Schematische Ostrakisierung

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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 18:44

Ich habe schon verstanden, dass du etwas gebracht hast, was du für weitere Beispiele hältst. Was ich nicht sehe - und wonach ich frage - ist, wofür du argumentieren willst.




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Quk
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Di 29. Aug 2023, 18:47

Ich übersetze Timberlake so:

Allgemeine Prämisse: Nach dem Krieg kommen Nazis, die womöglich keine mehr sind, vor das Scherbengericht; das heißt, jeder Nichtnazi darf eine Scherbe abgeben, auf der steht "ächte ihn" oder "vergib ihm".

Timberlakes spezielles, weiteres Beispiel #1, entsprechend übersetzt:
Im Nazi-Regime kommen Juden vor das Scherbengericht; das heißt, jeder Nazi darf eine Scherbe abgeben, auf der steht "ächte ihn" oder "vergib ihm". Allerdings hat Timberlake ausdrücklich geschrieben, dass er die Judenverurteilung nicht gleichsetzt mit der Verurteilung der Nazis durch das Scherbengericht der Nichtnazis. Von daher hinkt dieses spezielle, weitere Beispiel, in meinen Augen.

Timberlakes spezielles, weiteres Beispiel #2, entsprechend übersetzt:
Ehemalige Angehörige des DDR-Wachregiments "Feliks Dzierzynski" kommen vor das Scherbengericht; das heißt, jeder Sündenfreie darf eine Scherbe abgeben, auf der steht "ächte ihn" oder "vergib ihm". -- Ich weiß darüber fast nichts. Gab oder gibt es gegen diese Leute ein Scherbengericht oder etwas in der Art? Hast Du etwas zu verschweigen, Timberlake? :-)


Edit:

Angenommen, Timberlakes Teilnahme an diesem Wachregiment sei zu ächten, weil sein Fall ungefähr so schlimm sei wie die Naziverbrechen, dann stellt sich hier ein Gleichnis, und damit die Gleichbehandlungsfrage, ob beides -- Nazi-Sache und DDR-Sache -- gleichermaßen zu ächten ist oder beidem zu vergeben ist. -- Ich gehe aber davon aus, dass die Nazi-Sache um ein vielfaches größer ist als diese DDR-Sache, und damit stellt sich diese Gleichbehandlungsfrage für mich nicht. Aber Timberlake stellt sich wohl diese Frage.
Zuletzt geändert von Quk am Di 29. Aug 2023, 18:55, insgesamt 2-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 18:52

Du hast jetzt die Beispiele ins Deutsche übertragen, okay. Aber es fehlt mir noch etwas, wofür soll damit argumentiert werden? Das sehe ich nicht.




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Quk
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Di 29. Aug 2023, 18:55

Siehe Edit.




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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 18:59

Aber warum lässt mich/uns Timberlake bei der Frage, wofür oder wogegen diese Beispiele sprechen sollen im Dunkeln stehen, auch auf Nachfrage?




Timberlake
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Di 29. Aug 2023, 19:03

Quk hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 18:47
Ich übersetze Timberlake so:

Allgemeine Prämisse: Nach dem Krieg kommen Nazis, die womöglich keine mehr sind, vor das Scherbengericht; das heißt, jeder Nichtnazi darf eine Scherbe abgeben, auf der steht "ächte ihn" oder "vergib ihm".

Timberlakes spezielles, weiteres Beispiel #1, entsprechend übersetzt:
Im Nazi-Regime kommen Juden vor das Scherbengericht; das heißt, jeder Nazi darf eine Scherbe abgeben, auf der steht "ächte ihn" oder "vergib ihm". Allerdings hat Timberlake ausdrücklich geschrieben, dass er die Judenverurteilung nicht gleichsetzt mit der Verurteilung der Nazis durch das Scherbengericht der Nichtnazis. Von daher hinkt dieses spezielle, weitere Beispiel, in meinen Augen.

Timberlakes spezielles, weiteres Beispiel #2, entsprechend übersetzt:
Ehemalige Angehörige des DDR-Wachregiments "Feliks Dzierzynski" kommen vor das Scherbengericht; das heißt, jeder Sündenfreie darf eine Scherbe abgeben, auf der steht "ächte ihn" oder "vergib ihm". -- Ich weiß darüber fast nichts. Gab oder gibt es gegen diese Leute ein Scherbengericht oder etwas in der Art? Hast Du etwas zu verschweigen, Timberlake? :-)
.. genau so wollte ich mich "übersetzt" wissen..

Zu Letzterem , also dem Scherbenericht , vielleicht nicht unbedingt ehemalige Angehörige des DDR-Wachregiments "Feliks Dzierzynski" aber ganz sicher hauptamtlicher oder inoffizielle Tätigkeiten für die Stasi, zur Info ..
  • Öffentlicher Dienst wird bis 2030 auf Stasi-Tätigkeit überprüft
    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Bewerber und Bewerberinnen im öffentlichen Dienst können auch künftig auf frühere Tätigkeiten für die Staatssicherheit in der DDR überprüft werden. Das beschloss das Bundeskabinett mit einer Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes: Bis zum Jahr 2030 erfolge weiterhin eine Prüfung auf hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für die Stasi. Die bisherige Regelung gilt nur noch bis zum Ende dieses Jahres.
.. darüber , dass man geneigt ist ehemalige hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter der Stasi aus dem Öffentlicher Dienst , gemäß einem Scherbengericht , zu verbannen , sollte doch wohl keinerlei Zweifel bestehen.

Dazu nur mal zum Vergleich ..

  • Dreckiges Wasser
    Daß es im neuen Auswärtigen Amt von alten Nazis wimmelte (einflußreich in der Personalpolitik: Hans Globke), behagt auch Kittel nicht so recht. Da hält er es jedoch mit Konrad Adenauer, der lehrte: »Man schüttet kein dreckiges Wasser aus, wenn man kein reines hat.«
    Anstoß nimmt der Autor endlich daran, daß fast alle Juristen wieder im Namen des Volkes anklagen und verurteilen durften, daß kein einziger Richter, auch keiner vom Volksgerichtshof des berüchtigten Roland Freisler, zur Rechenschaft gezogen wurde. Kittel übergeht aber, daß Freisler-Gehilfen leitende Positionen im Bundesjustizministerium besetzten, einem, beispielsweise, ausgerechnet die Ausarbeitung des neuen Politischen Strafrechts anvertraut worden war.
Zuletzt geändert von Timberlake am Di 29. Aug 2023, 19:06, insgesamt 2-mal geändert.




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Quk
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Di 29. Aug 2023, 19:04

Jörn, ich denke, er hat nicht die Absicht, zu argumentieren, sondern zu fragen.

Wenn ich Timberlake richtig verstehe, lautet seine Frage: "Gehöre ich selbst auch vor so ein Scherbengericht?"




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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 19:10

Aber worin besteht der Beitrag dieser Frage zu diesem Faden? Ich verstehe es nicht.




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Quk
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Di 29. Aug 2023, 19:15

Timberlake hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:03
Zu Letzterem , also dem Scherbenericht , vielleicht nicht unbedingt ehemalige Angehörige des DDR-Wachregiments "Feliks Dzierzynski" aber ganz sicher hauptamtlicher oder inoffizielle Tätigkeiten für die Stasi, zur Info ..
  • Öffentlicher Dienst wird bis 2030 auf Stasi-Tätigkeit überprüft
    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Bewerber und Bewerberinnen im öffentlichen Dienst können auch künftig auf frühere Tätigkeiten für die Staatssicherheit in der DDR überprüft werden. Das beschloss das Bundeskabinett mit einer Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes: Bis zum Jahr 2030 erfolge weiterhin eine Prüfung auf hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für die Stasi. Die bisherige Regelung gilt nur noch bis zum Ende dieses Jahres.
.. darüber , dass man geneigt ist ehemalige hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter der Stasi aus dem Öffentlicher Dienst , gemäß einem Scherbengericht , zu verbannen , sollte doch wohl keinerlei Zweifel bestehen.
Notiert. Da ist dann aber Jörns Frage nach Deinem "Wofür-Wogegen" schon sinnvoll, oder? Also willst Du mit diesem Hinweis sagen, man solle den Ex-Stasi-Leuten vergeben, fairerweise, weil man den Ex-Nazis anscheinend auch vergibt?




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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 19:18

Worauf bezieht sich der Ausdruck "vergeben"? Ich weiß nicht, ob darüber zuvor gesprochen wurde, ob das gefordert wurde und so weiter und so fort.




Timberlake
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Di 29. Aug 2023, 19:19

Quk hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:04
Jörn, ich denke, er hat nicht die Absicht, zu argumentieren, sondern zu fragen.

Wenn ich Timberlake richtig verstehe, lautet seine Frage: "Gehöre ich selbst auch vor so ein Scherbengericht?"
Ich würde sogar noch weitergehen . Hätte ich bei meiner Vergangenheit im DDR-Wachregiments "Feliks Dzierzynski" nicht auch genau so "gut" vor dem gleichen Scherbengericht landen können, wie Hans Robert Jauß mit seiner Vergangheit bei der Waffen SS?
Wie übrigens alle , die meinen , dass sie bei einer bestimmte Ideolgie richtig lägen. Übrigens auch und insbesondere der Ideolgie , die meint ein Scherbengericht über eine Ideologie abhalten zu müssen.
Nauplios hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 18:27
Zahners Stück, die Umstände seiner Aufführung an der Universität Konstanz, das Gutachten Westemeiers sowie die Reaktionen darauf und die Vorgeschichte zum "Fall Jauß" will ich in diesem Thread kurz darstellen, um die Frage, wie wir Vergangenheit erfahren und erinnern ins Allgemeine aufzuweiten.
Um an dieser Stelle, weil pinzipiel für alle geltend , den Faden dieses Threads einmal im wahrsten Sinne des Wortes .."ins Allgemeine aufzuweiten"
Zuletzt geändert von Timberlake am Di 29. Aug 2023, 19:33, insgesamt 2-mal geändert.




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Nauplios
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Di 29. Aug 2023, 19:21

Ich verstehe nicht nur die Ausführungen von Timberlake nicht; ich verstehe alles Vorausgegangene auch nicht. ;)

Es werden darin Themen angesprochen ("Poetik und Hermeneutik", "Rezeptionsästhetik", Konstanzer Schule", "Blumenberg" ...), die dieses Forum meist nur mit Widerwillen ertragen hat. Mir ist dies neuerliche Interesse daran nahezu unheimlich. :ugeek:




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Stefanie
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Di 29. Aug 2023, 19:23

Er hat weitere Beispiele genannt. Grass und dieses DDR Truppe. Er stellt einen Vergleich an. Wieso bei Jauß kein Scherbengericht und bei anderen Nazis auch nicht, wieso keins bei Grass, aber wieso dann nicht auch bei Menschen, die im DDR Regime tätig waren.

Das Vergeben kommt wahrscheinlich daher, dass Blumenberg dies wohl oder nicht getan hat.



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Quk
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Di 29. Aug 2023, 19:26

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:18
Worauf bezieht sich der Ausdruck "vergeben"?
Da die Naziverbrechen ziemlich offensichtlich sind, kann es bei diesem Scherbengericht weniger um schuldig oder unschuldig gehen, sondern vielmehr um ächten oder vergeben. Ich habe das Wort "vergeben" hier also aufgrund der Situations-Logik eingeführt.




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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 19:27

Stefanie hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:23
Wieso bei Jauß kein Scherbengericht
Das verstehe ich auch nicht. Worauf bezieht sich das?




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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 19:28

Nauplios hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:21
Ich verstehe nicht nur die Ausführungen von Timberlake nicht; ich verstehe alles Vorausgegangene auch nicht. ;)

Es werden darin Themen angesprochen ("Poetik und Hermeneutik", "Rezeptionsästhetik", Konstanzer Schule", "Blumenberg" ...), die dieses Forum meist nur mit Widerwillen ertragen hat. Mir ist dies neuerliche Interesse daran nahezu unheimlich. :ugeek:
Den Faden wiederbelebt hat Quk, also geht die Frage eigentlich an ihn.




Timberlake
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Di 29. Aug 2023, 19:28

Nauplios hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:21
Ich verstehe nicht nur die Ausführungen von Timberlake nicht; ich verstehe alles Vorausgegangene auch nicht. ;)
Das, was seiner Zeit Helmut Kohl , als die Gnade der späten Geburt bezeichnet hat , wirst du doch wohl noch verstehen. Wenn du das verstanden hast , dann hast du auch mich verstanden.




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Stefanie
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Di 29. Aug 2023, 19:31

Na auf die Ausführungen von Timberlake, er sieht das wohl so.
Und darum geht es bei dem Thema auch, allgemein gesprochen, wie mit denen umgehen, die in der Nazi Zeit in unterschiedlichen Positionen tätig waren. Scherbengericht ja oder nein, und wenn ja, mit "Verbannung" im modernen Sinn oder anders.



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Stefanie
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Di 29. Aug 2023, 19:34

Nauplios hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:21
Ich verstehe nicht nur die Ausführungen von Timberlake nicht; ich verstehe alles Vorausgegangene auch nicht. ;)

Es werden darin Themen angesprochen ("Poetik und Hermeneutik", "Rezeptionsästhetik", Konstanzer Schule", "Blumenberg" ...), die dieses Forum meist nur mit Widerwillen ertragen hat. Mir ist dies neuerliche Interesse daran nahezu unheimlich. :ugeek:
Tja..unverhofft kommt oft. : - )



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Jörn Budesheim
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Di 29. Aug 2023, 19:35

Stefanie hat geschrieben :
Di 29. Aug 2023, 19:31
... er sieht das wohl so.
Aber wie ist das begründet?




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