Race - Rasse

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
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Jörn Budesheim
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Sa 9. Dez 2023, 20:08

Quk hat geschrieben :
Sa 9. Dez 2023, 16:55
Ich meine natürlich Erfindungen, nicht Tatsachen. Dass Schwarze dunkle Haut haben, ist keine Erfindung, sondern eine Tatsache, die gesagt werden darf.

Aber dass Schwarze immer auch Basketballspieler seien, ist eine Erfindung. Sollen wir diese Denke unterstützen, oder wie soll ich Dich verstehen?
Warum du den Unterschied nicht siehst, verstehe ich nicht. Ja, viele Schwarze spielen Basketball. Und ja, es ist eine Pauschalisierung, die falsch ist, dass das alle machen. Aber vieles, was ganz zentral in diesem Thema ist, ist überhaupt keine Pauschalisierung, sondern eine völlig freie Erfindung. Deswegen lehne ich alle deine Beiträge ab, in denen es nur um Pauschalisierung geht. Denn die könnten den Eindruck erwecken, dass es bei Rassismus in der Regel um Pauschalisierung geht, und das ist nicht der Fall. Dazu habe zuvor ich noch mal aus dem Artikel mit Lanre Aranmolate zitiert, den ja auch Stefanie schon brachte.

Dass Schwarze und andere People of Color für den Rassismus weniger wert sind als weiße Menschen und weiße Menschen mehr wert als People of Color hat nicht das mindeste mit Pauschalisierung zu tun.




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Dez 2023, 20:16

Quk hat geschrieben :
Mi 6. Dez 2023, 07:55
Guten Morgen. Ich denke, biologische Argumente gegen den Unsinn des Rassismus schießen so sehr am Ziel vorbei wie beispielsweise physikalische Argumente gegen den Unsinn der Astrologie. Wie beim rassistischen Einteilen werden auch in der Astrologie Menschen nach Gutdünken eingeteilt in Gruppen (in 12 Tierkreiszeichen), innerhalb derer angeblich gruppenspezifische Schicksale und Charaktere festzustellen seien. Für die Horoskop-Ersteller ist das so etwas wie Magie oder eine übergeordnete Korrelation. Es nützt nichts, dagegen mit naturwissenschaftlichen Argumenten zu kommen wie etwa, dass die Tierkreiszeichen heute anders positioniert sind als vor 2000 Jahren und so weiter.

Es gibt ganz einfache praktische, untheoretische Argumente gegen all diesen Unsinn: Die Beobachtungen stimmen nicht mit den Voraussagen überein. Punkt.

Es stimmt nicht, dass alle Schwarze dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Es stimmt nicht, dass alle Weiße dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Es stimmt nicht, dass alle Alte dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Es stimmt nicht, dass alle Jungen dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Es stimmt nicht, dass alle Frauen dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Es stimmt nicht, dass alle Männer dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Es stimmt nicht, dass alle im Sternzeichen X Geborenen dieselben Eigenschaften haben und die selben Dinge tun.
Ich zitiere zur Erinnerung noch mal einen deiner Beiträge vom Beginn. Um deine eigene Formulierung zu verwenden, das schießt meines Erachtens am Ziel vorbei, weil es überhaupt nicht das Sache des Rassismus berührt. Sogar die Beiträge, die Du selbst zitiert hast, scheinen dich nicht davon zu überzeugen, dass es um etwas anderes geht.




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Quk
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Sa 9. Dez 2023, 20:22

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 9. Dez 2023, 20:08
.. ist überhaupt keine Pauschalisierung, sondern eine völlig freie Erfindung.
Entindividualisierung (Begriff von Aranmolate) wird erzeugt durch Verallgemeinerung. Die Gruppierung ist eine Verallgemeinerung. Sie entindividualisiert. Entindividualisierung ist entwürdigend, herabsetzend, absondernd.

Das Rassismus-Problem kann sich entfalten sowohl durch brutale körperliche Gewalt gegen diese Gruppe, als auch durch Hass gegen sie, durch allerlei Benachteiligung und so weiter -- als auch durch gut gemeinte Entindividualisierung. Das Problem kann also meiner Ansicht nach vielerlei Facetten haben. Du nennst immer nur die eine Facette, die brutale, die bewusst negative. Das, was Aranmolate "positiven Rassismus" nennt -- diese weitere Facette --, ignorierst Du beharrlich.

Des Weiteren ist "Pauschalisierung" nicht das Gegenteil von "Erfindung", daher ergeben Deine Entweder-Oder-Sätze in meinen Augen keinen Sinn.




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Stefanie
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Sa 9. Dez 2023, 20:26

Du meinst Sache mit der Basketballspielen, Tischtennis und so. Ich dachte, dass zumindest war geklärt. Positiver Rassismus ist auch Rassismus.

Wie auch immer... vielleicht tut allen eine Pause gut? Oder so.



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Quk
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Sa 9. Dez 2023, 20:28

Gut, dann haben wenigstens wir beide an diesem Punkt einen gemeinsamen Nenner :-)

Das war eigentlich schon alles, was ich wissen wollte.




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Dez 2023, 20:37

Quk hat geschrieben :
Sa 9. Dez 2023, 20:22
Verallgemeinerung
Eine Verallgemeinerung liegt vor, wenn etwas Konkretes oder ein Einzelfall auf eine Gesamtheit übertragen wird. Wie kann die Behauptung der angeblichen Minderwertigkeit einer angeblichen Rasse eine Verallgemeinerung sein, wenn es gar keinen Einzelfall gibt, von dem man ausgehen und verallgemeinern kann?

Ich ignoriere auch nichts hartnäckig. Dass es auch positive Diskriminierung gibt, habe ich weiter oben schon erwähnt. Darüber hinaus kann es im Rahmen des Gesamtnarrativs, das die Rasse als minderwertig darstellt, natürlich auch "positive" Einzelaspekte geben (können Musik machen und schnell laufen), die aber Teil des negativen Gesamtcharakters des Narrativs sind. Die von dir zitierte Seite ist ein gutes Beispiel dafür.
Demokratie leben hat geschrieben : Lanre Aranmolate erzählt weiter aus seinem Alltag. "Weiße Menschen sehen mich überhaupt nicht als Mensch, sondern als typisch stereotypischen Schwarzen, wenn ich erzähle, dass ich gern trommle und Basketball spiele und gut in Leichtathletik bin. Deshalb lass ich das inzwischen einfach weg."
Das sind ja nicht irgendwelche Beispiele, sondern solche, die Teil des gesamten Narrativs sind, die den Schwarzen zum Beispiel als animalisch darstellen, deswegen kann er "natürlich" gut laufen und ist auch beim Trommel nicht schlecht. Man kann doch nicht einfach ausblenden, was da angeblich positiv sein soll. Und dass das nicht wirklich lupenrein positiv ist, merkt man auch an diesem Kommentar von Lanre Aranmolate: "Deshalb lass ich das inzwischen einfach weg."

Zudem ist das nicht nur Teil des abwertenden Narrativs, sondern auch Teil des Otherings. Hier noch ein weiteres Beispiel dazu.
Dike Uchegbu ist in Deutschland geboren. "Wo kommst du her?" ist jedoch die Frage, die ihm am häufigsten gestellt wird, berichtet er. Natürlich weiß er, dass diese Frage nicht unfreundlich gemeint ist, leider wirkt sie aber auf ihn so. "Lasst es einfach, diese Frage zu stellen. Sie ist auch nicht gut gemeint", fasst Dike Uchegbu zusammen.




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Dez 2023, 20:58

Stefanie hat geschrieben :
Sa 9. Dez 2023, 20:26
Wie auch immer... vielleicht tut allen eine Pause gut? Oder so.
Ja, vielleicht ist es besser so. Ich bin, das muss ich schon sagen, sehr unglücklich über diesen Faden.




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Quk
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Sa 9. Dez 2023, 21:13

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 9. Dez 2023, 20:37
Eine Verallgemeinerung liegt vor, wenn etwas Konkretes oder ein Einzelfall auf eine Gesamtheit übertragen wird. Wie kann die Behauptung der angeblichen Minderwertigkeit einer angeblichen Rasse eine Verallgemeinerung sein, wenn es gar keinen Einzelfall gibt, von dem man ausgehen und verallgemeinern kann?
Erstens, es gibt Einzelfälle. Zweitens, sie können sowohl real als auch erfunden sein. Man kann ja schließlich auch erfundene Einzelfälle verallgemeinern. Das ist dann eine doppelte Unwahrheit.


Beispiele für einen realistischen Einzelfall:

Einer von 100 Juden interessiert sich sehr für Geld. Religions-rassistische Verallgemeinerung: "Alle Juden interessieren sich sehr für Geld."

Einer von 100 Schwarzen hat ein Mädchen vergewaltigt. Hautfarben-rassistische Verallgemeinerung: "Alle Schwarze sind Vergewaltiger."


Beispiele für einen erfundenen Einzelfall:

Einer von 100 Demokraten hat reptiloide Augen. Polit-rassistische Verallgemeinerung: "Alle Demokraten haben reptiloide Augen."

Einer von 100 Jugendlichen hat ein Microsoft-Chip im Kopf. Alters-rassistische Verallgemeinerung: "Alle Jugendlichen haben einen Microsoft-Chip im Kopf."

... die den Schwarzen zum Beispiel als animalisch darstellen, deswegen kann er "natürlich" gut laufen und ist auch beim Trommel nicht schlecht.
Das sehe ich anders. Die Leute, die ihn als gutmeinend als Trommler sehen, sehen ihn nicht abwertend, negativ als "animalisch". Wenn ich schreibe "gutmeinend", dann meine ich es so, wie ich es schreibe. Sonst würde ich schreiben "herabblickend" oder dergleichen.
Zuletzt geändert von Quk am Sa 9. Dez 2023, 21:19, insgesamt 1-mal geändert.




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Jörn Budesheim
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Sa 9. Dez 2023, 21:16

Du kannst gerne auf deiner Sicht beharren, das Thema ist mich jetzt wirklich beendet. Deutschland hat ein massives Rassismusproblem und dann gibt es hier so einen Faden, das ist völlig daneben.




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Quk
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Sa 9. Dez 2023, 21:19

Für mich auch.

Dieser Faden ist wichtig; er erweitert den Tunnelblick.




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Stefanie
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Sa 9. Dez 2023, 21:50

Pause.



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Stefanie
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So 10. Dez 2023, 13:03

Pause beendet.
Wer meint, nur Diskussionen von Angesicht zu Angesicht können einen mitnehmen, der irrt. Zumindest ich brauchte eine Durchschnaufpause

Erfahrende Schreiberinnen und Schreiber erleben es oft, ein Thema entwickelt sich bisweilen etwas anders, als gedacht.
Also neuer Versuch. Ich bleibe optimistisch.

Begonnen hatte hier alles mit dem englischen Race und dem deutschsprachigen Rasse.
Rasse steht im deutschen Grundgesetz. Genauer im Art. 3. Gleichheitsgrundsatz.
Es ist in den deutschsprachigen Länder eine Diskussion darüber entstanden, ob die Verwendung von Rasse noch angebracht ist. Denn biologisch gibt es keine Rassen.

Ein kurzer Artikel zu dem Thema, so als Anfang.
https://missy-magazine.de/blog/2020/09/ ... denn-race/
Aus diesem Artikel
"Während „race“ im englischsprachigen Raum durch eine akademische Verankerung eine Bedeutungswandlung von einer vermeintlich biologischen Kategorie hin zu einem sozialwissenschaftlichen Analyse-Tool vollzogen hat, impliziert „Rasse“ im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch die Existenz unterschiedlicher menschlicher Rassen. Kurz: Wer von „race“ spricht, weiß, dass Rassen eine Erfindung des Rassismus sind. Aber: Wer „Rasse“ sagt, glaubt, dass es Rassen gibt und ist demnach potenziell Rassist*in?
Ganz so einfach ist es leider nicht. In Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht u. a. wörtlich, dass „[n]iemand […] wegen […] seiner Rasse […] benachteiligt oder bevorzugt werden [darf]“. Diese Formulierung ist im Kontext der Gründung der BRD zu verstehen und sollte einer nationalsozialistischen Rassenideologie konkret entgegenwirken. Der Ansatz ist löblich und bis heute richtiger, als er auf den ersten Blick erscheint. Nicht leicht zu verstehen ist, dass es biologisch zwar keine Grundlage für Menschenrassen gibt, Menschen aber aufgrund der Annahme von Menschenrassen diskriminiert werden können. "
(...)
Hinzu kommt ein Paradoxon: Während Rassismus keine biologisch verbürgten Rassen braucht, um funktionieren zu können, wird Antirassismus-Arbeit ohne einen spezifischen sozialwissenschaftlichen Rassebegriff schwierig, weil ohne diesen nicht klar ist, worüber gesprochen wird. Den Begriff jetzt aus dem Grundgesetz zu streichen, wie es u. a. die Grünen fordern, wäre insofern fatal, als damit auch die rechtliche Grundlage verschwinden würde, gegen Rassismus vorzugehen. Ein möglicher alternativer Begriff müsste die internationale Anschlussfähigkeit berücksichtigen, sowohl in juristischen als auch in sozialwissenschaftlichen Kontexten. Zu diesem Zeitpunkt muss es also darum gehen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, den deutschen Rassebegriff zu diskutieren, einzuordnen und eventuelle Alternativen sozialwissenschaftlich und juristisch greifbar zu machen. Das englische „race“ hat diesen Prozess vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte bereits durchlaufen."

Der im Artikel genannte Gesetzentwurf der Grünen sieht folgendes vor:
Die Fraktion schlägt vor, das Wort durch das Wort rassistisch zu ersetzen, in Verbindung mit der Anfügung einer Gewährleistungsverpflichtung als neuem Satz 3: „Der Staat gewährleistet Schutz gegen jedwede gruppenbezogene Verletzung der gleichen Würde aller Menschen und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ (mwo/21.06.2021)
https://www.bundestag.de/dokumente/text ... sse-847538

Im Moment tendiere ich dazu, Rasse im Grundgesetz zu lassen.



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Jörn Budesheim
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So 10. Dez 2023, 14:03

Ich habe das verlinkte Dokument vom Bundestag gelesen. Das ist schwer. Nach meinem spontanen Gefühl hätte ich gesagt, der Begriff sollte gestrichen werden. Aber die Gegenstimmen fand ich auch sehr bedenkenswert.
Prof. Dr. Uwe Kischel hat geschrieben : Eine Streichung wäre [...] geschichtsvergessen.
Der Begriff ist eben nur aus seiner Geschichte her verständlich. Das ist schließlich auch die Sicht, für die ich hier werben wollte, wenn auch vergebens. Aber würde dieser geschichtliche Bezug verloren gehen, wenn man stattdessen die Begriffe "rassistisch" oder "Rassismus" verwendet?

Den Vorschlag, den Begriff Rasse zu belassen und an geeigneter Stelle zu erläutern, welches die historischen (bis heute wirksamen) Hintergründe sind, finde ich auch nicht falsch.




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Stefanie
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So 10. Dez 2023, 19:15

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 10. Dez 2023, 14:03
Den Vorschlag, den Begriff Rasse zu belassen und an geeigneter Stelle zu erläutern, welches die historischen (bis heute wirksamen) Hintergründe sind, finde ich auch nicht falsch.
Das wird schwierig sein, es umzusetzen.
Wird es direkt in das betreffende Gesetz geschrieben, wird dieses noch sperriger. Die Erläuterung würde ja länger als ein Satz. Macht man dies in die Gesetzesbegründung, was Sinn macht, werden es allerdings die wenigstens Menschen lesen.



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Stefanie
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So 10. Dez 2023, 23:32

@Quk

Ich möchte das Thema doch nicht so in der Luft hängen lassen.

Diese Allaussagen, also Pauschalierungen, alle über einen Kamm scheren, Vorurteile und Stereotypen sind nicht gut. Ich denke, hier sind wir uns einig. Aus eigener Erfahrung bin ich übrigens nicht davor gefeilt, doch mal in Stereotypen und Klischees zu denken.
Es gibt Diskriminierungen und Benachteilungen aufgrund Geschlecht, Herkunft, Alter usw. Benachteiligungen und Diskriminierungen geschehen auch aufgrund dieser Pauschalierungen und Vorurteile. Alle Menschen mit Behinderungen sind körperlich nicht leistungsfähig und sind zudem andauernd krank, was ein der Gründe ist, warum sie auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind.

Und dann gibt es noch den Rassismus. Rassistische Handlungen richten sich gegen Menschen mit nicht weißer Hautfarbe.
Nicht jede Benachteiligung und Diskriminierung ist Rassismus. Vor allem dann nicht, wenn Benachteiligungen Menschen mit weißer Hautfarbe treffen. Natürlich werden auch weiße Menschen diskrimiert, aufgrund Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion und was weiß ich noch. Nur nicht wegen der Hautfarbe weiß. Noch ein Beispiel:
Privilegien beziehen sich auch auf gesellschaftliche Gruppen und soziale Strukturen. Oftmals kommt daher das Merkmal Herkunft ins Spiel. Herkunft meint auch die soziale Herkunft, also aus welche sozialen Schicht kommt jemand. Weiße Kinder aus den sog. Arbeiterfamilien oder aus Familien mit Hartz IV Bezug erhalten deutlich weniger eine Empfehlung für das Gymnasium als Kinder aus Akademikerfamilien. Das ist eine Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, in denen aufgrund von Vorurteilen allen dieser Gruppe bestimmte Fähigkeiten abgesprochen werden. Durchaus eine Allaussage. Das ist kein Rassismus, denn es erfolgt nicht aufgrund der Hautfarbe eine Diskriminierung, sondern aufgrund der Herkunft.

Deine Bestrebungen, Pauschalierungen zu bekämpfen und auflösen, führt meiner Meinung dazu, dass alles wieder gleich im negativen Sinne wird. Jede Diskriminierung und Benachteiligung ist Rassismus. Auch eine Allaussage. Es wird nicht differenziert, warum jemand in der konkreten individuellen Situation diskriminiert wird. Und die vorhandenen Machstrukturen werden nicht berücksichtigt. Jede Situation wird identisch behandelt und kann deshallb dem individuellen Leid nicht gerecht werden. Pauschalierungen sollen weg, und dabei wird dann alles gleich gezogen. Mehrfachdiskriminierungen gehen unter, so viele allaussgen kann es nicht geben,
Ist doch irgendwie ein Paradox. Oder etwa nicht.
Quk hat geschrieben :
Sa 9. Dez 2023, 18:46
Stefanie, meiner Kenntis nach gibt es stellenweise auch Rassismus gegen Weiße -- meist in Gebieten, wo Weiße eine Minderheit sind. In Bonn ist das nicht der Fall.
Es gibt keinen Rassismus gegen Menschen mit weißer Hautfarbe.
Gewaltausbrüche gegen weiße Menschen gibt es vereinzelt in afrikanischen Ländern mit einer Kolonialgeschichte. Die in diesem Zusammenhang erworbene Macht und Privilegien der Weißen ist nicht verschwunden, nur weil diese Länder jetzt eigenständig sind. Die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung lebt in Armut und die Wut richtet sich gegen diejenigen, die diese Strukturen erschaffen und erhalten. Das ist kein Rassismus. Gewalt ja, aber kein Rassismus. Es ist doch nicht gleichzusetzen mit dem Alltagsrassismus, den viele Menschen ausgesetzt sind.
Dein Satz relativiert Rassismus gegen Menschen mit nicht weißer Hautfarbe.
Dieses Relativieren muss zwangsläufig erfolgen, wenn alle Allaussagen rassistisch sind. Es gibt bei Allaussagen keine Differenzierungen und dann entsteht die Situation, dass diese sich gegenseitig relativieren. Das kann es ja nicht sein. Oder?

Wir haben bald 2024. Die Aufhebung der Rassentrennung in den USA ist noch nicht lange her 1964, Südafrika war noch später dran als die USA, die Beendigung der Kolonialgeschichte in Afrika war erst nach dem 2. Weltkrieg. Das ist eine kurze Zeit im Verhältnis zu den Jahrhunderten der Unterdrückung mit Rassismus. Es ist doch logisch, dass dies weiter wirkt.

Tja. Ich bin noch etwas ratlos, gebe ich zu.



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Quk
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Mo 11. Dez 2023, 21:58

Stefanie hat geschrieben :
So 10. Dez 2023, 23:32
Deine Bestrebungen, Pauschalierungen zu bekämpfen und auflösen, führt meiner Meinung dazu, dass alles wieder gleich im negativen Sinne wird. Jede Diskriminierung und Benachteiligung ist Rassismus. Auch eine Allaussage. Es wird nicht differenziert, warum jemand in der konkreten individuellen Situation diskriminiert wird.
Diese Gleichmacherei liegt nicht in meiner Absicht. Im Gegenteil. Ich unterscheide zwischen den unbewussten, zarten Anfängen und dem verheerenden bewussten Finale.

Ich will aufmerksam machen auf die kausalen Anfänge in der Denkstruktur des Menschen. Auf die Psychologie. Ihr redet -- zu Recht -- über die furchtbaren, historischen Abläufe der Vergangenheit und der Gegenwart. Ich rede über die Zukunft, über Psychologie, wie die Anführer und Hetzer gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen, indem sie üble Beispiele ausrufen: "Schaut her, der Gil Ofarim, wie er lügt. Alle Juden sind Lügner!" Und ein Großteil des Publikums nickt zu: "Hm, ja, stimmt, der lügt. Die Juden sind halt doch alle so." Oder: "Schaut her, dieser Messerstecher aus Syrien. So sind sie, die Syrer!" Dann das Publikum: "Hm, ja, da ist wohl was wahres dran. Ich hab jetzt immer Angst, wenn ich einen Braunhäutigen sehe".

Wir Menschen machen Vorurteile, alle Urteile sind Vorurteile, denn wir müssen oft entscheiden, bevor wir die letzte Wahrheit erfahren, was ohnehin schon schwierig ist. Es geht nicht anders. Wichtig -- wichtig! -- ist aber, diese eigenen Vorurteile ständig zu hinterfragen. Zu hinterfragen. Dann, so vermute ich, werden die Hetzer es schwerer haben, ihr Publikum zu vermehren.

Und dieses nicht-hinterfragende Vorurteilen gibt es in allen Schattierungen. Links, rechts, woke, unwoke, überall. Die Wurzel liegt in der Psychologie des Menschen, nicht in der nachträglichen Geschichtsschreibung. Darauf will ich hinweisen.

Das soll jetzt hier aber wirklich mein letzter Kommentar sein. Ich will Jörn keine Schmerzen zufügen.




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Quk hat geschrieben :
Mo 11. Dez 2023, 21:58
Diese Gleichmacherei liegt nicht in meiner Absicht. Im Gegenteil.
Die Gleichmacherei liegt nicht in Deiner Absicht, okay, glaube ich.

Und doch machst du es, wie ich finde. Du betrachtest nämlich nur einen einzigen Aspekt, der in Intensitäten von zart bis verheerend vorkommt. Deshalb schreibst du irgendwo in diesem Faden, dass es Rassismus schon immer gegeben hat. Eine anthropologische Konstante sozusagen. Vorurteile gab es immer, Xenophobie vielleicht auch. Aber Rassismus nicht. Geulen, den ich weiter oben zitiert habe, der das Phänomen wissenschaftlich untersucht und ein Buch über die Geschichte des Rassismus geschrieben hat, sagt, in der Antike gab es keinen Rassismus. Vielleicht ähnliches, aber die Begriffe gibt es erst seit der Neuzeit. Das mag umstritten sein, aber so etwas kann man nicht vom Schreibtisch aus beurteilen. Das ist eine Frage der Forschung und des Begriffsverständnisses, beides geht Hand in Hand.

Jedenfalls fehlt in deiner Sichtweise der Aspekt, dass Rassismus versucht, sich selbst zu "rechtfertigen", indem er zum Beispiel Rassen oder Ähnliches "erfindet", bzw. vermeintlich wissenschaftlich erforscht oder was auch immer. Rassen, die der eigenen Gruppe unterlegen sind, die vielleicht sogar vernichtet werden müssen. Also gerade das typisch Rassistische bleibt bei dir ausgeblendet, finde ich. Zum Beispiel die entsprechenden Narrative, Bilder etc. p.p. Diese Dinge und die geschichtliche Entwicklung, die sicher noch weiter geht, kann man nicht ausklammern. Die Geschichte geht weiter, die neuen Rechten haben neue Formen des Rassismus entwickelt. Was man auch nicht aussparen darf, ist der ganze Bereich des strukturellen Rassismus.

Wenn man etwas bekämpfen will, braucht man (neben anderem) auch scharfe Analyse-Werkzeuge.




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Di 12. Dez 2023, 17:12

Eines meiner Lieblingszitate ist (frei aus dem Gedächtnis heraus - ich weiß nicht, ob ich's nicht doch schon einmal hier gebracht habe):
"Wer Unterschiede macht, hat etwas vor - und zwar nichts Gutes"
("Unterschiede machen" hier im Sinne von diskriminieren ...)
D.h. in diesem Zusammenhang, dass "von interessierter Seite" - für diese Formulierung wurde ich an anderer Stelle schon als (linker) Ideologe und verdächtigender "Verschwörungstheoretiker" u. ä. angekreidet (von wem wohl ...?) - Menschen nach letztlich willkürlichen Kriterien (z.B. Hautfarbe, Herkunft, "kultureller Hintergrund", "Geschlecht" etc. pp.) in bestimmte Gruppen eingeteilt werden, welchen daraufhin eine "entsprechende" Sonderbehandlung angediehen wird (was der eigentliche Zweck der Übung ist, wie sich leicht erraten lässt, was aber praktisch nie laut wird ...). Damit ist das Prinzip, dass alle Menschen gleich(wertig) seien, naturgemäß eklatant verletzt.




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Stefanie
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Di 12. Dez 2023, 20:54

Es gibt nicht nur die Menschenrechtskonvention, sondern noch ein weiteres Dokument.
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung vom 7. März 1966

In dem steht u.a.
In der Überzeugung, dass jede Lehre von einer auf Rassenunterschiede gegründeten Überlegenheit wissenschaftlich falsch, moralisch verwerflich sowie sozial ungerecht und gefährlich ist und dass eine Rassendiskriminierung, gleichviel ob in Theorie oder in Praxis, nirgends gerechtfertigt ist;

Teil I
Artikel 1
(1) In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck "Rassendiskriminierung" jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung
oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder
jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat den Titel angepasst:
Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung aus dem Jahr 1965.

In Deutschland ist diese Konvention ratifiziert worden, aber kaum beachtet worden. Dies zeigt sich u.a. daran, dass es erst seit 2020 eine deutsche Kommentierung dazu gibt.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Jörn Budesheim
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Mi 13. Dez 2023, 07:57

1+1=3 hat geschrieben :
Di 12. Dez 2023, 17:12
"Wer Unterschiede macht, hat etwas vor - und zwar nichts Gutes"
Als ich auf die Welt kam, waren die Unterschiede schon gemacht und hatten überall ihre Spuren hinterlassen, in Kinderbüchern, Bildergeschichten, Wörtern, Redewendungen, Fernsehserien und vielem mehr. Das finde ich wichtig. Heute ist Rassismus meist tradierter Rassismus. Ein zentrales Merkmal des neuzeitlichen Rassismus sei, so Geulen, dass Praxis und Ideologie sich wechselseitig hervorbringen. Oft war es die Praxis der Massenversklavung und Massenvernichtung, die einer nachträglichen Rechtfertigung in Form von hierarchischen Ordnungsmodellen der Natur bedurfte. Und diese vermeintlichen Ordnungen spiegelten sich in den oben genannten und sicherlich noch weiteren Dingen wider und wurden entsprechend tradiert.




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