Kriterium

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Jörn Budesheim
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So 29. Jan 2023, 09:56

Ein Kriterium ist etwas, mit dem man etwas als etwas identifizieren kann :)

Ein paar Beispiele:
  • Turing war (vereinfacht gesagt) z.B. der Meinung, dass die Fähigkeit, ein Gespräch zu führen, ein Kriterium für Intelligenz ist.
  • Universalisierbarkeit könnte (vereinfacht gesagt) ein Kriterium dafür sein, dass etwas eine gute Handlung ist.
  • Zwei Flügel, eine bestimmte Größe, schwarze Farbe und ein kräftiger Schnabel sind (vereinfacht gesagt) Kriterien dafür, dass wir es mit einer Krähe zu tun haben.
Man könnte auch sagen, dass Kriterien relevante Unterscheidungs-Merkmale sind (um etwas als etwas zu kennzeichnen). Kriterien können mehr oder weniger sicher sein, vielleicht absolut oder relativ, aber darum soll es in diesem Faden nicht gehen. Sondern um folgendes: Wenn ich K als Kriterium für X habe, dann brauche ich auch ein Kriterium, mit dem ich das Kriterium selbst identifizieren kann. Ich brauche also ein Kriterium, das mir sagt, das sind Flügel, um eines der Beispiele aufzugreifen. Ich glaube jedoch, da droht sofort ein Regress: Ein Kriterium des Kriteriums des Kriteriums und so ad infinitum.

Aber gibt es nicht Dinge, die wir ohne jedes Kriterium erkennen? Welches Kriterium habe ich dafür, dass die Farbe der Krähen schwarz ist? Ich meine: überhaupt kein Kriterium, ich sehe einfach, dass es schwarz ist. Welches Kriterium habe ich dafür, dass das, was ich gerade schmecke, süß ist? Es gibt nichts außer der Süße dessen, was ich gerade schmecke. Die Dinge, die wir ohne irgendein Kriterium identifizieren, wären dann sozusagen die Regressstopper, sie würden garantieren, dass wir überhaupt etwas identifizieren.




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Jörn Budesheim
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So 29. Jan 2023, 10:05

Mir fällt gerade noch ein, ich glaube, es gibt dafür auch einen Terminus-Technikus, man spricht manchmal von "primitiven Begriffen". Das scheint mir auf jeden Fall irgendwie zusammenzuhängen ...




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Jörn Budesheim
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So 29. Jan 2023, 10:06

Bitte keine Wikipedia und keine Chat GPT-Zitate




Burkart
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So 29. Jan 2023, 10:10

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 29. Jan 2023, 09:56
Ein Kriterium ist etwas, mit dem man etwas als etwas identifizieren kann :)

Ein paar Beispiele:
  • Turing war (vereinfacht gesagt) z.B. der Meinung, dass die Fähigkeit, ein Gespräch zu führen, ein Kriterium für Intelligenz ist.
  • Universalisierbarkeit könnte (vereinfacht gesagt) ein Kriterium dafür sein, dass etwas eine gute Handlung ist.
  • Zwei Flügel, eine bestimmte Größe, schwarze Farbe und ein kräftiger Schnabel sind (vereinfacht gesagt) Kriterien dafür, dass wir es mit einer Krähe zu tun haben.
Man könnte auch sagen, dass Kriterien relevante Unterscheidungs-Merkmale sind (um etwas als etwas zu kennzeichnen). Kriterien können mehr oder weniger sicher sein, vielleicht absolut oder relativ, aber darum soll es in diesem Faden nicht gehen. Sondern um folgendes: Wenn ich K als Kriterium für X habe, dann brauche ich auch ein Kriterium, mit dem ich das Kriterium selbst identifizieren kann. Ich brauche also ein Kriterium, das mir sagt, das sind Flügel, um eines der Beispiele aufzugreifen. Ich glaube jedoch, da driht sofort ein Regress: Ein Kriterium des Kriteriums des Kriteriums und so ad infinitum.

Aber gibt es nicht Dinge, die wir ohne jedes Kriterium erkennen? Welches Kriterium habe ich dafür, dass die Farbe der Krähen schwarz ist? Ich meine: überhaupt kein Kriterium, ich sehe einfach, dass es schwarz ist. Welches Kriterium habe ich dafür, dass das, was ich gerade schmecke, süß ist? Es gibt nichts außer der Süße dessen, was ich gerade schmecke. Die Dinge, die wir ohne irgendein Kriterium identifizieren, wären dann sozusagen die Regressstopper, sie würden garantieren, dass wir überhaupt etwas identifizieren.
Genau, schwarz ist ein Beispiel ohne weiteres Kriterium, weil es für uns etwas direkt Sinnbezogenes ist. Ich denke (zumindest bis auf Weiteres ;) ), dass solch Sinnbezogenes mehr oder weniger immer diese "End-Kriterien" sind und es damit kein "ad infinitum" gibt.



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
Die Philosophie eines Menschen kann durch Andere fahrlässig missverstanden oder gezielt diskreditiert oder gar ganz ignoriert werden, u.a. um eine eigene Meinung durchsetzen zu wollen.

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Quk
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Mi 2. Aug 2023, 14:14

Beim Menschen gibt es wohl einen gewissen, "ersten", akustischen Begriff. Akustisch, weil da noch keine Sicht möglich ist. Er lautet:

"Aaaah!"

Er bedeutet: "Ich atme ab sofort selbständig. Ich bin am Leben. Ihr könnt die Nabelschnur jetzt abtrennen. Wo um alles in der Welt ist das Gefäß, woraus ich geschlüpft bin? Bringt mich dorthin zurück." -- Natürlich kennt der "Aaaah!"-singende Mensch noch nicht diese vielen speziellen Wörter und diese Grammatik. Außerdem kennt er auch noch nicht die emotionale Wirkung in dem Glissando der "Aaaah"-Melodie. Aber in diesem ersten, primitiven Begriff steckt vermutlich bereits ein ganzes Bündel an Kriterien für ein Dialog, der rein intuitiv von den bereits anwesenden Personen verstanden wird.

Wohl zu Ehren dieses ersten Begriffs, der aus einem einzigen Vokal besteht, haben Menschen in vielen Sprachen diesen Vokal an den Anfang ihres Alphabets gestellt.

Der zweite primitive Begriff ist in erstaunlich vielen Regionen der Welt folgender:

"Mama."

Ich denke, der ensteht, wenn man beim "Aaaah"-Singen die Lippen auf und zu macht. Das ist die Entstehung des ersten Konsonanten. Er lautet "M". Der zweite Buchstabe im Alphabet ist er allerdings nicht geworden. Warum eigentlich nicht? Strenggenommen ist "M" ebenfalls ein Vokal, weil er dauerhaft gesungen werden kann: Mmmmm.

Wenn man während des Lippenöffnens Luft ausstößt, entstehen Explosivlaute wie "B" und "P". Aus Mama wird dann:

"Baba".
"Papa."

Ein Explosivlaut ist wie ein Zeiger, wie ein Blick in eine bestimmte Richtung. Der Luftstrom weist auf einen Gegenstand; der Gegenstand könnte in diesem Fall so etwas wie ein Vater sein. Er ist nicht hier, wo ich gerade bin (an der Mutter), sondern dort.

...

Sind das schon Regressstopper? Oder müssen wir noch weiter zurück und in die molekulare Erbinformation reingehen, die irgendwann akausal enstand? Der Regressstopper wäre dann die Akausalität, beziehungsweise die Spontaneität. Intuität entsteht vielleicht, indem eine Spontaneität nicht nur ein einziges neues Exemplar erschafft, sondern mehrere, ähnlich programmierte Exemplare. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit verstehen sie sich dann ziemlich gut von der ersten Sekunde an.




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Jörn Budesheim
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Mi 2. Aug 2023, 15:27

Das Thema ist für mich wichtig, weil meines Erachtens Dinge gibt, die wir ohne jedes weitere Kriterium erkennen. Das ist nach meinen Gefühl für die Diskussion um die Betrachtung von Kunst von Belang. Aber ich werde vermutlich erst am Freitag dazu kommen, über deine Antwort nachzudenken, weil ich gerade (im Brotberuf) einen Job habe, der mich sehr in Beschlag nimmt.




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