Jenaer Erklärung: Wie Rassismus Rassen macht

Dieser Teil des Forums befaßt sich mit politischen, sozialen und historischen Aspekten der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatten.
Antworten
Benutzeravatar
Stefanie
Beiträge: 7170
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 20:09

So 29. Sep 2019, 15:44

Zwei Lesetipps...
Jenaer Erklärung
Das Konzept der Rasse ist das Ergebnis von Rassismus und nicht dessen Voraussetzung
Jenaer_Erklaerung.pdf
(99.07 KiB) 526-mal heruntergeladen
Hierzu ein lesenswerter Zeitungsartikel:
https://www.heise.de/tp/features/Keine- ... 36084.html

Keine "Biodeutschen" und keine "Rassen" weit und breit

Es gibt keine menschlichen Rassen, betonen Jenaer Evolutionsbiologen in einer aktuellen öffentlichen Erklärung.
Angesichts des wachsenden Einflusses einer völkisch-rassistischen Denkweise in vielen Ländern muss diesem Thema nach wie vor Aufmerksamkeit gewidmet werden: Von daher erscheint es wichtig, dass führende Leute vom Fach sich explizit gegen den Rassenbegriff verwahren, da er einfach wissenschaftlich falsch ist: Er suggeriert eine Einteilung des Homo sapiens sapiens in angebliche biologische Untergruppen, die sich in Wahrheit politisch und ökonomisch motivierten, moralischen Deklassierungen verdanken.

Die Ergebnisse der Biologen zusammengefasst: Aus ein paar Unterschieden in Hautfarbe, Haartyp etc. ergeben sich weder "Neger" noch "Arier" noch sonstige ideologische Fiktionen: Zwei x-beliebige Individuen eines Dorfes weisen eine größere genetische Varianz auf als der Durchschnitt der willkürlich als "Rassen" abgegrenzten Großgruppen. Menschen sind zuallererst Individuen, dann kulturell und gesellschaftlich geprägte Gruppenwesen. In ihrem sozialen Leben findet der Biologe kein Quentchen Natur vor außer den allgemein menschlichen Eigenschaften, die alle Menschen teilen, daher niemals ihre kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede erklären können.



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Mo 30. Sep 2019, 10:14

[...] dass führende Leute vom Fach sich explizit gegen den Rassenbegriff verwahren, da er einfach wissenschaftlich falsch ist: Er suggeriert eine Einteilung des Homo sapiens sapiens in angebliche biologische Untergruppen, die sich in Wahrheit politisch und ökonomisch motivierten, moralischen Deklassierungen verdanken.

Problematisch finde ich, wenn das Wissen um den oder die Menschen an die Biologie gebunden bleibt. Die Jenaer Erklärung verfolgt ein politisches Ziel, das ist vollkommen in Ordnung und wird ja auch dezidiert gesagt.

Was mir dabei verloren zu gehen scheint, das ist die Erkenntnis, daß die Naturwissenschaften vom Menschen (Biologie, Neurologie, Medizin) allzu oft immer das über den Menschen herausgefunden haben, was soziale Benachteiligungen, Geschlechtsdiskriminierung, "Deklassierung" gestützt hat. Man stellt vermeintliche "natürliche" Unterschiede bei den Menschen fest und begründet darauf gesellschaftliche Praktiken oder bestärkt die Existierenden. Die feministische Forschung hat sooo viele Beispiele aufgedeckt, in denen die Natur des weiblichen Geschlechts von Primatenforschern, Medizinern, Neurologen auf biologische Gegebenheiten zurückgeführt wurde, und diese -vermeintlich- festgestellte Natur bestätigte immer, daß Frauen im öffentlichen Leben und in den Wissenschaften besser nichts zu suchen haben.

Wenn die Jenaer Humanbiologen die Feststellung einer Kategorie "Rasse" auf Rassismus zurückführen, so teile ich diese Auffassung, und auch ihrer Bewertung der biologischen Unterschiede als irrelevant stimme ich zu. Noch besser fände ich, man würde bei den Versuchen der Gestaltung einer gerechten und guten Welt für alle Menschen u.a. die Biologie unberücksichtigt lassen.




Benutzeravatar
Jörn Budesheim
Beiträge: 23270
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 09:24
Wohnort: Kassel
Kontaktdaten:

Mo 30. Sep 2019, 16:46

Friederike hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 10:14
Problematisch finde ich, wenn das Wissen um den oder die Menschen an die Biologie gebunden bleibt. Die Jenaer Erklärung verfolgt ein politisches Ziel, das ist vollkommen in Ordnung und wird ja auch dezidiert gesagt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe. In dem Artikel heißt es:

Die Ergebnisse der Biologen zusammengefasst: Aus ein paar Unterschieden in Hautfarbe, Haartyp etc. ergeben sich weder "Neger" noch "Arier" noch sonstige ideologische Fiktionen: Zwei x-beliebige Individuen eines Dorfes weisen eine größere genetische Varianz auf als der Durchschnitt der willkürlich als "Rassen" abgegrenzten Großgruppen. Menschen sind zuallererst Individuen, dann kulturell und gesellschaftlich geprägte Gruppenwesen. In ihrem sozialen Leben findet der Biologe kein Quentchen Natur vor außer den allgemein menschlichen Eigenschaften, die alle Menschen teilen, daher niemals ihre kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede erklären können.




Benutzeravatar
Friederike
Beiträge: 4950
Registriert: Mi 19. Jul 2017, 07:48

Di 1. Okt 2019, 17:04

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 16:46
Friederike hat geschrieben :
Mo 30. Sep 2019, 10:14
Problematisch finde ich, wenn das Wissen um den oder die Menschen an die Biologie gebunden bleibt. Die Jenaer Erklärung verfolgt ein politisches Ziel, das ist vollkommen in Ordnung und wird ja auch dezidiert gesagt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dich richtig verstehe. In dem Artikel heißt es:

Die Ergebnisse der Biologen zusammengefasst: Aus ein paar Unterschieden in Hautfarbe, Haartyp etc. ergeben sich weder "Neger" noch "Arier" noch sonstige ideologische Fiktionen: Zwei x-beliebige Individuen eines Dorfes weisen eine größere genetische Varianz auf als der Durchschnitt der willkürlich als "Rassen" abgegrenzten Großgruppen. Menschen sind zuallererst Individuen, dann kulturell und gesellschaftlich geprägte Gruppenwesen. In ihrem sozialen Leben findet der Biologe kein Quentchen Natur vor außer den allgemein menschlichen Eigenschaften, die alle Menschen teilen, daher niemals ihre kulturellen und gesellschaftlichen Unterschiede erklären können.
Ich hatte nicht gründlich genug unterschieden. Der folgende Satz, auf den ich mich bezogen hatte, ist nicht Teil der Jenaer Erklärung selbst, sondern gehört zu dem von @Stefanie verlinkten Kommentar.

Angesichts des wachsenden Einflusses einer völkisch-rassistischen Denkweise in vielen Ländern muss diesem Thema nach wie vor Aufmerksamkeit gewidmet werden: Von daher erscheint es wichtig, dass führende Leute vom Fach sich explizit gegen den [...]
Hier, meine ich, wird die politische Motivation deutlich.

Die Einleitung zur Jenaer Erklärung hingegen lautet so:

Anlässlich der 112. Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Jena hat das Institut für Zoologie und Evolutionsforschung der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine öffentliche Abendveranstaltung zum Thema „Jena, Haeckel und die Frage nach den Menschenrassen: wie Rassismus Rassen macht“ ausgerichtet. Die folgende, gemeinsame Erklärung soll darüber informieren.
Der Vorstand der Deutschen Zoologischen Gesellschaft und der Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena unterstützen die Autoren in dem Bestreben mit dieser Erklärung gegen scheinbar wissenschaftliche Rechtfertigungen für Rassismus vorzugehen.

Hier weniger, d.h. es hängt davon ab, ob die scheinbar wissenschaftlichen Rechtfertigungen tatsächlich innerhalb der Zoologischen Zunft noch kursieren oder ob sie eher von politischen Kreisen aufgegriffen werden.




Antworten