Warum zählen Deutsche verkehrt rum?

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Nauplios
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Mo 25. Jul 2022, 00:54

Der Kuß sei eine "entbrannte Zusammenstoßung der Lippen zweier Menschen" weiß das Curiöse Frauenzimmer-Lexicon von 1715 zu berichten. Das ist lange her. Zu meiner Zeit noch hielten manche Eltern ihre heranwachsenden Töchter mit der Warnung in Schach, Küssen könne zu ungewollten Schwangerschaften führen. Das Küssen in der Öffentlichkeit beargwöhnte man als Ausdruck von enthemmter Zügellosigkeit. Die kußbereite Frau konnte sich zudem nicht sicher sein, ob die "entbrannte Zusammenstossung" nicht unter Beteiligung eines Vampirs vonstatten ging und in der Folge gravierender noch als eine Schwangerschaft war. Meine Schwester sah darin nach einem Kinobesuch (Tanz der Vampire) eine realistische Option. Sie hat Glück gehabt.

Daß sich Männer in der Öffentlichkeit küssen, kenne ich bislang nur in Form des sozialistischen Bruderkusses. Nun leben wir im Münsterland allerdings auch hinter dem Mond. Hier küßt man sich größtenteils zuhause. Man würde allerdings auf mich auch keine "Rücksicht" nehmen. Das braucht man auch nicht - unabhängig um welche Geschlechterkombination es sich bei den Küssenden handelt.

"So ein Kuss kommt von allein
Nur verliebt brauch man zu sein."
(Comedian Harmonists. 1933)




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NaWennDuMeinst
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Mo 25. Jul 2022, 01:16

Nauplios hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 00:54
Daß sich Männer in der Öffentlichkeit küssen, kenne ich bislang nur in Form des sozialistischen Bruderkusses. Nun leben wir im Münsterland allerdings auch hinter dem Mond. Hier küßt man sich größtenteils zuhause.
Ich lebe ja nun in einer deutschen Weltmetropole. Wir haben hier wirklich alles. Aber selbst hier musst Du lange suchen wenn Du in der Öffentlichkeit zwei Männer oder zwei Frauen küssen sehen willst.
Es kommt vor. Es ist aber selten. Händchenhalten sieht man öfter. Küssen eher nicht. Also nicht homosexuelle Küsse. Heterosexuelle Küsse hingegen an jeder Ecke.
Und das ist eben auch das Problem. Was selten ist erregt Aufmerksamkeit oder sogar Anstoß. Es wirkt ungewöhnlich und Mancher verwechselt das mit "unnormal".



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Friederike
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Mo 25. Jul 2022, 10:31

Burkart hat geschrieben :
So 24. Jul 2022, 18:59
Ansonsten sollte sich aus meiner Sicht einfach jeder zurückhalten und nicht durch öffentliche Ärgernisse (Intimitäten u.ä.) seine Mitmenschen stören, insbesondere wenn es für andere noch weniger gefühlsmäßig nachvollziehbar ist. Unterstreichung v.F.]
Wenn zwei Männer sich lieben oder wenn zwei Frauen sich lieben, dann dürfen sie genau das tun, was alle Heteros öffentlich tun dürfen, ihre Liebe sichtbar machen. Punkt!




Körper
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Mo 25. Jul 2022, 12:44

Ich denke, das grundlegende Problem mit Homosexualität ist darin begründet, das der Begriff „Liebe“ nicht mit einer Funktionalität in Verbindung gebracht wird und so hat sich eine Tradition eingeschlichen, bei der man grobmotorisch (Pi-Mal-Daumen), aufgrund der Anzahl einzuschätzen versucht, was „richtig“ und was „falsch“ ist.

Das Problem liegt damit gar nicht bei Homosexualität sondern in der Ahnungslosigkeit darüber, wie ein Mensch/Tier funktioniert.

Durch diese Ahnungslosigkeit kommt die Thematik früher oder später bei der „Toleranzfrage“ an.

Aus meiner Sicht ist das unnötig, man muss den Begriff „Liebe“ nur aus dem nebulösen Dunstkreis herausholen.
Ein homosexuell eingestellter Mensch macht nichts falsch und eine besondere Betrachtung (z.B. für den öffentlichen Raum) ist nicht notwendig.

Wer Intimität im öffentlichen Raum ansprechen möchte, der könnte eine allgemeine Form (z.B. „zwei Menschen“ oder „das Paar“) wählen und schon ist alles mit dabei.




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Lucian Wing
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Mo 25. Jul 2022, 14:12

Friederike hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 10:31
Burkart hat geschrieben :
So 24. Jul 2022, 18:59
Ansonsten sollte sich aus meiner Sicht einfach jeder zurückhalten und nicht durch öffentliche Ärgernisse (Intimitäten u.ä.) seine Mitmenschen stören, insbesondere wenn es für andere noch weniger gefühlsmäßig nachvollziehbar ist. Unterstreichung v.F.]
Wenn zwei Männer sich lieben oder wenn zwei Frauen sich lieben, dann dürfen sie genau das tun, was alle Heteros öffentlich tun dürfen, ihre Liebe sichtbar machen. Punkt!
Das sehe ich auch so.
Und genau deshalb darf man auch entrüstet sein.
Aber ich vermute mal, eine „Diskussion“ würde bei gleicher Art der Sichtbarmachung jeweils ganz anders verlaufen, wenn jemand seine Entrüstung in allen drei Fällen exakt gleich ausdrückt.
Jeder darf seinen Körper im Freibad zeigen. Doch gibt es welche, auf die man starrt, die einem besonders auffallen. Sie fallen eben aus dem Gewohnten, das man nicht eigens mehr wahrnimmt.



Als ich vierzehn war, war mein Vater so unwissend. Ich konnte den alten Mann kaum in meiner Nähe ertragen. Aber mit einundzwanzig war ich verblüfft, wieviel er in sieben Jahren dazu gelernt hatte. (Mark Twain)

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Lucian Wing
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Mo 25. Jul 2022, 14:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 24. Jul 2022, 20:02
Daraus dass die Regeln so sind, wie sie sind, folgt nicht, dass sie so, wie sie sind, richtig sind und so bleiben sollten. Alle Argumente, die sich allein auf die Regeln der Sprache beziehen, sind damit fehlschlüssig.
Da könntest du auch mal umgekehrt nachdenken. Alle Argumente, die sich allein auf die Tatsache der Veränderung der Sprache beziehen und daraus ableiten, Regeln dürften willkürlich von oben herab verändert werden, sind damit fehlschlüssig.

Ich würde das verordnete Gendern in der gleichen Kategorie ansiedeln, als würde man vorschreiben wollen, wie jemand zu grüßen habe.

Kleiner Einlass aus der ZEIT:[
Frauen sollten sichtbar sein, das ist die Forderung, mit der das Gendern begründet wird.

Paradoxerweise stimmt es aber gar nicht, dass Frauen im generischen Maskulinum unsichtbar sind. Denn unsichtbar sind im generischen Maskulinum die Männer. Es gibt ja für sie keine eigene grammatische Form. Wenn man bei den Touristen allein von den Männern sprechen möchte, kann man sagen: die männlichen Touristen. Will man gleichzeitig von den deutschen Touristen reden, wird es ungelenk mit den deutschen männlichen Touristen, bei den Frauen aber ist das sehr einfach, denn das sind die deutschen Touristinnen.

Den Vorteil, allein oder mit allen genannt werden zu können, verlieren die Frauen mit der Kündigung der generischen Form. Denn nun kann eine nicht mehr die Beste unter den Doktoranden sein, sondern nur noch die Beste unter den Doktorandinnen. Wird nun eine Physikerin oder Theologin als Professorin des Jahres ausgezeichnet, folgt ein Lächeln und bisweilen eine Ablehnung mit dem Hinweis, es gebe ja nur zwei oder drei. Beeilt man sich zu versichern, sie habe sich auch gegen Männer durchgesetzt, so sei das gemeint gewesen, sie sei die Beste unter Professorinnen und Professoren, dann verletzt man die neue Grammatik. Man müsste mindestens sagen, sie sei die Beste aus der Gruppe aller Professorinnen und Professoren. Dann ist aber wieder das passiert, was man schon kennt: Die Kaperung des Satzes durch ein anderes Thema, Whataboutism, im Netz heißt es auch Thread-Hijacking. Inhaltlich ist es eine Sexualisierung. Gar keine Kleinigkeit.

Wenn jemand von den Eisläuferinnen und Eisläufern auf dem Wannsee spricht, denkt man nicht mehr an das Eislaufen, sondern an die Probleme zwischen Frauen und Männern. Dabei passiert aber noch etwas Schlimmeres: Die Eisläufer und Eisläuferinnen erinnern niemanden mehr an die Kindheit, in der das Eislaufen etwas so Berührendes war, das erste Gleiten auf der zerbrechlichen Fläche, denn die Kinder sind in dem Bild nicht mehr enthalten. Gendern ist ein bisschen wie Loriot im Wohnzimmer, der ein nur ganz leicht schief hängendes Bild gerade rücken will und Minuten später alles ramponiert hat. Sollten wir das Gendern also lieber lassen?
https://www.zeit.de/2022/09/gendern-spr ... ogle.de%2F



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Friederike
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Mo 25. Jul 2022, 14:39

Körper hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 12:44
Aus meiner Sicht ist das unnötig, man muss den Begriff „Liebe“ nur aus dem nebulösen Dunstkreis herausholen. Ein homosexuell eingestellter Mensch macht nichts falsch und eine besondere Betrachtung (z.B. für den öffentlichen Raum) ist nicht notwendig.
Ein "heterosexuell eingestellter" Mensch macht auch nichts falsch.




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Friederike
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Mo 25. Jul 2022, 14:55

Es ist mir so wichtig, daß ich es noch dranhänge. Es geht nicht um sexuelle Neigungen, sondern um Liebesneigungen, die Erotik/Sexualität beinhalten. Das gilt für alle Menschen, d.h. für jede "Geschlechterkombination" (Nauplia/Nauplios).




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Jörn Budesheim
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Mo 25. Jul 2022, 15:29

Hier mal ein wenig Unterhaltung





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Nauplios
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Körper hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 12:44

Das Problem liegt damit gar nicht bei Homosexualität sondern in der Ahnungslosigkeit darüber, wie ein Mensch/Tier funktioniert.

Durch diese Ahnungslosigkeit kommt die Thematik früher oder später bei der „Toleranzfrage“ an.

Aus meiner Sicht ist das unnötig, man muss den Begriff „Liebe“ nur aus dem nebulösen Dunstkreis herausholen.
Ein homosexuell eingestellter Mensch macht nichts falsch und eine besondere Betrachtung (z.B. für den öffentlichen Raum) ist nicht notwendig.
Als Bewunderer nebulöser Dunstkreise fühle ich mich hier angesprochen. ;)

"Wie ein Mensch/Tier funktioniert" - wie weit ist die Sichtweite in diesem vermeintlich nebelfreien Feld? Wird der Blick auf das "Funktionieren" nicht seinerseits erst möglich durch das, was er abzuwickeln empfiehlt: Kultur?

Wenn man die "Liebe" aus dem "nebulösen Dunstkreis" herausholt, wird sie zu einem rein körperlichen Vorgang, dessen funktionale Ausübung im öffentlichen Raum keinen Einschränkungen durch Toleranz mehr unterliegt. Umfaßt diese Toleranz die Aufklärung sämtlicher körperlichen Vorgänge, die sich einer Funktion rühmen können? Ich denke da an gewisse "nebulöse Dunstkreise", welche die Ahnungslosigkeit zur Zeit noch der "besonderen Betrachtung" entzieht.




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Jörn Budesheim
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Mo 25. Jul 2022, 16:22

Nach meiner Ansicht ist Gendern nichts, was von oben kommt, sondern eine Art Graswurzelbewegung, es kommt von unten, nämlich von betroffenen Frauen, die ihrerzeit noch die Schrägstrich Schreibweise vorschlugen. Und zwar nicht aus purer Willkür, sondern begründet.

Nach wie vor ist die Ablehnung in Deutschland groß. Soweit ich weiß, gendern ca zwei Drittel nicht. (Zuspruch bekommt es hingegen von der jüngeren Generation und Menschen mit höherer Schulbildung.) Und obwohl anscheinend die Meisten nicht gendern, scheint sich die Mehrheit von der Minderheit drangsaliert zu fühlen. Ein erstaunliches Phänomen.




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NaWennDuMeinst
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Mo 25. Jul 2022, 16:56

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 16:22
Nach wie vor ist die Ablehnung in Deutschland groß. Soweit ich weiß, gendern ca zwei Drittel nicht. (Zuspruch bekommt es hingegen von der jüngeren Generation und Menschen mit höherer Schulbildung.) Und obwohl anscheinend die Meisten nicht gendern, scheint sich die Mehrheit von der Minderheit drangsaliert zu fühlen. Ein erstaunliches Phänomen.
Dieses Phänomen verstehst Du deshalb nicht, weil Dich keiner dazu zwingt. Es gibt aber genug Orte wo man dazu genötigt wird, z.B. am Arbeitsplatz, weil der Chef, bzw die Chefin FanIn :-) der Bewegung ist.
Von oben meint nicht nur "aus der Politik" oder "vom Gesetzgeber". Oben kann auch der Chef sitzen der es "nach unten" diktiert.
Aber soweit ich weiß gibt es inzwischen auch Regelungen die Behörden und bestimmten Institutionen vorschreiben zu gendern. Ob die das wollen hat die keiner gefragt.
Diejenigen die das vorschreiben müssen es ja auch nicht machen. Mit dem Unsinn herumschlagen müssen sich "die unten" (die sind nämlich die Schreibersklaven, Chefs schreiben ja ab einer bestimmten Gehaltsklasse nur noch selten selber).

Übrigens: Es gibt natürlich auch jede Menge Kritik an der Verschandelung der deutschen Sprache auch und gerade aus Kreisen mit höherer Schulbildung. Man stelle sich mal vor ein Literaturkritiker müsste einen neuen Roman komplett gegendert "geniessen". Oder auch Journalisten, die in der Regel gut gebildet sind und deren tägliche Arbeit der Text ist. Auch aus diesem Bereich kommt viel Kritik, vor allem aus praktischen Gründen die die tägliche Arbeit betreffen. Oder auch die/der eine oder andere DeutschlehrerIn (guckt dir das an, das ist doch einfach nur krank) wird sich wohl fragen wieso man eigentlich, um Frauen zu ihren Rechten zu verhelfen, sowas anstellen muss.

Wenn es wirklich so ist, dass zwei Drittel nicht gendern, dann zeigt das für mich nur einmal mehr, dass das nicht wirklich gewollt ist, bzw nur von einer Minderheit die meint sie könne das über die Mehrheit der Menschen hinweg entscheiden und verordnen. Das können die im Beamtendeutsch und auf Behörden auch noch erzwingen.... aber ich schwöre dir, auf der Straße wird sich dieser Schwachfug nicht durchsetzen. Da gebe ich dir Brief und Siegel drauf! Allein schon deshalb nicht, weil auch viele Frauen sich fragen was ihnen das eigentlich bringen soll. Dadurch verdienen sie nicht genauso viel wie ihre männlichen Kollegen und sie haben deshalb auch Abends auf der Straße allein nicht weniger Angst.
Zuletzt geändert von NaWennDuMeinst am Mo 25. Jul 2022, 17:10, insgesamt 1-mal geändert.



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Jörn Budesheim
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NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 16:56
Dieses Phänomen verstehst Du deshalb nicht, weil Dich keiner dazu zwingt.
Na doch, mich zwingt der "zwanglose Zwang des besseren Argumentes" :)




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NaWennDuMeinst
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Mo 25. Jul 2022, 17:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 17:06
NaWennDuMeinst hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 16:56
Dieses Phänomen verstehst Du deshalb nicht, weil Dich keiner dazu zwingt.
Na doch, mich zwingt der "zwanglose Zwang des besseren Argumentes" :)
Tja, mich zwingen die Argumente nicht (ich halte sie durch die Bank für schlecht, bzw die prophezeite Wirkung für Frauen sehe ich nicht), mich zwingen Menschen dazu die das eben auf der Machtebene durchsetzen.



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Lucian Wing
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Mo 25. Jul 2022, 17:12

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 16:22
Nach meiner Ansicht ist Gendern nichts, was von oben kommt, sondern eine Art Graswurzelbewegung, es kommt von unten, nämlich von betroffenen Frauen, die ihrerzeit noch die Schrägstrich Schreibweise vorschlugen. Und zwar nicht aus purer Willkür, sondern begründet.

Nach wie vor ist die Ablehnung in Deutschland groß. Soweit ich weiß, gendern ca zwei Drittel nicht. (Zuspruch bekommt es hingegen von der jüngeren Generation und Menschen mit höherer Schulbildung.) Und obwohl anscheinend die Meisten nicht gendern, scheint sich die Mehrheit von der Minderheit drangsaliert zu fühlen. Ein erstaunliches Phänomen.
Schöner Beitrag mit dem nächsten buzzword, der (besseren) Bildung derjenigen, die, um im Loriotmodus des schief hängenden Bildes zu bleiben, die Genderrhoe haben.

Da gab es mal ein Sprichwort. Das von der Einbildung, die auch Bildung sei.

So, aber ich sag lieber tschüss hier. Das bringt nichts.

Ich werd mal schauen, ob es nicht ein richtiges Satireforum gibt.



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Nauplios
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Mo 25. Jul 2022, 17:14

Stefanie hat geschrieben :
So 24. Jul 2022, 15:58

Gewöhnt Euch daran.
Sofern der Gewöhnungsprozess das Vertrautwerden mit dem Gendern im öffentlichen Raum meint, ist dieser Prozess bei mir bereits in Gang gesetzt. Sofern man bei der Beschäftigung mit Philosophie überhaupt von einem Nutzen sprechen will, liegt ein solcher - nach der Selbstauskunft der Philosophie - auch darin, auf Distanz zu den Zeitläuften zu gehen, ihnen mit milder Ironie zu begegnen, ohne sich dem Rad der Zeit aufopfernd in den Weg zu stellen.

Sofern der Gewöhnungsprozess die unter Anleitung betriebene Einübung des Genderns in den eigenen Sprachgebrauch meint, sind die Aussichten dafür nur mäßig. Bei Kulturkämpfen in der Etappe zu sein, erhöht die Überlebenschancen. ;)




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Lucian Wing
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Mo 25. Jul 2022, 18:13

Dem Prinzip nach funktionieren doch alle Themen inzwischen gleich. Sobald sie auch nur im Entferntesten in den Dunstkreis irgendeiner politischen Verwurstbarkeit geraten, gilt nicht mehr das Argument, sondern es geht darum, dass einer, der etwas sagt, zu den Guten gehört. Das hat der Kollege hier im Strang über die Moral und die Einmischung in die moralische Lebensführung auch gut auf den Punkt gebracht, nämlich den des Menschenfeindes. Das ist immer der, der nicht zu den Guten gehört.

Die milde Ironie wäre tatsächlich ein Ausweg, allein, sie kann sich mir nicht. Dieser Zugehörigkeitszwang, der von allen Argumenten entbindet, sirrt einem wie ein Tinnitus im Ohr durchs Gehirn. Gegen dieses freiheitszersetzende Gutsein hilft tatsächlich nur konsequente Misanthropie. Es lindert das Sirren und hält den Verstand wach. Eine Lösung ist diese von Judith Shklar unter den ganz normalen Lastern geführte Haltung nicht, aber sie weist auf die Bedeutung der Gedankenwelt der Misanthropie hin. Und ganz wichtig, es fühlt sich gut an. Und was sich gut anfühlt, kann ja in Zeiten des emotionslegitimierten Hyperindividualismus nicht falsch sein. Der Nachteil ist, man fühlt sich dann aber auch manchmal wie Gracchus Überdrus. Also schlapp, schlapp, schlapp.



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Jörn Budesheim
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Mo 25. Jul 2022, 18:23

Nauplios hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 17:14
Ironie
Dabei fällt mir (fast hätte ich geschrieben "natürlich") Richard Rorty ein. Er hat nicht nur die "Ironikerin" in die Welt gesetzt, sondern auch, (wenn ich mich nicht total täusche) ein komplettes Buch im generischen Femininum geschrieben. Meines Erachtens ist das der Weg. Nicht das generische Femininum, sondern: einfach verschiedenes ausprobieren, verschiedene Vorschläge durchspielen. Dabei wird manches durchfallen, anderes wird sich bewähren, so dass man zu einer (vorläufigen) Form finden wird, die den Muff von 1000 Jahren hinter sich lässt.




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Mo 25. Jul 2022, 18:39

Nauplios hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 15:51
Als Bewunderer nebulöser Dunstkreise fühle ich mich hier angesprochen. ;)
"Hoppla, hat mein Torpedo dein Denken unter der Wasserlinie erwischt oder warum sind nur noch Luftbläschen von dem Schiffchen übrig?" :-)

Nein, ernsthaft:
Nauplios hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 15:51
Wird der Blick auf das "Funktionieren" nicht seinerseits erst möglich durch das, was er abzuwickeln empfiehlt: Kultur?
Nein, überhaupt nicht.
Kultur ist eher etwas, das sich in diesem Bereich anpassen wird/muss.

Wenn wir mal in der Antike anfangen, dann gab es dort eine kulturelle Verankerung von gleichgeschlechtlichen Vorgängen als eine Art Dominanzkonstrukt -> reinste Kultur.
Im entstehenden Christentum wurden solche Vorgänge abgelehnt und kulturell wurde diese Ablehnung in späterer Zeit immer mehr in Richtung Homosexualität angewandt.
Diese "Umgestaltung" ist natürlich Unsinn, aber kulturell war es halt möglich, alles in einen Topf zu werfen.

Genauso ist es kulturell zu so Slogans gekommen, wie "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst".
Das hört sich hübsch an, dumm ist aber halt, dass Liebe nicht so funktioniert, dass man sich selbst lieben kann.
(ein Bücher-schreibender Schöpfer, der nicht weiss, wie ein Mensch funktioniert, ist nicht unbedingt das Optimum - zumindest nicht in der positiven Richtung)

Aus meiner Sicht wird Kultur nach dem Aufdecken der Hintergründe hinterherdackeln.
Nauplios hat geschrieben :
Mo 25. Jul 2022, 15:51
Wenn man die "Liebe" aus dem "nebulösen Dunstkreis" herausholt, wird sie zu einem rein körperlichen Vorgang, dessen funktionale Ausübung im öffentlichen Raum keinen Einschränkungen durch Toleranz mehr unterliegt.
Ich glaube nicht, dass du mit "körperlicher Vorgang" aus dem Dunstkreis herausgetreten bist, denn du denkst bestimmt an einen motorisch körperlichen Vorgang.
Versuch mal bei Wahrnehmung und biochemisch körperlichen Vorgängen und den Vorgängen/Umständen im Nervensystem zu bleiben. Pack mal den Begriff "Liebe" dort hinein.

Insgesamt geht es mir nicht um die Funktion der Liebe (vergiss Zweck des Sexualaktes usw.), sondern darum, wie der Mensch funktioniert, so dass es zu Liebeskonstellationen kommt -> Frage "Was ist Liebe?".
Stell es dir so vor:
ich habe für mich die Frage nach der funktionalen Basis für das Zustandekommen von Liebe beantwortet (-> sprich: Antwort auf "was ist Liebe?") und durch die Antwort ist mir aufgefallen, dass es auch möglich sein müsste, dass ein Mensch eine echte Liebesbeziehung zu einem Objekt führt.
Auch hier ist dann "Liebesbeziehung" nicht gleichzusetzen mit "Sexualakt".
Nach einer kurzen Recherche habe ich tatsächlich hierfür Angaben gefunden -> es kommt zu solchen Konstellationen und diese Menschen sind nicht irgendwie angeschlagen, sie sind nicht krank.
Kulturell möchte man sie vermutlich als "angeschlagen" definieren - aber wenn dem so ist, dann ist das für mich auch wieder ein Fall für den Wechsel zur Toleranzfrage, der eigentlich gar nicht stattfinden darf.

Schau dir mal deinen Beitrag selbstkritisch an.
Hast du darin ganz locker und leicht beschrieben, was Liebe ist und etwas meiner Aussage (die du nicht akzeptieren möchtest) entgegengestellt?
=> Nö.
Den Grund hierfür verorte ich darin, dass du es nicht kannst.

Wenn du nun Homosexualität akzeptierst, was ja bereits sehr positiv zu sehen ist, dann läuft das über die Toleranzfrage ab.
Das ist aber eine sehr fragile Lage, denn wenn du dich anders entscheidest, "ja dann ist es halt anders".
Wie sieht es aus, mit dem Fallen eines Steines von oben nach unten?
=> Ganz sicher ist das keine Toleranzfrage, sondern du musst die beteiligte Funktionalität als Realität verwenden.
Genau wie mit dem Fallen eines Steines, verhält es sich mit der Liebesorientierung eines Menschen - dahinter steckt eine funktionale Grundlage, so dass sich die jeweilige Liebesorientierung ergibt.

Der Unterschied zum Fallen eines Steines liegt darin, dass sich die funktionale Grundlage zur Liebesorientierung in einem Menschen verändern kann.
Diese Veränderung kann jedoch im Gegensatz zu der kulturell gerne verankerten Behauptung "Heilung von Homosexualität" nicht herbeigeführt werden - auch nicht durch den Menschen selbst.
(es gibt keinen Einblick in die Details und die Aufgabe wäre viel zu komplex)




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Stefanie
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Mo 25. Jul 2022, 19:05

Ein Beispiel, welches ich wohl schon mal erzählt habe. Vor Jahren habe ich die Arbeitsverträge umgestellt, von der reinen männlichen Schreibweise in die rein weibliche Schreibweise. Ich wollte den Spieß mal umdrehen. Es riefen dann die Männer an, sie fühlten sich nicht angesprochen, unmöglich, will ich nicht usw. Ach sieh mal einer guck. Aber wehe Frauen wenden sich dagegen, als Arbeitnehmer betitelt zu werden. Eine Betriebsvereinbarung habe ich auch in der weiblichen Form geschrieben mit dem berühmten, berüchtigten Satz, das andere Geschlecht wird auch angesprochen. Identische Proteste.
Vieles ist so einfach, wie ich oben schon erwähnt habe. Nein, dann zieht man lieber vor den BGH, anstatt mittels PC Formulare für zwei, bzw. jetzt drei Geschlechter einzuführen.
Manche Schreibweisen mag ich auch nicht, vieles passt nicht, schließt wieder jemanden aus usw. Manche sind beim Sprechen nicht sprechbar.
Sprache ist nicht statisch und in Beton gegossen, sie ist dynamisch, und allein schon die vielen regionalen Unterschiede, die es gibt. Die deutsche Sprache ist komplex, aber auch vielfältig. Ansonsten in sehr vielen Sachen kreativ, scheint hier die Kreativität ausgeschaltet zu sein.
Verwendet noch jemand das Wort Fräulein?
Backfisch für Teenies?



Das Land, das die Fremden nicht beschützt, geht bald unter.
Goethe

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