Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑ Di 17. Sep 2024, 10:32
Es geht also im Kern um die linke Idee der Gerechtigkeit.
Was ist so schwer daran zu verstehen, daß ein Mafioso, der den gerechten Anteil an der Beute verlangt, kein linker Kämpfer für Gerechtigkeit ist? Das habe ich allgemein formuliert, was verstehst Du nicht an meiner Aussage? Worin besteht in dieser Aussage die "Verdrehung"? Der Mafioso wird diskriminiert, wenn ihm der gerechte Anteil an der Beute verwehrt wird. Kämpft er für die linke Sache?
Ich habe nicht gesagt, daß der Kampf für ein partikulares Ziel sich nicht einbetten läßt in eine linke Zielsetzung. Die meisten woken Ziele kann man in eine linke Politik einbetten. Aber sie sind für sich genommen eben noch nicht links. Im Übrigen gibt es durchaus berechtigte nichtlinke Ziele. Und genau diese führen gelegentlich zu großen Mißverständnissen und dem Verlust eines ethischen Standpunkts. Ein linkes Ziel ist, weil es allgemein Emanzipation bedeutet, die Herstellung größerer Komplexitätstoleranz. Für mich bspw ist Schönberg der größte Komponist unserer Zeit, ich wünsche mir, daß alle Menschen lernen, dessen Musik zu lieben. Aber das ist noch auf lange Sicht illusorisch. Die Menschen brauchen viel Freiheit und Muße, um diesen Zustand zu erreichen. Und mancher wird es dann immer noch nicht packen. Ich verstehe gut, daß Menschen, die von den Verhältnissen so sehr bedrückt sind, sich Stabilität wünschen, von Komplexität bedroht fühlen. Da ist links nicht, sie mit Komplexität zu malträtieren, sondern die Ordnung so verbessern, daß sie in Komplexität einen Gewinn sehen können. Ich muß das nichtlinke Bedürfnis ernst nehmen, auch wenn es meinen linken Vorstellungen widerspricht, der Bedrängte hat subjektiv recht. Und er hätte sogar objektiv recht, wenn es zur conditio humana gehörte, daß der Mensch grundsätzlich von Komplexität überfordert wäre. Nur bin ich nicht dieser Auffassung, ich widerspreche dem konservativen Denken, daß die Idee der zivilisatorischen Komplexitätssteigerung gegen die Natur des Menschen und daher eine (linke) Zumutung ist. Die Komplexität muß lebbar werden, solange sie das nicht ist, ist der konservative Vorbehalt richtig.
"Es ist nicht zielführend, diese Anliegen gegeneinander auszuspielen. Warum sollte man nicht beide Ziele verfolgen?"
Nein. Da hast Du mein Argument nicht verstanden. Ich habe nicht beides gegeneinander ausgespielt, sondern differenziert, Man braucht natürlich nicht in dem von mir benutzten Sinne links sein, man kann sogar darin "recht" haben, wie ich oben beschrieben habe, nur ist das eben nicht links, wenn links kategorial richtig gefaßt wird, also Emanzipation wirklich Emanzipation heißt (nicht der Mafioso emanzipiert ist, wenn er den "gerechten" Anteil fordert). Ich akzeptiere, daß man andere Vorstellungen als die klassischen linken hat, ich akzeptiere nicht, daß man das links nennt. Aber klar ist, wir müssen wohl darüber streiten, ob die linke Perspektive vernünftig ist.