Staunen

Philosophie Chat: Hier wird geplaudert über Gott und die Welt.
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Stefanie
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Mo 3. Jun 2024, 15:51

In einem anderen Faden kam die Frage auf, was ist das denn nun, das Staunen?
Gute Frage. Also angefangen zu suchen. Über die Ergebnisse könnte man eine ganz lange Abhandlung schreiben.

Hannah Arendt staunte, dass die Welt existiert und nicht nichts ist. So in der Richtung hatte ich das bislang verstanden.

Ich fange mal mit einer Einleitung an, die ich zitiere, weil sie mir gefällt.
Quelle: https://www.kindergartenpaedagogik.de/f ... ogik/1055/

Wir gewinnen im Staunen neuartige Erkenntnisse von der Welt, lernen uns selbst oder unsere Psyche anders kennen und begegnen den anderen anders als zuvor. Im Staunen spielt sich somit zugleich ein Erkenntnis-, Psycho- und Soziodrama ab. In der Art, wie und worüber wir staunen, zeigt sich, was für uns Erkennen bedeutet - Staunen ist ein Erkenntnisdrama; ferner zeigt sich im Staunen ein Psychodrama, wie wir uns selbst verstehen, und schließlich zeigt sich im Staunen ein Soziodrama, wie wir uns zu den anderen verhalten. So ist etwa der See mit den Bäumen und Häusern ringsherum von Eis und dickem Raureif überzogen. Sein Anblick ruft bei einer Frau den staunenden Ausruf hervor: "Da sieht man richtig den Frost!" Ihr Begleiter dagegen kommentiert nüchtern: "Ich sehe nur, dass der See zugefroren ist." Sieht man einmal von naheliegenden Deutungen wie einer gestörten Beziehung, schlechter Laune oder sprachlichen Spitzfindigkeiten ab (man kann nicht ein Abstraktum wie Frost, wohl aber konkrete, frostige Dinge sinnlich wahrnehmen), scheint diese Szene zunächst typisch zu sein für eine rollenspezifische Arbeitsteilung. Die Frau ist kompensatorisch "als Frau" für romantische Gefühle zuständig, der Mann dagegen "als Mann" für das unmittelbar Praktische und Greifbare. Über alle rollenspezifischen Differenzen hinaus aber leben wir alle bis in den letzten Winkel des Erdglobus und schließlich des gesamten Universums in einer wissenschaftlich-technischen Welt, die allem und jedem nur durch menschliches Messen, Zählen und Wiegen einen Sinn verleiht.

Der Soziologe Max Weber spricht daher in seiner berühmten Rede "Wissenschaft als Beruf" (1917) von einer "entzauberten Welt", in der "prinzipiell keine geheimnisvollen, unberechenbaren Mächte" mehr gelten, sondern "alle Dinge - im Prinzip - durch Berechnen" beherrschbar seien. In ihr bleibt kein Platz mehr übrig für etwas, über das wir wirklich staunen können, einfach so. In der "entzauberten Welt" bleiben für ein zweckfreies Staunen höchstens vereinzelte Momente für Verliebte, Dichter, fromme Seelen, einfache Gemüter oder Spinner und Kinder übrig. Der Realist oder der Mann von Welt dagegen lässt sich durch nichts aus der Fassung bringen. Coolness gilt besonders bei Jugendlichen als Zeichen des Erwachsenseins, der perfekten Selbst- und Weltbeherrschung, wie wir sie uns in den Film- und Computerhelden selber vormachen.

Wir staunen zwar im Alltag über vieles, das wir so nicht erwartet haben, nicht verstehen können oder uns bisher nicht vorstellen konnten, über großartige Rekorde im Sport, Neues aus Wissenschaft und Technik, besondere Leistungen oder spektakuläre Ereignisse. Die Wunder des Alltags aber nehmen wir selten als staunenswert wahr: den zugefrorenen See, den Aufgang und Untergang der Sonne, die weite Landschaft, die hohen Berge, den Sternenhimmel, die blühende Blume, das neugeborene Kind, das Lächeln eines Menschen. Ein Staunen, das uns innehalten lässt und uns zum Nachdenken über den Sinn der Welt und unseres Daseins bringt, hat in unserem Alltag kaum einen Platz. Unser Staunen ist meistens auf Brauchbares und Nützliches eingestellt; wir sind neugierig auf Raritäten und Monströses und suchen einen Kitzel, der uns aus dem Alltagstrott befreien soll. Unser Staunen gilt immer größeren Rekorden und Superlativen, verweilt aber kaum beim Einzelnen und dem zunächst Unscheinbaren. Einfach so staunen, "baff" oder "außer sich sein" und innehalten gilt dem Zeitgeist der aufgeklärten Moderne als sentimentale Spinnerei. Staunen, so scheint es, tun nur die Dummen und die Kinder. Der aufgeklärt Zeitgenosse fragt nur spitz: "Was gibt's denn da zu staunen?"



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Quk
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Mo 3. Jun 2024, 20:03

Ich denke, das Staunen ist das Wohlgefühl beim Erfahren einer außergewöhnlichen und unschädlichen Neuigkeit. Wohlgefühle erscheinen bei Lernerfolgen. Sie sind die befriedigende Belohnung der Lernlust -- egal ob beim aktiven Lernen oder beim Überraschtwerden. Beim Überraschtwerden spezifiziere ich dieses Wohlgefühl als ein Staungefühl. Unschädlich muss die überraschende Neuigkeit deshalb sein, weil ich das Wort "Staunen" nicht bei schädlichen Überraschungen verwende.

Nun kann man es als vereinbarte Wortdefinition auffassen, dass man nicht über Schädliches staunt, beispielsweise über die außergewöhnliche Raffinesse eines grausamen Mordes. Man kann es aber auch anders erklären: Angesichts einer Grausamkeit bleibt das Staunen "im Hals stecken"; es kommt kein Wohlgefühl zustande, und somit auch kein Staungefühl.




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Stefanie
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Mo 3. Jun 2024, 21:03

Warum nur bei einer Neuigkeit? Was ist denn eine Neuigkeit, also neu?

Jeder Regenbogen ist anders, Wolkenformationen sind immer anders. Letztens war das so, dass sich vor den weißen Wolken schwarze Wolken schoben und dahinter blieben die weißen Wolken. Die standen still, so 5 Minuten. So hatte ich das bis dahin noch nie gesehen. Staunen meinerseits.
Etwas eigentlich Bekanntes kann in einer anderen Situation etwas neues sein. Ich habe schon erfahren, wie sich Hagel anhört, wenn man in einem Auto fährt, aber bis vor kurzem wusste ich nicht, wie sich dies bei meinem Auto (Glasdach) anhört. Viel höher im Ton, als bei einem Blechdach. Ich war erstaunt.



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Jörn Budesheim
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Mo 3. Jun 2024, 21:42

Quk hat geschrieben :
Mo 3. Jun 2024, 20:03
Ich denke, das Staunen ist das Wohlgefühl beim Erfahren einer außergewöhnlichen und unschädlichen Neuigkeit.
Ich sehe das ähnlich wie Stefanie. Der Gegenstand des Staunens ist - wie du sagst - das Außergewöhnliche. Aber so wie Stefanie es sagt und anders als du es sagst, muss es keine Neuigkeit sein. Zum Beispiel kann man über faszinierende Kunstwerke immer wieder schauen und auch der Umstand, dass überhaupt etwas existiert und nicht nichts, kann immer wieder Anlass zum Staunen geben.




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Quk
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Mo 3. Jun 2024, 21:57

Ich habe die Kritik kommen sehen und ahnte, dass ich den Begriff "Neuigkeit" in diesem Kontext präzisieren werden muss: Wie ein Orgasmus oder ein Jubel verstummt auch das Staunen über XY nach einer gewissen Zeit. Der Blick auf XY wird dann für eine Weile nicht mehr erregen. Irgendwann aber wird XY auf seine eigene besondere Art wieder bewusst; so, wie beim ersten Mal. Es kommt "erneut" zum Staunen, auch wenn XY schon bekannt war. Statt "neu" sollte ich für diesen Kontext vielleicht ein anderes Wort wählen. Wiederentdeckung, Auffrischung, Wiederbelebung ... irgendetwas in diese Richtung ...




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Jörn Budesheim
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Di 4. Jun 2024, 20:14

Nicola Gess, Staunen, Eine Poetik hat geschrieben : ... Der US-amerikanische Philosoph Jesse Prinz verfolgt in seiner Kunsttheorie Works of Wonder die These, dass sich Kunst – und er bezieht seine Beispiele ausschließlich aus der bildenden Kunst – durch die Evokation von STAUNEN (›wonder‹) definiere:
  • The unity of art […] is found in the fact that artworks, when successful, evoke wonder. In that sense, artworks can be called works of wonder. Their essence lies not in their form or function, but in the fact that we see them as potential sources of that coveted emotional response. (Kap. 9, S. 46)
Dabei unterscheidet Prinz, der als formales Objekt des STAUNENS das Außergewöhnliche bestimmt, grundsätzlich drei Dimensionen von STAUNEN:
  1. die kognitive Dimension, nach der Staunen aus einem (noch) Nicht-Verstehen entsteht. In diesem Sinne kann STAUNEN auch als eine epistemische Emotion verstanden werden, die der Neugier ebenso verwandt ist wie der Verwirrung;
  2. die sinnliche Dimension, die in den Vordergrund rückt, wenn wir in unserem Tun / Denken innehalten und ein erstaunliches Ereignis oder Objekt (erst einmal) mit unseren Sinnen explorieren;
  3. die spirituelle Dimension, in der wir Ehrfurcht oder Bewunderung empfinden und in der sich das Selbst durch das erstaunliche Objekt zugleich erhoben und erniedrigt fühlt.
Im STAUNEN sind alle diese Dimensionen gleichzeitig präsent, können jedoch unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Aus der Differenzierung der verschiedenen Dimensionen und Stärkegrade des STAUNENS entwickelt Prinz am Ende seines Buches auch eine normative Perspektive: Wenn Kunst sich dadurch auszeichnet, dass sie uns zu einer ästhetischen Haltung und einer Bewertung nach ästhetischen Maßstäben herausfordert, die sich in der Frage zusammenfassen lassen, ob das Kunstwerk uns in STAUNEN zu versetzen vermag, so kann es sich bei einem Werk, das eine oder mehrere der Dimensionen des STAUNENS nicht anspricht, nicht um (gute) Kunst handeln...




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Stefanie
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Mi 5. Jun 2024, 19:54

Quk hat geschrieben :
Mo 3. Jun 2024, 21:57
Ich habe die Kritik kommen sehen und ahnte, dass ich den Begriff "Neuigkeit" in diesem Kontext präzisieren werden muss: Wie ein Orgasmus oder ein Jubel verstummt auch das Staunen über XY nach einer gewissen Zeit. Der Blick auf XY wird dann für eine Weile nicht mehr erregen. Irgendwann aber wird XY auf seine eigene besondere Art wieder bewusst; so, wie beim ersten Mal. Es kommt "erneut" zum Staunen, auch wenn XY schon bekannt war. Statt "neu" sollte ich für diesen Kontext vielleicht ein anderes Wort wählen. Wiederentdeckung, Auffrischung, Wiederbelebung ... irgendetwas in diese Richtung ...
XY ist, wenn das Irgendwann eintritt, anders, als beim ersten Mal. Allein die zeitliche Spanne, die vergangen ist, bewirkt doch, dass XY nicht mehr völlig identisch ist mit dem ersten XY, oder? Es ändert sich doch alles. Und wenn es nur die Situation ist, in der man erneut auf XY trifft. Eine Veränderung kann doch so groß sein, dass XY neu ist. Oder mindestens zu XY 2.0 wird.

Ich hatte gestern einen Gedanken, den ich nicht mehr formuliert bekomme.



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Quk
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Mi 5. Jun 2024, 20:08

Ja, ich denke auch, dass XY variieren kann -- zum einen kann XY selbst variieren, etwa wenn XY ein Lied ist und verschieden aufgeführt wird; zum anderen, weil meine stetig hinzukommenden Erfahrungen dann meine Wahrnehmung erweitern und verfeinern. Man entdeckt in XY neue Details, die XY neu hinzugestellt hat, oder die alt sind und ich nur vorher nicht sah.




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Stefanie
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Mi 5. Jun 2024, 20:11

Jörn
Dabei unterscheidet Prinz, der als formales Objekt des STAUNENS das Außergewöhnliche bestimmt,
Zu meinem Verständnis, das Außergewöhnliche ist das Objekt, über das gestaunt wird?
Was ist denn das Außergewöhnliche? Alles was einem tagtäglich über den Weg laufen könnte wohl nicht. Als kein Regenbogen und auch nicht Beispiel am Anfang des von mir zitierten Textes?

Mir geht natürlich dieses "erniedrigt" bei der spirituellen Dimension erstmal gegen den Strich. Wie meint Prinz das denn, oder gibt es dazu ein Beispiel, bei dem man sich beim Staunen erniedrigt fühlt?



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Quk
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Mi 5. Jun 2024, 20:22

Gewohnheit ist in meinen Augen dasjenige, was oft und ohne Variation wiederholt wird.

Entsprechend trifft dies nicht zu auf das Außergewöhnliche.




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Jörn Budesheim
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Mi 5. Jun 2024, 20:24

Stefanie hat geschrieben :
Mi 5. Jun 2024, 20:11
"erniedrigt"
Bei "erniedrigt" würde ich an "das Erhabene" denken: Der Sternenhimmel, ein gewaltiges Unwetter, das Meer, ein Gebirge und ähnliches. Ich kenne die Theorie aber nicht, sondern nur diese kurze Zusammenfassung.




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Stefanie
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Mi 5. Jun 2024, 20:49

Hmm. Meine eine fühlt sich beim Anblick des Meeres nicht erniedrigt, sondern staunend begeistert.
Nun gut...



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Jörn Budesheim
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Mi 5. Jun 2024, 20:52

Hast du beim Anblick des Meeres nie das Gefühl, dass es doch ziemlich groß ist und du ziemlich klein?




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Quk
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Mi 5. Jun 2024, 20:58

"Erniedrigt". -- Stefanie, vermutlich denkst Du aus beruflicher Gewohnheit dabei an soziale Erniedrigung von Mensch zu Mensch. Im obigen Kontext denke ich eher nicht an soziales, sondern an astronomische Größenordnungen von Mensch zu ...




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Stefanie
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Mi 5. Jun 2024, 21:34

Das Meer ist riesig und ich nicht, die Entfernung von meiner Couch zum Mond ist astronomisch....sicher. Ein Unwetter ist nicht beherrschbar. Und ja, erniedrigt werden kann man meiner Meinung nach nur durch andere Menschen, aber nicht von Naturgewalten etc. Diese sind nicht bösartig. Ein Sturmflut oder die Wassermassen jetzt in Süddeutschland oder 2021 hier um die Ecke waren keine bösartige Launen der Natur. Die Erkenntnis, dass wir uns bestimmte Ereignisse selbst eingebrockt haben, oder das nicht wir die Naturgewalten beherrschen, sondern es umgekehrt ist, ist eben so. Das ist zu akzeptieren.
Einen Menschen oder ein anderes Lebewesen zu erniedrigen, bringt nur der Mensch fertig. Nur wir sind so bösartig.



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Jörn Budesheim
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Mi 5. Jun 2024, 21:41

Stefanie hat geschrieben :
Mi 5. Jun 2024, 21:34
Und ja, erniedrigt werden kann man meiner Meinung nach nur durch andere Menschen, aber nicht von Naturgewalten etc.
Der Begriff "erniedrigt" gefällt mir in diesem Zusammenhang eigentlich ganz gut, weil er eine gewisse Provokation zu enthalten scheint. Vielleicht ist es aber auch eine problematische Übersetzung oder es gibt kein gutes deutsches Äquivalent für den Originalbegriff. Vielleicht ist es aber auch ein gewünschter Verfremdungseffekt. Jedenfalls habe ich eine ungefähre Vorstellung davon, was der Autor gemeint haben könnte, sicher nicht das, was du skizziert hast.

(Vielleicht muss man verschiedene Formen der "Abweichung" bei der Verwendung von Begriffen unterscheiden. Man kann Begriffe einfach falsch verwenden, wenn man zum Beispiel transzendental sagt, obwohl man transzendent meint. Man kann Begriffe aber auch gegen den Strich bürsten oder wie auch immer man das nennen will, so dass sie eine Provokation oder einen Verfremdungseffekt enthalten.)




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Stefanie
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Mi 5. Jun 2024, 21:51

Die Begriffe Ehrfurcht und Bewunderung gerade bei den genannten Beispielen finde ich passend. Auch Respekt und Achtung. Aber nicht das hier von Prinz: "das Selbst durch das erstaunliche Objekt zugleich erhoben und erniedrigt fühlt."



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Mi 5. Jun 2024, 22:13

)
Jörn
Man kann Begriffe aber auch gegen den Strich bürsten oder wie auch immer man das nennen will, so dass sie eine Provokation oder einen Verfremdungseffekt enthalten.
In Bezug auf Kunst lässt sich das nachvollziehen, allerdings nicht bei den von Dir genannten Beispielen. Finde ich.



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Quk
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Mi 5. Jun 2024, 22:53

"Erhoben und erniedrigt". -- Die Betonung könnte auf den Gegenteilen "hoch versus niedrig" liegen. Und wenn dieses Wortpaar aus einer anderen Sprache übersetzt wurde, könnte es sein, dass in der Originalsprache das verwendete Wort für eine Abwärtsbewegung tatsächlich keinen sozialen Kontext hat, und nur im Deutschen eine Doppelbedeutung mit sozialem Kontext haben könnte. Wenn wir etwa im Englischen sagen "increase" und "decrease" im mathematischen Sinn, wie sagen wir das auf deutsch? Erhöhen und ...? Vergrößern und verkleinern? -- Andererseits, wenn man das im sozialen Sinn liest, bekommen ja all diese Wörter auch einen sozialen Sinn: Verkleinern, reduzieren, schrumpfen ...




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Stefanie
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Do 6. Jun 2024, 09:42

Ich bin mir nicht sicher, ob es der Originaltext von Prinz ist:
https://www.researchgate.net/publicatio ... lue_of_art

Die Länge und Fachbegriffe etc. sind doch etwas zu schwierig für mein Englisch:
Auszug:
We think wonder has three subemotional components: cognitive, perceptual, andspiritual. Cognitively, wonder involves appraisals of perplexity—wondrous thingsare hard to fully capture in our conceptual schemes. Perceptually, wondrous thingsengage and captivate our senses. Spiritually, wondrous things are regarded withreverence; we look up to them.

These facial actions may relate to the subemotional components of wonder: per-plexity is expressed by the slack jaw, sensory engagement by the widened eyes, andreverence by the head lift. These components may also potentiate related actions.Perplexing things stop us in our tracks, sensorily engaging things motivate us to gazeand explore, and things that instill reverence impel us to lower ourselves and look up,both figuratively and literally.

Und hier schreibt er u.a.:
https://aeon.co/essays/why-wonder-is-th ... l-emotions
English contains many words related to this multifarious emotion. At the mild end of the spectrum, we talk about things being marvellous. More intense episodes might be described as stunning or astonishing. At the extreme, we find experiences of awe and the sublime. These terms seem to refer to the same affect at different levels of intensity, just as anger progresses from mild irritation to violent fury, and sadness ranges from wistfulness to abject despair.



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