Erinnerungen oder was ist eine Unzeit
Das wollte ich im Thread Spaemanns Gottesbeweis viewtopic.php?f=24&t=141 mitteilen, aber das hätte meinen Beitrag überladen.
Hier könnt ihr eure Gedanken zur Zeit, zum Jetzt, zur Ewigkeit und Endlichkeit jederzeit und -unzeit ungehemmt ausleben
Erinnerungen bezeugen die gewesene Faktizität von etwas als neue Faktizität der Erinnerung. ‚Wir sassen gestern im Garten‘ ist ein Fakt, der in der Erinnerung als Erinnertes fortdauert, d.h. als gewesene Tatsache, aber nicht mehr als seiende Tatsache. Seiend ist heute die Tatsache des Erinnerns von etwas, das gestern seiend war. Offenbar vertauschen sich zu einem bestimmten Punkt die Faktizität des Ontischen und die Faktizität des Fortdauerns in der Erinnerung. Und dieser Zeitpunkt ist der Präsens.
Das führt aber unweigerlich zu schönen Gedanken über die Unzeitigkeit des Jetzt als die unendliche Teilbarkeit eines Moments. Es gibt überhaupt keine passende Begrifflichkeit für dieses Jetzt, weil jeder Begriff zu gross ist für diesen unendlich kleinen Zwischenraum zwischen Vergangenem und Werdendem.
Darüber liesse sich sehr viel Poesie schreiben. Das Jetzt hat für mich eine ganz besondere Romantik
Hier könnt ihr eure Gedanken zur Zeit, zum Jetzt, zur Ewigkeit und Endlichkeit jederzeit und -unzeit ungehemmt ausleben
Erinnerungen bezeugen die gewesene Faktizität von etwas als neue Faktizität der Erinnerung. ‚Wir sassen gestern im Garten‘ ist ein Fakt, der in der Erinnerung als Erinnertes fortdauert, d.h. als gewesene Tatsache, aber nicht mehr als seiende Tatsache. Seiend ist heute die Tatsache des Erinnerns von etwas, das gestern seiend war. Offenbar vertauschen sich zu einem bestimmten Punkt die Faktizität des Ontischen und die Faktizität des Fortdauerns in der Erinnerung. Und dieser Zeitpunkt ist der Präsens.
Das führt aber unweigerlich zu schönen Gedanken über die Unzeitigkeit des Jetzt als die unendliche Teilbarkeit eines Moments. Es gibt überhaupt keine passende Begrifflichkeit für dieses Jetzt, weil jeder Begriff zu gross ist für diesen unendlich kleinen Zwischenraum zwischen Vergangenem und Werdendem.
Darüber liesse sich sehr viel Poesie schreiben. Das Jetzt hat für mich eine ganz besondere Romantik
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Alle lächeln in derselben Sprache.
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Und wenn du dich nicht erinnerst, hast du nicht gestern im Garten gesessen...?!? Dementen könnte es also nicht passieren, dass sie gestern im Garten saßen...?!? Was im Rahmen eines hinreichendes Rausches stattfand hätte also gar nicht stattgefunden...?!?
Das deuchte mich ein wenig suspekt... *g
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Das müsste kein Diskussionsthread sein, also nicht unbedingt eine dialektische Form haben. Es geht ja nicht ums Rechthaben oder um den Sieg der Wahrheit über die Wahrheit
Abe nun zur Antwort: Doch, doch, natürlich habe ich im Garten gesessen. Aber wie lange bleibt es wahr, dass es war?
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Alle lächeln in derselben Sprache.
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Hmm... Was sollte den Wahrheitsgehalt einer potentiellen Aussage, ob nun aktuell, morgen oder in 1 Mia. Jahren, denn infrage stellen können. Was stattgefunden hat, hat eben stattgefunden, egal, ob das noch irgendjemanden interessiert oder nicht. Dass ich dies nun geschrieben (edit: und korrigiert) habe kann schlicht wahr ausgesagt werden, denn es ist passiert. Alles, was je tatsächlich passiert ist kann immer als wahr ausgesagt werden, selbst, wenn niemand es mehr aussagen könnte. (Falls nicht, stünde infrage, welches Konzept von Zeit zutreffend wäre.)Alethos hat geschrieben : ↑Mo 16. Okt 2017, 23:14Das müsste kein Diskussionsthread sein, also nicht unbedingt eine dialektische Form haben. Es geht ja nicht ums Rechthaben oder um den Sieg der Wahrheit über die Wahrheit
Abe nun zur Antwort: Doch, doch, natürlich habe ich im Garten gesessen. Aber wie lange bleibt es wahr, dass es war?
- Jörn Budesheim
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Hmm, für mich schwer zu verstehen. Ich lese es so, dass du sagst die Vergangenheit und die Erinnerung daran vertauschen sich in der Gegenwart. Mir ist nicht klar, was "vertauschen" hier bedeuten könnte...Alethos hat geschrieben : ↑Mo 16. Okt 2017, 22:14Offenbar vertauschen sich zu einem bestimmten Punkt die Faktizität des Ontischen und die Faktizität des Fortdauerns in der Erinnerung. Und dieser Zeitpunkt ist der Präsens.
Das führt aber unweigerlich zu schönen Gedanken über die Unzeitigkeit des Jetzt als die unendliche Teilbarkeit eines Moments.
- Jörn Budesheim
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Wenn man meint, nur Ansichten, Propositionen, Sätze oder ähnliches könnten wahr sein, dann entsteht dieses Problem tatsächlich. Denn dann kann es keine Wahrheiten geben, wenn es keine Wesen gibt, die Ansichten oder dergleichen haben. Wenn man dagegen wie ich eine ontische Wahrheitstheorie vertritt, entsteht dieses Problem nicht und auch der Gottesbeweis Spaemanns wird damit hinfällig.
Das sind so Gedanken von mir, bei denen ich ein Verstehen nicht durchsetzen möchte, sondern auf ein Wohlwollen hoffe.Jörn Budesheim hat geschrieben : ↑Di 17. Okt 2017, 05:40Hmm, für mich schwer zu verstehen. Ich lese es so, dass du sagst die Vergangenheit und die Erinnerung daran vertauschen sich in der Gegenwart. Mir ist nicht klar, was "vertauschen" hier bedeuten könnte...Alethos hat geschrieben : ↑Mo 16. Okt 2017, 22:14Offenbar vertauschen sich zu einem bestimmten Punkt die Faktizität des Ontischen und die Faktizität des Fortdauerns in der Erinnerung. Und dieser Zeitpunkt ist der Präsens.
Das führt aber unweigerlich zu schönen Gedanken über die Unzeitigkeit des Jetzt als die unendliche Teilbarkeit eines Moments.
Habe hier mehr spekulative als argumentative Absichten...
Was ich meinte, ist folgendes:
Gehen wir davon aus, dass das Sitzen im Garten ontisch ist. Der Stuhl, der Tisch, der Garten und Wir in der Handlung des Sitzens begriffen, das sei eine ontische Gegebenheit. Das ist spürbar, sichtbar, das sei ein ontischer Fakt.
In jenem Moment, wo die Handlung des Sitzens aufhört und übergeht in eine andere Handlung, also dieses Wir einen andere Zustand einnimmt, dort geht der oben genannte ontische Status über in ein Erinnertsein. Unser Sitzen ist nicht mehr als nur noch in der Erinnerung.
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Alle lächeln in derselben Sprache.
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Denkst du, das es zutreffend ist, dass deine Urururururururururururururururururgroßeltern jenen deiner Vorfahren gezeugt haben, der letztlich zu deiner Zeugung führte? Erinnert sich da jemand dran (Hint: Dein Genom stellt kein Subjekt dar, das des Erinnerns fähig wäre.)
Auch erinnert sich niemand daran, dass vor zwei-/dreitausend Jahren ein Meteor das heutige Bayern und Umgebung verwüstet hat. Das lässt sich nicht aus Erinnerung nachvollziehen, sondern aus Nachweisen. etcppqrstxyvw.
Ja, so sehe ich das auch.
Es gibt einige ewige Wahrheiten.
Oder sogar jede?
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)
Das ist ein sehr merkwürdiges Beispiel, weil du mir direkt ein gutes Argument für meine Behauptung lieferstnovon hat geschrieben : ↑Di 17. Okt 2017, 21:17Denkst du, das es zutreffend ist, dass deine Urururururururururururururururururgroßeltern jenen deiner Vorfahren gezeugt haben, der letztlich zu deiner Zeugung führte? Erinnert sich da jemand dran (Hint: Dein Genom stellt kein Subjekt dar, das des Erinnerns fähig wäre.)
Auch erinnert sich niemand daran, dass vor zwei-/dreitausend Jahren ein Meteor das heutige Bayern und Umgebung verwüstet hat. Das lässt sich nicht aus Erinnerung nachvollziehen, sondern aus Nachweisen. etcppqrstxyvw.
Ich bin ja gerade die fleischgewordene Erinnerung an meine Ururur..etc..Grosseltern. Ich dauere als ihre Wirkung im Präsens fort, das heisst ich gebe Zeugnis darüber, dass das Gewesene war. Durch mich ist also die Erinnerung an sie Wirklichkeit. Sie waren, weil ich bin.
Meine Aussage aber war, dass wenn das, was war, im Präsens nicht mehr fortfauert, weder als Erinnerung noch auch als Wirkung, es diese Tatsache nicht mehr geben kann, weil es kein Bewusstsein mehr gibt, das es bergen würde.
Denn welches Bewusstsein würde es feststellen können?
Das heisst aber nicht, dass etwas Ontisches festgestellt werden müsse, damit es sei, sondern dass eine Erinnerung kein Stein ist und auch kein Meteorit oder kein unbekanntes chemisches Element. Etwas nicht zu wissen, heisst nicht, dass es nicht sei. Das würde ich nicht behaupten. Ich glaube nicht, dass Faktizität an unser Bewusstsein von ihr geknüpft ist. Ich sage aber, dass erinnerte Tatsachen eine andere Form von Faktizität ist als diejenige eines Steins, Meteorits oder eines unbekannten chemischen Elements.
Wenn man nämlich annimmt, dass eine erinnerte Tatsache auf ewig in der Vergangenheit fortdauere, dann müsste man doch angeben, worin sie fortdauer. Dann müssten wir diese Vergangenheit als ewige denken, darin alles, was je war, erhalten bliebe. Für die Ewigkeit dieser Vergangenheit bräuchte es ein ewiges Bewusstsein, das es birgt. Will man aber keinen Gott denken, der dieses ewige Bewusstsein darstellt, dann müssen wir Bewusstsein als endlich anschauen. Gehen wir also einmal davon aus, dass einmal überhaupt kein Bewusstsein mehr sei, dann gäbe es ja auch keine Fähigkeit mehr, diese bewusstseinsgebundene Erinnerung zu zu haben, wo das Gewesene drin geborgen ist. Der Stein, der Meteorit, das chemische Element, das existiert dann immer noch, aber nicht die Tatsache, dass etwas je gewesen war.
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Nehmen wir an, es gäbe kein Bewusstsein von etwas einmal Gewesenem, das nicht mehr fortdauert im Präsens. Worin sollte das Gewesene je geborgen sein?
Darum verstehe ich deinen @Jörn Einwand nicht. Auch ich plädiere für einen ontologischen Realismus. Aber wenn das Sinnfeld von Erinnerungen Bewusstsein ist, und es gerade dieses Sinnfeld nicht mehr gibt, dann kann darin auch nichts erscheinen, gerade auch dann nicht als Gewesenes. Weil die Existenz des Gewesenen eben die Erinnerung ist.
Darum verstehe ich deinen @Jörn Einwand nicht. Auch ich plädiere für einen ontologischen Realismus. Aber wenn das Sinnfeld von Erinnerungen Bewusstsein ist, und es gerade dieses Sinnfeld nicht mehr gibt, dann kann darin auch nichts erscheinen, gerade auch dann nicht als Gewesenes. Weil die Existenz des Gewesenen eben die Erinnerung ist.
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Den Hint mit der Eingrenzung dessen, was als Erinnerung gelten könnte hast du aber schon gelesen, oder?Alethos hat geschrieben : ↑Di 17. Okt 2017, 22:51Das ist ein sehr merkwürdiges Beispiel, weil du mir direkt ein gutes Argument für meine Behauptung lieferstnovon hat geschrieben : ↑Di 17. Okt 2017, 21:17Denkst du, das es zutreffend ist, dass deine Urururururururururururururururururgroßeltern jenen deiner Vorfahren gezeugt haben, der letztlich zu deiner Zeugung führte? Erinnert sich da jemand dran (Hint: Dein Genom stellt kein Subjekt dar, das des Erinnerns fähig wäre.)
Auch erinnert sich niemand daran, dass vor zwei-/dreitausend Jahren ein Meteor das heutige Bayern und Umgebung verwüstet hat. Das lässt sich nicht aus Erinnerung nachvollziehen, sondern aus Nachweisen. etcppqrstxyvw.
Hmm... Ja, aber eben rein als Fleisch. Erinnerung geht auf Mentales. In Bezug auf deine Urur...urIrgendwas wirst du keine Erinnerungen haben. Spekulationen vielleicht. Das du quasi da bist, auch ohne dass die eine solche Erinnerung an deine ururigsten Vorfahren vorliegt, ist deine These oben quasi ratzeputz vom Tisch. Es braucht keine Erinnerung irgendjemandes, dass du bist, dass du hier schreibst, etc. Es geht umgekehrt: Du schreibst hier, also wurde da vor urururur...Zeiten mal kopuliert, gezeugt, so dass am Ende der Linie mal Alethos in die Welt geworfen wird um letztlich hier Posts abzusondern. (Das Ganze mal statistisch ausgewertet stehen die Chancen dafür übrigens horrend schlecht.)Alethos hat geschrieben : ↑Di 17. Okt 2017, 22:51Ich bin ja gerade die fleischgewordene Erinnerung an meine Ururur..etc..Grosseltern. Ich dauere als ihre Wirkung im Präsens fort, das heisst ich gebe Zeugnis darüber, dass das Gewesene war. Durch mich ist also die Erinnerung an sie Wirklichkeit. Sie waren, weil ich bin.
Wo fand sich der Hinweis, dass Erinnerung und aktuale Wirkung Synonym zu nehmen wären?
Weites Feld. Aber um dem irgendwas abgewinnen zu können, müsste schon ein (starker) Idealismus vorausgesetzt sein. Ich gähn da meistens recht müde...
Ja okay. Die würde man dann als subjektiv bekannt bzw. antezepiert bezeichnen. Das wäre aber ein anderes Paar Schuhe.Alethos hat geschrieben : ↑Di 17. Okt 2017, 22:51Das heisst aber nicht, dass etwas Ontisches festgestellt werden müsse, damit es sei, sondern dass eine Erinnerung kein Stein ist und auch kein Meteorit oder kein unbekanntes chemisches Element. Etwas nicht zu wissen, heisst nicht, dass es nicht sei. Das würde ich nicht behaupten. Ich glaube nicht, dass Faktizität an unser Bewusstsein von ihr geknüpft ist. Ich sage aber, dass erinnerte Tatsachen eine andere Form von Faktizität ist als diejenige eines Steins, Meteorits oder eines unbekannten chemischen Elements.
Du lebst, atmest, soffwechselst...? Also haben nicht nur deine Eltern, sondern auch deine Ur...ureltern Bummbummyeah. Völlig egal, ob sich irgendjemand je daran erinnern würde. Bumm Bumm, Yeah...
Ja, wir wissen zwar oft nicht, ob etwas wahr ist, aber wenn wir es wissen, ist es ewig. (Wenn wir es nicht wissen, zwar auch, aber dann wissen wir es eben nicht.)
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)
Das hatte allerdings nichts damit zu tun, was wir wissen. Ein an Demenz erkrankter Mensch weiß vielleicht nicht, dass er heute zwei Stunden im Garten gesessen hat, nichts desto trotz ist es eben wahr, sofern er denn heute zwei Stunden im Garten gesessen hat. Darüber hinaus können wir uns sowieso täuschen. Dass alles ändert aber nichts daran, dass Sachverhalte wahr ausgesagt werden können, was dann auch nicht dazu in Abhängigkeit gerät, wann (danach) darüber ausgesagt wird und auch nicht davon, ob überhaupt darüber ausgesagt wird.
Etwas wird nicht dadurch wahr, dass man es benennt, ja.
Aber zu wissen, ob nun das, was man behauptet wahr ist, ist ja gelegentlich auch von Interesse.
„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)