Zwischen Wissenschaft und Literatur oder Was ist Philosophie?

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
Nauplios
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"Diskreditiert" meint: die Kunst ist ein nettes Ornament, wohl auch Anlageobjekt, aber zum Verständnis des Menschen und seiner Welthabe trägt sie nichts bei, weil sie nicht mit Eindeutigkeit, mit klaren Begriffen usw. arbeitet. Sie kann vielleicht Stimmungen erzeugen, die Zeit vertreiben, drückt irgendetwas aus, was sie selbst nicht auf den Begriff zu bringen vermag.




Nauplios
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Über den Gedanken eines anderen stolpern - das ist eine recht gute Umschreibung für das philosophische Denken. (Begriffsstutzigkeit hatte das Jörn ja genannt.)

"Bei Heidegger ist ... der Sturz des Philosophen das Kriterium dafür geworden, daß er sich auf dem richtigen Weg befindet." (Hans Blumenberg; Das Lachen der Thrakerin - S. 149) ;)




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Jörn Budesheim
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Do 29. Sep 2022, 20:20

Nauplios hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 19:45
Begriffsstutzigkeit
Leider ist es nicht von mir, ich weiß allerdings nicht mehr, wer es sich ausgedacht hat, aber schön ist es.




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AufDerSonne
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Do 29. Sep 2022, 20:23

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 20:20
Nauplios hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 19:45
Begriffsstutzigkeit
Leider ist es nicht von mir, ich weiß allerdings nicht mehr, wer es sich ausgedacht hat, aber schön ist es.
Woher hatte dann mein Vater das Wort, als ich ein Kind war?
Er hatte manchmal gemeint, ich sei begriffsstutzig. :)



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Körper
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Do 29. Sep 2022, 22:28

Nauplios hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 19:26
"Anfragen an das Subjekt" - damit kommt ein Player ins Spiel, der es etwas komplizierter macht. Das Subjekt ist in erkenntnistheoretischer Hinsicht sowohl reflektierter Gegenstand als auch reflektierender Gegenstand. "Subjekt" heißt Teilnehmerperspektive, weil es das Objekt in der Perspektive der Subjektivität hat. Subjekt und Objekt stehen sich in erkenntnistheoretischer Hinsicht gegenüber und man hat dann oft eine transzendental-logische Struktur, weil das Subjekt sich selbst zum Objekt machen kann. Es nimmt an beiden Seiten der Erkenntniskonstellation teil. Diese Teilnehmerperspektive läßt das Subjekt auf beiden Seiten vorkommen. Auch das Subjekt hat einen Gegenstand. Die Perspektive hat sich natürlich geändert (gegenüber der Perspektive der dritten Person in der Gehirnforschung), aber eine Per-spektive ist es immer noch, d.h. eine Sicht auf einen Gegenstand.
In der Philosophie ist das ein gehöriges Problem: Subjekt-Objekt-Spaltung

Warum ist das ein Problem?
-> natürlich, weil wieder unsinnig mit Existenzen herumgeworfen wird.

Philosophen stellen sich ernsthaft die Frage "wie kann 'das Ich' zu einem Objekt werden, auf das 'das Ich' gerichtet ist und wie kann es 'danach' wieder zurückwechseln?"

Das ist anscheinend so dramatisch, dass im obigen Wiki-Artikel lediglich von "Überwindungsversuchen" die Rede ist.

"Versuche" deshalb, weil mit sonderbaren Existenz-Ideen hantiert wird.
Das ist anscheinend derart zentral für Philosophie, dass man in die Antwort auf die Frage "Was ist Philosophie?" unbedingt "das Gefangen-Sein in sonderbaren Existenz-Ideen" einfliessen lassen muss.

Aus meiner Sicht sind wir hier genau an dem Punkt im Universum, der am weitesten von Wissenschaft entfernt ist.




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AufDerSonne
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Do 29. Sep 2022, 23:03

Körper hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 22:28

In der Philosophie ist das ein gehöriges Problem: Subjekt-Objekt-Spaltung
Ich weiß weder was Subjekt noch was Objekt bedeutet. Bin ich jetzt dumm?



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Timberlake
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Do 29. Sep 2022, 23:47

Körper hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 18:40
Timberlake hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 00:48
In dem Gottlob Freges sein "drittes Reich" an solchen zeitlos wahren Gedanken , wie den pythagoreischen Lehrsatz festmacht , würde ich dieses Dritte Reich klar bei dem verorten , was man als ... Wissenschaft! .. bezeichnet .
Willst du ernsthaft für Freges "drittes Reich" den Wissenschaftsstatus ausrufen, weil er irgendwo in seinem Text "den Lehrsatz des Pythagoras" erwähnt, wobei aus seinem Text noch nicht einmal hervorgeht, ob er den Lehrsatz korrekt einsetzen könnte?
Nur nochmal zur Erinnerung , was Fregge "ausgerufen" hat .. .
  • Ein drittes Reich (im Sinne der Drei-Welten-Lehre) muß anerkannt werden. Was zu diesem gehört, stimmt mit den Vorstellungen darin überein, daß es nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden kann, mit den Dingen aber darin, daß es keines Trägers bedarf, zu dessen Bewußtseinsinhalte es gehört. So ist z. B. der Gedanke, den wir im pythagoreischen Lehrsatz aussprachen, zeitlos wahr, unabhängig davon, ob irgendjemand ihn für wahr hält. Er bedarf keines Trägers. Er ist wahr nicht erst, seitdem er entdeckt worden ist, wie ein Planet, schon bevor jemand ihn gesehen hat, mit andern Planeten in Wechselwirkung gewesen ist.
    Gottlob Frege: Der Gedanke. Eine logische Untersuchung, in: Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus
Wie hier unschwer zu erkennen ist , ist bezüglich dem erwähnten pythagoreischen Lehrsatz von einem Beispiel die Rede und zwar ein Beispiel dafür , dass es Gedanken gibt , die .. ich zitiere .. zeitlos wahr sind , unabhängig davon, ob irgendjemand sie für wahr hält. Gottlob Frege thematisiert mit seinem "drittem Reich" also etwas , was als Wissenschaftstheorie ein Teilgebiet der Philosophie darstellt ...
  • Wissenschaftstheorie
    Die Wissenschaftstheorie (auch Wissenschaftsphilosophie, Wissenschaftslehre oder Wissenschaftslogik) ist ein Teilgebiet der Philosophie, das sich mit den Voraussetzungen, Methoden und Zielen von Wissenschaft und ihrer Form der Erkenntnisgewinnung beschäftigt. Begrifflich wird zwischen der Erkenntnisfähigkeit, dem Erkennen und den Erkenntnissen (den Resultaten des Erkennens) unterschieden, wobei beim allgemeinen Begriff der Erkenntnis anhand des Kontextes entschieden werden muss, was gemeint ist.
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 14:37
Ich bin ein Freund von Beispielen. Nehmen wir
  1. "die" Poesie,
  2. "die" Philosophie,
  3. "die" Hirnforschung.
Geht es (der ganz groben Richtung nach) nicht bei allen drei Bereichen um den Menschen?
Als ein "Freund von Beispielen" so gibt es sicherlich auch Gedanken , zur Hirnforschung. die zeitlos wahr sind , unabhängig davon, ob irgendjemand sie für wahr hält.

Beispiel ..

  • "Eigentlich müsste der Titel Fühlen, Denken, Fühlen, Handeln heißen. Das Gefühl, das limbische System, hat nämlich das erste und das letzte Wort. Das Gefühl erzeugt in uns Wünsche, Pläne und Absichten und stößt damit unser bewusstes Denken an. Und zwar wird unser Denken, unser Verstand, unsere Vernunft immer dann eingesetzt, wenn Gefühle keine fertigen Rezepte haben, wenn etwas so komplex ist, dass die Gefühle damit nicht fertig werden. Denn Gefühle sind ja einfach strukturiert. Sie können nicht gut viele Details erkennen, können große Datenmengen nicht schnell miteinander verbinden. Wenn man also sehr komplexe Abwägungen vornehmen muss, dann kann man das nicht gefühlsmäßig tun, dann wird der Verstand eingesetzt. Deshalb haben wir so eine große Großhirnrinde. Das ist ein ungeheuer großer, assoziativer Speicher, der viele Datenmengen aus verschiedenen Sinnesmodalitäten schnell verknüpfen kann. All das kann das limbische System überhaupt nicht. Aber irgendwann muss es dann zum Handeln kommen. Wissen allein ist nutzlos. ... Und was dann aufgrund dieses Wissens getan wird, entscheidet wiederum das limbische System".
    Gerhard Roth ... „Fühlen, Denken, Handeln“.

.. so ist es offenbar wahr , dass das limbische System und damit das Gefühl, das erste und das letzte Wort hat und das nicht erst , seitdem dieses limbische System entdeckt worden ist.
  • Der Verstand mischte sich indessen auch in die Sache, alles sollte auf klare Begriffe gebracht und in logischer Form dargelegt werden, damit jedes Vorurteil beseitigt und aller Aberglaube zerstört werde. ...Man behauptete, die Bahn sei gebrochen, da doch in allen irdischen Dingen selten von Bahn die Rede sein kann: denn wie das Wasser, das durch ein Schiff verdrängt wird, gleich hinter ihm wieder zusammenstürzt, so schließt sich auch der Irrtum, wenn vorzügliche Geister ihn beiseitegedrängt und sich Platz gemacht haben, hinter ihnen sehr geschwind wieder naturgemäß zusammen.
    Goethe .. Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit
Um darauf mit den Worten Goethes bzw. .. aufgemerkt Nauplios! . mit einer Metapher zu antworten, nun könnte man behaupten, die Bahn sei nun bezüglich der Hirnforschung gebrochen. Doch weit gefehlt , so wie das Wasser, das durch ein Schiff verdrängt wird, gleich hinter ihm wieder zusammenstürzt, so schließt sich auch der Irrtum , dass der Verstand , das Großhirn das erste und das letzte Wort hat , um das , was von solchen vorzügliche Geistern , wie Gerhard Roth beiseite gedrängt wurde. Auf dieses Zitat von Goethe , wurde ich übrigens seiner Zeit von Schopenhauers "Kritik der Kantischen Philosophie" aufmerksam gemacht. Das mal nur so nebenbei oder auch nicht. ..
Nauplios hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 19:45
Über den Gedanken eines anderen stolpern - das ist eine recht gute Umschreibung für das philosophische Denken. (Begriffsstutzigkeit hatte das Jörn ja genannt.)

"Bei Heidegger ist ... der Sturz des Philosophen das Kriterium dafür geworden, daß er sich auf dem richtigen Weg befindet." (Hans Blumenberg; Das Lachen der Thrakerin - S. 149) ;)
... wenn man denn die Gedanken von Gerhard Roth als eine solche "Stolperfalle" begreift. Um einen solchen "Sturz des Philosophen" zu vermeiden ..keine Frage .. man kann diese Falle auch umgehen. Nur ob man sich dann als Philosoph noch auf den richtigen Weg befindet , würde ich dann schon bezweifeln wollen ;)




Körper
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AufDerSonne hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 23:03
Ich weiß weder was Subjekt noch was Objekt bedeutet.
Indem du diesen Satz schreibst, widerlegst eigentlich du dessen Aussage.




Körper
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Fr 30. Sep 2022, 09:17

Timberlake hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 23:47
Wie hier unschwer zu erkennen ist , ist bezüglich dem erwähnten pythagoreischen Lehrsatz von einem Beispiel die Rede und zwar ein Beispiel dafür , dass es Gedanken gibt , die .. ich zitiere .. zeitlos wahr sind , unabhängig davon, ob irgendjemand sie für wahr hält.
Das ist schon klar, aber "dass es Gedanken gibt" ist Poesie - nur will der Philosoph hier Existenz ausrufen.
Der "Lehrsatz des Pythagoras" soll ihm dabei als Suggestionswerkzeug dienen.

Vom Potenzial eines Menschen, den "Lehrsatz des Pythagoras" zu verstehen und danach einzusetzen - wichtig: der Mensch ist hier aktiv! - wechselt Frege zu "Gedanken existieren auch ohne Träger, im dritten Reich".

Mir ist bewusst, dass du versucht hast, ein Beispiel für eine philosophische Aussage zu bringen, die man in Richtung Wissenschaft deuten könnte, nur ist dir das hiermit noch nicht einmal im Ansatz gelungen.
Timberlake hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 23:47
Gottlob Frege thematisiert mit seinem "drittem Reich" also etwas , was als Wissenschaftstheorie ein Teilgebiet der Philosophie darstellt ...
Nö, das ist einfach dämlicher Ontologie-Unfug und hier unterscheidet sich "Frege" keinen Millimeter von "Gabriel".
Aus der Poesie heraus "entwickeln" sie ihre Existenz-Verrücktheiten.
Timberlake hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 23:47
...also etwas , was als Wissenschaftstheorie ein Teilgebiet der Philosophie darstellt ...
Das ist nun wieder die Überheblichkeit der Philosophie.
Es liegt nur philosophischer Murks auf dem Tisch, aber "selbstverständlich" wird der Anspruch erhoben "über der Wissenschaft zu stehen - Stichwort: Teilgebiet".

Das ist ein Verhalten, das ich von Religionsorganisationen her kenne: "nirgendwo Leistung, aber auf jeden Fall übergeordnet zuständig".

Man müsste bei "Was ist Philosophie?" eigentlich nicht "Literatur" als Variante einsetzen, sondern "Religion".
Die Religionen treiben es ja auch hübsch bunt mit ihren Texten. Da ist Literatur dann quasi mit drin.

=> Ist Philosophie "Religion light"?




sybok
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Fr 30. Sep 2022, 11:34

Körper hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 09:17
Das ist nun wieder die Überheblichkeit der Philosophie.
Es liegt nur philosophischer Murks auf dem Tisch, aber "selbstverständlich" wird der Anspruch erhoben "über der Wissenschaft zu stehen - Stichwort: Teilgebiet".
Es gibt doch nicht so etwas wie die Überheblichkeit der Philosophie als Disziplin, sondern die Anerkennung, dass Wissenschaft und Erkenntnisstreben sozusagen auf ein Metasystem angewiesen sind.
Beispielsweise hat die Ethik - praktische Philosophie - gewissermassen ein "Stop!"-Schild und das ist gut so. Medizinische Experimente, Eugenik, Tierversuche etc., darauf verzichten wir ja nicht, weil es keine belastbaren Resultate mit sich bringen würde, sondern weil wir moralische Überlegungen höher gewichten.




Körper
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Fr 30. Sep 2022, 12:53

sybok hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 11:34
Es gibt doch nicht so etwas wie die Überheblichkeit der Philosophie als Disziplin, sondern die Anerkennung, dass Wissenschaft und Erkenntnisstreben sozusagen auf ein Metasystem angewiesen sind.
Wie, "aus der Philosophie heraus wird anerkannt, dass die anderen auf die Vorstellungen der Philosophen angewiesen sind".

Sorry, aber das klingt sogar wie eine sagenhaft gute Definition für Überheblichkeit und Arroganz.

Wie sagte einst ein Papst zum religiösen Treiben in Übersee (sinngemäss):
"Es gab keinen Zwang, sondern die Ureinwohner Südamerikas haben sich insgeheim (also ohne es zu wissen) nach der Erlösungsbotschaft gesehnt - sie wurden sozusagen auf Verlangen gerettet".
sybok hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 11:34
Beispielsweise hat die Ethik - praktische Philosophie - gewissermassen ein "Stop!"-Schild und das ist gut so. Medizinische Experimente, Eugenik, Tierversuche etc., darauf verzichten wir ja nicht, weil es keine belastbaren Resultate mit sich bringen würde, sondern weil wir moralische Überlegungen höher gewichten.
Mir ist hier gleich etwas eingefallen, das man mir in Richtung der Philosophie von "Descartes" erzählte.
Seine philosophischen Überlegungen haben wohl zu einer regelrechten Ignoranz gegenüber dem Hineindenken in andere Lebewesen geführt.
-> Tierversuche

Hier ein anderer interessanter Sachverhalt.
"Hexenverfolgung"
(Seite 29)

Christian Thomasuius (1655 – 1728)
Jurist, Philosoph und Professor in Leipzig und
Halle (damals Brandenburg-Preußen, heute
Sachsen-Anhalt), Protestant
Werk: De Crimine Magiae
(Vom Verbrechen der Hexerei), Halle 1701

Schlüsselerlebnis:
• 1694 wurde die Juristische Fakultät um ein
Hexengutachten gebeten
• Unter der Folter hatte eine Frau eine andere
der Hexerei bezichtigt
• Frage der Hexenrichter an die Fakultät, ob die
Bezichtigte gefoltert werden dürfe?
• Thomasius sprach sich nach den
"klassischen" Schriften der Hexenwerke u. a.
des Hexenhammers dafür (!) aus
• Fakultätskollegen überstimmten ihn aber u.
erreichten die Freilassung der Beklagten

Diese persönliche Niederlage führte zu näherer
Beschäftigung mit der Hexerei bzw. den
Schriften der Gegner wie Weyer und Spee

Folge waren die Thesen von 1701 in seinem Werk
"De crimine Magiae":

1. Der Teufel existiert, nehme aber keine
körperliche Gestalt an
2. Es gibt keinen Teufelspakt und deshalb auch
keine Zauberei u. Hexerei. Sie können nicht aus
der Existenz des Teufels gefolgert werden
3. Hexenverfolgung keine Aufgabe des Staates, die
Religion ist Privatsache:
"Die Fürsten haben nicht die Pflicht, Seelen zu
retten, sondern Frieden zu stiften."
4. Abschaffung der Folter (in Preußen 1740
abgeschafft, in Bayern erst 1813!)

Es dauerte ein hables Jahrhundert, bis sich
diese Gedanken in Norddeutschland allgemein
durchsetzten
Die Veränderung der Haltung gegenüber Hexenverfolgung kam nicht aus der Philosophie (das Beispiel des Professors zeigt das ganz deutlich).
Das Zurückdrängen der Kirchen (-> Aufschwung des Staates) und der Erfolg der Naturwissenschaften waren verantwortlich für einen Stimmungswechsel.
Es war schlicht nicht mehr jeder Blödsinn vertretbar.

Auch hier sollte man nicht damit angeben, dass "Ethik ein Teilbereich der Philosophie" ist - vor allem nicht mit der Suggestion, dass Philosophie der Erfinder ist.
Es ist ein "Teilbereich" in dem Sinne, wie auch Kirchen viele "Teilbereiche" besetzen - ein lustiges Teilbereichs-Theater.




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Jörn Budesheim
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AufDerSonne hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 20:23
Er hatte manchmal gemeint, ich sei begriffsstutzig
Und? hat er damit das gemeint, was im vorliegenden Kontext gemeint ist?




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Fr 30. Sep 2022, 13:52

Nauplios hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 19:26
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 14:37
Teilnehmerperspektive
Teilnehmerperspektive
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Begriff Teilnehmerperspektive, den ich selbst verwendet habe, ausdrückt, was ich sagen wollte. Ich glaube es gibt bestimmte Dinge, die kann man nur von "innen heraus" begreifen. Das gilt für vieles, was für uns bedeutsam ist. (Das Wort "bedeutsam" ist ohnehin von größtem Belang.) Das gilt wahrscheinlich fürs Denken, fürs Tanzen, Musizieren und anderes mehr. Die realen Ordnungen, um die es dabei geht, zeigen sich nur denen, die daran teilhaben.




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Timberlake hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 23:47
Gerhard Roth hat geschrieben : Eigentlich müsste der Titel Fühlen, Denken, Fühlen, Handeln heißen. Das Gefühl, das limbische System, hat nämlich das erste und das letzte Wort. Das Gefühl erzeugt in uns Wünsche, Pläne und Absichten und stößt damit unser bewusstes Denken an ...
Vor mir liegen zwei Äpfel. Der Wunsch, sie zu essen, geht doch nicht von meinem limbischen System aus, sondern von eben diesen beiden Äpfeln, von denen ich weiß, wie lecker sie sind.


Perfection


O lovely apple!
beautifully and completely
rotten
hardly a contour marred--

perhaps a little
shrivelled at the top but that
aside perfect
in every detail! O lovely

apple! what a
deep and suffusing brown
mantles that
unspoiled surface! No one

has moved you
since I placed you on the porch
rail a month ago
to ripen.

No one. No one!

W C Williams

Dieses Gedicht sagt sicherlich Dinge über den Menschen und seinen Platz in der Wirklichkeit aus, die Gerhard Roth niemals mit seinen Methoden erwirtschaften könnte. Und vermutlich weiß sogar Gerhard Roth vieles über den Menschen, was mit den Mitteln der Poesie nicht nicht hätte herausgefunden werden können.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 13:52

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Begriff Teilnehmerperspektive, den ich selbst verwendet habe, ausdrückt, was ich sagen wollte. Ich glaube es gibt bestimmte Dinge, die kann man nur von "innen heraus" begreifen. Das gilt für vieles, was für uns bedeutsam ist. (Das Wort "bedeutsam" ist ohnehin von größtem Belang.) Das gilt wahrscheinlich fürs Denken, fürs Tanzen, Musizieren und anderes mehr. Die realen Ordnungen, um die es dabei geht, zeigen sich nur denen, die daran teilhaben.
Es ist ganz einfach. Man begreift das am besten, womit man sich befasst. Philosophie ist den meisten Menschen näher als Naturwissenschaft. Der Grund ist klar. Naturwissenschaft setzt früher oder später eine gewisse Mathematik-Kenntnis voraus, während für die Philosophie die Sprache erst einmal genügt. Die Philosophie ist von Natur aus den Menschen näher als die Wissenschaft. Die Literatur ja sowieso. Viele Menschen lesen gerne einmal einen Roman. Da kommt man schnell auf die Idee, dass Literatur und Philosophie einander näher sind als Wissenschaft und Philosophie.



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AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 14:44
Es ist ganz einfach
Das mag sein, aber wo genau siehst du den Zusammenhang zu dem Zitat von mir?




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Du hast gesagt, dass man bestimmte Dinge nur von innen heraus begreifen kann.
Damit bin ich nicht einverstanden.
Man befasst sich mit einem Ding und dann begreift man es oder eben nicht.
Wieso man etwas begreift oder nicht ist eine andere Geschichte.



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AufDerSonne hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 16:20
Du hast gesagt, dass man bestimmte Dinge nur von innen heraus begreifen kann.
Damit bin ich nicht einverstanden.
Man befasst sich mit einem Ding und dann begreift man es oder eben nicht.
Wieso man etwas begreift oder nicht ist eine andere Geschichte.
Tut mir leid das verstehe ich nicht. Ich kann keinen Zusammenhang zu dem erkennen, was ich gesagt habe. Das ist nämlich auch etwas anderes gewesen als deine Paraphrase. Gesagt habe ich, dass man manche Dinge - wie z.b Denken, Musizieren und Tanzen - nur von innen begreifen kann. Einen anderen Begriff, den ich dafür verwendet habe, ist die Teilnehmerperspektive, auch wenn ich mit diesem Begriff vielleicht nicht ganz zufrieden bin.




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Timberlake hat geschrieben :
Do 29. Sep 2022, 23:47
Nur nochmal zur Erinnerung , was Fregge "ausgerufen" hat .. .
  • Ein drittes Reich (im Sinne der Drei-Welten-Lehre) muß anerkannt werden. Was zu diesem gehört, stimmt mit den Vorstellungen darin überein, daß es nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden kann, mit den Dingen aber darin, daß es keines Trägers bedarf, zu dessen Bewußtseinsinhalte es gehört. So ist z. B. der Gedanke, den wir im pythagoreischen Lehrsatz aussprachen, zeitlos wahr, unabhängig davon, ob irgendjemand ihn für wahr hält. Er bedarf keines Trägers. Er ist wahr nicht erst, seitdem er entdeckt worden ist, wie ein Planet, schon bevor jemand ihn gesehen hat, mit andern Planeten in Wechselwirkung gewesen ist.
    Gottlob Frege: Der Gedanke. Eine logische Untersuchung, in: Beiträge zur Philosophie des deutschen Idealismus
Wie hier unschwer zu erkennen ist , ist bezüglich dem erwähnten pythagoreischen Lehrsatz von einem Beispiel die Rede und zwar ein Beispiel dafür , dass es Gedanken gibt , die .. ich zitiere .. zeitlos wahr sind , unabhängig davon, ob irgendjemand sie für wahr hält. Gottlob Frege thematisiert mit seinem "drittem Reich" also etwas , was als Wissenschaftstheorie ein Teilgebiet der Philosophie darstellt ...
Der "Pythagoreische Lehrsatz" ist ein Beispiel für das, was Frege meint, stimmt. Allerdings ist er nicht einfach nur ein Beispiel für Gedanken die zeitlos wahr sind, unabhängig davon, ob irgendjemand sie für wahr hält. Sondern zugleich für etwas, was nicht mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Das sind mehrere Aspekte, von denen man nicht einfach einen weglassen kann, ohne den Sinn des Beispiels zu tangieren.




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Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 30. Sep 2022, 13:52

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der Begriff Teilnehmerperspektive, den ich selbst verwendet habe, ausdrückt, was ich sagen wollte. Ich glaube es gibt bestimmte Dinge, die kann man nur von "innen heraus" begreifen. Das gilt für vieles, was für uns bedeutsam ist. (Das Wort "bedeutsam" ist ohnehin von größtem Belang.) Das gilt wahrscheinlich fürs Denken, fürs Tanzen, Musizieren und anderes mehr. Die realen Ordnungen, um die es dabei geht, zeigen sich nur denen, die daran teilhaben.
Bedeutsamkeit - die Phalanx derjenigen, die diesen Begriff philosophisch konzeptualisiert haben, reicht von Dilthey, Husserl, Rothacker und Heidegger bis hin zu Blumenberg; er nennt alles, was der Wissenschaft fehlt und der Mythos zu bieten hat, "Bedeutsamkeit". Die zentrale Qualität des Mythos ist danach Bedeutsamkeit.

Wie einst in Westberlin steht vor diesem Begriff ein Schild: "Sie verlassen JETZT den mythenfreien Sektor!" ;)




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