Geschichte Zeitgefühl Beispiel Berliner Mauer

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
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Stefanie
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Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

Mo 5. Feb 2018, 10:08

aus: http://www.general-anzeiger-bonn.de/new ... 67400.html

"Am heutigen Montag (5. Februar) ist die Berliner Mauer genauso lange weg wie sie da war: 28 Jahre, 2 Monate und 26 Tage."
(...)
Von dem Betonwall, der einst das Leben der Berliner trennte, stehen heute noch Reste. Für die junge Generation ist Stadtführer Markus Müller-Tenckhoff nach eigenen Worten fast ein Geschichtslehrer. „Wenn ich junge Menschen durch Berlin führe, stellen die ganz andere Fragen. Daran erkennt man, dass die Mauer für die Geschichte ist.“
(...)
Das Zeiterleben ist individuell sehr unterschiedlich“, sagt der Psychologe Klaus Seifried. Er hat 26 Jahre als Schulpsychologe gearbeitet und gehört dem Vorstand des Berufsverbands Deutscher Psychologen an. „Junge Leute können sich das Leben vor 30 oder 40 Jahren kaum vorstellen.“ (...) „Die sinnliche Erfahrung fehlt.“
(...)
Wenn einem die Zeit mit Mauer länger vorkommt als der Abschnitt seit dem Mauerfall, kann das laut Seifried auch am subjektiven Empfinden und dem heutigen Tempo liegen. Internet, Smartphones, Globalisierung, Mobilität - all das hat den Alltag beschleunigt. „Wenn wir uns erinnern, nehmen wir die Zeit dann als kürzer wahr, wenn viel passiert, wenn sich viel verändert“, sagt Seifried."

Wie ist denn Eure Einschätzung, bzgl. des Zeitgefühls zur Geschichte?

Von mir kann ich sagen, dass mir der Zeitraum, in dem die Mauer stand, länger vorkommt, als der Zeitraum seit dem die Mauer nicht mehr steht.

Wie ist das bei anderen geschichtlichen und/oder politischen Ereignissen? Hängt es von der gesamtgesellschaftlichen Größe eines geschichtlichen Ereignisses ab, wie sich an ihm Jahre oder Jahrzehnte danach erinnert wird, oder hängt es auch davon ab, wie jemand individuell davon betroffen war, mal ganz abgesehen von dem Alter einer Person?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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Mo 5. Feb 2018, 10:45

Eine tatsächlich gebaute Mauer ist lediglich die Verkörperung eines Ab-und Ausgrenzungsdenken, das schon lange vorher seinen Platz in den Köpfen der Menschen gefunden hat. Dort entsteht sie zuerst und wird gepflegt. Dort kann sie auch länger bestehen bleiben, selbst wenn sie "physisch" eingerissen wurde.




Rosita
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Mo 5. Feb 2018, 12:01

Im Fall der Berliner Mauer war es eher die Angst die Bürger wollen den Arbeiter- und Bauernstaat verlassen.

Ich habe gelesen, dass viele junge Leute den Namen Erich Honecker noch nie gehört haben. :o



Jeder Mensch hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber nicht auf eigene Fakten!

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Jörn Budesheim
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Di 6. Feb 2018, 05:53

Stefanie hat geschrieben :
Mo 5. Feb 2018, 10:08
Von mir kann ich sagen, dass mir der Zeitraum, in dem die Mauer stand, länger vorkommt, als der Zeitraum seit dem die Mauer nicht mehr steht.
Als ich das gestern gelesen habe, war ich mehr als erstaunt. Ich hätte niemals gedacht dass die beiden Zeitabschnitte gleich sind, sondern hätte geglaubt (so wie du), dass es die Mauer schon viel viel länger gab, als ich sie nicht gab.

Ich bin 1960 geboren und in diese Zeit fällt auch der Mauerbau. Das heißt, meine bewusste Erinnerung an die Mauer dürfte also noch "kürzer" sein als meine bewusste Erinnerung an den Fall. Aber dadurch hatte der Mauerbestand, also die Zeit, wo es die Mauer gab, für mich gewissermaßen keinen Anfang. Vielleicht rechnet man dann die Existenz der Mauer in der Vergangenheit sozusagen hoch, so dass sie einen gewissen Sinne irgendwie ewig existiert hat.

Man müsste vielleicht wissen, ob die Zeitempfindung von jemand, der deutlich älter ist als ich (sagen wir mal 80 Jahre) ähnlich sind.




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Jörn Budesheim
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Di 6. Feb 2018, 05:56

taz hat geschrieben : Beim Fluxus-Festival in Aachen, 1964, empfahl Joseph Beuys die „Erhöhung der Berliner Mauer um 5 cm (bessere Proportion!)“. Professor Beuys musste sich daraufhin beim NRW-Innenministerium erklären. Seine Betrachtungsweise, so argumentierte Beuys, „entschärft sofort die Mauer. Durch inneres Lachen“.




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