https://www.spiegel.de/politik/deutschl ... 93740.html"Eine Gesellschaft ist, woran sie sich erinnert."
(Albert Wendt)
Woran erinnert sich eine Gesellschaft? Anders gefragt, was ist eine kollektive Erinnerung, was ist das kollektive Gedächtnis? Gibt es das?
Der französische Soziologe Maurice Halbwachs stellte 1925 folgende These auf:
Eine persönliche Erinnerung im strengen Sinn gebe es gar nicht. Das Umfeld beeinflusse alle Gedächtnisinhalte, und sie seien deshalb "sozial gerahmt". Der soziale Rahmen meint zum einem die Menschen in unserem Umfeld, die uns helfen, Gedächtnisinhalte abzurufen, und diese dabei gelegentlich mitgestalten. Zum anderen sind die es die Rahmenbedingungen der sozialen Umgebung. Letzteres soll uns Orientierung geben, um die vergangener Erfahrungen zu einer sinnvollen Geschichte zu verarbeiten. Das kollektive Gedächtnis ist ein Repertoire an Erzählungen über die Vergangenheit, das eine soziale Gruppe teilt, zum Beispiel eine Familie, eine Religionsgemeinschaft oder bestimmte Schichten. Diese gemeinsamen Erinnerungen einer sozialen Gruppe repräsentieren die Dinge, die für das gegenwärtige Selbstbild der sozialen Gruppe.
Es gibt zum Mauerfall unterschiedliche Erinnerungen unterschiedlicher sozialer Gruppen. Diejenigen, die noch Kinder waren. Aus Ost und West. Schon hier sind die Erinnerungen unterschiedlich. Diejenigen Erwachsenen aus dem Osten, die quasi von jetzt auf gleich in einem neuen System lebten und leben. Und in dieser Gruppe gibt auch wieder unterschiedliche soziale Gruppen. Diejenigen, die im Westen lebten. Usw.
Wie können aus den gemeinsamen Erinnerungen unterschiedlicher sozialer Gruppen eine gemeinsame Erinnerung aller entstehen? Das frage ich mich.
Eine Gesellschaft ist, woran sie sich erinnert.
Wie ist unsere Gesellschaft nach dem Mauerfall?