AufDerSonne hat geschrieben : ↑ Di 27. Sep 2022, 16:12
Nur noch eines. Also denken können wir ja schon. Jeder Mensch hat Gedanken. Auch ein Bewusstsein. Wie sagst du denn diesen Dingen?
Bei solchen Formulierungen muss man vorsichtig sein, denn gerade in der Philosophie stellt man sich gerne bereits beim Einstieg ein Bein und danach kann man das nicht mehr ausgleichen.
"Ich habe Gedanken" steht für meine Fähigkeit, eine planende Reaktion zu durchlaufen.
"Ich habe ein Bewusstsein" steht für meine Fähigkeit, die Zusammenhänge meiner Reaktionen aufzubauen - also nicht nur, dass ich auf etwas reagiere, sondern dass ich auch auf meine Reaktion reagiere.
Du merkst vermutlich schon wohin der Hase läuft: ich lasse es nicht zu, mit einer Formulierung zu starten, die rund um meine Fähigkeiten einen separaten Objektcharakter suggeriert.
Beim Übergang zu "jeder Mensch hat Gedanken" (und analog auch "jeder Mensch hat ein Bewusstsein") ergibt sich das Problem, dass ich die planende Fähigkeit eines anderen Menschen nur indirekt über ein, zu mir ähnliches Verhalten deuten kann.
Für eine Analyse hat das natürlich Konsequenzen, denn meine Ansichten über mich selbst, mögen zwar ähnlich sein, wie die anderer Menschen (jeweils über sich), aber man kann nicht vertreten, dass deshalb etwas Einheitliches in der Welt vorhanden ist.
In der Folge sage ich zu "Gedanken existieren" und "Bewusstsein existiert":
-> Nein, so verallgemeinert kann man das nicht vertreten. Ich werde garantiert nicht über den Gedanken eines anderen Menschen "stolpern".
Die Frage beschränkt sich demnach auf "wie komme ich, als Körper, als Zell-Organismus, zu meiner Vorstellungswelt?"
Auch hier gilt wieder Vorsicht, denn es geht nicht um eine Vorstellungswelt, der ich gegenüberstehe, sondern die Frage ist, wie kommt es zu meinen Reaktionen, zu meinen Überzeugungen?
Ich musste nie herausbekommen, dass es eine "Vorstellungswelt" ist, ich musste nie Lernen, was "Farben" sind oder wie man Hören nicht mit Sehen verwechselt.
=> Es wäre also falsch, sich als Akteur in Bezug auf eine Vorstellungswelt zu sehen - ich handle nicht in meiner Vorstellungswelt, sondern meine Vorstellungswelt ist das Verstehen meiner Handlungen.
Ich bin letztlich "nur" überzeugt, eine Vorstellungswelt zu haben.
"Überzeugung" ist ein derart mächtiger Umstand, dass ich regelrecht ausgeliefert bin.
Man sieht das sehr schön an den
"schrägen Linien".
Meine Reaktion rastet hier ein und ich habe keine Möglichkeit für einen Ausweg, obwohl ich die Korrektur meiner Überzeugung anstrebe (die Linien sind ja nicht schräg).
Mit "Einrasten" ist das Erreichen der Überzeugung gemeint, aber auch das Fortsetzen von Anschlussreaktionen, die dem "eingerasteten Umstand" nicht widersprechen können (sonst wäre es keine Überzeugung).
In Bezug auf "meine Vorstellungswelt" bedeutet dies, dass es ausreicht, dass ich (also meine Reaktion als Körper) auf die entsprechende Überzeugung einraste.
Muss da eine Vorstellungswelt vorhanden sein?
-> Nein, aus den "schrägen Linien" kann man entnehmen, dass es zwar zu einem Anlass kommen muss, aber es muss keine 1:1 Entsprechung vorliegen.
Ich bin also letztlich kein Beweis-Werkzeug dafür, dass ich eine Vorstellungswelt aufbaue.
(wie oben gesagt: für die Vorstellungswelt von anderen Menschen bin ich sowieso kein Beweis-Werkzeug)
Wie du siehst, strebe ich keinerlei "Mental-Ontologie" an.
In der Philosophie kommt es vermutlich auf Basis von Tradition (allein schon durch den Begriff "Geisteswissenschaft") zu einem ganz anderen Abbiegen.
Mir fällt auf, dass man sich dort nicht wirklich mit dem Zustandekommen des Menschen und seiner Fähigkeiten beschäftigt, sondern mit dem Behaupten einer Welt, die all das enthalten soll, was der Mensch von sich zu wissen glaubt.
Das Denken soll hier die (alleinige) Richtschnur sein.
(Das zieht natürlich ein Echo in ganz andere Fragestellung hinein, weshalb man letztlich immer wieder auf die Frage "Was ist der Mensch?" bzw. "Wie funktioniert der Mensch?" zurückkommt.)
Mein Ansatz gewährt dem Denken nicht diesen Stellenrang.
Der Körper ist ein Zell-Organismus und mit den normalen Zellfunktionen (einschliesslich Spezialisierung der Nervenzellen) muss man ohne Zauberei auskommen, um den Menschen zu erklären.
Die Strategie ist hier, das Zustandekommen des Denkens zu erklären (zumindest prinzipiell) und für all die "Mental-Eindrücke" aufzudecken, um was es wirklich geht, ohne dass die Eindrücke als falsch/illusorisch dastehen müssen.