Determinismus - Stephen Hawking

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Rejsekort
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Di 19. Dez 2023, 11:38

So wie ich Stephen Hawking verstanden habe und er ist da sicher nicht alleine, war er der Ansicht, dass die Zukunft durch die Naturgesetze vorbestimmt ist. Der Physiker Seth Loyd sieht das Universum als Quantencomputer. Dabei sei die Geschichte des Universums eine gigantische, laufende Quantenberechnung. Ich tue mich schwer eine Vorbestimmung anzuerkennen wenn das Größte aller Dinge, jenes uns allumfassendes "ist" erst dabei ist die Zukunft zu errechnen. Nichts und Niemand, auch der Quantencomputer, kennt dabei das Ergebnis. Entgegen einer mathematischen Formel steht kein Ergebnis fest. Das Ergebnis entsteht gerade erst, ein Ergebnis was es noch nie zuvor gab.
Für den Betrachter völlig neu und für den Schaffenden ebenfalls, auch wenn dies natürlich kein Wesen ist. Ein göttliches Wesen habe ich in diesen Betrachtungen nicht mit einbezogen. Für mich ist die Zukunft daher nicht vorbestimmt.




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Jörn Budesheim
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Di 19. Dez 2023, 15:20

Solange unsere freien Handlungen Teil dieses (angeblich determinierten) Vorganges sind, finde ich das nicht beunruhigend.




Rejsekort
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Di 19. Dez 2023, 15:56

Wäre Hawkings Annahme richtig, wäre auch der freie Wille eine Illusion. Genau dies will ich mit der Argumentation wieder legen.




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Jörn Budesheim
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Di 19. Dez 2023, 16:39

Das habe ich im Großen und Ganzen so verstanden. Mein Einwand ist jedoch, dass der Determinismus kein Problem für die Willensfreiheit darstellt.




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Jörn Budesheim
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Di 19. Dez 2023, 16:59

Rejsekort hat geschrieben :
Di 19. Dez 2023, 11:38
Der Physiker Seth Loyd sieht das Universum als Quantencomputer. Dabei sei die Geschichte des Universums eine gigantische, laufende Quantenberechnung. Ich tue mich schwer eine Vorbestimmung anzuerkennen wenn das Größte aller Dinge, jenes uns allumfassendes "ist" erst dabei ist die Zukunft zu errechnen. Nichts und Niemand, auch der Quantencomputer, kennt dabei das Ergebnis. Entgegen einer mathematischen Formel steht kein Ergebnis fest. Das Ergebnis entsteht gerade erst, ein Ergebnis was es noch nie zuvor gab.
Mir ist nicht ganz klar, wie dein Argument funktioniert. Der Computer ist am Rechnen und das Ergebnis steht nicht fest, aber warum ist das so?




Timberlake
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Di 19. Dez 2023, 20:39

Rejsekort hat geschrieben :
Di 19. Dez 2023, 15:56
Wäre Hawkings Annahme richtig, wäre auch der freie Wille eine Illusion. Genau dies will ich mit der Argumentation wieder legen.
Weil mir Stephen Hawkings Determinismus bezüglich dieser Illusion bis dato unbekannt war , bin ich bei einer Recherche dazu auf folgende Veröffentlichung von "Wollesch" gestoßen ..
bakterienundfreierwille.wordpress.com hat geschrieben :
Der freie Wille als „effektive Theorie“.


Die ganze Diskussion mit dem freien Willen hatte sich schon auf einem Männerwochen im Harz entsponnen und geht eigentlich nur darauf zurück, dass ich Stephen Hawking, Der grosse Entwurf – Eine neue Erklärung des Universums (Reinbek 2010, Rowohlt) gelesen hatte und davon ziemlich beeindruckt war.

Ich will versuchen in diesem Artikel zusammen zu fassen, was Hawking in seinem Buch zum Thema „freier Wille“ schreibt.

....

Und jetzt kommen wir auf Seite 33/34 das erste mal zu der Sache mit dem freien Willen:
  • „Da die Menschen im Universum leben und mit den anderen Objekten darin wechselwirken, muss der naturwissenschaftliche Determinismus auch für sie gelten. Doch viele akzeptieren zwar, dass der wissenschaftliche Determinismus die physikalischen Prozesse bestimmt, machen beim menschlichen Verhalten aber eine Ausnahme, weil sie glauben, wir haben einen freien Willen.“ (S. 33 f)

    „Wenn dem so ist, an welcher Stelle unseres Stammbaums hat er sich dann entwickelt? Haben Blaualgen oder Bakterien einen freien Willen, oder ist ihr Verhalten automatisch und fällt damit unter das Diktat der Naturgesetze? Haben erst mehrzellige Organismen einen freien Willen oder sogar nur Säugetiere?“ (S. 34)

    „Obwohl wir glauben, dass wir entscheiden können, wie wir handeln, zeigen die Erkenntnisse der Molekularbiologie, dass biologische Prozesse den Gesetzen der Physik und Chemie unterworfen und daher genauso determiniert sind, wie die Planetenbahnen. Jüngere neurowisschenschaftliche Experimente bestätigen die Auffassung, dass unser materielles, den bekannten naturwissenschaftlichen Gesetzen unterworfenes Gehirn – und nicht irgendeine Instanz außerhalb dieser Gesetze – unser Handeln bestimmen.“ (S. 34)
Frage

Beinhaltet deine Argumentation zur Widerlegung von Stephen Hawkings Annahme , dass der freie Wille eine Illusion wäre , auch Blaualgen , Bakterien, mehrzellige Organismen ... ?




Burkart
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Di 19. Dez 2023, 23:01

Rejsekort hat geschrieben :
Di 19. Dez 2023, 15:56
Wäre Hawkings Annahme richtig, wäre auch der freie Wille eine Illusion. Genau dies will ich mit der Argumentation wieder legen.
Man sollte Begriffe wie "Determinismus" und "freien Willen" nicht allzu absolut sehen.

Ob wir endgültig einen Determinsmus haben, könnten wir nur entscheiden, wenn wir unsere (vor allem physische) Welt bis ins allerkleinste Detail kennen würden, das tun wir nicht.

Und wann ist ein Wille wirklich "frei"? Ist es nicht entscheidend, wie wir ihn sehen bzw. uns fühlen? Aus meiner Sicht sind wir teilweise frei (z.B. ob wir uns gerade für A oder B (oder C usw) willentlich entscheiden) und teilweise nicht (z.B. sind wir an Naturgesetze gebunden).



Der Mensch als Philosophierender ist Ausgangspunkt aller Philosophie.
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Timberlake
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Di 19. Dez 2023, 23:27

Burkart hat geschrieben :
Di 19. Dez 2023, 23:01


Ob wir endgültig einen Determinsmus haben, könnten wir nur entscheiden, wenn wir unsere (vor allem physische) Welt bis ins allerkleinste Detail kennen würden, das tun wir nicht.

Um dazu einmal Stephen Hawking höchstpersönlich zu Wort kommen zu lassen und damit auf das Thema dieses Threads zurück zu kommen ..

bakterienundfreierwille.wordpress.com hat geschrieben :
Der freie Wille als „effektive Theorie“.


Hawking weist schließlich darauf hin, dass Galilei für das Prinzip eintrat, „nachdem Beobachtung die Grundlage der Wissenschaft ist und der Zweck der Wissenschaft darin besteht, die quantitativen Beziehungen zwischen physikalischen Erscheinungen zu erforschen.“ (S. 29)
  • „Der Erste aber, der den Begriff der Naturgesetze, wie wir ihn verstehen, explizit und streng formulierte, war René Descartes (1596-1650).

    Descartes glaubte, dass alle physikalischen Phänomene als Zusammenstöße bewegter Massen erklärt werden müssten, die von drei Gesetzen regiert würde – Vorläufer von Newtons berühmten Bewegungsgesetzen. Descartes versicherte, dass diese Naturgesetze überall und jederzeit gültig seien, wobei der Gehorsam gegen die Gesetze, wie er ausdrücklich feststellte, nicht bedeute, dass die bewegten Körper beseelt seien. Descartes erkannte auch die Bedeutung dessen, was wir heute „Anfangsbedingungen“ nennen. Diese beschreiben den Zustand eines System zum Anfang des Zeitintervalls für das man Vorhersagen machen möchte. Sind die Anfangsbedingungen vorgegeben, dann bestimmen die Naturgesetze, wie sich ein System mit der Zeit entwickeln wird.. Ohne diese zusätzliche Information lässt sich die Entwicklung nicht vorhersagen. Wenn beispielsweise eine Taube zum Zeitpunkt Null direkt über uns etwas fallen lässt, wird die Bahn des fallenden Objektes von Newtons Gesetzen bestimmt. Doch das Ergebnis wir sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob die Taube zum Zeitpunkt Null ruhig auf einem Telefondraht sitzt oder mit 30 Stundenkilometern an uns vorbeifliegt. Um die physikalischen Gesetze anwenden zu können, müssen wir wissen, wie das System angefangen hat oder zumindest in welchem Zustand es sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befunden hat. (Wir können ein System mit Hilfe der Gesetze auch in die Vergangenheit zurückverfolgen.)“ (S.29 f.)
Was sind denn die Anfangsbedingungen für das , was wir meinen , dass wir auf Grund eines freien Willens tun? Nur das wir weder diese Abfangsbedingungen , noch diese Entwicklung hin zu unsrem tun kennen , heißt ja noch lange nicht , dass beides nicht von den Naturgesetzen vorher bestimmt ist . Von was soll denn dergleichen ansonsten vorherbestimmt sein?
bakterienundfreierwille.wordpress.com hat geschrieben :
Der freie Wille als „effektive Theorie“.


Und Hawking weiter:
  • „Wenn die Natur von Gesetzen geregelt wird stellen sich drei Fragen:

    1. Welchen Ursprung haben die Gesetze?
    2. Gibt es irgendwelche Ausnahmen von den Gesetzen, das heißt Wunder?
    3. Gibt es nur einen Satz möglicher Gesetze?“ (S. 32)
... etwa von irgendwelche Ausnahmen von den Gesetzen, das heißt Wunder?




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AufDerSonne
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Mi 20. Dez 2023, 14:37

Timberlake hat geschrieben :
Di 19. Dez 2023, 23:27
bakterienundfreierwille.wordpress.com hat geschrieben :
Der freie Wille als „effektive Theorie“.


Und Hawking weiter:
  • „Wenn die Natur von Gesetzen geregelt wird stellen sich drei Fragen:

    1. Welchen Ursprung haben die Gesetze?
    2. Gibt es irgendwelche Ausnahmen von den Gesetzen, das heißt Wunder?
    3. Gibt es nur einen Satz möglicher Gesetze?“ (S. 32)
Keine dieser drei Fragen stelle ich mir. Und trotzdem glaube ich an die Physik. Die Physik wie wir sie heute kennen, wurde durch Isaac Newton begründet, ist also noch nicht sehr alt. Insbesondere die theoretische Physik.
Hawking scheint mir nicht allzu tief in das Wesen der Physik vorgedrungen zu sein. Der Backbone der Physik ist die Kausalität. Ich denke, man muss sich erst einmal davon überzeugen, dass wirklich alles kausal ist, bevor man sich zu stark Gedanken über die Naturgesetze macht. Die Naturgesetze sind eigentlich ewig. Es ist müssig von einem Ursprung oder von Ausnahmen zu reden. Auch von Sätzen möglicher Gesetze.



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Jörn Budesheim
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Mi 20. Dez 2023, 15:51

„Da die Menschen im Universum leben und mit den anderen Objekten darin wechselwirken, muss der naturwissenschaftliche Determinismus auch für sie gelten. Doch viele akzeptieren zwar, dass der wissenschaftliche Determinismus die physikalischen Prozesse bestimmt, machen beim menschlichen Verhalten aber eine Ausnahme, weil sie glauben, wir haben einen freien Willen.“ (S. 33 f)

Stephen Hawking war mit der Materie offenbar nicht sehr vertraut. Eine der Hauptrichtungen der Philosophie in dieser Frage ist der Kompatibilismus, was kurz gesagt bedeutet, dass Determinismus und Freiheit miteinander vereinbar sind. Ich kann nicht sagen, ob Hawking an irgendeiner Stelle darauf eingeht. Die Zitate lesen sich nicht so.

Außerdem scheint Hawking davon auszugehen, dass die Naturgesetze die einzige Ordnung sind, mit der wir zu rechnen haben. Das ist erstaunlich. Denn meines Erachtens reicht ein Blick auf die Naturwissenschaften selbst, um zu sehen, dass hier etwas nicht stimmt. Ohne Mathematik zum Beispiel geht dort heute nicht mehr viel. Außerdem argumentieren Naturwissenschaftler durchaus für ihre Theorien. Das heißt, sie geben Gründe an, warum sie etwas für richtig halten. Damit haben wir schon zwei Bereiche, die nicht einfach den Naturgesetzen unterliegen und die normativ sind.

Wer aber für Gründe empfänglich ist, ist auch frei.




Timberlake
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Mi 20. Dez 2023, 21:26

Um dazu einmal David Hume zu zitieren, der , so zumindest meines Wissen , namentlich für diesen Kompatibilismus steht ...
  • "Es scheint wirklich, dass man diese Frage über Freiheit und Nothwendigkeit am verkehrten Ende anfasst, wenn man mit der Untersuchung der Seelenvermögen, dem Einfluss des Verstandes und der Wirksamkeit des Willens beginnt. Man muss mit einer einfachern Frage beginnen, nämlich mit der Wirksamkeit der Körper und des vernunftlosen Stoffes, und ermitteln, weshalb man hier einen Begriff von Ursachlichkeit und Nothwendigkeit bilden kann, der mehr ist, als regelmässige Verbindung der Dinge und folgeweise Schluss der Seele von einem auf den andern. Wenn diese Bestimmungen in Wahrheit den ganzen Inhalt der Nothwendigkeit ausmachen, welche bei körperlichen Dingen angenommen wird, und wenn diese Bestimmungen, wie Jedermann anerkennt, auch bei der Wirksamkeit der Seele bestehn, so ist der Streit zu Ende, oder er ist wenigstens dann nur noch ein Wortstreit."
    David Hume .. Ueber Freiheit und Nothwendigkeit.
Wenn man denn Stephen Hawkings Determinismus einen Vorwurf ganz sicher nicht machen kann , dass er ihn , so wie hier beschrieben, am am verkehrten Ende anfasst und zwar beginnend mit dem Einfluss des Verstandes und der Wirksamkeit des Willens. Denn auch er begann mit einer einfachern Frage, nämlich mit der Wirksamkeit der Körper und des vernunftlosen Stoffes ..."Wenn beispielsweise eine Taube zum Zeitpunkt Null direkt über uns etwas fallen lässt, ..."
bakterienundfreierwille.wordpress.com hat geschrieben :
Der freie Wille als „effektive Theorie“.


Hawking weist schließlich darauf hin, dass Galilei für das Prinzip eintrat, „nachdem Beobachtung die Grundlage der Wissenschaft ist und der Zweck der Wissenschaft darin besteht, die quantitativen Beziehungen zwischen physikalischen Erscheinungen zu erforschen.“ (S. 29)
  • .. Wenn beispielsweise eine Taube zum Zeitpunkt Null direkt über uns etwas fallen lässt, wird die Bahn des fallenden Objektes von Newtons Gesetzen bestimmt. Doch das Ergebnis wir sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem ob die Taube zum Zeitpunkt Null ruhig auf einem Telefondraht sitzt oder mit 30 Stundenkilometern an uns vorbeifliegt. Um die physikalischen Gesetze anwenden zu können, müssen wir wissen, wie das System angefangen hat oder zumindest in welchem Zustand es sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befunden hat. (Wir können ein System mit Hilfe der Gesetze auch in die Vergangenheit zurückverfolgen.)“ (S.29 f.)
.. in diesem Sinne , dass das , was das Fallengelassene der Taube betrifft , auch für die "Wirksamkeit der Seele besteht ( David Hume) " , ist m.E. Stephen Hawkings Determinismus zu verstehen.

Beispiel

[Werbevideo entfernt]




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