man mir die Stichwörter "Indianer" und "Deutsche" zuwirft, dann fällt mir sofort der Friedensvertrag (1847) zwischen Comanchen und deutschen Siedlern ein.
Man glaubt es kaum, aber das ist ein Vertrag, der nie gebrochen wurde und so wird er "der ewige Friedensvertrag" genannt.
(manche behaupten, es sei der einzige Vertrag, der nie gebrochen wurde - Link)
Eigentlich total erstaunlich, die Deutschen haben in der Menschheitsgeschichte mal keinen Misthaufen hinterlassen.

In der Beziehung Indianer/Deutsche gibt es (zumindest an dieser Stelle - es mag auch üble Stellen geben, aber die sind mir unbekannt) eine besonders positive Qualität.

Wenn nun in Deutschland ein Indianer-Film oder ein Indianer-Buch (Comics gab es auch schon viele) herausgegeben wird, dann ist meine Welt immer noch stabil. Wie soll die Realität dadurch beeinträchtigt werden?
Ich finde es eher bedenklich, dass diese immer noch aktuelle partnerschaftliche Tradition vergessen zu sein scheint und durch Vorwürfe à la "kulturelle Aneignung" verdrängt werden kann.
Da gibt es etwas, auf das wir Acht geben sollten.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 11:35
von Lucian Wing
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:14
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 09:56
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 01:16

Ich bin nicht unfrei, wenn ich mich z.B. zugunsten moralischer Prinzipien selbst einschränke. Im Gegenteil. Es ist ein Ausdruck meiner Freiheit.
Eben. Es ist deine Entscheidung. Aber es ist nicht mehr deine freie Entscheidung, wenn du dich einem Mob beugst.
Wenn ich mich ihm aus freien Stücken (also aus Einsicht) beuge, dann schon.
Ein Mob überzeugt nicht mit Argumenten, sondern durch irgendeine Form von Gewalt und Zwang.
Dem kann man sich nicht "aus freien Stücken" beugen. Man wird gebeugt. Wenn jemand die Wahl hat, entweder nur vergewaltigt zu werden, wenn er sich nicht wehrt, oder aber vergewaltigt zu werden und zu sterben, wenn er sich wehrt, dann ist das auch keine freie Wahl, wenn einem die Einsicht kommt, was fürs Überleben die "richtige" Wahl ist.

Der Ravensburger Verlag hat sich nicht frei entschieden. Er hat zwei Schadensfälle abgewogen. Frei war er wahrscheinlich noch gewesen, als er sich überlegt hat, ob er ein solches Projekt machen soll.

Hätte Rushdie seine Satanischen Verse eingestampft, hätte er auch nicht frei gehandelt. Zu sagen, er habe eben eingesehen, dass ein solches Buch zu schreiben falsch ist, würde seine Unfreiheit trotzdem nicht aufgehoben haben.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 11:48
von Burkart
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:35
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:14
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 09:56


Eben. Es ist deine Entscheidung. Aber es ist nicht mehr deine freie Entscheidung, wenn du dich einem Mob beugst.
Wenn ich mich ihm aus freien Stücken (also aus Einsicht) beuge, dann schon.
Ein Mob überzeugt nicht mit Argumenten, sondern durch irgendeine Form von Gewalt und Zwang.
Dem kann man sich nicht "aus freien Stücken" beugen. Man wird gebeugt. Wenn jemand die Wahl hat, entweder nur vergewaltigt zu werden, wenn er sich nicht wehrt, oder aber vergewaltigt zu werden und zu sterben, wenn er sich wehrt, dann ist das auch keine freie Wahl, wenn einem die Einsicht kommt, was fürs Überleben die "richtige" Wahl ist.

Der Ravensburger Verlag hat sich nicht frei entschieden. Er hat zwei Schadensfälle abgewogen. Frei war er wahrscheinlich noch gewesen, als er sich überlegt hat, ob er ein solches Projekt machen soll.

Hätte Rushdie seine Satanischen Verse eingestampft, hätte er auch nicht frei gehandelt. Zu sagen, er habe eben eingesehen, dass ein solches Buch zu schreiben falsch ist, würde seine Unfreiheit trotzdem nicht aufgehoben haben.
Irgendwie muss ich hier sehr an Fuzzy-Logik denken hinsichtlich "Freiheit".
Hm, ob mich hiermit überhaupt irgendjemand versteht... wenn nicht, no problem.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 12:00
von NaWennDuMeinst
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:35
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:14
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 09:56


Eben. Es ist deine Entscheidung. Aber es ist nicht mehr deine freie Entscheidung, wenn du dich einem Mob beugst.
Wenn ich mich ihm aus freien Stücken (also aus Einsicht) beuge, dann schon.
Ein Mob überzeugt nicht mit Argumenten, sondern durch irgendeine Form von Gewalt und Zwang.
Jetzt kritisierst Du aber mehr die Methoden zur Durchsetzung (öffentliches Anprangern und wirtschaftlicher Druck), nicht die Einstellung dahinter.
Ich sprach von der Einstellung. Und natürlich kann man aus freien Stücken zu dem Ergebnis kommen, dass das was da gefordert wird berechtigt ist.

Apropos Methoden: BP wurde damals durch Boykott zum Einlenken "gezwungen". Das wurde, so weit ich mich erinnere, nicht als "Vergewaltigung" begriffen, sondern als Sieg der Öffentlichkeit über das rücksichtslose Verhalten eines Konzerns.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 12:31
von Jörn Budesheim
"Konstruierte Wildheit im Zirkus Sarrasani"
https://dresden-postkolonial.de/zirkus/

Interessanter Beitrag, insbesondere in Bezug auf die Behauptung, dass ja jeder und jede wusste, dass es sich bei den Figuren in den Karl-May-Büchern um reine Fantasie-Figuren handelte.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 12:49
von Lucian Wing
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 12:00
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:35
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 11:14

Wenn ich mich ihm aus freien Stücken (also aus Einsicht) beuge, dann schon.
Ein Mob überzeugt nicht mit Argumenten, sondern durch irgendeine Form von Gewalt und Zwang.
Jetzt kritisierst Du aber mehr die Methoden zur Durchsetzung (öffentliches Anprangern und wirtschaftlicher Druck), nicht die Einstellung dahinter.
Ich sprach von der Einstellung. Und natürlich kann man aus freien Stücken zu dem Ergebnis kommen, dass das was da gefordert wird berechtigt ist.

Ich kritisiere beides, die Einstellung und die Methoden. Die Einstellung deshalb, weil man Kunst hypermoralisiert und hyperpolitisiert, und das mobhafte Anprangern sowieso.

Rushdies Beispiel habe ich ja schon genannt. Ich erinnere mich auch noch an den Mob (und die Einstellung) derjenigen, die seinerzeit den Film "Die letzte Versuchung" des griechischen Autors Kazantzakis verhindern wollten. Bei Rushdie ist der Verlag ja seinerseits bereits eingeknickt, das war aus meiner Sicht schon die Ursünde, wobei damals natürlich durchaus berechtigte Angst im Spiel war und keine moralischen Rücksichten auf "verletzte Gefühle". Im Augenblick erlebt der Begriff "verletzte Gefühle" eben einen wahnwitzigen Boom. Alles, was nicht weiß und älter ist, kommt mit einem identitären Merkmal daher, das Anspruch erhebt, nicht verletzt werden zu dürfen.

Ich bin wirklich gespannt, ob Karl May insgesamt mit in den Abgrund gerissen wird. Und was sonst noch alles der neuen Moral zum Opfer fällt.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 13:14
von Lucian Wing
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 12:31
"Konstruierte Wildheit im Zirkus Sarrasani"
https://dresden-postkolonial.de/zirkus/

Interessanter Beitrag, insbesondere in Bezug auf die Behauptung, dass ja jeder und jede wusste, dass es sich bei den Figuren in den Karl-May-Büchern um reine Fantasie-Figuren handelte.
Für mich eher insofern interessant, als man hier sieht, was Gendern mit Texten anrichtet. Da fällt mir im Grunde nur ein, dass es erstens vielleicht auch besser "Dickhäuter_Innen" heißen sollte, weil es ja männliche, weibliche und vielleicht sogar nicht-binäre Elefant_Innen gibt, und zweitens, warum ich mir Ansgar Beckermanns Einführung in den Naturalismus, die ich so gerne gehabt hätte, nicht gekauft habe. Der gendert auch. Das sind keine Texte mehr, die ich in diesem Leben ernsthaft lesen würde. Ich kann sie nicht auf einen Blick erfassen, und das Ausbuchstabieren ist mir zu mühsam.

Letztendlich tut auch sie so, als seien solche falschen Bilder für die Lebensbedingungen dort drüben verantwortlich. Die Gegenthese lautet ja, auch wenn alle wissen, wie die dort drüben tatsächlich leben, wie das "wahre" Leben war und ist, werden die dort drüben leben wie sie jetzt leben. Denn keiner wird ihnen den Kontinent mehr zurückgeben.

Man könnte in einem eigenen Strang einmal darüber spekulieren, ob die Reste der indigenen Kultur, also die ganzen Rituale etc., heute überhaupt noch einen Sinn machen, denn die Zusammenhänge, aus denen heraus sie entstanden sind und für die sie gedacht waren, sind ja längst vernichtet. Aber das wäre eine andere Diskussion.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 13:18
von NaWennDuMeinst
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 12:49
Alles, was nicht weiß und älter ist, kommt mit einem identitären Merkmal daher, das Anspruch erhebt, nicht verletzt werden zu dürfen.
Ja, das ist das was ich an der Sache auch sehr kritisch sehe. Es ist natürlich richtig auf die Gefühle anderer Rücksicht zu nehmen (siehe das Beispiel mit den Juden), aber wie weit kann das gehen?
Müssen wir wirklich JEDES Gefühl berücksichtigen?
Und was mich besonders stört ist, dass der demokratische Grundgedanke verloren geht.
Minderheiten bestimmen mit ihren Gefühlen wie ein ganzes Volk zu reden hat? Und das Volk soll da auch kein Mitspracherecht haben, weil nur die Gefühle der betroffenen Minderheiten entscheidend seien sollen?
Das finde ich bedenklich und fragwürdig. Und ja, ich gebe Dir da völlig recht, dass das inzwischen groteske Züge annimmt.
Dennoch: Die Forderung nach Rücksichtnahme ist nicht per se abzulehnen. Man muss das anhören und diskutieren.

Re: Kulturelle Aneignung

Verfasst: Sa 27. Aug 2022, 13:22
von Jörn Budesheim
Lucian Wing hat geschrieben :
Sa 27. Aug 2022, 13:14
Für mich eher insofern interessant...
Ja, das geht immer. Man kann jeden Text so umdrehen, dass man letztlich in allem, was man sowieso schon denkt, bestätigt wird.

Als ich den ersten Genderunterstrich im Text gesehen habe, wusste ich sofort, was passiert würde, wenn ich ihn hier poste.