Erinnerungen oder was ist eine Unzeit

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Tosa Inu
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Sa 21. Okt 2017, 09:24

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Ok, Tatsachen liegen vor. Sie können verifiziert oder falsifiziert werden.
Nein. Tatsachen, die falsifiziert werden können, sind keine.
Eine Behauptung, etwas sei eine Tatsache, kann falsch sein, das ja.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Das meine ich: Wir machen Aussagen über Tatsachen und darum kann der Aussage Wahrheit zukommen oder nicht. Das ist ja eine Korrespondenztheorie.
Eigentlich müssten man sagen: Wir stellen Behauptung auf, dass es sich bei x um
eine Tatsache handelt.
Und ja, das ist die Korrespondenztheorie der Wahrheit.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
In diesem Thread geht es um Erinnerungen, d.h. das heisst erstmal um Aussagen über die Tatsache des Gewesensein.
Ja, auch dies sind Behauptungen (dass man sich korrekt erinnert) und können damit wahr oder falsch sein.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Also, wenn es nicht mehr klar ist, was ihr einmal sagtet, dann können wir uns ja glücklicherweise gemeinsam erinnern :D :
Ja, und das könnte wahr oder falsch sein. Auch 12 Leute können sich falsch erinnern. (Aufgrund von Gruppendynamiken ist das sogar eher wahrscheinlich, dass man am Ende hübsch übereinstimmt, aber die Sache einfach nicht so ganz stimmt.)
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Es gibt Wahrheit, selbst dann, wenn sie nicht ausgesagt wird?
Streng genommen geht Wahrheit mit einer Behauptung einher. Tatsachen nicht. Die Tatsache, dass Goldatome 79 Protonen im Kern haben ist auch dann eine, wenn das niemand behauptet. Die Aussage, dass Goldatome 79 Protonen besitzen ist allerdings immer ein Behauptung, so weit wir wissen, eine, die wahr ist.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Das gerade hattest du oben mit der Unterscheidung zwischen Tatsache und Aussagen gerade bestritten. Aussagen können wahr sein, Tatsachen sind aber Sachverhalte. Ja nü, was nün.
Nur Aussagen kann überhaupt ein Wahrheitswert (wahr/falsch) zukommen. Goldatomen nicht. Dieses Goldatom ist falsch, ist kein sinnvoller Satz.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 21. Okt 2017, 09:30

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:17
Ich finde nur, es ist nicht richtig, einmal von Tatsachen zu sprechen als Wahrheit und dann wieder nur von Aussagen zu sprechen als Wahrheit.

Habe ich in der Antwort davor versucht zu klären.
Tasachen sind, wie sie sind.
Wahrheitsbehauptungen sagen, dass etwas eine Tatsache sei.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:17
Und bei Pythagoras sprichst du dann schon von Geltung. Das ist wieder ein in diesem Gespräch neu eingeführter Wahrheitsbegriff.
Mein Fehler.
Ich meinte einfach Wahrheit, in dem hier verwendeten Sinn.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 21. Okt 2017, 09:32

novon hat geschrieben :
Fr 20. Okt 2017, 23:55
Jörn Budesheim hat geschrieben :
Fr 20. Okt 2017, 11:11
Tosa Inu hat geschrieben :
Fr 20. Okt 2017, 11:02
Wenn es heißt Operationen zuverlässig auszuführen, dann ja.
Meines Erachtens rechnen die Rechner nicht. Sie wissen nicht was sie tun, sie haben keinen Begriff von richtig und falsch, das heißt keine Vorstellung von Objektivität. Wenn aber "Nachschauen" das Kriterium ist, dann muss man ihnen die "Fähigkeit" zu rechnen dennoch zugestehen.
Das Wissen, dass Rechner rechnen lässt ist das Wissen der Ingenieure, die diese konzipieren und konstruieren (inklusive etwaiger Fehler, s. Pentium Bug). Chips wissen nicht. Sie stellen nichts weiter als das manifeste Kondensat menschlicher Abstraktion des Rechenvorgans dar (auch Abakusse etc. fallen in diese Kategorie).
Wenn Chips nicht rechnen, so können sie auch nicht erinnern, korrekt?

Einmal angenommen, Chips können nach Kriterien wahr oder falsch unterscheiden, also Wahrheit simulieren / herstellen oder wie auch immer, es gäbe aber nirgends Ingenieure oder Chips, die das könnten: Wo ist dann Wahrheit?
Dass man mich richtig versteht: Ich möchte ja nicht eine konstruktivistische Wahrheitstheorie postulieren.
Dass Sachverhalte sind, wenn kein wie auch immer geartetes Bewusstsein ist (z.B. ein Cip oder künstliche Intelligenz etc.), das halte ich für eine wahre Aussage. Ich möchte also nicht die Realität wegdiskutieren :D
Aber ich möchte auf den Kern eures Verständnisses von Ewigkeit und von Wahrheit vordringen.



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Sa 21. Okt 2017, 09:36

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:24
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:05
Ok, Tatsachen liegen vor. Sie können verifiziert oder falsifiziert werden.
Nein. Tatsachen, die falsifiziert werden können, sind keine.
Eine Behauptung, etwas sei eine Tatsache, kann falsch sein, das ja.
Die Krux ist, dass Tatsachen nur als Aussagen für uns vorkommen.

Und du schreibst ja dann weiter im Beitrag, dass Wahrheit strenggenommen nur Aussagen über etwas sei. Nun denn, man mache keine Aussage, also habe man auch keine Wahrheit?



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Sa 21. Okt 2017, 09:42

@Alethos:

Ich nörgel aber gerne mit. Mich stört an der Korrespondenztheorie, dass oft bei Alltäglichkeiten im Unklaren bleibt, ob nun etwas eine Tatsache ist, oder nicht.
Man kann das unter Meinung verbuchen, aber bei Licht betrachtet schrumpft die Zahl der Wahrheiten (aus der Korrespondeztheorie) dann recht dramatisch und beschränkt sich weitgehend auf logische Systeme und messbare Tatsachen, wie Atomkerne oder die Höhe von Türmen.

Aber ist es das, worüber wir uns streiten? Was tun beim Klimawandel, wie gut sind Gendertheorien, wann ist jemand fair oder nett? Welches Wirtschaftssystem ist am besten für uns geeignet, welche Ursachen hat der konservative Ruck in Europa, welche Wahrheitstheorien sind am besten geeignet, Wahrheit zu beschreiben? Ist Religion ein Übel oder Segen, was sind Wirkungen ... alles so Dinger bei denen sich die jeweiligen Vertreter nicht damit zufrieden geben würden, dass sie nur Meinungen verkünden, sie würden behaupten, ihre Ansicht sei wahr, weil ... und dann kommen die unbestreitbaren Fakten, mit denen die Theorien so unterfüttert sind.



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Sa 21. Okt 2017, 09:43

Richtig, wenn man Wahrheit an Aussagen knüpft, gibt es keine Wahrheiten, wenn es keine Aussagen gibt. Daraus folgt meines Erachtens aber nicht, dass der Wahrheitswert einer Aussage eine Art Ablaufdatum hat. Die nämlichen Probleme ergeben sich mit einem ontischen Wahrheitsbegriff übrigens nicht. Das gleiche gilt Tatsachen, meine ich. Tatsachen bestehen einfach, ob sie registriert werden oder nicht.




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Sa 21. Okt 2017, 09:46

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:36
Nun denn, man mache keine Aussage, also habe man auch keine Wahrheit?
Richtig.
Die Tatsachen bleiben bestehen, die Wahrheit ist insofern weg, als niemand aktuell behauptet, dass es sich bei x um eine handelt.
Und manche Konstruktivisten machen den Fehler, dass sie meinen wo nichts behauptet wird, gäbe es auch keine Tatsachen mehr. Das finde ich ziemlich wirr.
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Sa 21. Okt 2017, 09:53, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 21. Okt 2017, 09:51

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:42
@Alethos:

Ich nörgel aber gerne mit. Mich stört an der Korrespondenztheorie, dass oft bei Alltäglichkeiten im Unklaren bleibt, ob nun etwas eine Tatsache ist, oder nicht.
Man kann das unter Meinung verbuchen, aber bei Licht betrachtet schrumpft die Zahl der Wahrheiten (aus der Korrespondeztheorie) dann recht dramatisch und beschränkt sich weitgehend auf logische Systeme und messbare Tatsachen, wie Atomkerne oder die Höhe von Türmen.

Aber ist es das, worüber wir uns streiten? Was tun beim Klimawandel, wie gut sind Gendertheorien, wann ist jemand fair oder nett? Welches Wirtschaftssystem ist am besten für uns geeignet, welche Ursachen hat der konservative Ruck in Europa, welche Wahrheitstheorien sind am besten geeignet, Wahrheit zu beschreiben? Ist Religion ein Übel oder Segen, was sind Wirkungen ... alles so Dinger bei denen sich die jeweiligen Vertreter nicht damit zufrieden geben würden, dass sie nur Meinungen verkünden, sie würden behaupten, ihre Ansicht sei wahr, weil ... und dann kommen die unbestreitbaren Fakten, mit denen die Theorien so unterfüttert sind.
Ja, und weil das so ist, dass wir den Wahrheitsbegriff nicht nur auf Tatsachen anwenden, sondern auch auf moralische Einstellungen, ist es sehr schwierig hier einfach nur eine Korrespondenztheorie anzuwenden. Es geht bei Wahrheit auch um Gefühle, um einen Sollenszustsnd, den man aus bestimmten Gründen anstrebt. Es geht also auch um Politik und um alles das, was für einen wichtig ist. Das können wir gerne im Wahrheitsthread weiterdenken.

Ich meine nur, dass wir uns besinnen und ein wenig vorsichtiger sind mit Aussagen der Art: ‚Das ist eine Tatsache. Sie gilt uneingeschränkt für immer.‘ Wir können uns aus dieser Welt nicht herausdividieren und einen göttlichen Blick einnehmen und meinen, die Tatsachen in ihrer ewigen Wahrhaftigkeit zu erblicken. Das halte ich für eine Perspektive, die uns nicht zusteht. Ich sage nicht, dass uns Wahrheit nicht zustünde, ich meine das vielmehr so, dass wir darüber im Klaren bleiben, dass wir Indiziensucher sind und nicht Wahrheitspropheten.



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Sa 21. Okt 2017, 10:02

Jörn Budesheim hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:43
Richtig, wenn man Wahrheit an Aussagen knüpft, gibt es keine Wahrheiten, wenn es keine Aussagen gibt. Daraus folgt meines Erachtens aber nicht, dass der Wahrheitswert einer Aussage eine Art Ablaufdatum hat. Die nämlichen Probleme ergeben sich mit einem ontischen Wahrheitsbegriff übrigens nicht. Das gleiche gilt Tatsachen, meine ich. Tatsachen bestehen einfach, ob sie registriert werden oder nicht.
Ich glaube schon, dass der Wahrheitswert einer Aussage ein Verfalldatum hat. Wie gesagt, ich bin noch nicht ganz Freund mit der Ewigkeit :)

Dass Tatsachen bestehen, ob sie registriert werden oder nicht, das halte ich übrigens für richtig und ich denke, dass dies so ist, gibt uns allen eine verlässliche Welt. In ihr bewegen wir uns und wir referenzieren auf sie. Es ist existenziell, so denke ich, dass Tatsachen sind, registriert oder unregistriert. Aber ich denke auch, dass Tatsachen untergehen können und verfallen. Das halte ich für genauso existenziell.
Zuletzt geändert von Alethos am Sa 21. Okt 2017, 10:04, insgesamt 1-mal geändert.



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Sa 21. Okt 2017, 10:02

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:51
Ich meine nur, dass wir uns besinnen und ein wenig vorsichtiger sind mit Aussagen der Art: ‚Das ist eine Tatsache. Sie gilt uneingeschränkt für immer.‘ Wir können uns aus dieser Welt nicht herausdividieren und einen göttlichen Blick einnehmen und meinen, die Tatsachen in ihrer ewigen Wahrhaftigkeit zu erblicken. Das halte ich für eine Perspektive, die uns nicht zusteht. Ich sage nicht, dass uns Wahrheit nicht zustünde, ich meine das vielmehr so, dass wir darüber im Klaren bleiben, dass wir Indiziensucher sind und nicht Wahrheitspropheten.
Was wir nicht sicher wissen, wissen wir nicht sicher. So zu tun als sei es anders, ist Propaganda.
Einiges wissen wir allerdings sicher. 5+7=12. Sicher. Nicht vermutlich oder nächste Woche vielleicht schon nicht mehr und eventuell war es bei den Römern aber 12, 8 oder 14. Nee, 12. Das ist auch dann noch wahr, falls nur noch tote Steine und erkaltendes Eisen ihre einsamen Bahnen durchs All ziehen sollten, lange nachdem irgendein bewusstes Wesen den letzten Gedanken dachte. Aber ob das Universum so endet, ist Spekulation, vielleicht ist ja alles Bewusstsein. ;)



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Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:02
Aber ich denke auch, dass Tatsachen untergehen können und verfallen.
Wie das?
Gerade im Kontext Deiner weiteren Ausführungen finde ich das völlig unverständlich.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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Sa 21. Okt 2017, 10:07

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:02
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 09:51
Ich meine nur, dass wir uns besinnen und ein wenig vorsichtiger sind mit Aussagen der Art: ‚Das ist eine Tatsache. Sie gilt uneingeschränkt für immer.‘ Wir können uns aus dieser Welt nicht herausdividieren und einen göttlichen Blick einnehmen und meinen, die Tatsachen in ihrer ewigen Wahrhaftigkeit zu erblicken. Das halte ich für eine Perspektive, die uns nicht zusteht. Ich sage nicht, dass uns Wahrheit nicht zustünde, ich meine das vielmehr so, dass wir darüber im Klaren bleiben, dass wir Indiziensucher sind und nicht Wahrheitspropheten.
Was wir nicht sicher wissen, wissen wir nicht sicher. So zu tun als sei es anders, ist Propaganda.
Einiges wissen wir allerdings sicher. 5+7=12. Sicher. Nicht vermutlich oder nächste Woche vielleicht schon nicht mehr und eventuell war es bei den Römern aber 12, 8 oder 14. Nee, 12. Das ist auch dann noch wahr, falls nur noch tote Steine und erkaltendes Eisen ihre einsamen Bahnen durchs All ziehen sollten, lange nachdem irgendein bewusstes Wesen den letzten Gedanken dachte. Aber ob das Universum so endet, ist Spekulation, vielleicht ist ja alles Bewusstsein. ;)
Jetzt kommst du wieder daher mit Mathematik und postulierst eine ewige Wahrheit ganz so, als sei gerade Mathematik keine Aussage.

Ich bitte doch um ein wenig Erinnerungsvermögen :) Wo keine Aussage, da keine Wahrheit.



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Sa 21. Okt 2017, 10:12

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:05
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:02
Aber ich denke auch, dass Tatsachen untergehen können und verfallen.
Wie das?
Gerade im Kontext Deiner weiteren Ausführungen finde ich das völlig unverständlich.
Dieser Thread wird unübersichtlich :)
Wenn du ganz genau liest, was ich geschrieben habe, dann wirst du vielleicht erkennen, dass es konsistent ist oder aber ich werde mich korrigieren müssen. Oder beides ist der Fall.

Wenn Tatsachen das sind, was der Fall ist, dann kann das, was der Fall ist, auch nicht mehr der Fall sein.



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Sa 21. Okt 2017, 10:18

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:07
Jetzt kommst du wieder daher mit Mathematik und postulierst eine ewige Wahrheit ganz so, als sei gerade Mathematik keine Aussage.
Mathemathik ist ja keine Aussage, sondern ein logisches oder axiomatisches System, das uns überhaupt erst in die Lage versetzt Wahrheit zu behaupten.
Nicht jede Aussage ist eine Wahrheitsbehauptung. "Hilfe!", ein Fluch oder das Erzählen eines Witzes sind keine Wahrheitsbehauptungen.



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Sa 21. Okt 2017, 10:22

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:12
Wenn Tatsachen das sind, was der Fall ist, dann kann das, was der Fall ist, auch nicht mehr der Fall sein.
Jein.
Es kann wahr sein, dass es jetzt im Ruhrpott regnet. Irgendwann hört der Regen auch wieder auf.
Dennoch ist die zum Zeitpunkt t gemachte Aussage, dass es damals im Ruhrpott, beim Blick aus meinem Fenster regnete, wahr.
Auch im nächsten Hochsommer und auch wenn die Sonne ein roter Riese ist und uns alle verbruzzelt hat.

Ach so, das "Jein".
An dem Einwand, dass Tatsachen oft zu solchen gemacht werden, ist - wenn vielleicht auch über zwei Banden - etwas dran.



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Sa 21. Okt 2017, 10:33

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:18
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:07
Jetzt kommst du wieder daher mit Mathematik und postulierst eine ewige Wahrheit ganz so, als sei gerade Mathematik keine Aussage.
Mathemathik ist ja keine Aussage, sondern ein logisches oder axiomatisches System, das uns überhaupt erst in die Lage versetzt Wahrheit zu behaupten.
Nicht jede Aussage ist eine Wahrheitsbehauptung. "Hilfe!", ein Fluch oder das Erzählen eines Witzes sind keine Wahrheitsbehauptungen.
Gut, Ich mag darüber nicht diskutieren, dass das axiomatische System nur dann Wahrheit produziert, wenn es angewandt wird. Dass eine Formel dort steht, ist zunächst mal eine Tatsache. Dass diese Formel eine wahre Aussage macht. Ist ebenso eine Tatsache. Zu sagen, Mathematik sei ein System, das keine Aussagen produziert (wahre und unwahre), halte ich für Augenwischerei.



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Sa 21. Okt 2017, 10:41

Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:22
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:12
Wenn Tatsachen das sind, was der Fall ist, dann kann das, was der Fall ist, auch nicht mehr der Fall sein.
Jein.
Es kann wahr sein, dass es jetzt im Ruhrpott regnet. Irgendwann hört der Regen auch wieder auf.
Dennoch ist die zum Zeitpunkt t gemachte Aussage, dass es damals im Ruhrpott, beim Blick aus meinem Fenster regnete, wahr.
Auch im nächsten Hochsommer und auch wenn die Sonne ein roter Riese ist und uns alle verbruzzelt hat.
Ich finde deine Argumentation deshalb inkonsistent: Einmal ist Wahrheit eine Aussage, dann aber eine Tatsache. Das ist einfach Kategorienswitching :D Dann wiederum sagst du, dass eine Wahrheit, weil sie einmal wahr gewesen sei, immer wahr sei, ob man sie nun aussagen kann oder nicht. Nun konzediertest du aber gerade das: Eine Aussage produziere Wahrheit im Sinne von wahr oder falsch. Eine Behauptung sei wahrheitsfähig. Und ob ein roter Riese alle Behauptungen eliminiert, ist doch relevant für die Wahrheitsfähigkeit deiner Behauptung, insofern sie gar nicht mehr wäre.

Nun also, dreht sich dieses Gespräch um Wahrheit, obschon sie ja gerade um Erinnerungen drehen möchte. Aber es ist schon gut, wenn wir zunächst einmal klären, was der Unterschied zwischen Tatsachen und Wahrheit ist. Dann können wir nämlich weitergehen und fragen: Was hat diese Erinnerung für einen Wahrheitswert, die nirgends mehr ist.



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Sa 21. Okt 2017, 10:49

Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:33
Gut, Ich mag darüber nicht diskutieren, dass das axiomatische System nur dann Wahrheit produziert, wenn es angewandt wird.
Muss man nicht, weil ist ja so.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:33
Dass eine Formel dort steht, ist zunächst mal eine Tatsache. Dass diese Formel eine wahre Aussage macht. Ist ebenso eine Tatsache. Zu sagen, Mathematik sei ein System, das keine Aussagen produziert (wahre und unwahre), halte ich für Augenwischerei.
Das habe ich nicht gemeint. Im Gegenteil. Logische Systeme versetzen uns überhaupt erst in die Lage Behauptungen aufzustellen, Aussagen, die Wahrheiten beanspruchen zu formulieren.

Logik (und Mathematik) ist sozusagen in die Sprache eingewoben und kann aus dieser extrahiert werden. Die Logik (und Mathematik und irgendwie auch die Sprache) spezialisiert sich dann und wir erkennen ihre Herkunft aus der Alltagssprache kaum noch. Aber da fing das alles mal an.

Auch das bringt Brandom m.E. schön auf den Punkt:
Robert Brandom hat geschrieben : „Die Wörter bilden ein eigenes und weitgehend unabhängiges Reich innerhalb der Welt – nicht nur in dem Sinne, dass die nichtsprachlichen Tatsachen im wesentlichen dieselben sein könnten, auch wenn die spezifisch sprachlichen Tatsachen (als eine Klasse der Tatsachen über die Welt) ganz anders wären, sondern auch in dem Sinne, dass die Wörter (Geräusche, Zeichen usw.) im wesentlichen so sein könnten, wie sie sind, auch wenn die nichtsprachlichen Tatsachen ganz anders sind. Aber unsere diskursiven Praktiken, wie sie hier aufgefasst werden, sind von der übrigen Welt nicht in dieser Weise isoliert. Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn welche Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt. Doch unsere sprachlichen Praktiken könnten nicht so sein, wie sie sind, wenn die nichtsprachlichen Tatsachen anders wären.
Denn diese Praktiken sind keine Dinge, wie Wörter als Geräusche oder Zeichen, die unabhängig von ihren Gegenständen und den von ihnen ausgedrückten Tatsachen spezifizierbar wären. Zu den diskursiven Praktiken gehört wesentlich ein Austausch mit den Gegenständen der Welt beim Wahrnehmen und Handeln. Zu den in diesen Praktiken implizit enthaltenen begrifflichen Richtigkeiten gehören empirische und praktische Dimensionen. Alle unsere Begriffe sind das, was sie sind, zum Teil wegen ihrer inferentiellen Verknüpfungen mit solchen, die nichtinferentielle Umstände und Folgen der Verwendung haben – also, mit Begriffen, deren richtiger Gebrauch nicht unabhängig von der Berücksichtigung der Tatsachen und Gegenstände spezifizierbar ist, von denen sie responsiv hervorgebracht werden oder die sie durch ihre Anwendung hervorbringen. Die normative Struktur der Autorität und Verantwortung, die Beurteilungen und Zuweisungen der Verlässlichkeit beim Wahrnehmen und Handeln aufweisen, ist kausal bedingt.“
(Robert Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. Suhrkamp 2000, S.474)



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Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Ich finde deine Argumentation deshalb inkonsistent: Einmal ist Wahrheit eine Aussage, dann aber eine Tatsache.
Eigentlich sage ich die ganze Zeit, dass Wahrheit eine Eigenschaft von Aussagen ist.
Tatsachen bestehen unanhängig davon, ob jemand etwas über sie aussagt, d.h. sie sind keine Eigenschaft von Aussagen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Dann wiederum sagst du, dass eine Wahrheit, weil sie einmal wahr gewesen sei, immer wahr sei, ob man sie nun aussagen kann oder nicht.
Wo ist das Problem? Etwas ist auch dann eine Wahrheit, wenn niemand sie behauptet, in dem Sinne, dass sie jemand behaupten könnte. Sofern die Behauptung - aufgestellt oder nicht - mit den Tatsachen übereinstimmt.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Nun konzediertest du aber gerade das: Eine Aussage produziere Wahrheit im Sinne von wahr oder falsch.
Ja, weil nur Aussagen ein Wahrheitswert zukommen kann. Gold ist nicht wahr. Hefe auch nicht. 81 auch nicht.
Das alles ergibt erst Sinn im Kontext einer Wahrheit behauptenden Aussage, dass bspw. der Ring aus Gold sei, in dem Kuchen ein Backtriebmittel ist und dass 83-2=81 sind.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Eine Behauptung sei wahrheitsfähig. Und ob ein roter Riese alle Behauptungen eliminiert, ist doch relevant für die Wahrheitsfähigkeit deiner Behauptung, insofern sie gar nicht mehr wäre.
Es werden doch die Behauptungen nicht eliminiert. Die werden doch bspw. heute schon aufgestellt. Wenn die Sonne uns verbruzzelt sind sie dennoch aufgestellt worden und hätten sich dann sogar als wahr erwiesen.
Das ist doch der Kategorienfehler, die Tatsache, dass etwas nicht mehr geäußert werden kann als Beweis gegen die Wahrheit anzuführen.
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Nun also, dreht sich dieses Gespräch um Wahrheit, obschon sie ja gerade um Erinnerungen drehen möchte. Aber es ist schon gut, wenn wir zunächst einmal klären, was der Unterschied zwischen Tatsachen und Wahrheit ist. Dann können wir nämlich weitergehen und fragen: Was hat diese Erinnerung für einen Wahrheitswert, die nirgends mehr ist.
Sie ist wahr, wird aber nicht erinnert.
M.E. ist das vollkommen unproblematisch.
Brandom sagt es im obigen Zitat so: "Die nichtsprachlichen Tatsachen könnten im wesentlichen so sein, wie sie sind, auch wenn unsere diskursiven Praktiken ganz andere wären (oder es keine gäbe), denn welche Behauptungen wahr sind, hängt nicht davon ab, ob sie jemand aufstellt."
Zuletzt geändert von Tosa Inu am Sa 21. Okt 2017, 11:17, insgesamt 1-mal geändert.



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Tosa Inu hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 11:05
Alethos hat geschrieben :
Sa 21. Okt 2017, 10:41
Dann wiederum sagst du, dass eine Wahrheit, weil sie einmal wahr gewesen sei, immer wahr sei, ob man sie nun aussagen kann oder nicht.
Wo ist das Problem? Etwas ist auch dann eine Wahrheit, wenn niemand sie behauptet, in dem Sinne, dass sie jemand behaupten könnte. Sofern die Behauptung - aufgestellt oder nicht - mit den Tatsachen übereinstimmt.
Zur Erläuterung. Es könnte eine Tatsache sein, dass meine Körpertemnperatur gerade 36,8°C beträgt.
Wenn niemand die Behauptung aufstellt, dass dies genau jetzt so ist, bleibt es dennoch eine Tatsache, dass dies am 21.10.17 um 11.12 Uhr so war.
Behauptet jemand in Millionen Jahren, in einer anderen Galaxis, vor langer Zeit habe es auf der Erde einen sog. Rurpott mit Einwohnern gegeben und am 21.10.17 um 11.12 Uhr hätte einer dieser Einwohner eine Temperatur von 36,8°C gehabt, dann wäre das wahr, auch wenn niemand mehr überprüfen oder erinnern kann, ob das stimmt.



„Die Tiere machen einen ja nachdenklich. Wir gehen doch noch außerdem zum Friseur u. begaunern die Kundschaft, sonst alles ebenso. Sich lausen u. wichsen, – Kinder, Kinder! Das nennt sich Schöpfung!“ (Gottfried Benn, im Brief, nach Zoobesuch der Affen)

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