Re: Zwischen Wissenschaft und Literatur oder Was ist Philosophie?
Verfasst: Sa 1. Okt 2022, 22:27
Das neue Forum für Philosophie
https://dialogos-philosophie.de/
Die Rechte des Textes:Lucian Wing hat geschrieben : ↑Sa 1. Okt 2022, 21:33
... zehn unantastbaren Rechte des Lesers nach Pennac:
Das Recht, nicht zu lesen
Das Recht, Seiten zu überspringen
Das Recht, ein Buch nicht zu Ende zu lesen
Das Recht, noch einmal zu lesen
Das Recht, irgendwas zu lesen
Das Recht auf Bovarysmus (also das Gelesene mithilfe der Fantasie real werden zu lassen)
Das Recht, überall zu lesen
Das Recht, herumzuschmökern
Das Recht, laut zu lesen
Das Recht, zu schweigen
Für mich würde das Recht, nicht verhunzt zu werden durch Sonderzeichen, falsche Grammatik und verbogene Wörter ebenfalls ein unverzichtbares.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 08:04
Die Rechte des Textes:
Das Recht auf Wohlwollen (to a certain degree)
Das Recht als eigenständiger anerkannt zu werden
Das Recht auf Anerkennung aller Satzzeichen
Das Recht Teil einer ästhetischen Erfahrung zu werden
...
Für Texte, also deren Recht, aus ideologiefreien qualitätssprachlichen, regel- und sinnkonformen Wort- und Grammatikbestandteilen konstruiert zu werden.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 09:36Für dich oder für deine Texte oder für was?
Hat das nicht auch mit Höflichkeit zu tun? Den Anstand zu haben, dass andere meinen Text verstehen können?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:14Für Texte, also deren Recht, aus ideologiefreien qualitätssprachlichen, regel- und sinnkonformen Wort- und Grammatikbestandteilen konstruiert zu werden.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 09:36Für dich oder für deine Texte oder für was?
Das wäre dann eher das Recht eines Lesers oder/und die Pflicht eines Autors.AufDerSonne hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:18Hat das nicht auch mit Höflichkeit zu tun? Den Anstand zu haben, dass andere meinen Text verstehen können?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:14Für Texte, also deren Recht, aus ideologiefreien qualitätssprachlichen, regel- und sinnkonformen Wort- und Grammatikbestandteilen konstruiert zu werden.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 09:36Für dich oder für deine Texte oder für was?
Ich würde sogar noch das Recht auf Verständlichkeit eines Textes beifügen.
Da gibt es auch eine gewisse Bedeutungsvielfalt:AufDerSonne hat geschrieben : ↑Sa 1. Okt 2022, 22:11Und gerade bei Subjekt und Objekt ist mir fast nie klar, was der Autor meint. Subjekt ist doch in der Regel der Handelnde. Objekt das, woran die Handlung ausgeführt wird.
Philosophisch fehlt die Antwort auf "Was ist der Mensch?" und so fliessen unterschiedlichste Ideen ein.https://de.wikipedia.org/wiki/Subjekt_(Philosophie)
Dem Begriff Subjekt (lateinisch subiectum ‚das Daruntergeworfene‘; griechisch ὑποκείμενον hypokéimenon ‚das Zugrundeliegende‘) wurden in der Philosophiegeschichte verschiedene Bedeutungen zugewiesen. Ursprünglich kennzeichnete der Begriff einen Gegenstand des Handelns oder einen Sachverhalt, über den eine Aussage gemacht wird.
Korrekt.AufDerSonne hat geschrieben : ↑Sa 1. Okt 2022, 22:11Zum Beispiel. Subjekt bin ich und Objekt ist mein Schreibtisch. Ist das in etwa richtig?
Eigentlich hat es sich in den letzten Beiträgen schön gezeigt.AufDerSonne hat geschrieben : ↑Sa 1. Okt 2022, 16:35Vielleicht die Frage, was ist Philosophie, einmal noch aus einem anderen Blickwinkel.
Wann beginnt Philosophie?
Ach, Körper, bei dir wäre Fußball ein Standspiel, bei dem der Ball immer gleich ins Tor geschossen wird, weil das ja auch das Ziel des Spiels ist. Dir liegt halt nichts an schönen Texten, sondern nur am Ergebnis, und, nimm mir das ad personam nicht krumm, so lesen sich deine Texte auch.
Das ist textinterpretatorisch aus meiner Sicht eher knieschüssig, provoziert es doch die Frage, ob der letzte Satz aus einem Anspruch, nämlich Kleines zu denken, hier präsentiert wird. Wobei dein letzter Nebensatz - Marx/Engels lassen grüßen - einen "großen" philosophischen Gedanken paraphrasiert.Körper hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:36Das ist letztlich nur noch ein Ausprobieren, mit welcher Denkschrägheit man sich profilieren kann.
Natürlich handeln die Aktiven hierbei nicht unter dem Aspekt "Denkschrägheit", sondern sie haben den Anspruch "Grosses zu denken".
Wie kommt oben "2.1" bis "2.33" zustande? -> Weil jeder Einzelne seinen persönlichen Anspruch hat "Grosses zu denken".
Philosophie ist damit vermutlich gar nicht schlecht charakterisiert: es ist der persönliche Anspruch "Grosses zu denken", ohne dass es zu nachhaltigen Korrekturen kommt.
Diesen letzten Satz verstehe ich nicht gut. Meinst du, dass es keine Schande ist, wenn man nicht gut ist in Philosophie?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:47
Literarische oder philosophische Unmusikalität sind keine Schande. Es gibt ja auch das Recht, nicht zu lesen, was m.E. einschließt, ganz bestimmte Gattungen auszulassen.
Die Umständlichkeit eines Textes (Heidegger hatte ich kürzlich mit seinem Geviert angeführt) ist den Umständen dessen, was er beschreibt, geschuldet (Philosophie als "Schule des Sehens"). Die Redewendung sich-Umstände-machen im Sinne von sich-Mühe-geben zeigt das.Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:31Das wäre dann eher das Recht eines Lesers oder/und die Pflicht eines Autors.AufDerSonne hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:18
Hat das nicht auch mit Höflichkeit zu tun? Den Anstand zu haben, dass andere meinen Text verstehen können?
Ich würde sogar noch das Recht auf Verständlichkeit eines Textes beifügen.
(...)
Viele Texte lesen sich da so umständlich und verquast, als stammten sie von hier.
So eine Reaktion ist erstaunlich, denn du bestätigst damit doch eigentlich das Arbeiten mit Überheblichkeit und Arroganz.Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:47Das ist textinterpretatorisch aus meiner Sicht eher knieschüssig, provoziert es doch die Frage, ob der letzte Satz aus einem Anspruch, nämlich Kleines zu denken, hier präsentiert wird. Wobei dein letzter Nebensatz - Marx/Engels lassen grüßen - einen "großen" philosophischen Gedanken paraphrasiert.
Ich gestehe dir gerne zu, dass du so auf meinen Beitrag reagierst, aber ich vermute dahinter ein gewisses "Training an Praxisabstinenz".Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:47provoziert es doch die Frage, ob der letzte Satz aus einem Anspruch, nämlich Kleines zu denken, hier präsentiert wird.
Naja, es gibt Gelegenheiten, bei denen ist es ein deutlicher Vorteil, eine Hurz-Veranstaltung als Hurz-Veranstaltung zu erkennen.Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:47Literarische oder philosophische Unmusikalität sind keine Schande.
Ich meinte nicht das Forum! sondern akademische Texte in Deutschland im Unterschied zu solchen aus angelsäschsischen Ländern, wo Allgemeinverständlichkeit mindestens kein Nachteil ist.
Was ist denn "Praxisabstinenz"? Philosophie ist eine theoretische Disziplin, selbst dort, wo sie sich eine "praktische" nennt und sich also Ethik und Politik widmet. Ich muss dir doch bestimmt nicht größer auseinandersetzen, wie die Versuche von Philosophen, ihre Philosophie in die Praxis zu "übersetzen" von Platon an ausgegangen sind?
Nein, ich meinte damit, es ist okay, wenn man nichts anfangen kann mit Philosophie. Wobei ich mich frage, warum man dann überhaupt in einem philosophischen Forum schreibt. Wer im Kleintierzüchterforum schreibt und bloß immer über Elefanten und andere große Wildtiere reden möchte, fiele ja auch auf.AufDerSonne hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 12:36Diesen letzten Satz verstehe ich nicht gut. Meinst du, dass es keine Schande ist, wenn man nicht gut ist in Philosophie?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 11:47
Literarische oder philosophische Unmusikalität sind keine Schande. Es gibt ja auch das Recht, nicht zu lesen, was m.E. einschließt, ganz bestimmte Gattungen auszulassen.
Literarische Gattungen.AufDerSonne hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 12:36Was meinst du mit Gattungen? Gattungen von was?
Es sind drei Bereiche, die hier angesprochen werden. Astronomie (Naturwissenschaft), Alltag und Philosophie.Nauplios hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:51
"Es wird erzählt, […] dass Thales, als er astronomische Beobachtungen anstellte und dabei nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen sei und dass eine witzige, reizende thrakische Magd ihn verspottet habe: Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, von dem aber, was ihm vor Augen und vor den Füßen liege, habe er keine Ahnung." (Platon: Theaitetos 174a)
Die philosophische Blickrichtung ("nach oben") ist eine nicht-alltägliche, läuft der "natürlichen Einstellung" (Husserl) zuwider. Um die alltäglichen Abläufe bewerkstelligen zu können (dafür steht die "thrakische Magd"), braucht es diese Blickrichtung nicht, denn diese Abläufe finden im Reich der Selbstverständlichkeiten statt, in der Lebenswelt (phänomenologisch verstanden nicht im Sinne seines sozialen Raums).
Noch als Nachtrag: Was das Verquaste angeht, so kannst du im Kaffeestübchen anhand meines letzten Beitrags dort nachlesen, dass auch ich berufsbedingt sehr gut trainiert bin.
Nun, ich habe dir deinen Fehler gezeigt.
Täusche ich mich oder könnte man dies als "Hauch von Kritik" verstehen, der durchaus in Richtung "Vorwurf von Praxisabstinenz" zeigt?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:15Philosophie ist eine theoretische Disziplin, selbst dort, wo sie sich eine "praktische" nennt
Auch hier bestätigst du meine Aussage, in dem du so eine Art "Übertragung in die Praxis" andeutest, die wohl zudem komplett gescheitert ist.Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:15Ich muss dir doch bestimmt nicht größer auseinandersetzen, wie die Versuche von Philosophen, ihre Philosophie in die Praxis zu "übersetzen" von Platon an ausgegangen sind?
Da ich gar nicht mit dir geredet habe, scheinst du einen deutlichen Philosophie-Anspruch vor dir herzuschieben und du schaust lieber nicht kritisch nach, sonst bröckelt wohl die Fassade.Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:15Was die Frage der Arroganz angeht, geb ich das gerne zurück. Mir gingen ja nur deine Dauernörgelei und deine ewigen Strohmänner, an denen du dich abarbeitest, heute angesichts der tristen Wetterlage draußen, wo ich lieber wäre als am Computer, ein bisserl auf die Nerven.
Ist das so eine Gläubigen-Einteilung in "die Echten", "die ganz Echten" und "die ganz ganz Echten"?Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:15Vielleicht liest du die falschen Philosophen, jedenfalls erkenne ich die meisten, die ich lese, in deinen Beschreibungen nicht wieder.
Das muss ich mir im Detail ansehen:Lucian Wing hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:15Und ganz ehrlich, deine Anti-Philosophie des Körpers und des Nervensystems kann man als Beschreibung menschlichen Lebens vielleicht so leisten, nur ist sie halt ebenso auf den Eisbären oder den Siebenschläfer anwendbar. Die conditio humana mit ihren Fragen verfehlt sie ebenso wie die Selbsterfahrung der ersten Person Singular, selbst wenn sie in ihrer Verkürzung wissenschaftlich vollkommen korrekt wäre.
Wie "unterschiedlich" Thales und die thrakische Magd sind oder ob sie "nicht so unterschiedlich" sind u.ä. lenkt vom Wesentlichen ab, nämlich davon, daß die Andekdote bereits als literarische Form nichts sagt, sondern zeigt - Sagen und Zeigen im Sinne Wittgensteins. Sie zeigt die Grundkonstellation philosophischer Theorie (θεωρία = Anschauung, Betrachtung). Die Anekdote, die Fabel, der Mythos, die Metapher ... fügen sich als Formen von Unbegrifflichkeit nicht in das Schema "Vom Mythos zum Logos" ein.AufDerSonne hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 14:10Es sind drei Bereiche, die hier angesprochen werden. Astronomie (Naturwissenschaft), Alltag und Philosophie.Nauplios hat geschrieben : ↑So 2. Okt 2022, 13:51
"Es wird erzählt, […] dass Thales, als er astronomische Beobachtungen anstellte und dabei nach oben blickte, in einen Brunnen gefallen sei und dass eine witzige, reizende thrakische Magd ihn verspottet habe: Er strenge sich an, die Dinge im Himmel zu erkennen, von dem aber, was ihm vor Augen und vor den Füßen liege, habe er keine Ahnung." (Platon: Theaitetos 174a)
Die philosophische Blickrichtung ("nach oben") ist eine nicht-alltägliche, läuft der "natürlichen Einstellung" (Husserl) zuwider. Um die alltäglichen Abläufe bewerkstelligen zu können (dafür steht die "thrakische Magd"), braucht es diese Blickrichtung nicht, denn diese Abläufe finden im Reich der Selbstverständlichkeiten statt, in der Lebenswelt (phänomenologisch verstanden nicht im Sinne seines sozialen Raums).
Ich könnte mir vorstellen, dass es nicht unproblematisch ist, den Alltag zu unterbewerten. Positiv formuliert. Der Alltag ist die Grundlage von allem. Die alltägliche Magd und der forschende Thales sind nicht so unterschiedlich.
Es ist noch schlimmer. Ich kann mir unter den Sternen mehr vorstellen als unter alltäglichen Selbstverständlichkeiten. Letztere setzen übrigens eine Vorstellung davon voraus, was denn normal ist.