Überlegungen zum "Fall" M. Özil

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
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Stefanie
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Mo 23. Jul 2018, 19:33

Die Reaktionen sind, wie erwartet, sehr vielfältig, gewaltiges Rauschen in der Medienlandschaft.

Ich halte das Photo mit Erdogan für unklug, und seine nachvollziehbare Erklärung für naiv.
Den Rassismus Vorwurf gegen den DFB halte ich für überzogen.
Aber
Der DFB hat in der ganzen Angelegenheit versagt.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass er oft genauso empfindet, wie viele Menschen mit türkischen Wurzeln. Er wurde von türkischen Fans ausgepfiffen, er wurde von deutschen Fans ausgepfiffen.
Seine rhetorischen Fragen halte ich für gerechtfertigt.
Wie lange muss eine Familie und deren Nachkommen hier leben, bis das mittlerweile sehr negativ besetze Wort von Migrationshintergrund nicht mehr mit verwendet wird?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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proximus
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Di 24. Jul 2018, 06:48

Meine Ambivalenz: " Ich möchte nicht Deutschtürke genannt werden und fühle mich als Türke und Deutscher."



""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus

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Stefanie
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Di 24. Jul 2018, 10:38

https://www.ksta.de/politik/kommentar-z ... d-31002264

Eines vorab: Diesen Text hätte vielleicht besser jemand geschrieben, der weiß, wie es ist, wenn zwei Herzen in der Brust schlagen, ein türkisches und ein deutsches, wie Mesut Özil es formuliert hat. Dass sich in der Redaktion keiner gefunden hat, führt schon mitten hinein in die Auseinandersetzung um den deutschen Nationalspieler, der keiner mehr sein will. Die Bundesrepublik ist seit vielen Jahren ein Einwanderungsland. Doch so schrecklich weit sind die Einwanderer in den Hierarchien dieses Landes noch nicht gekommen. Das gilt für fast alle Gesellschaftsbereiche: für die Politik, die Verwaltung, Polizei und Justiz, Schulen und Universitäten sowie für die meisten Wirtschaftsbereiche.

Zudem zeigt der extrem niedrige Anteil von Mitbürgern aus der ehemaligen DDR im sogenannten Establishment, wie undurchlässig die Sphären schon dann sind, wenn weder fremd klingende Namen noch Sprachprobleme entgegenstehen. Da wirken noch ganz andere Kräfte. Insofern wirft Özils Erklärung zu seinem Rücktritt aus der Nationalmannschaft ein grelles Licht darauf, dass der Stand der Debatte über Integration und auch Demokratie in Deutschland viel trübseliger ist als erhofft.

Selbstverständlich war das Treffen Özils und seines Mannschaftskameraden Ilkay Gündogan mit dem türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan im türkischen Wahlkampf mindestens eine Dummheit. Wie unpolitisch und naiv Özil mit diesem Thema umgeht, zeigt seine Twitterbotschaft vom Sonntag. Wer ihn dann so dreist instrumentalisiert hat, das wäre noch einmal ein ganz anderes Thema. Tatsache ist aber auch: In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit, und die gilt auch für Nationalspieler. Darauf hätten der DFB oder auch Özils Mitspieler gern einmal hinweisen dürfen. So aber ist aus dem Foto-Shooting mit Erdogan eine Staatsaffäre gemacht worden, die vor allem zeigt, wie unfreundlich inzwischen in diesem Land das Klima ist für Menschen, die einem dubiosen Begriff vom korrekten Deutschsein nicht entsprechen.

Es ist wieder einmal Angela Merkel, die in dieser Situation vorführt, was Anstand ist. Sie gibt Mesut Özil sozusagen noch einmal die Hand, wie einst, als er ihr in der Spielerkabine entgegentrat. Sie schätze ihn sehr, ließ die Kanzlerin am Tag nach seinem Rückzug erklären, den tollen Fußballspieler, der so viel für die Nationalmannschaft geleistet habe. Ihr Innenminister Horst Seehofer wollte dagegen lieber nichts sagen, sich nicht „in diese internen Angelegenheiten einmischen“. Welche Interna meint denn der Minister, der nicht nur für Sport zuständig ist, sondern auch für die Integration?

Seehofer hat von Merkel ganz offiziell den Auftrag, endlich ein Einwanderungsgesetz vorzulegen, das seine CSU über Jahre blockiert hat – gegen jeden Realitätsdruck. Ein solches Gesetz ist vielleicht für lange Zeit die letzte Chance, endlich Akzeptanz zu schaffen für Menschen, die eine andere Kultur und Geschichte mitbringen als jene, deren Vorfahren seit Jahrzehnten und Jahrhunderten hier leben. Es ist selbstverständlich, dass sie unsere Regeln und Gesetze beachten müssen. Niemand aber kann es ihnen versagen, dass zwei Herzen in ihrer Brust schlagen. Es darf nicht zweierlei Maß geben. Das ist eine Frage von Gesetzen, vor allem aber von Geisteshaltung.

Dazu gehört es erst einmal, die anschwellende Welle der Fremdenfeindlichkeit abzuwehren, auf der gewählte Abgeordnete von Kopftuchmädchen und Messerjungs reden, wenn sie Zuwanderer meinen. Der nächste Schritt muss sein, die Blockaden abzubauen, die den Aufstieg der neuen Deutschen noch so sehr behindern. Dass dies ausgerechnet mit einem Minister gelingen sollte, der die Debatte um Mesut Özil für eine interne Angelegenheit von wem auch immer hält, das ist allerdings schwer vorstellbar.



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Joachim
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Di 24. Jul 2018, 20:28

Tommy hat geschrieben :
Mo 23. Jul 2018, 19:52
Eigentlich bezichtigt er nicht den DFB, sondern bestimmte Personen und ein bestimmtes gesellschaftliches Klima.
Und ganz ehrlich: Letzteres spüre ich auch.
Offen gelebter Rassismus breitet sich immer mehr aus und gegen Ausländer zu hetzen ist inzwischen so normal wie Currywurst essen.
Dieses Land und seine Menschen kotzen mich einfach nur noch an.
Ich würde auswandern, wenn ich wüsste wohin.
Es gibt ja in Europa inzwischen kein Land mehr in dem sich diese rechte, fremdenfeindliche Pest noch nicht verbreitet hätte.
Überall verbreiten die Rechtspopulisten ihren Hass.
Und die werden auch nicht aufhören, bis jede Annäherung der Kulturen zerstört ist.
Dem schließe ich mich zu 100% an.

Hinzu kommt, dass im Ausland genau verfolgt wird, was hierzulande abgeht. Die ganze Geschichte war gestern Top-Thema auf CNN, heute Morgen (bzw. heute Mittag unserer Zeit) wurde die Geschichte auf WNYC thematisiert und natürlich beschäftigte sich auch die New York Times damit (WNYC und die NYT allerdings vor dem Hintergrund der Immigrationsdebatte in den USA, seit Trump an der Regierung ist wird die Situation für MigrantInnen in den USA ja auch zusehends schlechter).

Man muss auch dazu sagen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland an der gesamten Situation nicht unschuldig sind. Es gibt ja fast keine Show von Illner, Anne Will, Plasberg und wie sie alle heißen, in der das Thema Muslime, Ausländer, Integration nicht vorkommt. So wird die Stimmung noch mehr aufgeheizt, weil der vox populi vorgegaugelt wird, alle Probleme wären gelöst, wenn es keine MigrantInnen gäbe, denn die sind ja mehr oder weniger an allem Schuld, weil sie sich nicht anpassen wollen usw.


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Di 24. Jul 2018, 22:46

Tommy hat geschrieben :
Mo 23. Jul 2018, 19:52
Dieses Land und seine Menschen kotzen mich einfach nur noch an.
Das sagen die neuen Rechten auch.
Tommy hat geschrieben :
Mo 23. Jul 2018, 19:52
Und niemand ahndet solche Anfeindungen. Niemand tut was dagegen. Es wird einfach geduldet.
Vielleicht unterscheidet uns ja gerade das von den Staaten, in die Du vermutlich am aller wenigsten gerne reisen würdest?

Eines der wirksamsten Mittel gegen den Extremismus irgendwelcher Art ist es, ungerührt weiter zu machen. Show must go on, man kann es hassen, aber es ist ein gewaltige Kraft.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Di 24. Jul 2018, 23:07

Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:01
Tosa Inu hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 22:46
Tommy hat geschrieben :
Mo 23. Jul 2018, 19:52
Dieses Land und seine Menschen kotzen mich einfach nur noch an.
Das sagen die neuen Rechten auch.
Aber aus anderen Gründen. Und das weisst Du auch ganz genau, also was soll der Blödsinn?
Die könnten mitunter zum gleichen Ergebnis führen.
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:01
Eines der wirksamsten Mittel gegen den Extremismus irgendwelcher Art ist es, ungerührt weiter zu machen.
Da bist Du ganz schwer im Irrtum wenn Du glaubst, dass das einfach von selbst vorbei geht. Aussitzen wird nicht funktionieren.
Hat es bisher auch nicht.
Die anderen sind nämlich nicht solche Schnarchnasen und arbeiten aktiv am "Umschwung". Und sie machen das sehr klever und sehr gezielt.
Wie denn, Deiner Meinung nach?



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Di 24. Jul 2018, 23:21

Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:12
Mach die Augen auf und schau was in unserem Land passiert.
Willst Du hier allen Ernstes behaupten wir müssten, um unsere Werte zu schützen, tatenlos dabei zusehen wie sie Stück für Stück demontiert werden?
Nee, allen Ernstes behaupte ich bis zum Selbstüberdruss, dass wir eine breite Wertediskussion brauchen, ahnend, dass ich sie nie erleben werden.

Von Dir wollte ich wissen, wie die cleveren und geschickten Revoluzzer das Deiner Meinung nach anstellen? Die Frage meine ich ernst.
Wenn Deine Antwort sowas, wie Zwietracht säen, aufhezten, polarisieren, Grenzen verschieben usw. ist, überleg' Dir mal, ob meine Einstellung ungerührt weiter zu machen, wirklich so schlecht ist.

Ich gehe jetzt nämlich pennen, gute Nacht.



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Joachim
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Di 24. Jul 2018, 23:22

Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:01
[Die anderen sind nämlich nicht solche Schnarchnasen und arbeiten aktiv am "Umschwung". Und sie machen das sehr klever und sehr gezielt.
https://www.nytimes.com/reuters/2018/07 ... annon.html


Ich denke auch, dass allein darauf zu vertrauen, dass die Institutionen der Demokratie das schon aushalten werden, nicht unbedingt das Mittel der Wahl ist. Ich muss aber auch gestehen, dass ich nicht weiß, was das Mittel der Wahl sein könnte. Auf jeden Fall halte ich nicht mehr den Mund, wenn in meiner Gegenwart jemand meint, gegen MigrantInnen hetzen oder Sympathie für die AfD bekunden zu müssen. Früher habe ich mich umge- und die Augen verdreht. Das mache ich nicht mehr. Allein schon deswegen, weil Pforzheim, wo ich wohne, eine AfD-Hochburg ist.

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Tosa Inu
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Mi 25. Jul 2018, 07:38

Hallo Tommy.

Gut, Du wolltest noch etwas Adrenalin spüren und ich auch noch nicht ins Bett, Du hast Haltung gezeigt, ich meine Wertediskussion herbei gewünscht, also alles wie immer. Dabei könnten wir es belassen.

Andererseits frage ich mich, was schlimmer wäre, wenn das bei Dir Pose ist oder Du es ernst meinst.
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:33
Ja, das hast Du schon zwanzig Mal erzählt. Und ich kann dir eines versprechen: Das Ergebnis einer solchen Diskussion kann nicht sein, dass wir gewisse Werte irgendwelchen Faschisten und Rassisten zum Frass vorwerfen.
Es gibt Dinge, die sind nicht verhandelbar. Wir verhandeln nicht mit Rassisten darüber ob ein bißchen Rassismus uns nicht allen gut tun würde. Das werden wir mit Sicherheit nicht tun.
Wieso meinst Du, das Ergebnis einer solchen Diskussion müsse sein, dass man Rassisten und Faschisten Zugeständnisse macht?
Ich meiner Phantasie würde eine Wertediskussion eher darum kreisen, dass man feststellt, dass alle, die wir hier leben nun mal hier leben und irgendwelche Spielregeln, abseits des rechtlichen Rahmens (nicht, weil der überflüssig wäre, sondern, weil wir den schon haben) ganz gut wären.
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:33
Was uns fehlt ist keine Diskussion über Werte, sondern es fehlen klare Bekenntnisse.
Das sagen die neuen Rechten auch.
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:33
Was wir aktuell sehen ist ein Kampf um die öffentliche Meinung.
Und die Rassisten, Protektionisten, Nationalisten, Fremdenfeinde und all das ganze Zeug gewinnen immer mehr an Boden auf diesem Feld.
Das ist es was hier abgeht. Und wenn Du mir vorschlägst ich solle mich entspannen und einfach dabei zusehen, dann muss ich dich allen Ernstes fragen ob Du noch ganz bei Trost bist.

Ich glaube, dass ich bei Trost bin, ja. Dir würde ich tatsächlich raten, Dich zu entspannen, anderen vielleicht weniger, denn Deine Aussage war ja kürzlich:
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 01:36
1. Meine Erfahrung ist, dass diese Menschen meist gar nicht an Argumenten interessiert sind, sonder viel mehr daran ihren Hass und ihre Lügen zu verbreiten, also daran, dass ihre wirren Gedanken Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit erhalten.
...
Ich habe noch keinen Weg gefunden dieser Strategie entgegen zu wirken.
Kurz gesagt, Du bist an der Stelle gescheitert, okay. Und leitest daraus dann ab, dass es nicht nur genauso weiter gehen soll? Das ist doch eher fragwürdig.
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:33
Und meine ernste Antwort darauf war: MACH DEINE AUGEN AUF.
Du kannst es selber sehen. Sie hetzten das Volk auf, versuchen die Menschen gegen grundlegende Werte und friedliche Mitbürger aufzubringen.
Das ist doch cool bleiben und weitermachen gar nicht so dumm, oder? Anders formuliert: Sich nicht aufhetzen lassen.
Nur, wenn mich Morgens ein rechter Schreihals abrüllt und Abends ein linker, bin ich vielleicht tinnitusmäßig ausbalanciert, aber andererseits auch doppelt genervt.
Vielleicht geht es ja nur mir so, glaube ich aber nicht.
Tommy hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:33
Und sie sind damit mehr als erfolgreich, mehr als wir eigentlich akzeptieren dürften.
Den massiven Rechtsruck den wir seit ein paar Jahren in diesem Land (und eigentlich ganz Europa) erleben, die Verrohung in der Sprache, der offen gelebte Rassismus (der immer mehr zur Normalität wird), der mangelnde Respekt gegenüber unserer Verfassung und die offenen Angriffe auf die in ihr verankerten Werte... den kann wohl selbst so jemand wie Du nicht leugnen.
Und Typen wie Du machen es nur noch schlimmer, indem sie so wie Du hier den Verteidigern dieser Werte die selbe Vorgehensweise und ähnliche Motive unterstellen.


Wovor hast Du denn eigentlich mehr Sorge? Als großen Verfassungspatrioten habe ich Dich bislang nicht erlebt, eher als Heißsporn, dem es von Zeit zu Zeit um Streit und Widerspruch um seiner selbst willen geht. Jetzt nicht super bösartig, wie gesagt, Du hast Dein Herz am rechten Fleck, bist aber andererseits notorisch auf Krawall gebürstet.
Hast Du nicht kürzlich selbst noch gesagt, dass Du Dich gar nicht so gerne an Regeln hältst und Dir nur ungern etwas vorschreiben lässt? Wie kriegst Du dass denn mit einer Sorge ums Regelwerk unter einen Hut?
Ein beliebte Lösung ist dann, dass man Regeln an sich super findet, weil die anderen die dringend brauchen, man bei sich selbst aber die große Ausnahme macht. Und warum? Schließlich weiß man ja von sich, dass man zwar mal hier und da einen raushaut, aber doch weiß, wo das Ende der Fahnenstange ist. Nur bei den andern ist man sich halt nicht so sicher oder meint sogar zu wissen, dass man die sicher nicht von der Leine lassen sollte.

Und, nein, ich glaube, wenn Du den Weg von der Palme runter findest, wird unser Land nicht 7 Minuten später zu einer faschistischen Diktatur werden.

Leider hast Du den zweiten Teil meiner Antwort komplett ausgeblendet: „Wenn Deine Antwort sowas, wie Zwietracht säen, aufhetzen, polarisieren, Grenzen verschieben usw. ist, überleg' Dir mal, ob meine Einstellung ungerührt weiter zu machen, wirklich so schlecht ist.“ Wenn Du Dein lautstarkes Dagegenhalten aber selbst als gescheitert ansiehst, warum ist ein stilleres Weitermachen dann für Dich nicht einmal einer Beachtung wert?

Wer polarisieren will, der will polarisieren, Tommy, und dem ist es egal aus welcher Ecke gebrüllt wird, Hauptsache, es wird gebrüllt.



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proximus
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Mi 25. Jul 2018, 08:12

Fußball ist doof.

Die WM ist nationalistisch aufgebaut.

Ich halte nationalistisch und rassistisch auseinander.

Kulturelle Unterschiede sehe ich nicht notwendigerweise genetisch bedingt.



""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus

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Friederike
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Mi 25. Jul 2018, 19:12

Joachim hat geschrieben :
Di 24. Jul 2018, 23:22
Ich denke auch, dass allein darauf zu vertrauen, dass die Institutionen der Demokratie das schon aushalten werden, nicht unbedingt das Mittel der Wahl ist. Ich muss aber auch gestehen, dass ich nicht weiß, was das Mittel der Wahl sein könnte. Auf jeden Fall halte ich nicht mehr den Mund, wenn in meiner Gegenwart jemand meint, gegen MigrantInnen hetzen oder Sympathie für die AfD bekunden zu müssen. Früher habe ich mich umge- und die Augen verdreht. Das mache ich nicht mehr. Allein schon deswegen, weil Pforzheim, wo ich wohne, eine AfD-Hochburg ist.
Als Bürgerin fällt mir als Mittel der Wahl nur die Demonstration ein. Die öffentliche Willensbekundung. Argumente, das ist meine resignative Überzeugung, bringen nichts. Damit meine ich jetzt nicht ein laut geäußertes "Nein", falls jemand in der Umgebung geringschätzende Bemerkungen macht.




Tosa Inu
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Mi 25. Jul 2018, 20:11

Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
1. Dir ist das alles scheißegal.
oder
2. Du begrüßt diese Entwicklung sogar.
Weder muss einem alles egall sein, noch muss man die Entwicklung begrüßen, wenn man dafür plädiert sich die Fähigkeit zur Ambivalenz nicht zerstören zu lassen. Das wäre dann 3. und die Position, die ich begründet vertrete.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Was hat das mit einer Diskussion zu tun, wenn das Ergebnis (für Dich) vorher schon feststeht?
Das habe ich mit keiner Silbe gesagt, es wäre eher ein Thema, was mir inhaltlich vorschwebt, das Ergebnis wäre offen.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Da ist es wohl ehrlicher so wie ich zu sagen, es müsse klare Ansagen darüber geben, was in unserer Gesellschaft geht und was nicht.
Hier kann es nicht darum gehen einen Kompromiss zu finden. Wie sollte der aussehen?
Ein bißchen Rassismus kann ja nicht schaden?
Klare Ansagen sind eben keine Diskussion. Wer soll denn, auf welcher Basis klar ansagen? Wenn Du das GG als Basis im Auge hast, nun, das gilt ja bereits.
Was mir vorschwebt, wäre eine gemeinsam zu entwickelnde moralische Position, diesseits und jenseits des Rechts.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Ach? Und deshalb meinst Du nun, dass nur die Rechten sich zu ihren "Werten" bekennen dürfen, oder was willst Du damit sagen?
Nichts anderes, als ich schon sagte: Wenn man sich auf einem konstant hohen Erregungslevel in Streits hereinziehen lässt, betreibt man das Geschäft derer, denen es um Spaltung durch das Anheizung von Emotionen geht. Dass es die gibt und Spaltung, Zuspitzung, Grenzen verschieben usw. deren Sache ist, hattest Du ja selbst festgestellt, hier sind wir einer Meinung. Dass Dein Ansatz gescheitert ist, hast Du ja selbtkritisch erwähnt.
Die Strategie zu ändern wäre doch nicht dumm, sondern eher folgerichtig.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Nein, das ist nicht fragwürdig, zumindest nicht dann, wenn man davon ausgeht, das der Erfolg der Rechten auch damit zu tun hat, dass sich ihre Gegner zu sehr zurückhalten.
Stimmt, wenn man davon ausgeht. Es ist sicher ein Teil des Problems, Kaninchen vor der Schlange zu sein und nur zu verstummen. Der andere Teil ist eine reine Haltung der Gegenprovokation und -gewalt. Wenn ich z.B. in den nahen Osten blicke, wo die Strategie seit Jahrzehnten gefahren wird, kann ich zwingend sehen, dass sie sonderlichen Erfolg hat.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Joachim hat es richtig formuliert: Die Demokratie und humanistische Werte, die erhalten sich nicht einfach von selbst.
Sie sind darauf angewiesen, dass Menschen sich für sie einsetzten und sie gegen Angriffe verteidigen.
Sonst ist es damit nämlich schneller vorbei als Du "piep" sagen kannst.
Der Psychoanalytiker Micha Hilgers sagte in einem Iinterview: „Ambivalenz ist das Tor zur Humanität und Menschlichkeit.“
Finde ich sehr richtig und darum plädiere ich genau dafür. Mit Ambivalenz ist hier gemeint, sich die Fähigkeit zu erhalten, auf Eindeutigkeit prinzipieller Art verzichten zu können. In dem konstanten Verlangen sich eindeutig zu bekennen wird diese Ambivalenzfähigkeit sabotiert. Darum erweist die Abteilung "klare Kante" dem was sie schützen vorgibt, einen Bärendienst.
Das heißt nun nicht, dass man stets lauwarm abwägt und taktiert und nun nie wieder klar Stellung beziehen dürfte, nur sollte man sich stets bewusst sein, dass man den höheren Gang auch wieder rausnehmen kann. Das muss nicht unbedingt auf der Basis der tit for tat Strategiespiele passieren, aber selbst die sind besser, als notorisch heiß zu laufen, finden ich zumindest.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Das wäre dann ein guter Rat wenn Schweigen nicht als Zustimmung gewertet würde, was aber der Fall ist.
Dann hast Du die neurechte Propaganda von der schweigenden Mehrheit ja bereits gefressen. Punkt für die Rechten, würde ich sagen, wenn man sich als einer von weit über 80% die eplizit nicht rechts wählen schon in der Minderheit fühlt.
Ich würde eher sagen, die Mehrheit hält sich aus dem Getöse raus, weil ihnen das Gekreische einfach auf den Sack geht.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Es geht den Rechten nämlich vor allem darum ihre Gegner zum Schweigen zu bringen.
Ging es ihnen nicht eben noch um Spaltung? Was denn nun?
Meine Meinung ist, dass Extremiste und Terroristen wissen, dass sie in der Minderheit sind und daher die Strategie der Spaltung, Verunsicherung und der feinen Nadelstiche anwenden. Dazu kommt sicher ein Propagandaapparat der bei den Rechten gar nicht schlecht ist, im Sinne der Professionalität.
Deshalb hatte ich u.a. auf das schöne Buch von Schlecky Silberstein "Das Internet muss weg" hingewiesen, dass das Arsenal dieser Abteilung schön aufdröselt.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
In einer solchen Situation zum beharrlichen Schweigen aufzufordern ist dummes Zeug und man muss sich da fragen wem eine solche Strategie wohl eher nützt. Weshalb ich mich auch frage wen Du mit solchen Ratschlägen eigentlich unterstützen willst.
Na, in dem Moment, wo das an Dich addressiert ist, Dich.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Och ja, Du kannst einem richtig leid tun.
Überall Leute die Dir ins Ohr schreien und dir dein Mittagsschläfchen versauen. Mir kommen gleich die Tränen.
Was meinst Du denn wie die Menschen sich fühlen, die im Mittelmeer ersaufen, oder jene die hier (in ihrem Geburtsland) mit rassistischen Anfeindungen und Ausgrenzungen leben müssen? Und alles worum Du Dich scherst ist Deine Ruhe.
Wenn jemand über Kopfschmerzen klagt, ist es kein gutes Argument, ihm zu sagen andere hätten Krebs. Du musst schon klarer sagen, was Du meinst.
Wenn Du meinst wir hätten die verdammte Pflicht alles nur Mögliche zu tun um ... ja was genau? Das musst Du mit sagen.
Wenn Du meinst, es sei die heiligste Pflicht Flüchtlinge vor dem ertrinken zu retten, dann gibt es ja ebenfalls mehrere Wege. Z.B. buchstäblich direkt helfen, oder das Geschäft der Schlepper eindämmen oder auf diesem oder jenem Wege die sog. Fluchtursachen bekämpfen.
Im Internet Rechte anzubellen hilft m.E. bei allen drei genannten Punkten so viel, wie öfter mal das Rad zu benutzen gegen den Klimawandel. Nett, als Symbol sicher okay, in der Wirkung in jeder Hinsicht überschaubar.
Das soll kein Freibrief dafür sein nichts zu tun, sondern im Gegenteil, ich denke das Thema Migration und Demographie wird ein Großthema bleiben, gerade auch ethisch, beim Klima könnte das auch der Fall sein, Umweltschutz und Co. ist es in jedem Fall, insofern finde ich in diesem Punkt Symbole wichtig, aber letztlich zu wenig. Das Rad was da zu bewegen ist, muss größer sein.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Das ist mir völlig klar, dass Jemand der sich vor allem nur um sich selbst schert, und dem nichts über seine Ruhe geht, es als "Krawall" empfinden muss, wenn andere Menschen lautstark auf ein Problem hinweisen wollen.
Weisste was? Leg' Dich einfach wieder schlafen. Solange nicht Du selbst im Mittelmeer ersäufst oder ausgegrenzt wirst kann Dir das ja alles egal sein.
Ich habe eigentlich nie gesagt, dass mir alles egal ist, ich finde nur, dass sich die Politik aus einer Vielzahl von Gründen eher disqualifiziert als qualifiziert hat, um die Probleme zu lösen.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Wie kommst Du denn darauf, dass ich die Menschenrechte als "Vorschriften" begreife?
Mir muss niemand sagen, dass diese "Regeln" richtig und einzuhalten sind. Das weiß ich von ganz alleine, und ich würde sie auch einhalten, wenn es sie in unserer Verfassung gar nicht gäbe.
Okay.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Und, nein, ich glaube, wenn Du den Weg von der Palme runter findest, wird unser Land nicht 7 Minuten später zu einer faschistischen Diktatur werden.
Das haben sie 1933 auch gesagt.
Aber es muss gar nicht zu einer Neuauflage des dritten Reichs kommen. Ich finde das was momentan abläuft reicht schon.
Du scheinst aber offenbar zu meinen das sei alles noch im Rahmen des Akzeptablen.
Da ich ja konkrete Vorschläge zu einer anderen Strategie mache, schließt sich diese Vermutung doch im Grunde von selbst aus, oder?
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Leider hast Du den zweiten Teil meiner Antwort komplett ausgeblendet: „Wenn Deine Antwort sowas, wie Zwietracht säen, aufhetzen, polarisieren, Grenzen verschieben usw. ist, überleg' Dir mal, ob meine Einstellung ungerührt weiter zu machen, wirklich so schlecht ist.“ Wenn Du Dein lautstarkes Dagegenhalten aber selbst als gescheitert ansiehst, warum ist ein stilleres Weitermachen dann für Dich nicht einmal einer Beachtung wert?
Weil dieser Kampf Öffentlichkeit braucht, verstehst Du das nicht?
Man kann sich ja auch in einem öffentlichen Statement nicht provozieren lassen. Das worüber wir hier reden, findet ja alles in irgendeiner Form von Öffentlichkeit statt.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Was nützt es denn, wenn Du im stillen Kämmerlein oder nur in deinem Kopf von einer friedlichen Welt träumst, sie aber gleichzeitig um Dich rum zerfällt?
Man ernsthafte Antwort wäre tatsächlich, dass das viel nützt, würde aber hier zu weit weg führen und Dich ganz gewaltig nerven, weil es eine psychologische Antwort wäre.
Wie beim vielfach geschmähten Neoliberalismus wäre meine Frage auch hier: Wenn das alle so scheiße finden, wieso machen sie dann eigentlich mit? Da muss ja vorher irgendwas schief gelaufen sein, damit ein gerüttelt Maß an Menschen so frustriert sind, dass sie sich entscheiden dem Staat im dem sie leben innerlich zu kündigen.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Du kannst natürlich immer weiter warten, aber irgendwann kommt der "Krieg" dann auch zu Dir und spätestens dann wirst Du Farbe bekennen müssen oder als Mittäter gelten. So einfach ist das.
Ja, sei schwarz oder weiß Endzeitstimmung und bald ist die Entscheidungsschlacht. So geht das Gerede aller Extremisten … lies mal nach.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Gerade Du als psychologisch und soziologisch Interessierter müsstest eigentlich wissen wie der Mensch gestrickt ist. Aussenseiter sein will keiner.
Ja, deshalb Rollenangebote.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Das wussten auch die Nazis damals, weshalb sie ihre "Aufmärsche" gekonnt in Szene gesetzt haben, damit es für den Unbeteiligten so aussieht als seien sie die Mehrheit und Andersmeinende in der Minderheit.
Na guck. Ich glaube die Wahrheit ist da etwas komplexer, aber sicher waren die Nazis von 33 in der Lage durch kraftvolle Veranstaltungen die Massen zu begeistern. Auch das muss man näher beleuchten, kann man aber.
Dass wir uns gegenwärtig in einer Regression befinden ist ja auch mein Befund, mich interessiert, wie man da raus kommt.
Und haben sich die Schlägertrupps damals nicht kräftig gegenseitig die Fresse poliert? Hat auch nichts geholfen.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Und das hat deshalb funktioniert, weil es zu wenige Menschen gab die eine lautstarke Gegenbewegung bildeten, die den Menschen zeigten: Ihr seid nicht in der Minderheit. Wir sind viele und die sind wenige.
Das ist mit ein Grund warum ich glaube, dass es eine großangelegte, öffentliche Gegenbewegung geben muss, damit die Verhältnisse klar sind und klar bleiben.
Kann ich als einen Teil des Ganzen respektieren. Aber die Zahl der Extremisten wächst aktuell weiter, wenn dies auf allen drei potentiell gefährlichen Richtungen so weiter geht, macht das einen Staat auch nicht gerade stabiler und sicherer.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Man sagt die neuen Rechten sind eine lautstarke Minderheit. Aber das ist eben genau der Trick: Die anderen überschreien und es so aussehen lassen als sei man in der Mehrheit. Denn viele Menschen denken genau so: Wenn das so viele sind, dann bin vielleicht ich derjenige der irrt.
Aber Du und ich denken doch anders und sind auf den Trick nicht reingefallen. Wer Wahlergebnisse und Umfragen lesen und deuten kann, kann sich ja ebenfalls ein Bild machen. AfD 15%, von denen die Wählen. Da extreme Lager eher motiviert sind zur Wahl zu gehen, aber auch bei Umfragen nicht zu sagen, wen sie wählen, könnte das ein realistischer Wert sein. Die Idee, dass jeder der nicht wählt, automatisch extrem wählen würde, ist falsch. Um das zu verstehen, braucht man nicht promoviert zu haben, denke ich.
Tommy hat geschrieben :
Mi 25. Jul 2018, 17:22
Und genau das dürfen wir aber nicht zulassen. Wir dürfen nicht zulassen dass genau dieser Eindruck bei den Menschen entsteht.
Und vor allem dürfen wir auch nicht zulassen, dass die Opfer dieser Anfeindungen sich alleine und im Stich gelassen fühlen. Denn das genau wäre Mittäterschaft auch wenn es "nur" passive Mittäterschaft wäre.
Ich denke, dass ist ein zentraler Unterschied zwischen uns. Du hältst Deine Mitmenschen glaube ich eher für dumm und/oder verführt, ich glaube, dass das in der Mehrzahl nicht der Fall ist.
Ich glaube, man muss sich auch mit denen auseinandersetzen, die aus welchen Gründe auch immer, ziemlich frustriert sind und ihnen nicht noch sagen, dass ihre Probleme keine sind, da sie ja aktuell nicht ersaufen. Das erscheint mir zu hartherzig und abfällig. Einen Sinn für echte Humanität zu haben erfordert reife und komplexe Charaktere, nicht nur Opportunisten die mitsingen, bis der Wind sich dreht. Da geht es eben nicht immer um alles, sondern da ist Jammern auf hohem Niveau und das Einklagen hoher Standards ebenfalls eine Bürgerpflicht.
Es gibt sicher Punkte an denen auch handfeste Entscheidungen nötig sind, aber nach diesem Punkt sollte man nicht lechzen, sondern ihn maximal herauszögern.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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proximus
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Do 26. Jul 2018, 06:00

Wer genau ist nun Rassist und was soll mit ihm geschehen ?

Man könnte nun hinter jedes Substantiv, was der eigenen Meinung nach einen negativen Begriff bedeutet, das Wort "Keule" anhängen.
Gutmenschen-Keule, Rassismus-Keule; Müll-Keule; Politik-Keule; Strom-Keule; Parfüm-Keule; Käse-Keule;



""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus

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Do 26. Jul 2018, 07:25

Und vor allem: Was hat das mit der Fussball WM zu tun?
Und überhaupt: Sind wir der neue philosophie-raum?

Nun. Fragen über Fragen.




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proximus
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Do 26. Jul 2018, 08:01

Sokratischer Entbindungsraum , Kreißsaal ?



""Wahrheit" ist immer nur theoretisch." proximus

Tosa Inu
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Do 26. Jul 2018, 12:05

Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 00:20
Nochmal: Was für eine "moralische Position" beim Thema Rassismus schwebt Dir vor? Was soll denn da das Ergebis sein, wenn wir uns mit Rassisten unterhalten? Wie soll das praktisch ablaufen? Sollen wir vorschlagen wir machen halt nicht den ganz dollen sondern nur ein bißchen Rassismus, damit beide Seiten was davon haben?
Ich verstehe einfach nicht von was für einer Ambivalenz Du bei dem Thema redest.
Gern.
Wenn ich etwas diskutieren möchte, dann habe ich zwar eine eigene Position, sonst könnte ich nicht diskutieren, aber ich weiß nicht, was das Ergebnis ist, sonst bräuchte ich nicht zu diskutieren.
Es geht mir nicht darum primär mit Rassisten zu diskutieren, sondern es geht mir um eine möglichst breite Diskussion all derer, die hier halbwegs friedlich zusammen leben wollen. Ich glaube dass das Rassisten, Rechtsextremisten, Linksextremisten und islamische Extremisten schon insofern natürlich abhält, weil es ihnen gar nicht darum geht mit anderen friedlich zusammen zu leben.

Mit wem man aber ins Gespräch kommen könnte, wäre Menschen, die vielleicht sogar ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben, vielleicht in echter Sorge sind und diffuse Ängste haben, wie begründet oder unbegründet auch immer Dir die erscheinen mögen. Hör sie Dir doch erst mal an, statt gleich drauf los zu dreschen. Versuch doch mal in Ansätzen zu verstehen, was diese Leute ängstigt. Wenn Du es verstanden hast und dem anderen das Gefühl geben kannst, dass Du es hast, kommst Du vielleicht auch ins Gespräch, wenn es Dir gelingt, dann nicht auf Oberlehrer umzustellen und auf die anderen mit einer Selektion aus Zahlen, Daten und Fakten einzudreschen. Die haben zur Not auf welche zur Hand oder sagen schlicht jede Vergewaltigung sei eine zu viel.

Die knallharte Profis unter den Scharfmachern, die wollen nicht reden oder argumentieren, die wollen Stimmung machen fragen Dich in Tommy Manier: „Ach so, dann bist du also für Vergewaltigungen? Dann ist es dir also egal, wenn demnächst ein weiterer Terroranschlag kommt. So so, dann wissen wir ja mit wem wir es hier zu tun haben.“ Da kannst Du Dir dann auf die Brust trommeln wie ein Gorilla, an dem Punkt hast Du verkackt.

Und wen meinst Du denn auf „Deine Seite“ ziehen zu müssen, Tommy? Meinst Du ernsthaft mich bekehren zu müssen, weil ich drauf und dran bin ein Rassist zu werden oder längst einer bin? Aber wenn Du diejenigen gewinnen willst, die wirklich an der Grenze stehen und dabei sind abzurutschen, meinst Du, dass Du die mit Anblaffen gewinnst? Meinst Du, die hätten in ihrem Leben nie zuvor gehört, dass sowas gar nicht geht und hier die Grenze ist? Es ist einigen inzwischen egal, das ist eines der großen Probleme, die versickern immer tiefer in Verschwörungsideen und finden ihre alternativen Quellen. Die sind für die eine Offenbarung, dort geht für die die Sonne auf, weil sie da explizit lesen, was sie immer schon gefühlt haben. Und nach 50 Stunden in diesen Welten bist Du in deren Augen nur noch ein alberner Fatzke, der, wie Du es über sie meinst, einfach nicht begriffen hat, was die Stunde geschlagen hat. Du kannst denen androhen ihnen die Fresse zu polieren Du kannst sagen, in meinem Sportstudio nicht, aber diejenigen die frustriert sind haben Jahre oder Jahrzehnte Übung im Schweigen, nur in ihren Köpfen wirst Du nichts ändern.

Wenn Du glaubhaft zeigen kannst, dass es Dich betroffen macht, wie sich jemand entschieden hat (oft nach langem, inneren Ringen) und Du wirklich wissen willst, warum das so ist, hast Du zwar keine Garantie dafür, dass alles wie im Hollywood Film zum Happy End kommt und Dein Gegenüber unter Tränen bereut, aber Du hast vielleicht einen Raum eröffnet dass, die von der anderen Seite gar nicht so sind, wie man immer hört. Dass man mit denen ja tatsächlich reden kann. Du möchtest so gerne die Frontlinien links/rechts aufmachen und versuchst daher mit aller Gewalt alles in diese Kategorien zu quetschen, mein Gegenvorschlag wäre, zu schauen, ob die Linie nicht zwischen Extremist und Nichtextremist verläuft. Extremisten sollte man loswerden und ausgenzen. Die sind aber nicht frustriert, sondern ticken anders.

Die Ambivalenz die ich sehe bedeutet, die Sorgen des anderen zu sehen und ernst zu nehmen und nicht nur taktisch so zu tun. Inhaltlich muss Du mit dem anderen nicht übereinstimmen und das kannst Du ja deutlich sagen. Und dann auch argumentieren. Und Dir seine Argumente anhören und dem Reflex widerstehen zu sagen, dass das keine Argumente sondern Schwachsinn, Bullshit usw, ist. Dennoch kannst Du weiterhin Deine Argumente beibehalten oder vielleicht kannst Du ja auch hier und da verstehen, dass man etwas auch so sehen kann. Und darauf nicht gleich mit Plattitüden reagieren: „Ja sowas kommt vor, bedauerlich, aber eben selten.“ Ängste kann man mit Zahlen schüren, aber ich glaube schlecht nehmen. Du kannst trotzdem das Problem kapieren und gemeinsam nach einer Lösung suchen.

Und noch gemeinsamer wäre dann die Diskussion im großen Rahmen, bei denen man all in geht und auf den Tisch packt, was auf den Nägeln brennt. So hältst Du dann ganz praktisch in vielen Fällen „den Syrer“ aus dem Spiel.



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Do 26. Jul 2018, 13:23

Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 12:16
Es geht überhaupt gar nicht darum kein Verständnis für die Probleme der Leute zu haben. Es geht auch nicht darum, dass man sich verweigert nach Lösungen für diese Probleme zu suchen. Es geht darum dass Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, die Missachtung unserer Werte und der Menschenrechte keine Lösungen sind.
Du suggerierst hier aber, oder glaubst es ernsthaft, dass, wenn man jemanden versteht, man gleichzeitig Rassismus billigt.
Das folgt aber nicht.

Falls jemand auf der Kippe steht, warum sollte man nicht, wenn man sein Problem versteht, das er vielleicht nur in einer Projektion auf Ausländer, Nazis oder Neoliberalismus sehen kann, eine Lösung finden können, die die Projektion unnötig macht? Da kann man sich die Zusatzeskalationen, die die Reihen eher schließen, ggf. schenken.

Nazis und Islamisten haben nicht nur eine gute Presseabteilung, sondern auf einen Bonus: die kümmern sich. Das kann der Staat nicht ausreichend plausibel machen.



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Do 26. Jul 2018, 15:08

Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 13:38
Nein, was ich Dir zu sagen versuche ist, dass es niemandem nützt wenn Du in Deinem Kopf alleine denkst: Rassismus ist blöd.
Wenn Du willst, dass die Gesellschaft auch was von Deinen Gedanken und Deiner Meinung hat, dann wirst Du sie schon laut äußern müssen.
Es nützt Herrn Özil nichts, wenn Millionen Deutsche gegen Rassismus sind, aber dann im Ernstfall, nämlich dann wenn Herr Özil von ein paar Wenigen rassistisch angefeindet wird, einfach nur schweigen.
In dem Fall erwarten die Opfer nämlich, dass sich die Millionen öffentlich schützend vor sie und solidarisch hinter sie stellen.
Und es ist in dem Fall einfach nur unsinnig zu Herrn Özil zu sagen: Ach, seien sie doch einfach mal ein bißchen ambivalenter.
Sorry, aber das ergibt keinen Sinn.
Du hast den Ambivalenzbegriff nicht erfasst, ich befürchte allerdings, dass Dir das herzlich egal.
Strategisch vorzugehen schließt nicht aus im individuellen Einzelfall auf Situationen zu reagieren.
Ich äußere mein Anliegen und meine Meinung hier die ganze Zeit und das besteht eben nicht darin, die Leute auf meine Seite zu ziehen, sondern sie zum Selberdenken zu animieren. Wie sie im Einzelfall reagieren, überlasse ich ihnen gerne selbst. Meine Idee dahinter ist, dass ab einem gewissen Grad an Reflexionsvermögen und stabilem Ich nicht viel schief gehen kann.
Dir ist das suspekt und Du gibst da den Mahner, willst Zeichen setzen und sagen, wo Schluss ist. Kann man machen, mich überzeugt es aus schon erwähnten Gründen nicht, weil ich glaube, dass dem regressiven Trend (= es gibt nur schwarz und weiß und man ist angehalten sich eindeutig zu entscheiden) dadurch Vorschub geleistet wird.

Die Ambivalenzforderung richtet sich nicht an Özil, sondern seine Interpreten. Auch hier gibt es aktuell nur Verlierer, den meisten ist allerdings auch das klar.
Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 13:38
Ich habe auch hier keine Ahnung wovon Du sprichst. Der offen gelebte Rassismus, der momentan um sich greift, ist keine "Projektion" (ehrlich: Ich habe wirklich keine Ahnung wovon Du hier phantasierst), sondern er findet tatsächlich statt.
Und alles was ich nun verlange ist, dass Menschen die das ablehnen das auch deutlich sagen.
Davon dass man nicht mehr miteinander reden soll, habe ich mit keinem Wort irgendwas gesagt.

Was ich aber auch sage ist, dass es um die Frage, ob wir Rassismus tolerieren wollen keine "Diskussion" geben kann.
Das ist abzulehnen. Klar und deutlich. Punkt.
Ja, ich glaube, dass Du wirklich keine Ahnung hast, wovon ich spreche, aber darüber hinaus könntest Du es möglicherweise begreifen.
Das größere Problem scheint mir zu sein, dass es Dich einfach kein Stück interessiert, wenn ich mich hier abstrample. Du gibst Dir kein Fitzelchen Mühge auch nur halbwegs gründlich zu lesen. Ich könnte mich Engelszungen reden, um zu sagen, worum es geht, Du liest da rein, was Du lesen willst. Schade um meine Zeit, findest Du nicht?
Mit der Projektion war ebenfalls erkennbar die jener gemeint, die aus irgendeiner Not heraus immer wieder ihren Schatten anbellen. Ihr Lieblingsfeindbild, das immer wieder zitiert wird, weil man die eigene Not nicht sieht und/oder sich nicht zutraut, etwas an seiner Situation zu ändern.
Wenn Du Begriffe von mir kritisierst, wäre es schön, wenn Du kenntlich machen könntest, dass Du wenigstens weißt, worüber ich rede.
Das konnte ich bislang nicht erkennen und ich möchte, bis Du ein Interesse an einer Diskussion mit mir hast, kein Stichwortgeber für Deine Selbstgespräche sein.



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Do 26. Jul 2018, 22:21

Hallo Tommy,

ich bin damit einverstanden, dass wir unser Gespräch hier abbrechen.

Ich will Dir aber dennoch mit auf den Weg geben, dass Du den Ambivalenzbegriff noch immer nicht verstanden hast.
Dieser Satz zeigt das deutlich:
Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 17:41
Und vielleicht könntest Du ja mal auch mir gegenüber mehr Ambivalenz zeigen, oder eine solche bei denen einfordern bei denen es angebracht ist.


Du verwechselst Ambivalenz hier ganz offensichtlich mit Empathie. Das ist falsch.
Ambivalenz im allgemeinen psychologischen Sinn und auf den beziehe ich mich, meint, andere Menschen und sich selbst, als Wesen zu sehen, die sowohl gut, als auch böse sind.
Das gilt so gut wie immer, wenn sie psychisch halbwegs gesund sind für ihr Denken, Fühlen und für die Motive ihrer Handlungen.
Es heißt konkret, dass der Mensch, den man am meisten liebt, auch der ist der einem am meisten kränken, verletzen und zur Raserei bringen kann.

Ambivalenzen tolerieren zu können, heißt diese theoretische Wissen praktisch auszuhalten statt in einer Welt von Helden und Schurken zu leben. Sehr viele Menschen wissen nicht, dass wir gut und böse sind, was dann zum Vorschein kommt, wenn sie sich selbst beschreiben sollen. Das ist immer geschönt, Freud nannte das privater Mythos. Sie können es auch nicht gut und oft gar nicht ertragen.
Man lässt sich ein paar Macken abtrotzen, sowas wie: „Sicher, bin ich schon mal ungerecht, aber ...“ und nach dem aber kommt immer, dass man im Grunde vollkommen okay ist und nur beste Absichten hat. (Außer man ist depressiv, dann findet man sich schuldig und schlecht.) Dann beginnt die Wühlarbeit.

Das Problem bei der Sache ist auch: Wenn man einen anderen Menschen wirklich versteht, versteht man auch seine Motive. Das ist dann Empathie. Es ist viel schwerer ihn zu hassen. Das heißt immer noch nicht, dass man alles toleriert oder in so einer 80er Jahre Sozialarbeitermentalität in allen die guten Jungs sieht, es schließt auch Strafen m.E. ausdrücklich nicht aus. Aber diese Bewegung zu sehen und zu verstehen, ist wichtig.
Extremisten versuchen stets andere innerlich von sich wegzudrängen, sie zu dehumanisieren. Tiere, Schädlinge, ein Tsunami man macht sie zum Es, zum Ding. Oder eben zum logistischen Problem, wie in den KZs.
Wer zu dumm oder zu gestört ist, kann andere nicht verstehen, auch manche angeborenen Krankheiten verhindern das.

Empathisch mit anderen (und mit sich) zu sein, und Ambivalenzen sehen und aushalten zu können, gehen Hand in Hand und Empathiefähigkeit ist die Voraussetzung für die Fähigkeit Ambivalenzen zu tolerieren.



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Fr 27. Jul 2018, 08:37

Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 23:41
Ich vermute dir fehlt einfach die Erfahrung diskriminiert zu werden, dass man Dich wie minderwertigen Dreck behandelt, nur weil Du aus einem anderen Land kommst oder eine andere Hautfarbe hast.


Nun, um eigene Erfahrungslücken zu kompensieren, gibt es ist der Regel Empathie. Jetzt kann es natürlich sein, dass meine Empathiefähigkeit nicht vorhanden, oder mangelhaft ausgebildet ist, aber versetz Dich doch noch mal kurz zurück in die MeToo Diskussion hier. Du erinnerst Dich vielleicht, dass Du mit mir und meinem Empathiemangel damals ziemlich einverstanden warst. Dir und mir wurde dann von einer Userin vorgeworfen, dass wir ja vielleicht logisch denken könnten, aber vom Leben keine Ahnung hätten. Kommt immer recht zuverlässig, wenn es um die eigenen Argumente nicht mehr zu gut steht.
Wenn auch nur, als ein Ausdruck von Hilflosigkeit.

Und, warst Du tief getroffen, Tommy, und bist erst mal für zwei Wochen zur inneren Einkehr ins Kloster gegangen? Nö, immer feste druff, war Deine Antwort und da hast Du erst mal kräftig vom Leder gezogen, wie überhaupt die Frauen so drauf sind, dass man auch die Flöhe husten hören kann, ansonsten sagt man halt mit fester Stimme „Nein“ und dass die Userin sich das doch einfach nicht gefallen lassen soll usw. Wo ist denn in dem Moment Deine Empathie geblieben, Tommy? Fehlte es Dir da etwa an Erfahrung, dass man „dass man Dich wie minderwertigen Dreck behandelt“?

Wenn Du jedes Argument gegen den Veganismus und Vegetarismus, was Dir in die Quere kommt ausschlachtest, dann ahnt man: Mensch der Tommy, der isst bestimmt mal gerne ein Stück Fleisch. Du hast Dich ja auch hier im Thread so positioniert, dass das so‘n Pillepalle Thema sei, kein Vergleich mit Rassismus. Vermutlich ist man in Deinen Augen bekloppt, wenn man das überhaupt nur in einem Atemzug nennt. Aber wo ist Dein Mitleid mit der leidenden Kreatur geblieben? Deine Antwort: Pö. Löwen töten Gazellen, Tiere sind sowie brutal, so ist das eben in der Natur, also können wir auch Fleisch essen. Das ist zwar ein naturalistischer Fehlschluss, aber da der Dir nicht so in den Kram passt, hast Du ihn kurzerhand abgeschafft und jedes Argument rangeschaufelt, was den naturalistischen Fehlschluss diskreditiert. Weil es Stimmen gibt, die sagen, dieser Fehlschluss sei selbst ein Fehlschluss. Nehmen wir einfach mal an, Du hättest damals recht gehabt: Dann dürfte sich doch jemand mit Deinem Arsenal bewaffnet hinstellen und sagen: Also, der Mensch ist immer noch ein Naturwesen, die Natur ist eben nicht nett und wer stärker ist, der siegt. So wie wir den Biestern nichts schuldig sind, was Du aus dem Argument die Natur sei halt so ableiteten zu können glaubst, da die sich rücksichtslos und brutal auch selbst umringen, so könnte man ebenfalls argumentieren, der Mensch sei eben immer noch ein Naturwesen und da geht‘s halt schon mal hart zur Sache. Die eigenen haben Hochsee-Yachten und Waffen, die anderen nur ihr bisschen Leben und ein Schlauchboot, tja, dumm gelaufen. Manche haben eben in der Natur auch mächtige Kiefer und machen davon Gebrauch.
Kein gutes Argument, oder? Warum eigentlich nicht? Weil der Mensch auch anders kann. Weil wir uns in dem Sinne über die Natur erheben können, dass wir zwar nicht die Schwerkraft aufheben können, aber unseren unmittelbaren Impulsen müssen wir nicht blind folgen. Weil wir in der Lage sind, inne zu halten, nachzudenken und uns unsere eigenen Regeln zu geben. Nur gilt in dem Moment eben auch der naturalistische Fehlschluss wieder.

Dann warst Du ja letztens im Urlaub, nicht? Wie seid ihr denn dahin gekommen? Doch nicht etwa mit dem Flugzeug, oder? Wir stehen am Rande einer Klimakatastrophe, aber Tommy macht die Augen und Ohren zu und hilft erst mal mit, die Katastrophe zu beschleunigen und reitet uns alle in den Untergang. Ja, schönen Dank. Zudem: Unter anderem deshalb kommen die Flüchtlinge ja. Nun kann Dir der geneigte Mensch, dem der ökologische Fußabdruck das oberste Gebot ist, eine Gardinenpredigt halten: Dass Dir ja wohl alles scheißegal sein muss, Du hier auf dicke Hose und Antirassismus Beauftragter machst, aber zu dumm oder ignorant bist mal drei Minuten nachzudenken, was denn unter anderem ein Grund für die Flucht ist. Dass Dir das Leid von Natur, Tier und Mensch völlig schnuppe sein muss und ob die Radtour durch den Spreewald denn wirklich so eine Zumutung angesichts des Weltuntergangs wäre. Wahrscheinlich grillst Du auch noch mit Kohle (Tropenhölzer), trinkst Kaffee (grausame Wasserbilanz)… und das ist erst die Ouvertüre.

Nun, Deine Hierarchie kennen wir. Rassismus ein no go. Sexismus: Naja, also man muss ja nicht bei allem die Flöhe husten hören. Vegetarismus: Ein schlecht durchdachter Unisnn. Ökologische Nachhaltigkeit: Man muss auch mal Fünfe gerade sein lassen und wenn‘s Dir gefällt, dann können Dich die anderen sowieso mal gerne haben.

Was ich staubtrocken damit sagen will: Jeder hat so seine Hierarchie der wichtigen Themen. Und jeder meint, dass seine private Hierarchie nun die einzig wichtige wäre.

Und jetzt erklär Du mir, warum Deine das Zeug hat zum allgemeinen Gesetz erhoben zu werden. Denn das muss eine Ethik leisten. Was Du präsentierst, ist einfach Deine privaten Neigungen zur Pflicht für alle zu machen.
Da trifft man mal den Zeitgeist, dann wieder weniger, die Fähigkeit sich einzureden, dass man immer und trotz allem ein toller Typ ist haben wir alle, Du fühlst Doch sogar so erhaben, dass Dich Deine minderwertigen Mitmenschen anekeln und Du mit dem Gedanken spielst das Land zu verlassen. Nur sind Deine privaten Neigungen und hierarchischen Gewichtungen nun mal nicht mehr wert, als meine oder die einiger Kollegen aus dem philosophie-raum. Weil ich das so will, ist kein gutes Argument. Weil ich das so will und dicke Arme habe ist vielleicht eines, aber es ist problematisch. Nicht, weil man das nicht sollte, das hat die Jungs mit den dicken Armen noch nie beeindruckt, die fragen nämlich: „Ach, und wer will mir das verbieten?“ Aber das würde zu weit führen.
Du erweckst den Eindruck, wie einige, die sich in Philo-Foren tummeln, dass das ganze Gerede zwar ein netter Zeitverteib ist, aber ansonsten auch nicht überschätzt werden sollte. Was eigentlich zählt ist Macht, in irgendeiner Variante: Muskeln, Knarren, Kampfsport. Freunde aus der freundlichen Motorsport-Gang, Beziehungen zur Polizei, Vatta Rechtsanwalt, man kennt diesen oder jenen, kann zur Not 20 Leute mobilisieren, sich in Darknet einen Killer kaufen oder bei Blackwater gleich eine private Söldnertruppe. Oder man instrumentalisiert im großen Stil, politisch oder wird Medienmogul. Oder am besten, man kombiniert das alles, hat fett Kohle, solide Beziehungen und die Finger dick drin bei den Medien, Ober- und Unterwelt, mehr geht nicht. Okay, Wirtschaft, eine Nebentätigkeit als CEO ist auch noch drin. Der Gipfel?
Aber dann steht der Schwanz nicht mehr, oder die Frau trennt sich, man bekommt Asthma oder kriegt auf einmal Panikattacken im Fahrstuhl. Oder man misstraut seiner Leibgarde oder der Loyalität der engsten Vertrauten. Wann ist man eigentlich wirklich mächtig? Und ist Macht gleichbedeutend mit Glück? Vielleicht ist ja der Straßenmusiker mit seinem Hund und Hütchen oder der Mönch in seiner Klostergemeinschaft viel glücklicher?

Diesen Fragen mal prinzipiell nachzugehen, finde ich spannend. Hier berühren sich Philosophie und Psychologie. Ein guter Psychotherapeut sagt einem immer: „Okay, schön über Ihre Einstellung zum Großen und Ganzen etwas zu erfahren, aber was bedeutet das jetzt für Sie, für Ihr Leben, ihre Beziehungen, ihre Probleme?“ Und der Philosoph sagt mit dem gleichen Recht: „Okay, schön etwas über Ihre privaten Einstellungen und Vorlieben zu erfahren, aber was bedeutet das im Allgemeinen? Was hat das mit uns allen zu tun? Was daran gilt, mit welchem Recht und aus welchem Grund für jeden von uns? Was kann zum allgemeinen Gesetz qua Vernunft und Einsicht in dieselbe erhoben werden?“

Es gibt Freaks, die sich in Philo-Foren einnisten, um über endlos lange Jahre zu erklären, wie scheiße und lächerlich die Philosophie und das ganze Gelaber doch eigentlich ist. Ich glaube, Du gehörst nicht dazu. Du willst schon was wissen und ich glaube, dass man auf diesem Weg der Reflexion sehr viel erreichen kann. Dann erklär mal, wie man beim Thema Rassismus aus von den privaten Vorlieben über das konventionelle Spiel, dass wir uns eben darauf geeinigt haben, dass …, zu einer wasserdichten Argumentation kommt und/oder zu einer soliden Praxis, die das Aufkommen des Rassismus auf ein erträgliches Maß reduziert oder eindämmt.
Es kann im Leben vollkommen in Ordnung sein, wenn man den aktuellen Konventionen und seinem Bauchgefühl folgt und sich einmischt, inklusive klarer und deutlicher Worte, samt Androhung von Konsequenzen. Man kann auch alles zerdenken oder totquatschen, bis zur Lebensunfähigkeit. Aber das eine zu tun, bedeutet nicht, dass man das andere lassen muss. Es gibt eine Mitte und die ist ziemlich breit.
Tommy hat geschrieben :
Do 26. Jul 2018, 23:41
So, und nun tu mir bitte einen Gefallen und erspare mir weitere Belehrungen Deinerseits. Du kannst mir nichts beibringen.
Von Dir gibt es an der Stelle für mich nichts zu lernen.
Das Spiel ist ganz einfach, Du brauchst nur nicht zu antworten.
Steht dem Wesen eines Diskussionsforums nur diametral gegenüber, dass man sich anschweigt und mitteilt, dass einem alles was der andere sagt, einfach kalt am Arsch vorbei geht.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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