Sprezzatura - Mode und Philosophie

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Stefanie
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Sa 24. Feb 2024, 22:45

Teil 1

Philosophen beschäftigten sich mit vielen Themen. Mit Mode nicht wirklich. Mit Mode für Männer erst recht nicht.

Folgende Zitate stammen aus diesem Essay:
https://www.philomag.de/artikel/sprezza ... er-eleganz

Schon in der Antike gab es Vorbehalte gegen die Wichtigkeit der Kleidung.
"Aus tiefer Überzeugung hässlich, hatte er für Mode und Stil nichts übrig und trug Tag und Nacht dieselbe schmutzige Toga. Für Platon wurde Sokrates’ Geringschätzung des Äußerlichen zum Sinnbild für die Metaphysik der Welt: Vom Anblick her hässlich, ist Sokrates doch außerordentlich schön in seinem Wesen. Der äußere Anschein gilt Platon stets als trügerisch. Die Wahrheit verbirgt sich hinter dem, was wir sehen, und unser Weg zur Erkenntnis ist ein Prozess des Entschleierns"

Herr Kierkegaard meinte:
"Søren Kierkegaard fasste diese Verbindung zwischen Täuschung und Kleidung in die berühmten Worte: „Wer schwimmen will, legt all seine Kleider ab – wer die Wahrheit suchen will, muss sich in einer weit innerlicheren Weise entkleiden, sich aller innerlichen Kleidung entledigen, der Gedanken, Vorstellungen, der Selbstsucht etc., ehe er hinreichend nackt ist.“ Wenn die Wahrheit nackt ist, sind alle Kleidungsweisen zwangsläufig Täuschungen."

Kant hatte zur Mode auch etwas zu sagen:
"Immanuel Kant, der Begründer der modernen Ästhetik, tut die Mode in seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht mit knappen Worten ab. Er befindet, dass „die Mode eigentlich nicht eine Sache des Geschmacks“ sei, „sondern der bloßen Eitelkeit, vornehm zu tun, und des Wetteifers, einander dadurch zu übertreffen“. Die Wahl der Kleidung beruhe auf unkritischer Nachahmung, während sich der „wahre“ Geschmack – unter anderem – durch Originalität auszeichne. "

Aber es tut sich was:
Weiter aus https://www.philomag.de/artikel/sprezza ... er-eleganz

Was ist denn nun Sprezzatura?
"Die Männermode des 21. Jahrhunderts folgt dem Konzept der Sprezzatura, das unsere Auffassungen von Eleganz, Anmut, Stil und Geschmack in der Kleidung heute entscheidend prägt. Dass der Begriff zum festen Bestandteil des Modediskurses wurde, verdanken wir dem Renaissanceschriftsteller Baldassare Castiglione und seinem Buch vom Hofmann (Il Libro del Cortegiano), das 1528 im Erstdruck erschien. Darin preist Castiglione als eine Haupteigenschaft des perfekten „Hofmannes“ die Sprezzatura, definiert als „eine gewisse Art von Lässigkeit (…), die die Kunst verbirgt und bezeigt, dass das, was man tut oder sagt, anscheinend mühelos und fast ohne Nachdenken zustande gekommen ist“.
(...)

Weiter im nächsten Beitrag.



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Stefanie
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Sa 24. Feb 2024, 22:46

Teil 2
https://www.philomag.de/artikel/sprezza ... er-eleganz

"Im Sinne der formalen Originalität kommt die Sprezzatura einer, wie es einmal genannt wurde, „kunstvollen Unordnung“ oder Eleganz des Unvollkommenen gleich. Sie beschreibt einen Stil, der – scheinbar willkürlich – auf den ersten Blick uneinheitliche oder disharmonische Elemente kombiniert, die sich dann aber zu einer subtilen und eigentümlichen Eleganz zusammenfügen. Männer, die sich mit Sprezzatura kleiden, mischen Kleidungsstücke und Accessoires so, dass es nach kanonischer Auffassung als fehlerhaft gelten würde. Doch die formale Anordnung der Teile wirkt originell, ist interessant zu betrachten und löst ein Gefühl der ästhetischen Befriedigung aus.
Um das ästhetische Verdienst jener formalen Originalität besser einzuschätzen, die die Sprezzatura in der Mode bewirkt, lassen Sie mich eine Unterscheidung aufgreifen, die die Philosophin Yuriko Saito eingeführt hat. Saitos Arbeit zur Alltagsästhetik ist für diese Betrachtungen von hoher Relevanz. In ihrem Buch The Role of Imperfection on Everyday Aesthetics unterscheidet sie zwischen ästhetischem Perfektionismus und „Imperfektionismus“. Der Perfektionismus betrachtet die Vollkommenheit – im Sinn von Fehlerlosigkeit – als erstrebenswert und ihr Nichtvorhandensein als Mangel. Im Gegensatz dazu lehnt der Imperfektionismus das Vollkommene ab und macht den ästhetischen Wert des Unvollkommenen geltend. Saito bringt eine Reihe von Argumenten für den Imperfektionismus vor. Eines davon ist, dass er unser ästhetisches Erleben bereichere, da er die Bandbreite des Schätzenswerten vergrößere – indem er auch unregelmäßige, ungeordnete und raue Elemente als ästhetisch angenehm einstuft. Zudem, schreibt Saito, stimuliere das Nichtvollkommene unsere Fantasie. Anknüpfend an Joseph Addison, der das ästhetische Erleben als „die Freude der Einbildungskraft“ charakterisierte, hebt Saito hervor, dass das Ungewöhnliche – nicht nur das Schöne – unsere Fantasie anregt und unser Gehirn auf immer wieder neue, interessante Arten unterhält.
(...)
Damit erklärt sich auch der andere bedeutsame Aspekt der Mode – dass sie nicht nur eine Alltagspraxis des ästhetisch Angenehmen ist, sondern zugleich eine Aktivität, durch die wir definieren (und umdefinieren), wer wir sind und wo wir in der Welt stehen. Bei der Wahl eines bestimmten Outfits und seiner Ergänzung um unerwartete Accessoires – im Spiel mit Farben, Texturen und Mustern – geht es um weit mehr als bloß darum, wie man aussieht. Es geht darum, ein bestimmter Mensch zu sein, dessen Identität sich teilweise durch die Wahl der Kleidung definiert.
(...)
So wie Kant in der Kritik der Urteilskraft die „freien Naturschönheiten“ beschreibt, bietet uns die formale Originalität etwas, „womit Einbildungskraft ungesucht und zweckmäßig spielen kann, (sie ist) uns jederzeit neu, und man wird (ihres) Anblicks nicht überdrüssig“. In ihrem zweiten Sinn als performative Originalität betont die Sprezzatura die untrennbare Verbindung zwischen Kleidung und „Daseinsweise“. Die Etymologie des italienischen Wortes für Kleidung, abito, bringt diesen Bezug klar zum Vorschein. Abito kommt vom lateinischen habitus, das sich wiederum vom Verb habere herleitet, dessen ursprüngliche Bedeutung „sich verhalten“ war.
(...)
Wie Castiglione anmerkte, geht es bei der Sprezzatura nicht allein darum, was man trägt, sondern ebenso – und vielleicht vor allem – darum, wie man es trägt.
(...)
Entsprechend bedeutet die performative Originalität auch in der Mode, dass der eigene Auftritt echt und spontan wirkt, wenngleich er wohlüberlegt ist.
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Damit erklärt sich auch der andere bedeutsame Aspekt der Mode – dass sie nicht nur eine Alltagspraxis des ästhetisch Angenehmen ist, sondern zugleich eine Aktivität, durch die wir definieren (und umdefinieren), wer wir sind und wo wir in der Welt stehen. Bei der Wahl eines bestimmten Outfits und seiner Ergänzung um unerwartete Accessoires – im Spiel mit Farben, Texturen und Mustern – geht es um weit mehr als bloß darum, wie man aussieht. Es geht darum, ein bestimmter Mensch zu sein, dessen Identität sich teilweise durch die Wahl der Kleidung definiert.
(...)
Und die Männermode – ebenso wie die Mode im Allgemeinen – wirkt in diesem umfassenderen Sinn ebenfalls bei der Gestaltung unserer Identität mit.
(...)
Vielleicht sollten wir im Licht dieser Einsicht die folgende Bemerkung Oscar Wildes – der die philosophische Relevanz der Mode so gut erkannte wie kein anderer Intellektueller – lesen: „Nur die oberflächlichen Menschen urteilen nicht nach dem Äußeren. Das wahre Rätsel der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.



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Stefanie
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Sa 24. Feb 2024, 22:51

Nun denn..

Wie halten es den die Männer und die derzeit vier* Frauen des Forums mit der Sprezzatura bzw. mit der Mode?


.*AndreH., Eiwa, Die Unsichtbare und Stefanie, wir können Doppelkopf spielen.



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Nauplios
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So 25. Feb 2024, 01:22

"Die Philosophie setzte ihren weitgehend ungerechtfertigten Argwohn gegen die Mode in Schweigen um. Alles, was mit Kleidern und Gewändern zu tun hat, wird von ihr geflissentlich ignoriert. Bis heute gibt es kein einziges bedeutendes philosophisches Werk zu diesem Thema. Erstaunlicherweise haben nicht einmal Ästhetiker und Kunstphilosophinnen – deren Interessen doch untrennbar mit Erscheinungsformen und Anblicken verknüpft sind – seriöse Beiträge zur Analyse von Mode und Kleidungsformen vorgelegt." (Philosophie-Magazin)

Was für ein Blödsinn!

Georg Simmels 1905 vorgelegte "Philosophie der Mode" ist kein "bedeutendes Werk"?

Roland Barthes hat in "Die Sprache der Mode" die Kleidung als Zeichensystem untersucht.

Elena Esposito: "Die Verbindlichkeit des Vorübergehenden. Paradoxien der Mode"

Drei Namen, die für drei ganz unterschiedliche Richtungen stehen, für Kulturphilosophie, für Semiotik und für Systemtheorie.

Dieses "Philosophie-Magazin" wird mir zunehmend unsympathisch.




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Quk
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So 25. Feb 2024, 02:02

Stefanie hat geschrieben :
Sa 24. Feb 2024, 22:46
Teil 2
https://www.philomag.de/artikel/sprezza ... er-eleganz

"Im Sinne der formalen Originalität kommt die Sprezzatura einer, wie es einmal genannt wurde, „kunstvollen Unordnung“ oder Eleganz des Unvollkommenen gleich. Sie beschreibt einen Stil, der – scheinbar willkürlich – auf den ersten Blick uneinheitliche oder disharmonische Elemente kombiniert, die sich dann aber zu einer subtilen und eigentümlichen Eleganz zusammenfügen. Männer, die sich mit Sprezzatura kleiden, mischen Kleidungsstücke und Accessoires so, dass es nach kanonischer Auffassung als fehlerhaft gelten würde.
Das erinnert mich an was. In meiner Jugend-Endphase, so um 1980 herum, trug ich auch so eine disharmonische Kombination: Oben ein edler Sacko und unten verwaschene Blue Jeans. (Zu der Zeit wurden Jeans noch nicht vor dem Verkauf industriell verrissen und gebleicht. Sondern, wenn eine Jeans Risse hatte, die man vernähte und nicht extra weiter aufriss, so steckte hinter jedem dieser Risse eine wahre Geschichte. Eine neue Jeans mit fabrik-gestylten Löchern und Kratzern wirkt auf mich lächerlich.) Jedenfalls habe ich mich damals schon philosophisch gefragt, was mich, als Nichtanzugträger, eigentlich daran reizt, so einen Sacko zu tragen. Eine passende Hose im gleichen Stoff wie der Sacko hätte ich nie angezogen. Der Stilbruch musste sein. Warum? Ich vermute bis heute, dass der Sacko so eine Art Siegestrophäe war, als hätte ich ihn einer autoritären Person abgenommen. Ähnlich wie bei einigen nordamerikanischen Ureinwohnern, die manchen europäischen Einwanderern die Zylinderhüte und sonstige Kleidungsstücke abnahmen, diese ein wenig mit Federn verzierten und sie kombinierten mit ihren traditionellen Kleidungsstücken. Das sieht man auf alten Fotos. Das wirkte auf mich immer wie Trophäen eines Sieges der Kleinen über die Großen, und nebenbei durchaus schön und elegant, trotz ungewöhnlicher ästhetischer Kombination. Kombiniert war aber noch etwas: Es war nicht nur eine Trophäe; es war auch ein Stück wahrer Respekt vor der Welt der Eleganz. Eine Kombination aus Sieg und Respekt. Ich übertreibe das jetzt alles ein bisschen. Aber die Richtung stimmt, glaube ich.




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Jörn Budesheim
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So 25. Feb 2024, 10:40

Nauplios hat geschrieben :
So 25. Feb 2024, 01:22
"Die Philosophie setzte ihren weitgehend ungerechtfertigten Argwohn gegen die Mode in Schweigen um. Alles, was mit Kleidern und Gewändern zu tun hat, wird von ihr geflissentlich ignoriert. Bis heute gibt es kein einziges bedeutendes philosophisches Werk zu diesem Thema. Erstaunlicherweise haben nicht einmal Ästhetiker und Kunstphilosophinnen – deren Interessen doch untrennbar mit Erscheinungsformen und Anblicken verknüpft sind – seriöse Beiträge zur Analyse von Mode und Kleidungsformen vorgelegt." (Philosophie-Magazin)

Was für ein Blödsinn!

Georg Simmels 1905 vorgelegte "Philosophie der Mode" ist kein "bedeutendes Werk"?

...
Eveline Müller, Georg Simmels Modetheorie hat geschrieben : [Simmels] Grundannahme ist, dass das Phänomen der Mode aus den menschlichen Dualismen der Nachahmung und der Absonderung entsteht. Diese Dualismen kommen vor allem durch die sozialen Schichten einer Gesellschaft zutage. Das heisst, dass sich die höheren Schichten von den sie Nachahmenden tieferen immer wieder abzugrenzen versuchen, wobei sie durch diesen Abgrenzungsdrang nach neuen Moden suchen. (Simmel, 1998: 40f.) Je näher sich die Gruppen gesellschaftlich sind, desto intensiverer Modewandel entsteht (Simmel, 1998: 43).
Andrea Baldini hat geschrieben : Dieses Argument lässt uns besser verstehen, wie und warum formale Originalität uns ästhetische Befriedigung verschafft. Die überraschenden Accessoires und unkonventionellen Stilentscheidungen von Männern wie Agnelli, die sich mit Sprezzatura kleiden, eröffnen neue Möglichkeiten der Wertschätzung, indem sie Elemente wie Wanderschuhe, offene Knöpfe, ausgestellte Kragen und Armbanduhren mit förmlicher Kleidung verbinden. Der unerwartete Anblick dieser Dinge bringt unsere Vorstellungskraft in Schwung. Und ihr kunstvoll ungeordnetes Arrangement bietet so viele Anreize, dass wir uns nicht leicht daran sattsehen. So wie Kant in der Kritik der Urteilskraft die „freien Naturschönheiten“ beschreibt, bietet uns die formale Originalität etwas, „womit Einbildungskraft ungesucht und zweckmäßig spielen kann, (sie ist) uns jederzeit neu, und man wird (ihres) Anblicks nicht überdrüssig“. In ihrem zweiten Sinn als performative Originalität betont die Sprezzatura die untrennbare Verbindung zwischen Kleidung und „Daseinsweise“. Die Etymologie des italienischen Wortes für Kleidung, abito, bringt diesen Bezug klar zum Vorschein. Abito kommt vom lateinischen habitus, das sich wiederum vom Verb habere herleitet, dessen ursprüngliche Bedeutung „sich verhalten“ war.
Dass Andrea Baldini der Meinung ist, es gäbe bis heute kein einziges bedeutendes philosophisches Werk zu diesem Thema, ist tatsächlich erstaunlich. Dass er z.B. die Arbeit von Simmel nicht kennt, ist eigentlich unwahrscheinlich, oder? Vielleicht meint er, Simmel habe sich mit einem ganz anderen Thema beschäftigt als er? Während sich Baldini u.a. fragt, was die Mode originell und attraktiv macht, scheint Simmel vielleicht mehr daran interessiert zu sein, wie sie in der Gesellschaft zu verorten ist.




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Stefanie
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So 25. Feb 2024, 11:19

Simmel hatte ich auch gefunden und auch einiges gelesen, was ich so gefunden hatte.
Um das, was er beschreibt, geht es mir hier aber nicht so. Sonst würde in der Überschrift "Philosophie der Mode" stehen. Ich hatte durchaus überlegt, es zu verbinden. Wollte ich nicht, deshalb ist das hier im smalltalk Bereich und durch aus mit einem leichten Augenzwinkern.
Der Beginn des Artikels beschreibt die Situation, in der der Autor schnieke gekleidet, auf einen Professor trifft, dem offensichtlich, das was er trägt, ziemlich egal ist. Als Italiener offensichtlich mit den ästhetischen Merkmalen gerade der Männermode sozialisiert, ist das für ihn nicht nachvollziehbar. Meist herrscht immer noch vor, es zählt was im Kopf ist, und nicht was man anhat.
Gabriel trägt oft einen Anzug normal langweilig, Precht und Sloterdijk müßten zum Friseur, andere kommen hemdsärmelig daher. Also eine Offenbarung ist das nicht immer.
Künstler, hmm. Sagen wir mal so, Lüpertz kommt dem Stil von dem im Artikel genannten Gianni Agnelli schon nahe, allerdings etwas zu dick aufgetragen.
Die Einheitskleidung bei Geschäftsleute/Politiker ist ein dunkler Anzug mit hellen Hemd. Uniform, nicht wirklich Sprezzatura.
Sprezzatura meint ja ursprünglich die Fähigkeit, auch anstrengende Tätigkeiten und Aktivitäten oder solche, die langes Lernen und Üben voraussetzen, leicht und mühelos erscheinen zu lassen. Und das wird auf die Mode übertragen. Leicht, lässig, aber elegant, und das nicht nur auf die Klamotten bezogen, sondern wie es getragen wird.
Es muss nicht immer ein Anzug sein, nebenbei gesagt.
Ein Beispiel für etwas Sprezzatura ist Heiko Maas. Und der musste sich deshalb auch den einen oder anderen Kommentar gefallen lassen.
Das mit dem Spaß an Mode und Leichtigkeit scheint schwierig zu sein.

Ich hatte nach etwas ähnlichen für Frauen gesucht, aber nichts vergleichsbares gefunden.

Wir hatten hier schon camp, also jetzt mal ein anderer Stil.



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Quk
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So 25. Feb 2024, 11:58

Stefanie hat geschrieben :
So 25. Feb 2024, 11:19
..., Precht und Sloterdijk müßten zum Friseur, ...
Was für Frisuren würdest Du denen empfehlen? Kannst Du beispielhaft Frisuren bekannter Leute nennen, wie etwa die von Philipp Amthor etc.? Vielleicht inspiriert mich das dann zu einer Karikatur oder Fotomontage. (Ohne KI, versteht sich.)




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Nauplios
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So 25. Feb 2024, 12:09

Einer der Forschungsschwerpunkte von Barbara Vinken ist die Philosophie der Mode:

"Barbara Vinken ist eigentlich Literaturwissenschaftlerin – diesen Oktober ist bereits ihr zweites Buch zum Thema Mode erschienen. Es heißt „Die Blumen der Mode“ (...) und versammelt 45 essentielle Texte von Schriftstellern, Soziologen und Philosophen aus den letzten drei Jahrhunderten. Jeweils eingeleitet durch einen Kommentar der Literaturwissenschaftlerin tastet man sich Stück für Stück näher heran an die Frage: Was steckt hinter dem Geheimnis der Mode?"

Einen Vortrag zum Thema Vom unverschämten Vergnügen der Mode hat sie im Kunsthistorischem Museum Wien gehalten.

Einen umfangreichen Band mit klassischen Texten der Philosophie, der Soziologie und der Literaturwissenschaften zum Thema Mode hat Silvia Bovenschen herausgegeben: "Die Listen der Mode".

Sonja Eismann hat Grundlagentexte der Philosophie und Soziologie herausgegeben: "Absolute Fashion".

Zu nennen sind hier auch Pierre Bourdieu ("Die feinen Unterschiede") und Thorstein Veblen ("Theorie der feinen Leute") und Werner Sombart ("Wirtschaft und Mode").

Und natürlich Charles Baudelaire, ein französischer Dichter aus dem 19. Jahrhundert. Barbara Vinken hat über ihn einen Essay geschrieben: Flüchtige Mode - Ewige Schönheit

Sucht man nach Grundlagentexten zur Mode ist eine seriöse Adresse auch "Wikipedia" - Stichwort: "Mode".




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Stefanie
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So 25. Feb 2024, 12:19

Nauplios, das ist ja alles richtig.
Ich wollte aber diesen Artikel bringen. Auch für meinen Spaß, und wie gesagt mit einem Augenzwinkern.

Jetzt muss ich mich erst um meinen Marmorkuchen kümmern.



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Nauplios
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So 25. Feb 2024, 12:26

Nauplios hat geschrieben :
So 25. Feb 2024, 12:09

Silvia Bovenschen
Wenn ein 70-jähriger alter weißer Mann nach der Lektüre eines Essays von einem jungen weißen Mann auf eine Ikone des deutschen Feminismus verweisen muß, dann stimmt irgendetwas an der Ausgangslage nicht. ;)

Mehr will ich dann auch nicht zu diesem drittklassigen Aufsatz aus dem "Philosophie"-Magazin sagen.




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Stefanie
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So 25. Feb 2024, 13:28

Er behandelt einen Punkt und zwar den ästhetischen Punkt und dazu einen speziellen, die Sprezzatura der Mode für Männer.
....

Quk, die beiden Herren tragen die Haare länger bzw. lang. Auch längerer Haare müssen mal die Schere eines Friseurs spüren. Sonst wird das nichts. Wie zu sehen ist.



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Quk
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So 25. Feb 2024, 14:51

Ach so, Du meinst nur die Spitzen schneiden. Das mache ich mir immer selber. Zwei große Schnitte und fertig.

Machst Du auch Sprezzatura, Stefanie?




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Jörn Budesheim
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So 25. Feb 2024, 15:03

Man trägt immer die Mode der Zeit, es sei denn, man schneidert alles selbst, oder?




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Jörn Budesheim
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Als ich etwa 17 oder 18 Jahre alt war, hatte ich einen Schnurrbart und eine Baskenmütze schräg auf dem Kopf und etwas längere Haare, da sah ich ganz wie ein Künstler aus. Heute versuche ich, möglichst nicht wie ein Künstler auszusehen, keine Extravaganzen, alles möglichst schlicht. Das ist im Großen und Ganzen meine Vorstellung von Mode für mich.




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So 25. Feb 2024, 15:25

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Feb 2024, 15:03
Man trägt immer die Mode der Zeit, es sei denn, man schneidert alles selbst, oder?
Ich habe zwei Nähmaschinen und ich weiß, wo es Läden für uralte und zukünftige Moden gibt :-)




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Quk
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So 25. Feb 2024, 15:34

Jörn Budesheim hat geschrieben :
So 25. Feb 2024, 15:05
Als ich etwa 17 oder 18 Jahre alt war, hatte ich einen Schnurrbart und eine Baskenmütze schräg auf dem Kopf und etwas längere Haare, da sah ich ganz wie ein Künstler aus. Heute versuche ich, möglichst nicht wie ein Künstler auszusehen, keine Extravaganzen, alles möglichst schlicht. Das ist im Großen und Ganzen meine Vorstellung von Mode für mich.
Hattest Du auch ein Baguette unter dem Arm? :-)

Modemäßig stecke ich in einer Zwickmühle: Ich würde gerne Sachen tragen, die mir aus ästhetischen Gründen gefallen, bin aber unfähig, es zu tun, weil ich introvertiert bin und nicht auffallen will. Würden viele sich so anziehen, wie ich es gerne will, würde ich das auch tun, weil ich dann nicht mehr auffiele. Es geht mir persönlich also nicht um soziale Außergewöhnlichkeit, sondern um eine ästhetische Augenweide.




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Jörn Budesheim
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Quk hat geschrieben :
So 25. Feb 2024, 15:34
Hattest Du auch ein Baguette unter dem Arm? :-)
Gelegentlich




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Jörn Budesheim
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Andrea Baldini hat geschrieben : Um das ästhetische Verdienst jener formalen Originalität besser einzuschätzen, die die Sprezzatura in der Mode bewirkt, lassen Sie mich eine Unterscheidung aufgreifen, die die Philosophin Yuriko Saito eingeführt hat. Saitos Arbeit zur Alltagsästhetik ist für diese Betrachtungen von hoher Relevanz. In ihrem Buch The Role of Imperfection on Everyday Aesthetics unterscheidet sie zwischen ästhetischem Perfektionismus und „Imperfektionismus“. Der Perfektionismus betrachtet die Vollkommenheit – im Sinn von Fehlerlosigkeit – als erstrebenswert und ihr Nichtvorhandensein als Mangel. Im Gegensatz dazu lehnt der Imperfektionismus das Vollkommene ab und macht den ästhetischen Wert des Unvollkommenen geltend. Saito bringt eine Reihe von Argumenten für den Imperfektionismus vor. Eines davon ist, dass er unser ästhetisches Erleben bereichere, da er die Bandbreite des Schätzenswerten vergrößere – indem er auch unregelmäßige, ungeordnete und raue Elemente als ästhetisch angenehm einstuft. Zudem, schreibt Saito, stimuliere das Nichtvollkommene unsere Fantasie. Anknüpfend an Joseph Addison, der das ästhetische Erleben als „die Freude der Einbildungskraft“ charakterisierte, hebt Saito hervor, dass das Ungewöhnliche – nicht nur das Schöne – unsere Fantasie anregt und unser Gehirn auf immer wieder neue, interessante Arten unterhält.
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"Perfektionismus" und "Imperfektionismus"
Der Künstler Nam June Paik hat meines Erachtens recht. Die Schönheit darf nicht völlig perfekt sein, sonst ist sie immer von der Langeweile und zu großen Gleichförmigkeit bedroht, irgendwo muss es eine Imperfektion geben, damit die Schönheit (im-)perfekt ist. Perfektionismus und Imperfektionismus sind also nicht einfach nur zwei Pole, sondern der Imperfektionismus muss in irgendeiner raffinierten Weise Teil des Perfektionismus sein, weil dieser ohne jenen nicht "perfekt "ist.




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Quk
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So 25. Feb 2024, 17:52

Genau. Das gilt übrigens auch für Haarschnitte, meine ich. Wenn eine Frisur so perfekt ist, dass sie aussieht wie ein Plastikhelm, dann ist das in meinen Augen nicht mehr schön. Es gibt auch perfekte Pseudo-Imperfektion. Das merkt man einfach. Der gestylte Fehler ist eben kein echter Fehler; er ist ein falscher Fehler. Er ist unwahr. Er sieht peinlich aus, weil er gewollt ist, aber nicht gekonnt. Das gilt für allerlei. Auch für das Styling in Hollywood-Filmen.




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